Protokoll der Sitzung vom 05.03.2003

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der PDS)

Die kommunale Selbstverwaltung - nicht zuletzt lebendiger Ausdruck des von uns allen hoch geschätzten Prinzips der Selbstbestimmung - ist eine wichtige Errungenschaft im demokratischen Gemeinwesen.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Solche Errungenschaften werden naturgemäß verteidigt und Eingriffe in solche gewachsenen Strukturen oft als Angriffe verstanden. Durch die Reform wird das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung nicht abgeschafft.

Ich möchte auf einen aus meiner Sicht sehr wichtigen Aspekt der Leitlinien hinweisen. Die Leitlinien ermöglichen es, einen einheitlichen Maßstab an die vielen Einzelfälle anzulegen und in der Folge das gleichzubehandeln, was wesensmäßig gleich

ist. Die Leitlinien sind demzufolge der Maßstab für die Ermittlung und die Bewertung des jeweiligen Sachverhalts. Dies war auch in den Fällen nicht anders, die wir der so genannten StadtUmland-Problematik zugeordnet haben. Ich rede von den Fällen Potsdam/Golm, Potsdam/Fahrland, Brandenburg/Wust und natürlich Cottbus/Neuhausen.

Die Leitlinien führen hinsichtlich der Stadt-Umland-Problematik einige Sachverhalte auf, die die Eingliederung der Umlandgemeinden nahe legen, zum Beispiel bestehende oder zu erwartende bauliche Verflechtungen oder die anzustrebende Entwicklung der Stadt. Die Leitlinien enthalten keineswegs die Vorgabe, dass alle Sachverhalte, die für die Eingliederung sprechen, gleichzeitig vorliegen müssen. Eine Eingliederung ist unter Umständen bereits dann geboten und sinnvoll, wenn nur eines der genannten Kriterien erfüllt ist.

Die Fraktion der SPD erachtet den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung für sachgerecht und wird ihm ihre Zustimmung erteilen. Wir stützen uns dabei maßgeblich auf die Anhörungen im Innenausschuss. Die Anhörungen haben keine Erkenntnisse erbracht, die eine alternative Regelung als vorzugswürdig erscheinen lassen, auch wenn die Gemeinde Wust, die sich - anders als die Gemeinde Gollwitz - gegen die Eingliederung ausgesprochen hat, das naturgemäß anders sehen wird.

Zum Vorbringen der Gemeinde Wust sind einige Anmerkungen erforderlich. Die Chancen einer positiven Gesamtentwicklung erhöhen sich gerade dann, wenn ein einheitlicher Verwaltungsund Entscheidungsraum vorliegt, wie er in diesem Falle durch den Gesetzentwurf geschaffen werden soll. Der Verzicht auf eine einheitliche Verwaltung hätte die weitere Schwächung des Oberzentrums Brandenburg zur Folge. Dies ist aus regionalund landesplanerischer Sicht nicht akzeptabel und wird von meiner Fraktion nicht unterstützt.

Bevor ich zum Schluss komme, gehe ich kurz auf die Auswirkungen der geplanten Neugliederung auf den Landkreis Potsdam-Mittelmark ein. Im Rahmen der Anhörung wurde des Öfteren eine Schwächung der Landkreise durch Ausgliederung leistungsstarker Gemeinden befürchtet. Dies ist gerade in Bezug auf diesen Landkreis nicht der Fall. Es ist vielmehr so, dass eine Ausgliederung verschuldeter bzw. steuerlich weniger leistungsfähiger Gemeinden erfolgt. Zum Beleg für den Erfolg der Gesamtreform nenne ich die Gemeinde Gollwitz sowie die Gemeinden Fahrland, Groß Glienicke und Uetz-Paaren, die uns bei der Behandlung des Dritten Gesetzes erneut begegnen werden. Die Ausgliederung von Gemeinden und der Verlust von Einwohnern und Steuerkraft sind aus der Sicht des Landkreises natürlich alles andere als angenehm. Das wird in diesem Falle allerdings mittelfristig kompensiert.

Die Fraktion der SPD hat sich mit dem Gesetzentwurf eingehend befasst. Sie hält die darin enthaltenen Abwägungen für sachgerecht und bittet demzufolge um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Schippel. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Claus.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenden wir uns den ersten Gesetzentwürfen der Landesregierung zu. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, einige grundsätzliche Anmerkungen zu machen, die für alle sechs Gesetzentwürfe gelten.

Bei der Bearbeitung der Gesetzentwürfe der Landesregierung standen wir als kleine Fraktion zugegebenermaßen vor dem großen Problem der Fülle des Materials. Wir hatten uns im Ausschuss nicht nur mit den Gesetzesmaterialien auseinander zu setzen, sondern zusätzlich mit den Anhörungsergebnissen, einer Fülle von Zuschriften, schriftlichen Stellungnahmen und sonstigen Zuschriften, sowie mehr als 100 Anträgen der Koalitionsfraktionen von SPD und CDU.

