Protokoll der Sitzung vom 06.03.2003

Schließlich noch ein weiterer Aspekt, meine Damen und Herren: Es ist eine Lüge, wenn die Bundesregierung behauptet, dass sich Deutschland nicht am Irak-Krieg beteiligen werde. Das mag vielleicht für Bodentruppen und Bodenkampftruppen der Bundeswehr gelten. Fakt ist jedoch: Deutsche Soldaten stehen auf dem Balkan; sie kämpfen in Afghanistan und stellen dort das größte Truppenkontingent. Ein großer deutscher Marineverband kreuzt am Horn von Afrika. In Kuwait stehen deutsche ABC-Abwehrtruppen und in den AWACS-Überwachungsflugzeugen sitzen deutsche Soldaten. Darüber hinaus gewährt die Bundesrepublik Deutschland anders als zum Beispiel Österreich, dessen Verteidigungsministerium sich kürzlich dagegen aussprach, den Amerikanern Überflug- und Durchfahrtsrechte und gestattet der US-Armee die Nutzung aller Fazilitäten; deutsche Wehrpflichtige bewachen US-Kasernen in Deutschland.

Wir als DVU-Fraktion fordern dagegen mit allen gutwilligen Menschen innerhalb und außerhalb Deutschlands: Dieser Krieg muss verhindert werden. Die Bundesrepublik Deutschland und Brandenburg, in dem das Einsatzführungskommando der Bundeswehr seinen Sitz hat, dürfen sich nie und nimmer direkt oder indirekt an einem Krieg beteiligen. Daher bitten wir diejenigen von Ihnen, die sich als Humanisten, Christen oder auch nur als Volksvertreter im wahrsten Sinne des Wortes verstehen: Stimmen Sie unserem Antrag zu! - Ich bedanke mich zunächst einmal für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Koalitionsfraktionen. Für sie spricht der Abgeordnete Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie, Herr Präsident, vorhin meiner Bitte entsprochen hätten, mich noch 10 Sekunden reden zu lassen, hätte ich mir den Marsch von meinem Platz zum Rednerpult sparen können.

Dann wäre uns Ihr jetziger Auftritt verloren gegangen.

Der letzte Satz, den ich schon in der Debatte zum letzten Tagesordnungspunkt äußern wollte, wäre Folgender gewesen: Die Damen und Herren der DVU-Fraktion haben meine Rede über

den „Prignitzer Appell“ gehört. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Wir lehnen Ihren Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Damit geht das Wort an die PDS-Fraktion.

(Vietze [PDS]: Der Abgeordnete Domres hat dem Parla- ment die Auffassung unserer Fraktion zu dieser Problema- tik unterbreitet! Wir sehen keinen weiteren Erklärungs- bedarf!)

Herzlichen Dank. - Herr Schuldt.

(Schuldt [DVU]: Aber gern!)

Man sollte handeln, meine Damen und Herren von der PDS, nicht bloß reden.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Krieg bedeutet immer Gewalt gegen Menschen und damit gegen andere und gegen die Menschenwürde. Deshalb darf Krieg immer nur die Ultima ratio politischen Handelns sein. So ist zumindest das aufgeklärte Rechtsverhältnis meiner Partei und meiner Fraktion. Wir sind immer gegen den Krieg gewesen.

Sehr verehrte Damen und Herren, noch einmal zum allgemeinen Verständnis: Es geht nicht darum, Herr Klein, unsere NATOVerbündeten in irgendeiner Weise zu brüskieren. Uns ist sehr wohl bewusst, dass im Irak ein Regime an der Macht ist, das weder mit unserem westlichen Demokratieverständnis noch mit unseren abendländischen Werten in irgendeiner Weise vereinbar wäre. Die Saddam-Diktatur ist mit Sicherheit - daran besteht in diesem Hause hoffentlich kein Zweifel, denke ich - ein auf Gewaltherrschaft und Unterdrückung fußendes Unrechtsregime, das in keiner Weise auch nur den Anschein einer Solidarisierung verdient.

Wohl aber, meine Damen und Herren, verdient die Not leidende Zivilbevölkerung des Iraks unser Mitgefühl. Letztlich ist aber unabhängig von völkerrechtlichen Bedenken - diese Frage entscheidend dafür, ob aus unserer Perspektive die Schlussfolgerung zu ziehen ist, dass die Bundesrepublik Deutschland einen Angriff auf das Land am Golf unterstützen darf oder nicht. Wie Sie sicherlich wissen, meine Damen und Herren, setzen nicht nur unsere nationalen Gesetze, insbesondere Artikel 26 des Grundgesetzes sowie § 80 des Strafgesetzbuches, kriegerischen Aktivitäten eindeutig Grenzen, sondern auch moralische Maßstäbe, die wir selber haben.

Einerseits ist zu bedenken, ob durch eine Hilfsleistung Deutschlands bei einem Angriff nicht schon die rechtlichen Grenzen in Form des Verbotes eines Angriffskrieges durch die Beteiligung der Bundesrepublik überschritten sind oder nicht. Denn hier stellt sich einzig und allein die Frage, ob einerseits ein Bündnisfall vorliegt oder andererseits eine humanitäre Investition zur Verhinderung oder Beendigung von Völkermord oder elementaren Menschenrechtsverletzungen Rechtfertigung gewährt. Das eine ist die Ebene des NATO-Vertrags, das andere ist die Kompetenzebene der Vereinten Nationen.

