Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

Meine Damen und Herren, ich kann bei den weiteren Forderungen der DVU keinen vernünftigen Grund erkennen, warum wir dafür im Bundesrat streiten sollten. Die Umsatzsteuer nur dann zu erheben, wenn das Finanzamt aktiv dazu auffordert, weil die Voraussetzungen erfüllt sind, ist in der Praxis nicht machbar. Real würden wir damit bei fast allen Unternehmensgründungen auf unbestimmte Zeit auf eine Umsatzsteuer verzichten, unabhängig von den realen Umsätzen dieser Unternehmen.

Kleinunternehmer geben keine Umsatzsteuererklärung ab und das Finanzamt hat keine realistische Handhabe, an die erforderlichen Informationen zu gelangen. Um einen zugegebenermaßen hinkenden Vergleich zu bemühen, wäre dies so, als würden Sie alle potenziellen Erwerbspersonen von der Einkommensteuer freistellen, bis das Finanzamt über eine eigene Detektei nachweisen kann, dass diese einer Beschäftigung nachgehen.

Im Ergebnis fällt das Votum auf Ablehnung bei diesem Antrag besonders leicht. - Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Klein. - Die Fraktion der PDS und die Landesregierung haben mir Redeverzicht angezeigt, sodass ich das Wort sofort wieder an Frau Hesselbarth von der Fraktion der DVU geben kann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Klein, gibt es für Sie überhaupt einen Grund, für Brandenburg im Bundesrat zu streiten? Sollte das Hartz-II-Konzept nicht umgesetzt werden? Aber dazu bedarf es umsatzsteuerlich flankierender Regelungen, damit Existenzgründern das, was ihnen mit der einen Hand an Zuschuss gegeben wird, nicht mit der anderen Hand über ungerechte Umsatzsteuerregelungen wieder genommen wird. Die derzeitige Regelung des § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes kann nämlich dazu führen, dass Existenzgründer und insbesondere solche, die das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt in Anspruch nehmen, bereits ab dem ersten oder zweiten Jahr ihrer geschäftlichen Tätigkeit zur umsatzsteuerlichen Regelbesteuerung herangezogen werden, und zwar mit all den negativen Folgen für die Liquidität, die sich daraus ergeben können.

Ich verdeutliche Ihnen das an einem Beispiel, damit auch Sie, Herr Klein, es verstehen. Vielleicht hören Sie ja auch einmal zu: Ein seit sechs Monaten Arbeitsloser hat eine ihm tragfähig erscheinende Geschäftsidee und beantragt im Juni 2004 den Existenzgründungszuschuss nach § 421 Abs. 1 SGB III. Er erzielt im Jahr 2004 10 000 Euro Umsatz und erhält zusätzlich für sieben Monate 4 200 Euro Existenzgründungszuschuss. Im Jahr 2005 erzielt er 24 000 Euro Umsatz und erhält 5 520 Euro Existenzgründungszuschuss. Im Jahr 2006 kann er darlegen, dass seine Umsätze voraussichtlich 20 000 Euro nicht überstei

gen werden, weshalb er auch im dritten Förderjahr Existenzgründungszuschuss erhält. Er erzielt jedoch tatsächlich 30 000 Euro an Umsätzen in diesem Jahr. Aufgrund der Glaubhaftmachung seiner Umsätze gegenüber dem Arbeitsamt wird der Existenzgründungszuschuss von 4 000 Euro nicht zurückgefordert. Er gibt seine Steuererklärung für 2006 im Jahr 2007 ab, sodass er im Juni 2007 die Aufforderung erhält, ab 2008 zur Regelbesteuerung überzugehen. Obwohl er im Jahr 2007 einen Umsatz von 35 000 Euro erzielt, besteht für ihn in diesem Jahr noch keine Verpflichtung, bei steuerpflichtigen Umsätzen die Umsatzsteuer nach der Regelbesteuerung auszuweisen und treuhänderisch zu vereinnahmen.