Insgesamt waren die Anhörungen aus Sicht der DVU-Fraktion durchaus aufschlussreich. Die betroffenen Gemeinden kamen, wenn sie denn wollten, unseres Erachtens ausreichend zu Wort, und die Anhörung selbst stellte auch kein bloßes Durchwinken der Gesetzentwürfe dar.

Dementsprechend war dann auch das Abstimmungsverhalten im Ausschuss für Inneres. In einer Reihe von Neugliederungsfällen wich der Ausschuss entsprechend dem Bürgerwillen von den ursprünglichen Entwürfen und den bevorzugten Neugliederungsalternativen ab. Dem konnten wir uns als DVU-Fraktion natürlich nicht verschließen. Wir haben nicht alles pauschal abgelehnt, sondern von Neugliederungssachverhalt zu Neugliederungssachverhalt entschieden.

Wegen des Zeitdrucks, unter den sich der Ausschuss aus unserer Sicht leider selbst setzte, waren wir als kleine Fraktion allerdings nicht dazu in der Lage, überall dort, wo es notwendig war, konkrete eigene Vorschläge zu unterbreiten. Unter diesem Zeitdruck litten erkennbar einige der in den Entscheidungsphasen durch den Ausschuss für Inneres erzielten Ergebnisse. Einige Neugliederungsfälle in den Gesetzgebungsverfahren sind deshalb aus Sicht meiner Fraktion nicht entscheidungsreif. Hier besteht noch Klärungsbedarf vor Ort zu Neugliederungsalternativen, deren Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern im Vorfeld der Gesetzentwürfe offenbar zu kurz gekommen ist. Das trifft unseres Erachtens auf das hier zu erörternde Erste Gesetz zu.

Zu den Einzelheiten, meine Damen, meine Herren. Dies betrifft die Stadt Brandenburg an der Havel sowie die Gemeinden Wust und Gollwitz, die nach den Vorstellungen der Landesregierung in die Stadt eingegliedert werden sollen. Die Gemeinde Wust lehnt das ab, die Gemeinde des betroffenen Amtes Emster-Havel ebenfalls. Die Gemeinde Gollwitz stimmt dem unter nicht ganz geklärten Umständen zu.

Die Ausschussmehrheit von SPD und CDU folgte hier dem Gesetzentwurf der Landesregierung. Wir als DVU-Fraktion können uns dem nicht anschließen. Unseres Erachtens ist bisher nicht nachgewiesen, dass zwischen der Gemeinde Wust und der Stadt Brandenburg an der Havel eine Stadt-Umland-Problematik besteht, die über das Maß von normalen Stadt-Umland-Beziehungen hinausgeht und eine Eingliederung von Wust in die Stadt notwendig macht. Dieser Nachweis ist der Landesregierung nicht gelungen. Er ist aber von ihr zu führen. Die bloße Feststellung, dass dies in ihren Augen wünschenswert wäre,

reicht aus Sicht der DVU-Fraktion nicht aus, um einer Gemeinde ihre Selbstständigkeit zu nehmen.

Bei der Gemeinde Gollwitz ist eine bauliche Verflechtung mit der Stadt Brandenburg an der Havel nicht erkennbar. Zudem beeinträchtigen die Eingliederungsvorschläge der Landesregierung das Schicksal aller anderen Gemeinden des Amtes EmsterHavel. Diese und eventuell auch das Amt Groß Kreutz haben zumindest zwei Neugliederungsalternativen, wenn die Eingliederung unterbleibt.

In Betracht kommt einmal, dass sich die beiden Ämter jeweils zu zwei amtsfreien Gemeinden zusammenschließen. Die andere Alternative wäre, dass sich beide Ämter zu einem Amt zusammenschließen und dass sich zugleich mehrere Gemeinden innerhalb dieses Amtes untereinander zusammenschließen, sodass das neue Amt nicht mehr als sechs Gemeinden hat.

(Beifall bei der DVU)

Beides wäre leitliniengerecht. Die Bereitschaft, an einer entsprechenden Neuregelung mitzuwirken, ist vor Ort offenbar vorhanden. Allerdings ist dies mit den Bürgerinnen und Bürgern noch nicht abgestimmt. Dies führt die DVU-Fraktion zu folgenden Schlussfolgerungen:

Wir müssen dem Gesetzentwurf der Landesregierung auf der Grundlage unserer heutigen Erkenntnisse die Zustimmung versagen. Wir schlagen stattdessen vor, den Entwurf des Ersten Gesetzes der Landesregierung mit dem § 13 des Vierten Gesetzes, was das Amt Emster-Havel und das Amt Groß Kreutz betrifft, zu verbinden und zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Inneres zurückzuüberweisen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Claus. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Petke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir die Gemeindereform heute abschließend im Landtag diskutieren, auch deswegen, weil wir damit die Zusage an die Bürgerinnen und Bürger im Land einhalten, dass wir dieses wichtigste Reformvorhaben der Landesregierung rechtzeitig vor der Kommunalwahl im Herbst dieses Jahres abschließen.

