Das vor Wochen vorgelegte Konzept des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks als schlüssiges Gesamtkonzept fand keine Berücksichtigung. Auch bis heute erbrachte Ausbildungsleistungen wurden missachtet. Mit dem wahllosen Herausstreichen von Gewerken, die bisher der meisterlichen Zulassungspflicht unterliegen, wird die Sicherheit der Bürger leichtfertig aufs Spiel gesetzt.
Wir wollen die Novellierung der Handwerksordnung aber nicht blockieren und ihr nicht im Wege stehen. Ich kann daher der Landesregierung nur empfehlen, ein schlüssiges, die wirtschaftlichen Bedingungen und Mechanismen anerkennendes Gesamtkonzept einzufordern. Die vorliegenden Vorschläge befreien weder die Bundesrepublik Deutschland insgesamt noch speziell das Land Brandenburg aus der durch Reformunwillen und Mutlosigkeit selbst gestellten Falle. - Danke schön.
Ich danke dem Abgeordneten Karney und gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der SPD. Herr Abgeordneter Kliesch, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man zu einem späteren Zeitpunkt in der Debatte das Wort ergreift, kann man die interessante Feststellung machen, dass die Fragen, die uns in Deutschland bewegen, auch von den Parteien aufgenommen und konträr diskutiert werden. Wir haben eine besondere Gabe: Wir können schlecht integrieren,
sind aber stets am Polarisieren. Die Botschaft, die nach außen getragen wird, lautet: Es gibt keine Konzepte, um die Probleme der Wirtschaft und der fehlenden Arbeit zu lösen. - Dies ist sowohl unter politischem als auch unter gesamtgesellschaftlichem Aspekt verheerend.
Als der Kanzler vor einiger Zeit dazu aufrief, einen runden Tisch zu bilden, war die Situation schon so, wie von mir soeben beschrieben. Das Fehlen eines runden Tisches, einer langfristigen Vorbereitung auf Strukturänderungen, deren Notwendigkeit zu erkennen war, hat uns bitter getroffen. Was jetzt in Berlin auf den Weg gebracht wird, darf hier nicht zerredet werden bzw. es dürfen keine extremen Positionen dagegengestellt werden, indem der Minister hier etwa formuliert: Wachstum oder Verteilung. - Das ist eine eigenartige These mit dem Wort Oder. Wachstum, Wettbewerb, Binnenkaufkraft, Konsum und dann verteilen - das wollen wir doch in der sozialen Marktwirtschaft beibehalten.
Es kann doch wohl nicht sein, dass wir jetzt nur noch über Wachstum und überhaupt nicht mehr über die Verteilung des dabei erarbeiteten Wohlstandes reden. Die These, die hier aufgestellt wird, lautet ja: Es ist zurzeit überall kein Wachstum. Das ist aber nicht so. Wir haben in Brandenburg einen beispielhaften Strukturwandel in der Wirtschaft erlebt. Wir haben ihn aber nicht so fortführen können.
Wir wissen auch, dass die Subventionen im öffentlichen Bereich nicht in dieser Dimension weitergehen können. Wir wissen auch, dass die Zuschüsse zu den Wirtschaftsunternehmen nicht in dieser Form weitergehen können. Wir haben bei unserem Besuch in Irland feststellen müssen, dass wir letztendlich nicht mit Unternehmen in Baden-Württemberg, sondern europa- bzw. weltweit konkurrieren. Wer in den Wettbewerb der Subventionen einsteigt, hat im Weltmaßstab keine Chance, zumindest nicht als Brandenburger.
Deswegen muss die Antwort ganz anders lauten, nämlich: Alle an einen Tisch! Wir diskutieren die Probleme der Situation, die wir hier lösen können. Dabei brauchen wir alle Parteien, Gewerkschaften, sozialen Institutionen, Kirchen, die in diesen sozialen Prozess eingebunden werden müssen.