Ersteren Fall können wir zumindest zum jetzigen Zeitpunkt ausschließen, da ein Angriff des Iraks auf einen NATO-Verbündeten nicht zu befürchten ist. Die andere Frage ist gleichwohl wesentlich schwieriger. Mit Sicherheit gibt es im Irak elementare Menschenrechtsverletzungen, die von uns nicht toleriert werden können. Das allein gibt uns jedoch keine Legitimation, sich bei Fehlen eines Mandats des UN-Sicherheitsrates an einem Akt militärischer Aggression zu beteiligen. Auch eine dringende Gefahr einer kriegerischen Aggression durch den Irak unter Anwendung von atomaren, biologischen oder chemischen Angriffswaffen mit Trägersystemen mit einer für Drittstaaten gefährlichen Reichweite wurde von den UN-Inspektoren nach wie vor nicht nachgewiesen. Überdies findet derzeit eine seitens der UN geforderte Vernichtung von Trägersystemen mit einer potenziell größeren Reichweite als 150 km planmäßig statt.

Diese Ergebnisse führen uns zu der Auffassung, dass eine dringende oder konkrete Gefahr eines kriegerischen Aktes des Iraks - im Gegensatz zu den Äußerungen des amerikanischen Präsidenten und seines Verteidigungsministers - derzeit eben nicht besteht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auch in Brandenburg leben viele ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die den Bombenkrieg auf unsere Städte noch erlebt haben. Meine Eltern, meine Großeltern haben damals gesagt: Nie wieder Krieg! Mein Junge, das bedenke dein Leben lang. - Und ich halte mich daran.

(Beifall bei der DVU)

Diesen Menschen ist nach wie vor in schrecklicher Erinnerung, welches Leid für die Menschen damit verbunden ist, und so wird es aller Voraussicht nach mit einem erneuten Irak-Krieg auch für die Kinder der Städte Bagdad und Basrah sein. In der Regel sind nicht die Diktatoren und Machthaber, die sich geschützt in den Bunkern ihrer Paläste aufhalten, Leidtragende des Krieges, sondern die Menschen, die schutzlos sind - schutzlos vor der Unterdrückung durch die eigenen Machthaber und schutzlos vor den Bomben der Angreifer.

Deswegen und aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedenken, die wir als DVU-Fraktion gegen eine Beteiligung am Irak-Krieg haben, bitte ich Sie noch einmal, unserem Antrag zuzustimmen.

Herr Klein und meine Damen und Herren von der PDS! In fast allen kreisfreien Städten und Kreisen sind Resolutionen gegen den Krieg verfasst worden.

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrages!

Bitte, zeigen Sie hier Größe und stimmen auch Sie unserem Antrag zu. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Die Rednerliste ist abgearbeitet. Wir kommen zur Abstimmung. Die DVU hat namentliche Abstimmung beantragt. Deshalb bitte

ich die Schriftführer, die Namenslisten vorzubereiten und mit dem Namensaufruf zu beginnen. Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, bitte ich wieder um ein klares Votum.

(Namentliche Abstimmung)

Gibt es Abgeordnete im Raum, die noch keine Gelegenheit zum Votieren hatten?

(Die Abgeordneten Frau Hesselbarth [DVU], Dellmann [SPD], Homeyer [CDU] und Frau Dettmann [SPD] geben ihr Votum ab.)

Ich bitte um einen Moment Geduld für die Auszählung.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis bekannt: Für den Antrag stimmten vier Abgeordnete, dagegen 44. Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 4915)

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 10 und wir kommen zum Tagesordnungspunkt 11:

Novellierung der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/5531

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Für sie spricht Frau Osten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht erst der Nachtragshaushalt hat uns allen gezeigt, dass die prekäre Haushaltslage des Landes nicht allein aus eigener Kraft zu lösen ist. Die PDS-Fraktion geht in ihren Vorschlägen von einem Umverteilungsvolumen von knapp 113 Millionen Euro, aber nicht von 1,2 Milliarden Euro, dem als Nettokreditaufnahme für dieses Jahr geplanten Betrag aus. Wir werden sehen, ob diese Zahl letztlich zutreffend ist. Es gibt somit Nachbesserungsbedarf.

Wir sprechen die Landesregierung nicht davon frei, dass seit Bestehen des Landes Schulden in Höhe von 13,5 Milliarden Euro angehäuft wurden und Brandenburg damit den vorletzten Platz unter den ostdeutschen Flächenländern einnimmt. Wir sind dennoch der Auffassung, dass die Hauptprobleme der Länder ohne Änderung der Rahmenbedingungen auf Bundesebene nicht zu lösen sein werden. Wir kritisieren die Landesregierung, dass sie sich im Bundesrat gegenüber der Bundesregierung mit zu geringem Nachdruck für eine wirkliche Reform einsetzt.

Wir verkennen nicht, dass eine Änderung der bundesdeutschen Rahmenbedingungen ein sehr komplexes Vorhaben ist und mittelfristig bis zu einer Änderung der Finanzverfassung im Grundgesetz...

Frau Osten, ich bitte Sie um eine kurze Auszeit. - Meine Damen und Herren! Es ist etwas Ungeheuerliches passiert; ich bin so

eben darauf hingewiesen worden. Ich habe das Votum von Frau Hesselbarth, nachdem sie aufgerufen worden ist, deutlich gehört. Jetzt stellt sich heraus: Frau Fechner hat an dieser Stelle für Frau Hesselbarth votiert. Dies ist eine Form von Unglaubwürdigkeit, wie sie mir in diesem Parlament noch nicht begegnet ist.

(Vereinzelt Beifall bei SPD, CDU und PDS)

Frau Fechner, ich kann Ihnen nur sagen: Bei aller Lächerlichkeit, die Sie empfinden, reicht Ihr Verständnis offensichtlich nicht weit genug. Ich erteile Ihnen hiermit wegen Wahlfälschung einen Ordnungsruf, der auch protokolliert wird.

(Frau Fechner [DVU]: Darf ich auch etwas dazu sagen?)

- Nein.