Protokoll der Sitzung vom 06.03.2003

Diesem „Prignitzer Appell“ haben sich bis heute, dem 6. März, 1 887 kommunale Mandatsträger aus allen Bundesländern angeschlossen. Allein 515 Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aus Brandenburg - daran erkennen Sie, dass es nicht nur PDS-Abgeordnete sein können - haben bisher den „Prignitzer Appell“ unterstützt. Es sind Bürgermeister, Stadtverordnete, Kreistagsabgeordnete. Sie arbeiten in Ortsbeiräten oder sind sachkundige Einwohner. Sie gehören allen demokratischen

Parteien an. Es sind Einzelbewerber oder sie sind in Wählervereinigungen organisiert. Insgesamt unterstützten bis heute 32 294 Bürgerinnen und Bürger aus Ost und West den „Prignitzer Appell“, unter ihnen Landtagsabgeordnete, Bundestags- und Europaabgeordnete sowie Minister.

Die kommunalen Abgeordneten, die den „Prignitzer Appell“ tragen, haben sich vorgenommen, die Arbeitsteilung, dass sie für die Probleme vor Ort zuständig seien, und die Bundesregierung für das große Ganze, nicht mehr aufrechtzuerhalten, insbesondere nicht in der Frage Krieg und Frieden.

Weil Frieden zwar nicht alles, aber ohne Frieden alles nichts ist, wie es Willy Brandt einst formulierte, haben einige der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner den „Prignitzer Appell“ in ihr kommunales Parlament oder in ihren Kreistag eingebracht. Andere wandten sich an die Bürgerinnen und Bürger ihrer Städte und Gemeinden, sich dem Appell anzuschließen.

(Beifall bei der PDS)

In einem zweiten Brief haben die Initiatoren den Bundeskanzler gebeten, alles dafür zu tun, dass Deutschland nicht - auch nicht indirekt - in einen Krieg hineingezogen wird. In allem, was Herr Schröder in dieser Richtung unternimmt, kann er auf die Unterstützung der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Initiative bauen.

Der Bundeskanzler hat im Wahlkampf unmissverständlich klargestellt: Deutschland wird sich an einen Krieg gegen den Irak nicht beteiligen. - Diese Haltung wird von den Initiatoren des „Prignitzer Appells“ gestützt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Landtagssitzung gab es ob unseres Antrages Differenzen bezüglich der Zuständigkeit des Landtages. Seitdem ist sehr viel passiert. Millionen Menschen haben weltweit gegen einen drohenden Krieg demonstriert. Am 15. Februar haben mehr als 500 000 Menschen in Berlin, darunter auch viele Brandenburgerinnen und Brandenburger, ihre Position zum Krieg deutlich gemacht.

Mut zum Frieden habe ich sehr oft gesehen. Täglich finden auch in Brandenburg Mahnwachen, Friedensgebete, Kundgebungen und andere Aktionen gegen den drohenden Krieg statt. Täglich wird auch in Brandenburg öffentlich sichtbar, dass die Bevölkerung diesen Krieg nicht will. Menschen unterschiedlichster Herkunft und verschiedener politischer Anschauungen, Junge und Alte sagen Nein, weil es für diesen Krieg keine Rechtfertigung gibt. Bürgerinnen und Bürger wie auch ihre kommunalen Vertreter erklären sich zuständig und treten in diesem Fall aus tradierten Vorstellungen des Parlamentarismus heraus. Das ist lebendige Demokratie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Ausgerechnet der Landtag Brandenburg stellt in dieser angespannten Situation fest, dass er nicht zuständig ist. Ich dachte bisher immer, dass wir mündige und vor allem nur unserem Gewissen verpflichtete Abgeordnete sind und gerade zum Thema Krieg/Frieden eine Meinung haben müssen. Es kann also nicht so ernst gemeint sein mit der „Nichtzuständigkeit“.

(Klein [SPD]: Unterstellung! Sie wollen hier wohl als die besseren Menschen dastehen?!)

Hinzu kommt, dass die Bürgerinnen und Bürger gerade nach den Diskussionen der letzten Woche um den von CDU-Kollegen geschriebenen Brief ein deutliches Wort aus dem Landtag heraus erwarten. Eine Position gegen den Krieg und gegen eine deutsche Beteiligung ist nicht antiamerikanisch, denn Hunderttausende Menschen gehen auch in den USA auf die Straße. Ein Nein zum Krieg ist schon gar keine Unterstützung für Saddam Hussein. Wer das behauptet, stellt sich selbst ein erbärmliches Zeugnis aus.