(Vietze [PDS]: Die Zusage war eine andere!)

- Kollege Vietze, im Gegensatz zur PDS-Fraktion hat die Landesregierung und haben die Koalitionsfraktionen ihre Zusagen im Bereich der Kommunalreform gehalten,

(Unruhe bei der PDS)

und zwar nicht nur hinsichtlich des Zeitlichen, sondern auch der inhaltlichen Vorgaben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Zurufe von der PDS)

Ich möchte zu den Zielen der Reform kommen. Wenn man heute in die Presse schaut, hat man gelegentlich den Eindruck, dass das Ziel der Reform im Zusammenschluss von Gemeinden besteht. Dem ist nicht so. Das Ziel der Reform besteht in der Schaffung einer leistungsfähigen Verwaltungsstruktur, einer leistungsfähigen Struktur zur Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung in unserem Land Brandenburg, und dies vor dem Hintergrund, dass sich die Einwohnerentwicklung in Brandenburg unterschiedlich darstellt. Es gibt Gegenden, die leider Einwohner verlieren, aber auch solche, die Einwohneraufwüchse haben.

Allein dieser Unterschied etwa zwischen der Prignitz und dem engeren Verflechtungsraum stellt auch hinsichtlich der kommunalen Struktur vor Herausforderungen, auf die wir eingehen wollen.

Wir wollen des Weiteren die Bündelung der Finanzmittel und Synergieeffekte erreichen. Wir wollen die Gemeinden stärken; stärken in sich selbst, in ihrer Struktur, aber auch gegenüber den Landkreisen. Wir wollen erreichen, dass in den Verwaltungen eine stärkere Spezialisierung und Qualifizierung der Bediensteten erfolgt. Wir wollen eine größere Transparenz in den Abläufen der demokratischen Entscheidungsprozesse erreichen und - darauf ist bereits hingewiesen worden - wir wollen zukünftig die Übernahme von Aufgaben, die bisher von Kreisen und anderen erledigt wurden, von der gemeindlichen Ebene durch die Stärkung der Verwaltung möglich machen.

(Zurufe von der PDS)

All das sind die Ziele der Reform, all das werden wir mit dieser Reform auch erreichen.

Herr Abgeordneter Petke, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lassen Sie mich zum Verfahren kommen. Das Verfahren war anspruchsvoll. Wir haben Kritik dafür bekommen, dass wir diese Reform überhaupt angepackt haben. Wir haben uns in Brandenburg trotzdem einer breiten Diskussion gestellt. Der Innenminister hat mit Hunderten ehrenamtlichen Bürgermeistern auf mehreren Regionalkonferenzen diskutiert. Die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen haben in ihren Wahlkreisen und in ihren Zuständigkeitsgebieten mit den jeweiligen gemeindlichen Vertretern, mit den Bürgermeistern, mit Vertretern aus den Kreistagen, die Reform diskutiert. Wir haben Überzeugungsarbeit geleistet.

Wenn die PDS dieses Reformvorhaben so vehement kritisiert, dann muss man zusammenfassend sagen: Wir haben erreicht, dass sich mehr als die Hälfte der Betroffenen nach den Leitlinien freiwillig verändern. Ich würde mir schon einmal wünschen, dass die PDS trotz ihrer Totalopposition hier im Landtag anerkennt - vor Ort sieht das ja schon ganz anders aus, da gibt es mehr Vernunftbegabte;

(Zurufe von der PDS)

wenn das Stichwort schon angesprochen wurde -, dass die Mehrzahl der Veränderungen auf dem Wege der Freiwilligkeit umgesetzt wurde.

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage bzw. gestattem Sie überhaupt eine?

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Er darf nicht reden!)

Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu dem Ersten Gesetzentwurf kommen. Der eigentliche Anlass dafür ist die Situation um Brandenburg an der Havel. Ich sage ausdrücklich: Wir bekennen uns zur Zukunft unserer kreisfreien Städte in Brandenburg. Wenn der Kollege der DVU Gollwitz anspricht - man kann ja manchmal etwas nicht mitbekommen -, dann muss man dazu sagen: Gollwitz ist nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens.

(Zuruf des Abgeordneten Sarrach [PDS])

Gollwitz hat sich freiwillig zu einem Zusammenschluss mit der Stadt Brandenburg an der Havel bekannt.