Nun muss ich sagen, ich habe meine Sorgen damit, dass wir im Parlament nur noch über die Ausgabenseite reden wollen. Ich finde ganz einfach, das ist unfair. Auch die Koalitionsparteien haben durchaus die Pflicht, darüber nachzudenken, welche Verantwortung wir denn als Land in dieser großen Bundesrepublik haben, damit die Aufgaben, deren Lösung die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Staat erwarten, auch finanziert werden. Wer darf denn dazu alles seinen Beitrag leisten? Da reden wir nun schon wieder darüber, dass wir eine Steuerreform durchführen, die mit Entlastungen verbunden ist; mit der Senkung des Spitzensteuersatzes und, und, und. Dabei wissen wir in den Ländern jetzt schon nicht, wie wir die Aufgaben, die wir gesetzlich beschlossen und zu leisten haben, finanzieren sollen, unterstützen aber möglicherweise sofort die vorgezogenen Steuerreformpläne, die nichts anderes als eine Entlastung zum Ziel haben.
Dann gibt es ganz Kluge, die wissen es genau. Die sagen nämlich: Wenn wir Steuerentlastungen vorsehen, dann setzen vor allem die Unternehmen die zusätzlichen Beträge für Investitionen ein. Bei dem Bürger, der von der Steuer entlastet wird - im
Jahr sind es etwa 100, 200 Euro, bei einigen ganz hervorragende 600 Euro Entlastung, die damit verbunden sind -, erhöht sich die Kaufkraft. - Möglicherweise erhöht sich die Kaufkraft aber auch nicht, weil die Entlastung durch die Preiserhöhungen bei Kindertagesstätten, für bestimmte Veranstaltungen, für Bildungsaktivitäten, für den Schülertransport usw. längst aufgebraucht ist. Wo ist dann der Effekt, der sich damit verbindet?
Da habe ich die Bitte: Denken Sie gemeinsam mit uns und vielen anderen in der Gesellschaft darüber nach, wie in dieser Gesellschaft alle ihren Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben leisten können!
Es gibt heute Nachmittag eine Debatte über die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Ich bringe noch einmal in Erinnerung, dass es ein in Potsdam ansässiger König war, der sich angesichts seiner knappen Kassen entschloss, die 50 wichtigsten Familien zu einer Vermögensabgabe zu bitten. Die sind dieser Bitte des Königs damals übrigens nachgekommen, weil sie Verständnis für die Situation hatten. Vielleicht sollten die Gebrüder Albrecht - Aldi - für die wir ja so viel tun, auch beteiligt werden. Die haben sich in der 50jährigen Geschichte der Bundesrepublik ein Privatvermögen von 12,8 Milliarden Euro aufgebaut.
Allein durch das in Banken angelegte Privatvermögen realisieren sie Reingewinne von 600 bis 700 Millionen Euro jährlich. Finanziert wird dies wiederum durch den Steuerzahler, weil nämlich der Staat bei dieser Bank Kredit aufnimmt und mit den Zinszahlungen, die uns gemeinsam belasten, gerade jene Guthaben und Fonds finanziert. Das ist genau jener Prozess der Umverteilung von gesellschaftlichem Vermögen, der dazu führt, dass die Zahl der Millionäre und der Milliardäre in Deutschland wächst.
Solange Sie über soziale Gerechtigkeit, über das Soziale im Namen Ihrer Parteien reden und - mit dem Hinweis auf eine Neiddebatte - einfach in Kauf nehmen, dass der Anteil der sozial Schwachen, der Sozialhilfeempfänger steigt, die Belastungen, die die Kranken, Blinden und Gehörlosen betreffen, wachsen, finden Sie sich mit einer Situation ab, mit der man sich nicht abfinden muss, und ich erwarte von Ihnen, dass Sie, wenn Sie über Modernisierung nachdenken, genau dies bedenken.
Es ist natürlich so, dass das Gesetz zur Sicherung des Haushalts und zur Verwaltungsmodernisierung praktische Angebote für die Struktur und auch für die Anzahl der Beschäftigten beinhalten muss. Ich glaube ganz einfach, dass mit 12 400 ein sehr anspruchsvolles Ziel anvisiert ist, wofür große Kraftanstrengungen notwendig sind. Ob sich das so umsetzen lässt, wie es von einigen Kollegen formuliert ist „Wir werden das gesundschrumpfen“ - und das ist dann modern, wenn man etwas gesundschrumpft -, weiß ich nicht; damit kann ich nichts anfangen.
