Protokoll der Sitzung vom 05.03.2003

Gollwitz hat sich freiwillig zu einem Zusammenschluss mit der Stadt Brandenburg an der Havel bekannt.

(Sarrach [PDS]: Das ist Zynismus!)

Wenn man die Situation in Wust betrachtet, wird man erkennen, dass die Entwicklung in Wust, die Entwicklung des dortigen Einkaufszentrums, die Ansiedlung des Gewerbes, die baulichen Verflechtungen ohne die Stadt Brandenburg an der Havel nicht denkbar gewesen wären.

(Zuruf des Abgeordneten Sarrach [PDS])

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit der Eingliederung von Wust in Brandenburg an der Havel nicht nur die Räume angleichen, sondern auch einen Teil der Probleme der kreisfreien Stadt Brandenburg an der Havel lösen können.

Nicht alle Probleme werden damit aus der Welt geschafft. Wir ermöglichen aber Brandenburg an der Havel eine bessere kommunale Selbstverwaltung, wenn man auch sagen muss, dass das in Teilbereichen für den Kreis Potsdam-Mittelmark zu Schwierigkeiten führt. Ich bin nach der Diskussion im Innenausschuss und nach der Auswertung der gesetzlichen Unterlagen, der Anlagen und Berechnungen, jedoch der Überzeugung, dass wir dies in Potsdam-Mittelmark durch Einwohnerentwicklung und geeignete Maßnahmen auffangen können.

Ich bitte deshalb zu diesem wichtigen Ersten Gesetz um Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Petke und gebe das Wort der Landesregierung, Herrn Minister Schönbohm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor Ihnen liegen heute sechs Gesetzentwürfe, mit denen die vor drei Jahren begonnene Gemeindestrukturreform für 337 Gemeinden zum Abschluss gebracht werden soll.

Einige dieser Gemeinden werden die Gesetze begrüßen, denn sie haben mit anderen Verträge zur Neugliederung geschlossen, deren Realisierung von Dritten verhindert wurde. Dennoch bleiben 202 Gemeinden, die gegen ihren Willen eingegliedert, und 100 Gemeinden, die zusammengeschlossen werden.

Weder das Innenministerium noch der Innenausschuss haben sich die Entscheidung leicht gemacht. Allein die Anhörungen und Beratungen im Innenausschuss - mehrere Hundert Stunden in den letzten Monaten - belegen dies. Daher möchte ich an dieser Stelle dem Innenausschuss und seinem Vorsitzenden Christoph Schulze für die intensive, konzentrierte und mit großem Engagement geleistete Arbeit danken. Dies war eine Arbeit für Brandenburg.

(Beifall bei CDU und SPD)

In diesen Diskussionen im Parlament und im Lande sind viele Emotionen freigesetzt worden. Dafür habe ich Verständnis, weil auch ich nicht ganz frei von Emotionen bin. Jetzt geht es darum, dass wir in dieser Entscheidungsphase dazu kommen, die Ergebnisse, die erzielt worden sind, nachdem der Gesetzgeber es so beschlossen hat, umzusetzen und dann gemeinsam zu versuchen, daraus das Beste zu machen. Dafür möchte ich werben.

Im Ergebnis der Anhörungen hat der Innenausschuss bei Vorliegen gleichwertiger Alternativen aufgrund neu vorgetragener Argumente in einigen Fällen andere Akzente gesetzt als die Landesregierung. Mit der Verabschiedung der sechs Gesetze wird im vierten Jahr dieser Legislaturperiode nach der Polizeireform ein weiterer umfassender Reformprozess eingeleitet, hinter dem die Koalition steht. Diejenigen, die anderes gehofft haben, werden heute enttäuscht werden.

Ziel ist es, landesweit vergleichbare, leistungsfähige gemeindliche Strukturen zu schaffen. Dabei sind die Besonderheiten unseres Landes, die Verschiedenheit seiner Regionen zu berücksichtigen, insbesondere die erheblichen Unterschiede zwischen dem engeren Verflechtungsraum und den dünn besiedelten Landstrichen des äußeren Entwicklungsraums. Das war die Diskussion, die wir bei der Erarbeitung der Leitlinien doch eingehend geführt haben.

