Protokoll der Sitzung vom 26.01.2000

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Richstein. - Das Wort geht an die Landesregierung, Herrn Minister Schönbohm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag ist keine Grundlage, um noch einmal insgesamt über die Asylproblematik zu diskutieren. Dennoch möchte ich

nochmals in Erinnerung rufen, was unter den demokratischen Parteien Konsens ist.

Konsens ist, dass unser Ausländer- und Asylrecht auf der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention aufbaut. Damit wird es m ausreichendem Maße ausländer- und asylrechtlichen Bestimmungen gerecht. Zudem gewährleistet Artikel 16 a Grundgesetz das Individualrecht auf Asyl.

Zum Zweiten ist ganz eindeutig klar, dass alle an einem Asylverfahren Beteiligten Rechtssicherheit genießen, weil es hierfür in unserem Land ausreichenden Rechtsschutz gibt.

Darüber hinaus sind sich die im Bundestag vertretenen Parteien, abgesehen von der PDS. darüber klar, dass verfügte Rückführungen grundsätzlich im Rahmen des geltenden Ausländerund Asylrechts vollzogen werden müssen. Ebenso besteht Eini gkeit darüber, dass wir einen zu hohen Zugang an Asylbewerbern aus wirtschaftlichen Gründen und nicht wegen der politischen Verfolgung, die vielfach herbeigeführt wird, verzeichnen. Zudem darf ein unbegründetes Asylbegehren nicht zur Erlangung dauerhaften Aufenthalts im Bundesgebiet führen.

In diesem Zusammenhang haben wir im Rahmen der Innenministerkonferenz die so genannte Härtefallregelung beschlossen, die besagt, dass diejenigen, die vor dem 01.07.1993 eingereist sind, unter bestimmten Bedingungen hier bleiben können. Was hätten Sie eigentlich gesagt, wenn der entsprechende Termin 01.07.1994 gelautet hätte? Ich vermute, Sie hätten einen Antrag gestellt, eine Verlängerung auf den 01.07.1995 herbeizuführen. Darauf komme ich gleich noch.

Wir, das Land Brandenburg, haben diesem Kompromiss nach zähen Verhandlungen zugestimmt. Das gilt auch für die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern, die bekanntlich von einer SPD/PDS-Koalition getragen wird. Bei all den Diskussionen, die wir im Rahmen der Innenministerkonferenz durchlaufen haben, konnte ich nicht feststellen, dass Mecklenburg-Vorpommern die Auffassun g vertreten hat, die Sie von der PDS soeben deutlich gemacht haben. Vielleicht können Sie Ihre Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern ermuntern, ihre politische Artikulation in der Landesregierung so zur Geltung zu bringen, dass Sie dort ankommt, wo es auch besprochen wird, oder Sie werden hier etwas stiller! Beides zusammen passt nicht.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte auch noch etwas anderes deutlich machen. Die inhaltlichen Ansprüche an die Altfallregelung - sie wurde hier besprochen - bilden die Voraussetzung für eine unabdingbare Integrationsleistung,. Diese Integrationsleistung wollen wir. Wer auf Dauer im Bundesgebiet bleibt, muss diese Leistung erbringen können.

Ich darf daran erinnern, dass wir in Deutschland im Vergleich mit den übrigen Ländern der Europäischen Union einen hohen Anteil an Asylbewerbern haben. Ohnehin stellt sich die Frage, wie wir mit unserem gesamten Asylrecht umgehen, wenn die Europäische Union weiter zusammenwächst. Aber diese Frage stellt sich heute nicht.

Vielmehr sind wir uns über Folgendes einig: Nach Artikel 16 Abs. 1 Grundgesetz genießt Asyl, wer politisch verfolgt ist. Asyl ist nicht Schutz schlechthin, sondern Schutz vor Zugriff des Staates und vor staatlich tolerierten Übergriffen. Dies ist ein Individualrecht.

