Protokoll der Sitzung vom 22.05.2003

Ja, bitte.

Herr Senftleben, können Sie sich daran erinnern, dass wir einmal eine Fachkonferenz hatten, die den Namen „Professionalität und Ehrenamt müssen sich ergänzen“ trug? Ehrenamt alleine reicht nicht aus. Sind Ihre Ausführungen vor diesem Hintergrund dann vielleicht nicht ganz richtig?

Ich kann mich daran erinnern und deswegen sage ich auch ganz deutlich: Wir haben das 610-Stellen-Programm; damit kann sich auch das Ehrenamt entwickeln.

Wenn ich zur Forderung der PDS komme, dann möchte ich ganz kurz und gezielt zwei Zitate zum Besten geben. Das erste Zitat stammt aus der Pressemitteilung des Bildungsministers zum 3. Kinder- und Jugendbericht:

„Gleichzeitig ist intensiv an Modellen für die Kooperation von Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit und Schulen... zu arbeiten.“

Das heißt, dabei gibt es eine Kooperation zwischen Schulen und Jugendarbeit.

Im Kinder- und Jugendhilfegesetz steht in § 13 Abs. 4 geschrieben:

„Die Angebote sollen mit den Maßnahmen der Schulverwaltung, der Bundesanstalt für Arbeit, der Träger betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildung sowie der Träger von Beschäftigungsangeboten abgestimmt werden.“

Das heißt, es gibt auch einen Zusammenhang zwischen Schule und den anderen Maßnahmen. Deswegen, denke ich, geht Ihr Antrag mit Sicherheit nicht in die richtige Richtung. Wir sollten uns über andere Fragen Gedanken machen. Das werden wir im Ausschuss auch tun und deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Senftleben. - Ich gebe das Wort an die Landesregierung. Frau Ministerin Ziegler, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von der Fraktion der PDS eingebrachte Antrag weist einen Weg, der angesichts der bildungspolitischen Diskussion, die wir in der letzten Zeit und auch in den letzten Jahren geführt haben, in die falsche Richtung führt.

Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an den Schulen, denen auch unser herzlicher Dank für ihre Initiative und Einsatzbereitschaft gilt, sollen nach den Vorstellungen der PDS-Fraktion künftig wohl in den Landesdienst übernommen werden. Sie sind aber Teil der Jugendhilfestrukturen, für die die Landkreise und kreisfreien Städte die Gesamtverantwortung haben. Das soll nach unserer Auffassung auch künftig so bleiben. Unabhängig davon bin ich auch der Auffassung, dass wir - das wurde auch in den Redebeiträgen der Koalitionsfraktionen deutlich - zu einer deutlich engeren Verbindung von Jugendhilfe und Schule kommen müssen, um unterschiedliche Formen des Lernens enger aneinander zu knüpfen.

Die von Ihnen als Begründung angeführte Verringerung der Zuweisungen von SAM- und ABM-Stellen an Träger der Jugendarbeit ist nach meinen Informationen nicht stichhaltig. Wir hatten ja im Februar eine Veranstaltung mit dem Landesjugendring, und Anfang März hatte ich ein Gespräch am runden Tisch anberaumt. Es kam zu der Klärung, dass der Eindruck, dass es in einigen Arbeitsamtsbezirken Probleme bezüglich der Bewilligung von Stellen gegeben hatte, der zu Beginn des Jahres entstanden ist, ausgeräumt wurde.

(Zuruf von der PDS)

- Nein. - Jede einzelne Fragestellung, die damit verknüpft war, wird vom Landesarbeitsamt einzeln durchgegangen und über

prüft. Diese Zusage gibt es, und hierbei ist die Zusage des Landesarbeitsamtes an die Landesregierung verbindlich, dass alle SAM-Stellen in der Jugendarbeit, für die die Kofinanzierung vonseiten des Landes und der Kommunen sichergestellt ist, auch bewilligt werden. Ich bitte, dann konkret jeden Einzelfall zu benennen, bei dem das nicht so ist. Dem werden wir einzeln nachgehen.