Wir haben auch ein mentales Problem. Was wir bzw. einzelne Wirtschaftsverbände, Interessenvertreter oder Lobbyisten hier verkünden, kommt draußen nicht an. Es wird nicht geglaubt. Das Sinken der Kaufkraft ist in einigen Gebieten sicherlich darauf zurückzuführen, dass nicht genügend Arbeit und Einkommen vorhanden sind. Genauso verheerend ist es - das haben wir gestern lesen können -, wenn Discounterketten Dumpingangebote machen, die letztendlich dazu führen, dass die Konsumenten nicht mehr vernünftig reagieren, nicht mehr erkennen, dass Leistung auch bezahlt werden muss, dass Arbeit, die investiert wird, auch ihren Preis hat. Dies alles ist verheerend. Deshalb kann man das auch nicht mit einem Wort hier abtun.
Ein Wort zu den Ausbildungsplätzen. Heute reden wir darüber, dass viele Jugendliche ohne Ausbildung sind, dass es Hunderttausende sind, die in den letzten Jahren durch Sonderprogramme des Bundes und der Länder von der Straße geholt wurden und eine Beschäftigung bzw. zum Teil auch eine gute Ausbil
dung gefunden haben. Diese Sonderprogramme kann man befürworten oder kritisieren. Jedenfalls ist es nicht die Aufgabe der Politik, sich langfristig nur allein Gedanken darüber zu machen, wie man den Nachwuchs in Unternehmen sichert. Wer da nicht selbst seinen Kopf anstrengt, wird in nächster Zeit wegen der Entwicklung der Geburtenzahlen in Brandenburg toll auf die Nase fallen.
Wir haben ein strukturelles Problem, das existenzbedrohend ist für diejenigen, die keine gut ausgebildeten Leute bekommen.
Zu dem Beispiel, welches hier genannt wurde: Warum kann man einem Lehrling nicht 350 Euro anstelle der tariflich vorgesehenen 385 Euro geben? Man könnte hier auch 200 oder 100 Euro geben. Man muss nur fragen: Will er dafür kommen? Kann er davon leben? Findet er demnächst nicht ein viel besseres Angebot in anderen Bundesländern? Wenn man darauf antwortet „Er muss kommen; einen schlechteren gibt es für mich gar nicht; der bleibt ja immer hier“, dann hat man die Zeichen der Zeit auch nicht richtig gedeutet und wird mit seinem Unternehmen nicht weiterkommen.
Ich meine damit - das habe ich in meinem Anfangsstatement schon gesagt -, dass wir hier von dieser Stelle sagen müssen: Wir sind ein reiches, ein wohlhabendes Land. Wir haben alle Chancen, die Strukturprobleme zu lösen, wenn es uns gelingt, alle an einen Tisch zu bekommen: Politik, die einzelnen Verbände, Organisationen, die ich schon genannt habe. Es sind ja hervorragende Leistungen erbracht worden. Ich denke nur daran, wie dramatisch sich der Strukturwandel in der Stadt Hennigsdorf vollzogen hat: von zwei Unternehmen zu DDR-Zeiten mit 8 000 Beschäftigten hin zu einer breiten Unternehmensstruktur und zu den zukunftsweisenden Technologien. Beispielhaft sei hier nur die Biotechnologie erwähnt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Politik muss verlässliche Rahmenbedingungen setzen. Politik kann sich nicht darin erschöpfen, permanent konträre Standpunkte auszutauschen. Wir brauchen eine Lösung, die davon ausgeht, dass wir alle in dieser Gesellschaft mitnehmen, und bei der uns abgenommen wird, dass wir es ernst meinen. Ernst meinen wir das, wenn wir eine Ethik in diese Diskussion bringen, die bedeutet, dass wir das, was erwirtschaftet wird, ehrlich und korrekt teilen wollen. Wer glaubt, dass er die Gewinne nach Amerika abführen kann, um dort ein sorgenfreies Wohlstandsleben zu führen, ohne sich über die Herkunft seiner Gelder Gedanken machen zu müssen, wird das, was wir brauchen, nicht verantwortungsvoll umsetzen können.