Die PDS-Fraktion ist der Meinung, dass eine politische Erklärung des Landtages zur Verhinderung eines Krieges gegen den Irak angemessen ist. Wir halten es in diesem Zusammenhang auch für angemessen, die Position der Bundesregierung, die Beschlüsse der großen Kirchen - Stichwort Bischofskonferenz und Beschlüsse der Synoden - zu unterstützen. Der Papst hat gerade in dieser Woche zu weltweiten Friedensgebeten aufgerufen, weil Krieg eine Niederlage der Menschheit ist.

Ich meine, der Bundeskanzler sollte wissen, dass der Brandenburger Landtag, wenigstens aber eine große Mehrheit, seine Irak-Position unterstützt. Warum sollte der Brandenburger Landtag dem Kanzler für seine Irak-Position keinen Respekt zollen und ihm den Rücken stärken? Er braucht viel Unterstützung, um bei dem konsequenten Nein zu bleiben.

(Beifall bei der PDS)

Wir bitten und fordern von der Bundesregierung, im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Nein zur Kriegsresolution der USA, Großbritanniens und Spaniens zu stimmen und nicht zu gestatten, dass die USA unser Land weiter als Aufmarschgebiet für den Krieg missbrauchen. Die PDS und die Masse der Bevölkerung ist bereit, dem Kanzler in dieser Frage Unterstützung zu geben.

Die Bürgerinnen und Bürger sollen wissen, dass wir uns der im 2+4-Vertrag, mit dem die Einheit und die volle Souveränität Deutschlands besiegelt wurden, festgeschriebenen Erklärung, dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird, verpflichtet fühlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben den Mut gefasst, Zeichen zu setzen gegen den Krieg. Kommunale Abgeordnete aus Brandenburg haben den Mut gefasst, aus herkömmlichen Denkmustern auszubrechen und ein Zeichen für den Frieden - und das parteiübergreifend - zu setzen. Nun sollten wir den Mut fassen, die Bürgerinnen und Bürger, die Kommunalvertreter in ihrem Engagement für den Frieden und gegen einen Krieg im Irak zu unterstützen. Als kommunaler Abgeordneter in der Stadt Perleberg und Mitinitiator des „Prignitzer Appells“ bitte ich Sie um Zustimmung zu dem Antrag der PDS-Fraktion. - Danke sehr.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kein

Thema bewegt die Menschen derzeit so wie der drohende Krieg im Irak. Mit Sorge und Spannung blicken wir auf die internationalen Entwicklungen.

Dass sich auch kommunale Abgeordnete in einem Appell gegen einen Krieg im Irak aussprechen, ist daher sehr verständlich. Trotzdem will ich klar sagen, was mir an dem Antrag der PDS nicht passt.

Wir hatten Sie schon beim letzten Mal gebeten, die Einbringung dieses Antrags in den Landtag zu überdenken. Sie sind dieser Anregung nicht gefolgt. Das Thema Irak beschäftigt uns alle, aber wahr ist auch, dass der Landtag über keinerlei außenpolitische Kompetenzen verfügt.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Sie sollen Ihren Kanzler unterstützen!)

Ich habe - das gebe ich ehrlich zu - Probleme damit, wenn hier Anträge sozusagen bloß für die Galerie verhandelt werden und politisch letztlich folgenlos bleiben müssen,

(Zuruf von der PDS: Das sehen wir anders!)

weil der Landtag hier eben seine gesetzlichen und politischen Zuständigkeiten eindeutig überschreitet.

Man sollte als verantwortungsbewusster Abgeordneter keine Illusionen wecken, die der Landtag mangels Zuständigkeit nicht Wirklichkeit werden lassen kann. Das ist hier der Fall.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Position der Bundesregierung und meiner Fraktion ist völlig klar. Wir haben uns eindeutig für eine friedliche Lösung des Irak-Konfliktes ausgesprochen.

(Frau Tack [PDS]: Wenn Ihre Position klar ist, können Sie diesen Antrag mittragen!)