Ich möchte Sie bitten, nicht zwei Handlungsfelder der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in einen scheinbaren Widerspruch oder eine Konkurrenz zueinander zu bringen. Die Sozialarbeit an Schulen ist mit gegenwärtig etwa 130 vom Land geförderten Stellen die am längsten erprobte und erfolgreichste Form der Kooperation von Jugendhilfe und Schule in unserem Land. Wenn ich mir die künftigen Entwicklungen ansehe, dann wird mir deutlich, dass wir diese Kooperationsformen in verschiedene Richtungen qualitativ ausbauen müssen. Das ist nicht nur notwendig, weil wir den Ausbau des Ganztagsschulsystems gemeinsam mit Partnern aus dem außerschulischen Bereich erreichen wollen, und nicht nur, weil wir zu einer engeren Verzahnung von Formen schulischen und außerschulischen Lernens kommen müssen, sondern auch, weil der Rückgang der Zahl der Jugendlichen dazu führen wird, dass wir zunehmend die Angebote der Jugendarbeit an die Schulen bringen müssen.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich verweise für die näheren Informationen an den Staatssekretär vom MBJS. Ich würde die Ausführungen gerne zu Ende bringen.

Die Entscheidung, ob es offene Freizeitangebote, Angebote der außerschulischen Jugendbildung, Angebote der Jugendverbände oder der Sozialarbeit an Schulen sein sollen, kann nur im Rahmen der örtlichen Jugendhilfeplanung getroffen werden. Wir sind uns ja einig darüber, dass dort das Geld sein und die Verantwortung liegen muss, wo auch die finanzielle Verantwortung liegt.

Aber das Land - das haben wir mehrfach gehört - wird dies weiterhin finanziell unterstützen. Es wird uns nur gelingen, das Ziel, die Schulen wirklich zu Lebens- und Lernorte für die jungen Menschen zu entwickeln, zu erreichen, wenn nicht nur das Land, sondern auch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe und die Schulträger ihre eigene Verantwortung erkennen und wahrnehmen. Dass es über diesen Landeshaushalt gegenwärtig keine Möglichkeiten gibt, zusätzliche Mittel bereitzustellen, entweder für zusätzliches Landespersonal oder für zusätzliche Stellen in der offenen Jugendarbeit, muss wohl nicht näher ausgeführt werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Ziegler. - Wir kommen noch einmal zu einem Beitrag der PDS-Fraktion. Herr Abgeordneter Hammer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einen winzigen Rest an Zeit habe ich mir aufgehoben.

Frau Ziegler, es geht nicht darum, irgendjemanden in den Landesdienst zu übernehmen. Es geht darum, die Selbstständigkeit von Schule zu nutzen und das Schulressourcenkonzept - sozusagen die künftigen Konzepte für die Schulen - zu erweitern.

Herr Senftleben, weil ABM und SAM ungeeignet sind, weil Jugendarbeit Beziehungsarbeit ist, wollen wir den Bereich 610Stellen-Programm etwas verrücken, um den Bereich der offenen Jugendarbeit zu stärken, und zwar ohne die Aufwendung weiterer Mittel. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Hammer. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt. Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die Drucksache 3/5858 der Fraktion der PDS zur Abstimmung auf. Wer dem Antrag in dieser Drucksache seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Umsetzung des Sozialgesetzbuches - Neuntes Buch Teil II „Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter“ in Brandenburg

Große Anfrage 57 der Fraktion der PDS

Drucksache 3/5343

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/5790

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Frau Abgeordnete Bednarsky, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für meine Fraktion ist die Integration schwerbehinderter Menschen in das Arbeits- und Berufsleben eine unverzichtbare Voraussetzung für ein Leben in Selbstbestimmung und Würde. Ein arbeitsloser Schwerbehinderter wird doppelt diskriminiert und von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt: als arbeitsloser und als schwerbehinderter Mensch.

Auch in der Tagesdebatte um die Agenda 2010, dem Sozialabbauprogramm der rot-grünen Bundesregierung, wird bei 5 Millionen Arbeitslosen und noch nicht einmal 500 000 offenen Stellen so getan, als seien die Arbeitslosen nur zu bequem oder

zu faul - um es deutlich zu sagen -, sich eine Arbeitsstelle zu beschaffen.