Damit, meine Damen und Herren, wäre dem Hartz-II-Konzept entsprechend eine echte Entlastung und Förderung für den Existenzgründer gegeben. Nach der heutigen Regelung müsste er bereits ab dem Jahr 2006 zur Regelbesteuerung übergehen und nicht erst, wie wir gesehen haben, ab 2008. Sie wissen genau, meine Damen und Herren, wenn Sie sich jemals mit unternehmerischen Dingen befasst haben, dass die ersten Jahre eines Unternehmens die schwersten sind. Da macht es dann schon einen Unterschied, ob man bereits ab dem dritten Jahr seiner unternehmerischen Tätigkeit zur Regelbesteuerung herangezogen wird oder erst, wie man an meinem Beispiel sieht, ab dem fünften Jahr.

Aus all den genannten Gründen und verdeutlicht durch das aufgezeigte Beispiel bitte ich Sie nochmals: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Die Existenzgründer und Kleinunternehmer in unserem Land werden es Ihnen danken.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Ich beende die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 3/5991 an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen - federführend - und an den Ausschuss für Wirtschaft mitberatend. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung des Antrages der Fraktion der DVU, Ihnen vorliegend in der Drucksache 3/5991, in der Sache. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 17 und rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22.08.2002 (BGBl. I S. 3390) - StGB

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/5992

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der Fraktion der DVU. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Knast ist kein Erholungsheim. Im Bereich des Justizvollzugs haben wir es angesichts eines stetig steigenden Defizits an Stellen und angesichts überbordender Kosten bei gleichzeitig zunehmend überfüllten Gefängnissen mit einer Situation zu tun, die politische Konsequenzen erfordert.

(Petke [CDU]: Welches Land meinen Sie denn?)

Gerade im Bereich der so genannten Bagatellkriminalität und bei nicht einbringbaren Geldstrafen werden nach geltender Rechtslage kurze und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Dies sind Strafen in der Regel deutlich unter sechs Monaten.

Angesichts der überfüllten Justizvollzugsanstalten, die allein schon mit den längerfristigen Strafvollstreckungen fiskalisch und organisatorisch an der Belastungsgrenze angelangt sind, kommt in dem genannten Bereich noch eine Vielzahl von Häftlingen hinzu, die über wenige Monate hinweg sozusagen einen verlängerten Urlaub machen, weil diese Verurteilten in der Regel kaum oder gar nicht beschäftigt werden können. Die Realität sieht so aus, dass diese Verurteilten für einen Zeitraum von vier Wochen bis maximal sechs Monaten untätig Haftplätze besetzen.

Der general- und spezialpräventive sowie auch der erzieherische Sinn und Zweck eines solchen Vollzuges ist - das hat die strafrechtspolitische Erfahrung der letzten Jahrzehnte gezeigt zudem sehr fraglich.

Viele Verurteilte entscheiden sich inzwischen eher dafür, einige Wochen „einzusitzen“, als eine hohe Geldstrafe zu zahlen. Gebessert werden solche Personen durch diese Form des Strafvollzugs in der Regel aber nicht. Demgegenüber verursacht die Strafhaft in den unserem Antrag zugrunde gelegten Fällen der Kleinkriminalität und Zahlungsunfähigkeit bzw. -unwilligkeit für die Rechtsgeschäftigkeit oft sozusagen Probleme. Wenn man bedenkt, wie viel ein Häftling schon pro Tag den Steuerzahler an öffentlichen Ausgaben kostet, und sich die Tatsache vor Augen führt, dass für die Rechtsgeschäfte hieraus letztlich kein Nutzen zu ziehen ist, müssen wir uns gerade vor dem Hintergrund knapper werdender Kassen auf neue, flexiblere Lösungen im Bereich des Strafvollzugs auf der genannten Ebene konzentrieren.