Wir wollen keinen Krieg im Irak. Wir haben für diese Position nicht nur viel Unterstützung erfahren, sondern auch viel Prügel und Kritik einstecken müssen. Trotzdem bleiben wir dabei.

Wir stehen fest an der Seite unserer Verbündeten im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Deutschland hat sich richtigerweise und aktiv an diesem Kampf - auch mit eigenen Streitkräften - beteiligt. Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass Deutschland im Kampf gegen den Terror abseits stehe. Beim Irak liegt der Fall jedoch anders. Bis heute fehlt jeder Beweis dafür, dass der Irak an den Anschlägen des 11. September beteiligt war.

Völlig offen sind auch die Folgen einer möglichen Intervention im Irak. Statt einer Demokratisierung des Landes ist auch ein ganz anderes Szenario nicht von der Hand zu weisen...

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

... nämlich das der politischen Destabilisierung der gesamten

arabischen Krisenregion, eines dramatischen Auflebens des islamischen Fundamentalismus und einer geschlossenen Front der arabischen Welt gegen den Westen, also genau das, was Al Kaida mit den Anschlägen vom 11. September nicht erreicht hat. Das alles muss man bedenken, wenn man über einen Militärschlag gegen den Irak diskutiert.

Herr Präsident, ich habe Ihre Frage vernommen. Damit, dass ich weitergesprochen habe, habe ich eigentlich bereits geantwortet: Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu.

Wir Sozialdemokraten stehen ohne Wenn und Aber zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Hier aber ist die Frage, ob die geplante Operation gegen den Irak von diesem Auftrag überhaupt noch gedeckt ist. Darum sagen wir Nein. Man hat uns vorgeworfen, Deutschland damit international zu isolieren. Um diesen Vorwurf ist es, wie man in der Presse verfolgen kann, sehr still geworden; denn wenn wir die internationale Agenda betrachten, kann von einer Isolierung Deutschlands überhaupt nicht die Rede sein.

Die Position der Bundesregierung und der SPD ist völlig klar. Lassen Sie mich auch Folgendes klar festhalten: Egal, ob man diese Position in allen Punkten und mit sämtlichen Zungenschlägen teilt oder nicht, sie ist weiß Gott keine Position, für die man sich zu schämen hätte.

Die Politik der Bundesregierung und der SPD kann sich in der Irak-Frage auf die überwiegende Zustimmung der Menschen in diesem Lande stützen. Wenn es Ihnen wirklich um den Frieden geht, Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion, dann sollten Sie auch darüber froh sein, dass Deutschland seine Position so klar und unzweideutig vertritt.

(Zuruf von der PDS: Sind wir doch!)

Sie werden den knappen Ausgang der Bundestagswahl noch in Erinnerung haben und sich leicht vorstellen können, dass dies auch anders hätte sein können. Gerade weil unsere Haltung als Sozialdemokraten in dieser schwerwiegenden Frage von Krieg und Frieden so eindeutig ist, habe ich keine Lust, hier irgendwelche Spielchen mitzuspielen und über von der PDS-Fraktion hingehaltene Stöckchen zu springen.

Wir haben es in dieser Frage in keiner Weise nötig, hier demonstrativ vor Ihnen den Hut zu ziehen oder uns von Ihnen über unsere Friedenspolitik belehren zu lassen.

(Zuruf von der PDS: Das hat niemand getan!)

Ich halte das auch für einen völlig unangemessenen Umgang mit einem bitterernsten Thema.

(Frau Osten [PDS]: Sie liegen total daneben!)

Es erstaunt mich schon, dass der Prignitzer Appell nach den einleitenden Worten plötzlich nur in zwei Dinge mündet, die mit dem Thema - das geben Sie wohl zu - nur bedingt etwas zu tun haben: die Spürpanzer in Kuweit und die Verweigerung der Überflugrechte. Die Spürpanzer stehen in Kuweit nicht im Rahmen des Aufmarsches gegen den Irak, sondern im Rahmen der Operation „enduring freedom“, und zwar eindeutig gedeckt durch die Resolution der UNO und die Beschlussfassung des Deutschen Bundestages.

Wenn Sie, liebe Kollegen von der PDS, nicht nur keinen Krieg gegen den Irak wollen, sondern auch aus dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus aussteigen wollen, können Sie das hier offen sagen. Dazu jedoch werden Sie von uns hoffentlich keine Zustimmung erwarten.