Wir brauchen Unternehmer, die verantwortungsvoll sind. Wir brauchen eine Gesellschaft, die mit ihren Unternehmern in der Diskussion bleibt. Dazu wünsche ich uns viel Erfolg. Wir haben keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Wir haben alle Chancen für die Zukunft, wenn es uns gelingt, die Probleme, die anstehen, gemeinsam zu lösen.
regierung, ob sie die restlichen drei Minuten Redezeit in Anspruch nehmen will. - Das ist nicht der Fall. Dann gebe ich das Wort abschließend an Herrn Dr. Ehler von der Fraktion der CDU. Er hat noch vier Minuten Redezeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst drängt es mich, zu den Äußerungen des Kollegen Christoffers von der Opposition etwas zu sagen. Ich bin ja nun wirklich nicht in der Gefahr, den Bundeskanzler zu verteidigen. Jedenfalls ist es die verdammte Pflicht und die Schuld eines Bundeskanzlers, in einer solchen wirtschaftlichen Situation seine eigenen Geschicke mit einem Reformansatz, den er findet, zu verknüpfen. Bei Ihnen sind ja schon alle, die reformieren wollten, zurückgetreten. Jetzt recyceln Sie zum zweiten Mal. Wir sind gespannt, ob damit auch wieder Rücktrittsforderungen verbunden sind. - Das zum Thema der Reformfähigkeit der PDS.
(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS] - Weitere Zurufe)
Meine Damen und Herren, wir haben heute viel von Bestandsaufnahme, von Diagnosen, von Analysen gehört. Ich denke, wir sollten uns auf die Frage kaprizieren: Was können wir in Brandenburg tun? Wir sind natürlich Gegenstand der Bundesgesetzgebung. Es gibt im Bund eine intensive Diskussion. Wir können uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in Deutschland in einer tiefen wirtschaftlichen Krise sind. Wir können uns aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in einer Krise der politischen Klasse in Deutschland sind.
Denn wir haben uns lange Jahre über Parteigrenzen hinweg allerdings hat die PDS sozusagen seltsame Höhepunkte getrieben - leider zu lange daran orientiert, was die Wähler hören wollen, und nicht daran, was die Realitäten sind. Wir müssen vermeiden, dass wir intellektuell frei drehen, dass wir nicht auf einem Fahrrad sitzen und strampeln und irgendwann feststellen: Es fällt um.
Insofern möchte ich auf einige konkrete Punkte kommen, die mir in Brandenburg wichtig erscheinen und die sicherlich auch das Umfeld wirtschaftlichen Handelns bestimmen. Das ist zum Beispiel das Thema Deregulierung. Wir befinden uns in einer geistigen Umklammerung - das muss man einmal deutlich sagen - hinsichtlich der Debatte um die Wachstumsverteilung. Wir können nur das verteilen, was wir haben. Die Argumente zum Thema soziale Frage usw. sind alle richtig und wohlfeil. Sie sind getragen von einem Engagement für Kinder, sozial Schwache, Minderheiten, für den Ausgleich in der Gesellschaft, für die Angleichung von Lebensverhältnissen. Ich will niemandem unterstellen, dass das keine richtigen Motive wären. Aber es bleibt festzuhalten: Wir können nur das verteilen, was wir haben. Sonst ist es eine surreale Diskussion. Das muss man immer wieder sagen.
Insofern ist ein Thema, worüber wir in Brandenburg wirklich reden müssen, der Zustand von Unternehmen. In welchem Umfeld befinden sich denn Unternehmer? Es gibt in Deutschland 70 000 Gesetze, Verordnungen und Rechtsvorschriften.
Wir schätzen, dass etwa 30 Milliarden Euro allein an Bürokratiekosten für die Wirtschaft anfallen. Wir schätzen, dass ein normaler Mittelständler, ein Brandenburger Mittelständler etwa 350 Stunden pro Jahr für Bürokratie aufbringt.