Nach Ansicht meiner Fraktion muss derjenige, der wiederholt strafrechtlich auffällig in Erscheinung tritt, oder derjenige, der eine Geldstrafe nicht zahlen will und damit nicht dazu beiträgt, das von ihm verursachte und zu verantwortende Unrecht wieder gutzumachen, eine dem Gemeinwohlinteresse nützliche Aufgabe erhalten. Hier bietet sich nicht nur der Täter-OpferAusgleich an, der nach wie vor in der Praxis letztlich nur rechtspolitisches Wunschdenken ist, sondern es bieten sich viele Einsatzmöglichkeiten im sozialen Bereich an, zu denen die öffentliche Hand verpflichtet ist, aber für die in den Haushalten oft nicht genügend Mittel bereitstehen.

Diese Situation wird noch zusätzlich dadurch belastet, dass in

der Gesellschaft immer weniger Menschen zu freiwilligem sozialen Engagement bereit sind. So hat zum Beispiel der Staat nicht einmal mehr das Geld zur Verfügung, um genügend Personen im Bereich des Zivildienstes oder eines freiwilligen sozialen Jahres dringende soziale Aufgaben zu übertragen.

Wir als DVU-Fraktion sind daher der Ansicht, dass gemeinnützige Leistungen, insbesondere solche im sozialen Bereich, die die öffentliche Hand nicht an Private vergeben kann, durch den gezielten, effektiven und planmäßigen Einsatz solcher Strafgefangenen erledigt werden können. Dadurch werden auf der einen Seite die öffentlichen Kassen im Hinblick auf die hohen Strafvollzugskosten entlastet. Auf der anderen Seite wird den Verurteilten durch die Auferlegung sinnvoller und gemeinnütziger Tätigkeiten der erzieherische Effekt zuteil, den das Strafvollstreckungssystem in seiner heutigen Verfassung nicht mehr erzielen kann.

Erst dann - hier trägt unser Antrag dem Sinn und Zweck des Strafvollzuges hinreichend Rechnung -, wenn die von uns beantragten und aufgeführten Möglichkeiten nicht bestehen oder sich im Einzelfall aufgrund des Täterbildes als ungeeignet erweisen, soll subsidiär die Verbüßung einer Haftstrafe im Bereich der §§ 41, 43 und 47 Strafgesetzbuch greifen.

Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen. Übrigens, meine Damen und Herren, unterstützen Sie damit gleichzeitig die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries von der SPD, die das ebenfalls fordert. - Ich bedanke mich zunächst einmal für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt und gebe das Wort für die Koalitionsfraktionen an den Abgeordneten Homeyer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich empfehle der DVU einen Blick in den Artikel 293 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch. Darin wird die Landesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnungen Regelungen zu treffen, wonach die Vollstreckungsbehörde Verurteilten gestatten kann, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden. Von dieser Ermächtigung wurde beispielsweise durch das Land Brandenburg mit der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit Gebrauch gemacht. Hiernach kann die Strafvollstreckungsbehörde auf Antrag gestatten, eine ansonsten uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. Sie sehen, ein Blick in das Gesetz erleichtert, wie üblich, die Rechtsfindung.

Im Übrigen wird diese Möglichkeit im Land Brandenburg auch häufig angewandt. So nutzten im vergangenen Jahr 2 027 Verurteilte die gesetzliche Möglichkeit, ihre Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit zu tilgen. Hierdurch wurden insgesamt 80 777 Tage Haft vermieden. Dies bedeutet für das Land Brandenburg eine Einsparung in Höhe von rund 2 Millionen Euro.

Zu dem von Ihnen ebenfalls angesprochenen Täter-Opfer-Ausgleich sei gesagt: Dieser wurde am 1. Dezember 1994 mit dem

Verbrechensbekämpfungsgesetz in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Von dieser Möglichkeit wird auch mehr und mehr Gebrauch gemacht. Übrigens: Brandenburg nimmt auch hier eine Spitzenstellung in Deutschland ein.

