Protokoll der Sitzung vom 26.01.2000

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Zuruf der Abgeordneten Frau Dr. Enkelmann [PDS])

Der Beitrag, den Sie, Frau Kaiser-Nicht, geliefert haben, war nicht sehr sachlich. Das rechtfertigt, dass auch ich bei meinem Redebeitrag ein Stück polemisch werde.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Ludwig!

Frau Kollegin, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die laute, für uns vernehmliche Darbringung der Interessen der Eltern und der Erzieherinnen auf der Straße für die Verhinderung einer sachlichen Debatte halten?

Nein, da haben Sie mich falsch verstanden.

Das Zweite, bei dem ich sage, die Sachlichkeit einer Debatte wird untergraben, ist, wenn in Veranstaltungen Eltern und Kinder vor Erzieher gestellt und Listen mit Unterschriften von achtjährigen, neunjährigen und zehnjährigen Kindern an den Landtag übergeben werden, wie das im Falle Strausberg geschehen ist. Für mich ist das, dass gerade so nicht das Kindeswohl im Vordergrund steht. sondern es ist Benutzen von Kindern. wofür auch immer.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben alle noch nicht erlebt, dass Wogen des Protestes so hoch schlagen, wie das gegenwärtig der Fall ist. Das ist etwas Neues und damit müssen wir umgehen lernen.

Ich stelle mir die Frage, wie es zu derartigen Wogen gekommen ist. Die Hauptfrage ist: Wie sind Gewerkschaften und ganz konkret die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und die Gewerkschaft ÖTV mit den Eltern und mit den Kindern dieses Landes in den letzten Wochen umgegangen?

Wenn man sich das Plakat für die heutige Demonstration anschaut, dann besteht es neben Wahrheiten aus Halbwahrheiten und Lügen.

(Beifall bei der CDU)

Lüge Nummer 1: Statt 68 Millionen DM „Einsparungssumme" werden 90 Millionen DM gelogen.

Unwahrheiten: 1. Verringerun g der Regelöffnungszeiten. Das

steht nirgendwo in einem Papier der SPD, der CDU oder der Landesregierung. 2. Verschlechterung der Rahmenbedingungen. Das steht nirgendwo.

(Unruhe bei der PDS)

Vergrößerung der Kita-Gruppen. Nirgendwo in einem Papier von SPD, CDU und Landesregierung, steht etwas dazu. Erhöhung der Elternbeiträge. Nirgendwo steht dazu etwas.

Meine Damen und Herren von der PDS und Frau Kaiser-Nicht! Wenn Sie sich Ihre Presseinformation anschauen, in der Sie noch einmal sagen, es ginge uns nicht um das Kindeswohl, dann muss ich Ihnen hier ganz klar sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollte sich überlegen. mit welcher Größe von Steinen er wirft.

(Zurufe von der PDS: Darüber sollten Sie nachdenken! - Das ist richtig!)

Nun werde ich Ihnen ein paar Tatsachen nennen aus einem Land, in dem Sie seit anderthalb Jahren mitregieren.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Wir sitzen im Brandenburger Landtag! Um Brandenburg geht es!)

Seit Oktober 1998 regiert die PDS in Mecklenburg-Vorpommem mit. Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren. Es gibt einen Geltungsbereich des Gesetzes für Kinder von null bis zehn Jahren. Die Relationen Erzieher/Kinder sind in etwa so wie in Brandenburg. Das Erziehungsgeld_ das die CDU vor einigen Jahren in Mecklenburg-Vorpommern eingeführt hat, ist von dieser Regierung, die jetzt in Mecklenburg-Vorpommern regiert, also einer PDS-Regierung halbiert worden.

(Dr. Trunschke [PDS]: Komischerweise gibt es dort keine Demonstrationen!)

Und dann stellen Sie sich hin, reden doppetzüngig und forcieren einen Brand in diesem Land, was nicht gerechtfertigt ist, weil es hier um Debatten geht, die gerade erst begonnen haben, wo noch nichts entschieden ist.

(Beifall bei CDU und SPD - Zuruf von der PDS: Dann ist es zu spät!)

Ich möchte mich um eine klare Position der CDU-Fraktion nicht drücken. Uns liegt ein Vorschlag aus dem Hause des Bildungsministers Reiche vor. Wir tragen diesen mit. Im Vordergrund steht für uns das Wohl des Kindes. Wohl des Kindes heißt für uns nicht, dass ein Säugling von null bis zwei Jahren in einer Kita groß wird, sondern dass er zu allererst ins Elternhaus gehört, ohne dass die Mutter im Berufsleben deshalb Schaden nimmt. Das heißt, dass auch zukünftig jedes Kind von null bis zwölfJahren. für das Bedarf besteht, einen Kita-Platz bekommt,

(Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

und zwar dass auch zukünftig, auch wenn der Rechtsanspruch nicht besteht, ein Kind bei Bedarf länger als vier bzw. sechs Stunden in der Kita sein darf. Hier sind Lügen verbreitet worden. Nie

mand hat über eine Beschränkung für alle Kinder in diesem Land gesprochen.

Wir stehen klar zu einer inhaltlichen parlamentarischen Begleitung, erstens zur Qualität der Kita in Brandenburg, denn wir wissen laut Studien ganz genau, nur 2 % der Kitas in Brandenburg sind sehr gut und 98 % Mittelmaß. Da müssen wir etwas tun. Das begleiten wir gerne mit. Wir werden zweitens sehr kritisch die Vorschläge aus dem Hause des Ministers zur Tagespflege unter die Lupe nehmen und die Kontrolle der Tagespflege und alles, was damit zusammenhängt, prüfen. - Schönen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Hartfelder. - Da die Fraktion der SPD nun mit ihren Rednern vollzählig ist, möchte ich fragen, ob sie noch das Wort wünscht.