Zudem dürfen keine Anreize dafür geschaffen werden, dass Ausländer zur Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet einreisen. Von daher kann ich mir schon vorstellen, dass wir die einzelnen Bestimmungen des Asylbewerberleistrangsgesetzes überprüfen. Dahinter steht zum Beispiel die Überlegung, ob diejenigen. die illegal in unser Land eingereist sind, überhaupt noch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen sollen. Auch darüber könnte man einmal diskutieren.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erweiterung auf den von Ihnen genannten Personenkreis wäre ein falsches politisches Signal. Darum bitte ich Sie, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Schönbohm. - Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen und kommen zur Abstimmung. Wir stimmen darüber ab, den Antrag der Fraktion der PDS in der Drucksache 31492 an den Ausschuss für Inneres zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dem Überweisungsantrag mehrheitlich nicht zugestimmt worden.

Wir kommen zur direkten Abstimmung über die Drucksache 3/492. Wer dieser Drucksache seine Zustimmung gibt. den bitte ich um sein Handzeichen. - Ge genstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Einberufung eines „Runden Tisches Kita"

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/493

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion der PDS. Frau Kaiser-Nicht, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die brandenburgisehe Verfassung formuliert die Verpflichtung für das Land, die Gleichstellung von Frau und Mann unter anderem in Beruf und Familie durch wirksame Maßnahmen zu unterstützen. Die Landesregierung plant derzeit das Gegenteil. Ihr Vorhaben, für Kinder bis zu zwei Jahren und ab zehn Jahren den Rechtsanspruch auf Betreuung im Kindergarten oder im Hort abzuschaffen und dabei in Zukunft pro Jahr 65 Millionen DM zu kürzen, lässt sich

nur realisieren, wenn bestimmten Kindern der Zugang zu Kitas verwehrt wird. Das wäre der Einstieg in den Ausstieg aus dem flächendeckenden Angebot professioneller öffentlicher Kinderbetreuung und das ist klarer Wahlbetrug der SPD.

Nachdem im Jahr 1997 für den Kita-Bereich Kürzungen beschlossen wurden. die auch durch Massenproteste der Opposition aus PDS und CDU nicht verhindert werden konnten, hieß es bis September 1999 bei der SPD: Das ist die Schmerzgrenze! Weiter kürzen wir nicht! Diesen Standard halten wir! Inzwischen war nach den damali gen Kürzungen und den damit verbundenen Entlassungen in den Einrichtungen wieder einigermaßen Ruhe eingekehrt. Inzwischen haben viele Kommunen in ihre Kindergärten und Horte investiert. Sie haben auch investieren müssen, denn es wurden glücklicherweise wieder mehr Kinder als zuvor geboren. Zudem zogen viele Familien mit Kindern aus Berlin in den berlinnahen Raum.

Nun muss vor Ort durchgerechnet werden, wie viele Erzieherinnen arbeitslos würden und wie viele Kinder zu Hause bleiben müssten - eine schreckliche Vision vor allem für Eltern mit langen Arbeitswegen.

Aber offensichtlich wird die Landesregierung leider nicht nur vom Geldmangel getrieben. Man liest derzeit, dass die CDU anscheinend im Land Brandenburg eine überholte Ideologie zur herrschenden erheben will, die da sinn gemäß lautet: Kinder sind allein Angelegenheit der Familien, und die Erwerbstätigkeit der Mütter geht auf Kosten der Kinder.

Die Emanzipation von Frauen und deren eigenständige Existenzsicherung durch Erwerbsarbeit will die CDU offensichtlich nicht unterstützen. Es scheint, zum Ausgang des Jahrhunderts sollen Frauen zurück an den Herd und die Zeche für jahrelange falsche Finanzpolitik zahlen. Getrieben werden sie - und das tut uns sehr Leid - ausgerechnet auch von der Sozialdemokratie, für die Forderungen nach Kindergärten und Gleichberechtigung der Frauen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts noch politisches Markenzeichen waren.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD- und von der CDU-Fraktion, auch Sie sind täglich mit den Fragen ihrer Wählerinnen und Wähler und mit dem zunehmenden Protest gegen die Kürzungspläne der Landesregierung konfrontiert. Und auch Sie sehen das Problem: Am Anfang war da eine Planzahl und nun soll das Leben dem Haushaltsplan angepasst werden. Ihnen wird doch täglich nahe gebracht, dass es so nicht funktioniert.