Zugleich ist von großer Bedeutung, dass sich neben der richtigen, effizienten Verwaltung in hohem Maße Bürgersinn und Engagement auch in Zukunft entfalten können. Darauf sind wir weiterhin angewiesen. Dabei waren von Anfang an die Betroffenen beteiligt. Die Strukturvorstellungen des Leitbildes sind nicht am grünen Tisch entwickelt worden, sondern aufgrund umfassender Recherchen und Gespräche. Über die Vielzahl der Diskussionen haben wir vorhin schon gesprochen.

In der Freiwilligkeitsphase wurde schon viel erreicht. Mehr als zwei Drittel der Gemeinden haben sich nach dem Leitbild zusammengeschlossen. Dennoch sage ich sehr deutlich: Wenn wir jetzt Halt machen und nichts tun, werden wir unserer Verant

wortung für Brandenburg nicht gerecht. Laotse hat einmal gesagt:

„Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut.“

Wenn wir nicht entscheiden, sind wir verantwortlich für das, was wir nicht tun, weil wir wissen, dass es bessere Lösungen gibt, als nichts zu tun.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, Herr Präsident.

Schließen wir die Reform nicht durch die vorgelegten Gesetze ab, dann haben wir im Land einen Flickenteppich von leistungsstarken Gemeinden und Städten und äußerst schwachen Kleinstgemeinden.

Ich kann gut verstehen, dass es heute dem einen oder anderen von uns nicht leicht fallen wird, die Gesetze zu verabschieden. Nicht wenige von uns haben zugleich ein kommunales Mandat und trennen sich nur schweren Herzens von der bisherigen Struktur. Mancher hat nach wie vor grundsätzlich Bedenken, Zwang gegenüber den meist selbstbewussten Gemeinden, die in der Aufbauzeit von Brandenburg etwas geleistet haben, anzuwenden. Das ist verständlich, haben doch viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit Vehemenz und großem Engagement für den Fortbestand ihrer Gemeinden gekämpft. Vielen Gemeindevertretungen ist es doch gelungen, trotz knapper Kassen unter schwierigen Bedingungen diese Gemeinden zu lebensund liebenswerten Dörfern zu entwickeln.

Wir alle kennen doch auch die Probleme der Gemeinden und die Probleme des Landes, insbesondere auch die finanziellen Probleme. Wir sind es den Brandenburger Bürgern schuldig, so zügig wie möglich auf allen Ebenen zu effizienten, kostengünstigen und zugleich leistungsfähigen Strukturen zu finden.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sind dafür verantwortlich, das zu tun, wir im Parlament, wir alle. Wir werden dies Schritt für Schritt tun und Handlungsspielräume sowohl für die Gemeinden als auch für das Land wiedergewinnen.

Mit dem zunächst behandelten Ersten Gemeindegebietsreformgesetz wird die Eingliederung der Gemeinden Gollwitz und Wust in die kreisfreie Stadt Brandenburg an der Havel geregelt. Einzelheiten sind hier erörtert worden. Dem brauche ich nichts hinzuzufügen. Ich bitte Sie, dem Ersten Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Minister Schönbohm.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu

diesem Teiltagungsordnungspunkt. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe zur Abstimmung auf die Nr. 1 der Beschlussempfehlung in der Drucksache 3/5550 einschließlich der zugehörigen beiden Korrekturblätter. Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung einschließlich der Korrekturblätter seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Nr. 1 der Beschlussempfehlung in der Drucksache 3/5550 einschließlich der beiden Korrekturblätter mehrheitlich zugestimmt worden.

Ich rufe auf die Nr. 2 der Beschlussempfehlung zum Ersten Gemeindegebietsreformgesetz in der Drucksache 3/5550, ebenfalls mit den zwei Korrekturblättern. Wer diesem Teil der Beschlussempfehlung zu dem Ersten Gemeindegebietsreformgesetz einschließlich der beiden Korrekturblätter seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist diesem Teil der Beschlussempfehlung zu dem Ersten Gemeindegebietsreformgesetz mehrheitlich zugestimmt worden und das Gesetz ist in 2. Lesung verabschiedet.