Ich möchte Ihnen einmal Beispiele nennen: Wenn die Umsatzsteuervoranmeldung nicht monatlich, sondern vierteljährlich abgegeben werden könnte, würden in Deutschland 12 Millionen Formulare eingespart werden - 36 Millionen Blatt Papier, ein Berg von mehr als 4 000 m Höhe.
Ein anderer Bereich, der Bereich Landwirtschaft, Agrargesetz: Die Gasölbetriebshilfe für Landwirte wurde früher über die Landwirtschaftsämter zurückgezahlt. Jetzt macht es die Zollverwaltung. 440 000 Betriebe müssen für die Rückerstattung von Mineralölsteuer einen zehnseitigen Antrag ausfüllen, der allerdings schwer verständlich ist. Deshalb gibt es dazu 18 Seiten Ausfüllungsanleitung. Damit die Sache für die Bürokratie handhabbar bleibt, gibt es für die Klarheit bei der Bearbeitung ein 53-seitiges Regelwerk.
Wenn Brandenburger Landwirte wie ihre französischen Kollegen Heizöl tanken könnten, hätten wir dieses Gebirge nicht.
Ich will noch einmal ganz deutlich sagen - damit komme ich auf Brandenburger Themen, und dabei müssen wir uns auch ein Stück weit an die eigene Nase fassen -: Sie sprachen, Herr Müller, von dem Wegziehen von Knüppeln. Bei der gesamten Diskussion um die Bauordnung, bei allen verständlichen Themen sind wir an einem Punkt gelandet, bei dem wir die Werbeflächen von wirtschaftlichen Unternehmen in Brandenburg nun an Fahrradständer koppeln - ein Quadratmeter. Das ist eine Diskussion, die auch einer Koalition schlicht und einfach unwürdig ist. Ich muss das einmal so deutlich sagen.
Das ist kein Handeln gegen den Naturschutz, sondern ist eine Versachlichung; denn in Brandenburg gibt es mehr Natur als Unternehmer. Auch das muss man deutlich sagen.
Es gibt etwas Weiteres, das man beachten sollte, nämlich den bösen Satz, dass Bürokratie eine Rache enttäuschter Idealisten ist. Wir dürfen nicht immer Wirtschaft gegen Naturschutz oder Wirtschaft gegen Soziales ausspielen, sondern müssen ganz klar sehen, dass wir überreguliert haben, dass keine Bewegung mehr möglich ist, dass viele Unternehmen schlicht und einfach in einer Klammer sitzen.
Nach deutschem Recht wird ein Bienenschwarm herrenlos, wenn der Eigentümer ihn nicht unverzüglich verfolgt oder die Verfolgung aufgibt. Verfolgt ein Eigentümer einen Bienenschwarm, so darf er bei der Verfolgung fremde Grundstücke betreten. - So etwas ist in Deutschland im BGB geregelt.
Herr Abgeordneter Dr. Ehler, ich fürchte, diese Diskussion werden Sie im Ausschuss weiterführen müssen.
Lassen Sie mich dann zum Schluss nur noch eine kurze Bemerkung machen. Der Ministerpräsident hat ja mit einem großen Bild - ex oriente lux, aus dem Osten kommt das Licht - dargelegt, dass wir in den neuen Bundesländern die Chance haben, etwas anderes zu tun. Ich meine, dass wir in Brandenburg mit der Deregulierung beginnen müssen. Ich sage es ganz einfach einmal quantitativ - andere Bundesländer haben es vorgemacht -: Schaffen wir 20 % aller Regeln, Gesetze und Verordnungen im Lande Brandenburg ab. Dann haben wir sehr viel für die Wirtschaft getan. - Vielen Dank.
Ich danke dem Abgeordneten Dr. Ehler für seinen Beitrag. Wir sind am Ende der Rednerliste für die Aktuelle Stunde. Ich schließe deshalb den Tagesordnungspunkt 2 und unterbreche die Sitzung bis 13 Uhr.