Die PDS-Fraktion hat deshalb den vorliegenden Antrag eingebracht, die Kürzungspläne zunächst auszusetzen und einen Runden Tisch zu bilden, der die Situation in der brandenburgischen Kinderbetreuung analysiert, öffentlich diskutiert und daraus Schlussfolgerungen zieht. Frau Kollegin Ziegler hat heute Morgen im Zusammenhang mit dem Hortbereich sinngemäß dieses Herangehen auch bestätigt, dass nämlich zuerst eine inhaltliche Debatte geführt und danach entschieden werden sollte.

(Beifall bei der PDS)

Grunde wissen wir uns auch einig mit Abgeordneten der Koalitionsfraktionen. Dieser Tage war in der Presse zum Beispiel vom Besuch eines SPD-Landtagsab geordneten in seiner örtlichen Kita zu lesen. Er wird dort mit den Worten zitiert: „Wir haben keine Ideen mehr." Das ist wenigstens ehrlich. Und wir wollen doch eine Neuauflage dessen verhindern, von dem Herr Helm heute gesagt hat: Wir haben reformiert und wussten nicht wohin. - Ich meine, wir müssen solche Fehler doch nicht sehenden Auges nochmals machen.

Meine Damen und Herren. der Antrag wird hier im Landtag am Tag der landesweiten Großdemonstration „Hände weg vom Kita-Gesetz!" verhandelt. Die PDS kämpft weiter für eine parteiübergreifende Koalition der Vernunft für die Kinder im Land Brandenburg, gegen die anachronistische Frauen- und Familienpolitik der Landesregierung, jedenfalls gegen die, die derzeit erkennbar ist.

Wenn meine Fraktion ein Gremium - nennen wir es „Runder Tisch" - einrichten möchte, dann geht es uns vorrangi g darum, abgebrochene Diskussionen zum Beispiel über den Bildungsauftrag der Kitas, über so genannte Standards und ihre Definition und über die Qualität von Kinderbetreuung wieder aufzunehmen. Und wenn die Landesregierung der Meinung ist, wie die Frau Finanzministerin im Dezember in der Landtagssitzung sagte, dass die Landesregierung nicht an den Kindern sparen, sondern die Strukturen optimieren wolle, dann könnten die entsprechenden Vorschläge ja auch an diesem Runden Tisch diskutiert werden. Das, was bis jetzt präsentiert wird, ist Kürzungspolitik, nicht Strukturoptimierung. Wir wollen den Dialog ergebnisoffen und nicht wie die Landesregierung erst kürzen und dann sehen, was man vielleicht noch bezahlen kann.

Zudem sind sehr viele Fragen derzeit tatsächlich offen. Zum Beispiel ist in Papieren des Ministeriums und in öffentlichen Diskussionen inzwischen immer mehr von der Alternative Tagespflege die Rede. Wenn Sie bei den Fakten bleiben, gehört dazu: Tagespflege ist in den westlichen Bundesländern als Zwischenlösung angeboten worden, weil es dort noch nicht ausreichend Kita-Plätze gibt, und die westlichen Bundesländer bemühen sich jetzt um die Ausweitung des dortigen Rechtsanspruchs. Hier in Brandenburg ist aber offensichtlich geplant, mit der Tagespflege die Kita abzuwickeln und das Ganze dann organisatorisch und finanziell zur reinen Privatsache der Eltern zu machen.