Unserer Ansicht nach hat jedoch die Politik dafür Sorge zu tragen, dass tatsächlich alle Möglichkeiten genutzt werden, alle gesetzlich vorgesehenen Förder- und Schutzinstrumente unverzüglich und effektiv zu nutzen, um Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zu sichern und neue zu schaffen. Für uns, meine Damen und Herren, ist das Recht auf Arbeit Menschenrecht.

Angesichts der dauerhaft hohen Arbeitslosenzahlen auch bei Menschen mit schweren Behinderungen hat die Bundesregierung in dem Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen festgelegt und neue Förderinstrumente installiert.

Mit dem am 1. Oktober 2000 in Kraft getretenen Gesetz wurde das Ziel verfolgt, die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten in den letzten zwei Jahren bundesweit um 25 %, das heißt um etwa 50 000, zu verringern. Dieses Ziel wurde bundesweit im Oktober 2002 fast erreicht.

Im Land Brandenburg entsprach diese 25%ige Verringerung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen einer Senkung der Zahl der schwerbehinderten Arbeitslosen von 5 573 auf rund 4 200.

Sehen wir uns den Zeitraum etwas genauer an: Nach einem Jahr der Möglichkeit, die Förderinstrumente des Gesetzes zu entfalten, lag Brandenburg bei einer Arbeitslosenzahl von Schwerbehinderten von 5 995, das waren 322 Arbeitslose mehr als zu Beginn der Initiative.

Im Januar 2002 gab es sogar 6 131 arbeitslose Schwerbehinderte, also wiederum einen Anstieg. In der Länderstatistik lag Brandenburg an letzter Stelle. Die Anzahl erwerbsloser Schwerbehinderter stieg in Brandenburg, während sie bundesweit um 7,6 %, in Sachsen-Anhalt um 10,5 % und in Mecklenburg-Vorpommern sogar um 22,9 % abnahm.

Im Juli 2002 war die Anzahl arbeitsloser Schwerbehinderter auf erstaunliche Weise erstmals um rund 850 gesunken. Das Brandenburger statistische „Wunder“ wurde nun Monat um Monat fortgesetzt, sodass im Oktober 2002 nur noch 4 759 Schwerbehinderte arbeitslos waren.

Die Landesregierung konnte stolz nach zwei Jahren, am Ende der Kampagne, vermelden: Das Ziel ist zwar nicht ganz erreicht, aber immerhin gibt es seit In-Kraft-Treten 814 arbeitslose Schwerbehinderte weniger im Land. Geht man wie die Landesregierung von den Zahlen vom Oktober 1999 aus, so sind es sogar 20,9 % weniger. Das selbst gesteckte Ziel - 25 % - ist jedoch nicht erreicht worden.

Wenn ich die Brandenburger Schnellschüsse im letzten Monat vor Ablauf des Abrechnungszeitpunktes ins Visier nehme, dann wird das statistische „Wunder“ klar, wie es im Oktober und November zu so erfolgreichen statistischen Angaben kommen konnte. Das Programm SOFIA mit 547 Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Frauen galt nur für einen Arbeitsplatz über sechs Monate, die kurzfristige Einstellung vieler Schwerbehinderter auf Probe für drei Monate und die „Bereinigungsaktion“ - wer keinen gültigen Schwerbehindertenausweis mehr besitzt,

weil dieser gerade abgelaufen ist, fällt aus der Statistik - taten ein Übriges. So kann ich nur die Volksweisheit zitieren: Glaube nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast!

Fakt ist jedenfalls, meine Damen und Herren, dass wir aktuell, also im April 2003, 6 437 arbeitslose Schwerbehinderte hatten. Das ist eine Steigerung um 36,3 %.

Auch in anderen Bundesländern ist die Zahl der erwerbslosen Schwerbehinderten wieder gestiegen, wenn auch bei weitem nicht so dramatisch wie in Brandenburg. Die relative „Erfolgsmeldung“ vom Oktober vorigen Jahres können wir also vergessen.