(Klein [SPD]: Wenn Sie einverstanden sind, Herr Präsi- dent, ja!)

Frau Redepenning, ich würde Sie herzlich bitten, zu den Tagesordnungspunkten, zu denen Sie reden wollen, im Plenarsaal zu sein. Bitte schön!

Ich bitte um Entschuldigung, aber ich hatte Vertreter des Landesjugendhilfeausschusses hier. Die Nachricht ist mir etwas spät zugeleitet worden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag betrachtet die bedarfsgerechte Bereitstellung von Plätzen in Kindertagesstätten nicht nur als eine unverzichtbare familienpolitische Leistung, sondern als eine zentrale Aufgabe, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern und Kindern die Gemeinschaft mit anderen Kindern zu ermöglichen. Daran wird sich auch nichts ändern.

Die Einrichtung von Runden Tischen, wie sie jetzt von der PDS für den Bereich Kita beantragt wird, war in der Nachwendezeit aus der Notwendigkeit heraus geboren worden. Diese haben bei der Bewältigung der damals anstehenden Aufgaben einen wichtigen Anteil gehabt, den wir zu würdigen wissen. Inzwischen haben wir im Land Brandenburg wie in jedem anderen Bundesland eine funktionierende parlamentarische Demokratie. Wie in jedem anderen Bundesland gibt es demokratisch gewählte Gremien, die alle wichtigen Interessengruppen der Gesellschaft vertreten. Es handelt sich um zumeist ehrenamtlich tätige Menschen, die sehr engagiert und gewissenhaft ihre Aufgaben wahrnehmen. Wir arbeiten in unserer täglichen parlamentarischen Praxis eng mit diesen zusammen, ob in den Wahlkreisen, den Arbeitsgruppen. den Ausschüssen oder auch in den Fraktionen. Als Beispiel möchte ich nur den Landesjugendhilfeausschuss nennen, der aus Vertretern der Träger sozialer Jugendarbeit. der kommunalen Gebietskörperschaften, der Interessenverbände und auch der Parteien besteht. Dieser hat einen eigenen KitaAusschuss, in dem ich Mitglied bin und zu dem ich Sie herzlich einlade, wenn wir zur Kita diskutieren.

Ganz aktuell hat sich in Potsdam ein Landeseltembeirat für Kitas gegründet. Ich wünsche von hier aus viel Erfolg beim Aufbau des Beirates und auch viel Kraft für dessen Tätigkeit.

Die meisten von uns sind Mitglied in mehreren dieser Gremien. Sie sind sowohl an der langfristigen Planung als auch an konkreten Entscheidungsverfahren beteiligt. Die Zusammenarbeit mit diesen hat sich bewährt. Die Notwendigkeit der Einrichtung eines zusätzlichen Runden Tisches wird seitens unserer Fraktion zurzeit nicht gesehen. Wir empfehlen daher dem Landtag, den Antrag abzulehnen. - Danke.

Ich danke Ihnen. Frau Abgeordnete Redepenning. - Das Wort geht an die Landesregierung. Herr Minister Reiche, bitte!

Herr Präsident? Sehr verehrte Damen und Herren! Frau KaiserNicht, ich habe schon Runde Tische gegen die PDS an vielen Stellen im Land Brandenburg einberufen und daran teilgenommen. Das ist eine Weile her. Insofern habe ich, gerade wenn Sie hier Vorschläge zur Bildung von Runden Tischen machen, überhaupt kein Problem. Davon verstehe ich etwas.

(Beifall bei SPD und CDU)

Aber ich muss Ihnen sagen: Das war damals eine andere Situation. Wir hatten eben keine legitimierten Gremien und haben deshalb Runde Tische einberufen. Wir haben jetzt legitimierte Gremien und die gehören - dem Wähler sei Dank - dazu. Insofern haben wir hier den Ort, wo die Debatte zu führen und wo zu entscheiden ist.

Würden wir hier an diesem Ort über Verhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern reden, dann würde ich Ihre Empörung verstehen. Die mecklenburgischen Verhältnisse sind mit den Worten in etwa zu geißeln, die Frau Kaiser-Nicht oder andere gebraucht haben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Frau Kaiser-Nicht, Sie sagen, am Anfang war die Planzahl und nun soll das Leben dem Haushaltsplan angepasst werden. Das würden wir nicht versuchen, denn davon verstehen Sie mehr.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und CDU)

Wo befinden wir uns jetzt? Wir befinden uns am Anfang einer Diskussion. Frau Kaiser-Nicht, Sie haben ja Recht, wenn Sie Vorschläge für diese Diskussion einfordern. Diese Vorschläge haben wir gemacht. Das Problem ist, dass immer gesagt wird: Der Minister soll Vorschläge machen, damit wir darüber diskutieren können. Wenn er den Vorschlag gemacht hat, wird aber gesagt. das sei schon die Entscheidung. Das war früher so, das gebe ich gerne zu. Aber es ist doch jetzt die Situation, dass wir erst Ende Februar/Anfang März entscheiden werden, nicht vorher, und dass wir so lange diskutieren wollen und müssen und dass dann vermutlich drei oder gar vier Monate lang dieses Parlament diskutieren, Anhörungen machen wird. Dann erst

Ende Juni, vielleicht sogar erst im Juli - wird über das Haushaltsstrukturgesetz und den Doppelhaushalt entschieden werden.

„Hände weg von der Kita!" bzw. „Frauen nicht zurück an den Herd!" - das, glaube ich, wollen alle, die hier im Parlament sind.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?