Ich erteile jetzt, bevor wir zum nächsten Gemeindegebietsreformgesetz kommen, Frau Dr. Enkelmann das Wort, die beantragt hat, eine Stellungnahme zu ihrem Abstimmungsverhalten abgeben zu dürfen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte erklären, warum ich die Nr. 1 der Beschlussempfehlung abgelehnt habe. In dieser Nr. 1 geht es um die Annahme des Leitbildes für den gesetzlichen Teil der Gemeindegebietsreform.

Ich habe gegen die Nr. 1 der Beschlussempfehlung gestimmt, weil hier im Nachtrab etwas sanktioniert werden soll, was vor der Behandlung der Gesetzentwürfe im Ausschuss durch den Gesetzgeber hätte beschlossen werden müssen.

Ich habe gegen die Nr. 1 gestimmt, weil eine Mehrheit im Ausschuss meinte, die Mehrheit des Landtages, also des Gesetzgebers, werde ihre Entscheidung schon mittragen. Das, meine Damen und Herren, ist Arroganz der Macht.

(Beifall bei der PDS)

Ich habe gegen die Nr. 1 gestimmt, weil bereits die Koalitionsmehrheit im Ausschuss beschlossen hat, dass das Leitbild eine ich zitiere - „sachgerechte Grundlage für die im Rahmen der Gemeindegebietsreform erforderlichen Abwägungsentscheidungen darstellt“. Diese Feststellung hätte allein der Gesetzgeber treffen dürfen.

Sie versuchen mit der Beschlussempfehlung heute, Ihren offensichtlichen Verfahrensfehler im Nachgang zu heilen. Solche Manipulationen mache ich, macht die PDS nicht mit.

(Beifall bei der PDS)

Für die Fraktion brauchten Sie diese Erklärung nicht abzugeben. Für Sie selbst war sie laut Geschäftsordnung zulässig.

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt das Zweite Gemeindegebietsreformgesetz auf. Dazu liegt Ihnen ebenfalls die Beschlussempfehlung in der Drucksache 3/5550 vor, wieder mit Korrekturblättern. Ich eröffne die Aussprache zu diesem Gesetz und erteile dem Abgeordneten Sarrach das Wort für den Beitrag der Fraktion der PDS.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sechsmal fünf Minuten Redezeit stehen zur Verfügung, um zu 1 900 Seiten Protokoll von 17 öffentlichen Anhörungen und zum Inhalt weiterer 15 nicht öffentlicher Sitzungen des Innenausschusses, bei denen es um das Schicksal von 362 betroffenen Gebietskörperschaften ging, Stellung zu nehmen.

(Schippel [SPD]: So umfangreich ist das!)

- Kollege Schippel, Sie sagten anlässlich der 1. Lesung der ersten vier Gemeindegebietsreformgesetzentwürfe:

„Der von der PDS gewählte Verfahrensweg lässt keinen zusammenhängenden Vortrag zu. Daher werde ich mich bemühen, die aus unserer Sicht grundlegenden Dinge in vier Reden unterzubringen.“

Ich werde mir heute für die PDS-Fraktion nicht weniger Mühe als Herr Schippel am 9. Oktober 2002 geben und ebenso verfahren.

Für uns als PDS ist grundlegend, dass die Enquetekommission „Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg“ 1999 nach unserer Meinung vom Landtag heute noch zu beachtende „Leitziele für eine Reform der gemeindlichen Strukturen“ vorgelegt hat.

Die Empfehlungen - das unterschlagen Sie von SPD und CDU immer - sahen eine Reform vor, die auch den kleinen Gemeinden eine Chance zum Erhalt ihrer Selbstständigkeit geben sollte. Dafür sollte das Amtsmodell qualitativ weiterentwickelt werden.