Unklar ist, ob Sie für die Tagespflege qualifiziertes Personal haben wollen oder nicht. Wollen Sie das, dann müssen Sie den Erzieherinnen, den Gewerkschaften und den Eltern erklären, warum dieses Modell dann billiger sein soll als der Kita-Platz. Das funktioniert praktisch nur über Lohndumping oder über höhere Elternbeiträge.

Wenn ich Herrn Minister Fürniß vor zwei Tagen in Eggersdorf richtig verstanden habe, kann es auch nicht im Interesse der Landesregierung sein, qualifizierte Frauenarbeitsplätze, die langfristig erhalten werden könnten, weil nämlich wieder Kinder geboren werden, abzuwickeln für unqualifizierte und unterbezahlte Arbeit. Das kann nicht der Sinn sein. Wenn Sie das wollen, müssen Sie das aber auch sagen. Wir wissen uns in diesem Antrag einig mit Kita-Ausschüssen, Gewerkschaften, vielen Eltern und den Kommunen im Land. Im Unklar für die Eltern ist, wie mit bestehenden Betreuungsver

trägen verfahren wird und wie ein über den verkürzten Rechtsanspruch hinausgehender Bedarf, den Sie versprechen, nachgewiesen werden soll. Gibt es diesen Bedarf für Vollzeitbeschäffiele, für Halbtagsbeschäftigte, für Arbeitslose, die auf Arbeitssuche sind und möglicherweise auch dafür den gesamten Tag nutzen?

Meine Damen und Herren, geben Sie den Betroffenen und auch uns, dem Parlament, die Möglichkeit, diese und andere Fragen zunächst sachlich und fachlich zu diskutieren und erst im Ergebnis dieser Diskussionen zu entscheiden. Ich bitte Sie deshalb um Überweisung des Antrages. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht. - Das Wort geht an die Fraktion der SPD, Frau Abgeordnete Redepenning. - Sie ist nicht anwesend. Dann gebe ich das Wort weiter an die Fraktion der DVU, an Frau Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht zum Antrag der PDS waren sehr ausführlich. Die Fraktion der DVU kann sich ihnen anschließen.

Dass gespart werden muss, ist uns allen verständlich, aber dass im Kita-Bereich so gravierend gespart wird ist auch für uns nicht nachvollziehbar. Auch scheinen die Auswirkungen mancher Sparmaßnahmen und die damit verbundenen Folgekosten nicht richtig durchdacht zu sein. Was passiert denn, wenn die Kinder sich selbst überlassen sind und keine richtige Betreuung haben? Viele wissen in ihrer Freizeit nichts mit sich anzufangen und kommen unter Umständen auf die schiefe Bahn. Die Kosten für die Resozialisierung dieser Kinder dürften dann unter Umständen die eingesparten Millionen um etliches übertreffen.

Meine Damen und Herren. das Jahr 2000 sollte genutzt werden, um mit allen unmittelbar und mittelbar Betroffenen - dazu gehören die Vertreter. die in Punkt 1 des Antrages der PDS aufgeführt sind - zu sprechen. Die Auswirkungen der Kürzungen im Kita-Bereich sollten diskutiert und Vorschläge unterbreitet werden, um allzu krasse Einschnitte in diesem Bereich abzufangen; denn auch wir sind der Meinung. dass nicht am grünen Tisch über so schwerwiegende Sparmaßnahmen entschieden werden sollte. Es sollte mit unmittelbar Betroffenen gesprochen werden, denn vielleicht findet sich für das eine oder andere eine bessere Lösung.

Aus diesem Grunde schließen wir uns dem Antrag der PDSFraktion an. - Ich danke.

(Beifall bei der DVU)

Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner. - Das Wort geht an die Fraktion der CDU, Frau Abgeordnete Hartfelder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Frau Kaiser-Nicht, das, was Sie in dieser Debatte gemacht haben, und das, was Sie im Augenblick in Veranstaltungen in den Regionen machen, verhindert genau das, was Sie sich eigentlich gewünscht haben, eine sachliche Debatte.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Zuruf der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann [PDS])