Wir lehnen Ihren Antrag ab. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Homeyer und gebe das Wort an die Fraktion der PDS, an den Abgeordneten Sarrach.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke dem Kollegen Homeyer schon einmal für das Übermitteln dieser Verordnung und möchte gern die Fundstelle nachliefern. Das ist die Verordnung vom 19. Juni 2000, Gesetz- und Verordnungsblatt Teil II S. 226.

Die vergangenen Initiativen im Bundesrat haben gezeigt, dass es nicht sinnvoll erscheint, die gemeinnützige Arbeit als Sanktionsform aus dem Gesamtsystem des - das haben Sie selbst zugegeben, Herr Schuldt - gegenwärtig zur Reform anstehenden strafrechtlichen Sanktionsapparates herauszulösen. Von daher frage ich mich schon, ob es sinnvoll erscheint, seitens der Landesregierung im Bundesrat erneut eine unzusammenhängende Teillösung anzubieten, die notwendigen Reformschritten keine Richtung weist, sondern isoliert daherkommt, ohne das Gesamtgefüge hinreichend zu berücksichtigen.

Brandenburg wäre schlecht beraten, in einer „Herr-Lehrer, ich weiß was“-Manier wohl überlegten Änderungen vorzugreifen. Zudem ist mit der Regelungstechnik katalogartiger Ausdifferenzierung entgegen dem ersten Anschein nicht ein Gewinn an Übersichtlichkeit im Allgemeinen Teil verbunden und ebenso wenig kann eine ausreichende Klarheit bezüglich der Strafandrohung im Besonderen Teil des StGB erreicht werden. Hier ist mit Rücksicht auf die Eigenarten und Anforderungen des Strafrechtes bezüglich Beständigkeit und Berechenbarkeit für die Menschen ein besonders hohes Maß an Sorgfalt gefordert ganz abgesehen von der Auswahl auch der betroffenen Delikte. Es scheint, Sie haben ein gesteigertes Interesse am Schutz von Kriegerdenkmälern und Ähnlichem.

Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass der Antrag in seiner Begründung auch systematische bzw. strafrechtstheoretische Standorte verwechselt, wenn in verfehlter Weise der Täter-Opfer-Ausgleich in diesem Zusammenhang als Sanktion dargestellt wird. Dieser hat de lege lata seinen Ort vielmehr bei der Strafbemessung und nicht etwa unter den Strafen. Dies hat seinen guten Grund, weil so dem einsichtigen und ausgleichsbereiten Täter gewissermaßen als Honorierung seiner Wiedergutmachungsbemühungen zugunsten des Opfers die Möglichkeit verschafft werden soll, dass seine Strafe gemildert wird oder er gänzlich straffrei ausgeht.

Dies unterstreicht meine Aufforderung, den unfertigen Antrag der DVU abzulehnen, weil schon systematische Verirrungen zugrunde liegen, die nur durch den weiteren Fokus einer Gesamtneuordnung vermieden werden können. Soweit § 47 Straf

gesetzbuch betroffen ist, stellt die vorgeschlagene Änderung entgegen dem Begründungstext sehr wohl eine Verschärfung dar, und zwar insoweit, als damit der bisher durch das kleine Wort „nur“ herausgehobene Ausnahmecharakter abgeschwächt würde. Wir lehnen diese Initiative deswegen ab.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Sarrach. - Die Landesregierung wünscht nicht das Wort, sodass ich es noch einmal an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt, geben kann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Homeyer von der CDU-Fraktion hat sich mit seinen Ausführungen zum Strafvollzugsbereich - das konnten wir alle hören keine besonderen Lorbeeren verdient.

(Homeyer [CDU]: Das wollte ich auch nicht!)

Mein lieber Herr Homeyer, was Sie hier zum Besten gegeben haben, zeigt, dass Sie nicht verstanden haben, dass sich seit der Bekanntmachung des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich vom 15.05.1871, das heißt vor über 132 Jahren, einiges geändert hat.