Wenn man in den Gesetzentwurf der Landesregierung noch „sozialverträglicher Stellenabbau“ hineinschreibt, dann in der
Debatte im Ausschuss durch die Koalitionsfraktionen zunächst einmal das Soziale gestrichen wird, weil man ja so sozial denkt, und dann noch einen Entschließungsantrag einbringt, weil man sich noch nicht getraut hat, das in das Gesetz zu schreiben, aber es dem Parlament mit Mehrheit vorlegen will, wie man die Kündigungen, wenn sich das, was man will, nicht umsetzen lässt, viel gezielter als betriebsbedingte Kündigungen realisiert, dann muss ich sagen: Da wird unter Modernisierungsbegriffen die ganze Denkweise deutlich, die hier zugrunde liegt und die wir ganz entschieden zurückweisen.
Es war keine große Leistung des bisherigen Ministerpräsidenten Stolpe, des jetzigen Bundesministers, als er mit Gewerkschaften und Betriebsräten vor drei Jahren eine Vereinbarung schloss, in die er die Modernisierungsziele aufnahm, und zugleich sagte, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde, weil in diesem Land die Möglichkeit bestehe, mit den Gewerkschaften und einer richtigen Motivation der Beschäftigten jene Schritte zu gehen, die zu einem gezielten Stellenabbau führten.
Wenn man natürlich dafür kein intellektuelles Angebot hat, wenn man die Diskussion darüber in diesem Parlament auch nicht wünscht, dann kommt man am Ende in die Situation, dass man die Notlösung braucht. Das sind die Kündigungen. Ich finde, genau hier wird etwas aufgekündigt. Ich hoffe, Sie haben es mit den Gewerkschaften und mit vielen anderen, mit denen Sie diese Verträge geschlossen haben, schon einmal diskutiert. Das ist nämlich ein Ausdruck der Art und Weise, in der hier regiert wird. Das hat mit modern, mit demokratisch, mit aufgeschlossen nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun.
Nun sagen wir freundlicherweise, wir wollen darüber reden, was die Aufgabe des Landes ist. Ich finde ganz bemerkenswert, dass wir alle so viele Schwierigkeiten haben, uns über die Kernaufgaben des Staates zu einigen. Ich frage einmal: Wem überlassen wir es, die Kernaufgaben zu bestimmen? Zum einen steht ein Teil der Kernaufgaben in der Verfassung, in den Rechten und Staatszielen. Damit sind Kernaufgaben des Staates verbunden. Was gehört noch dazu?
Streiten wir darüber, ob die Kindertagesstättenbetreuung zu den Kernaufgaben des Staates in Brandenburg gehört oder nicht.
Streiten wir darüber, ob in den ländlichen Räumen der Transport zur Schule noch eine Aufgabe in der Verantwortung des Staates ist oder allein in der Verantwortung der Eltern liegt, obwohl wir immer mehr Schulen schließen und die Wege nicht kürzer, sondern jedes Mal länger werden.
Streiten wir über die Eigenheimzulage - das ist eine Bundesfinanzierung -, über viele andere Förderprogramme und, und, und.
Fakt ist: Streiten darüber müssen wir. Ich finde, wir haben ein Niveau erreicht, bei dem wir diesen Streit allein anhand von Haushaltsgesetzen führen. Die Rechte setzen wir mit dem Haushaltsstrukturgesetz außer Kraft. Das andere regeln wir
über ein Haushaltssicherungsgesetz, was vorliegt. Was wir stattdessen tun müssten, wäre, die politische Diskussion über diese Aufgaben führen.
Die würde ich mir wünschen, denn ich will, dass wir über das zukunftsfähige Brandenburg mit märkischer Prägung auch für das zweite Jahr unseres Ministerpräsidenten sprechen. Das hat etwas mit Bildungsausgaben, mit Wissenschaftsausgaben, mit Kulturausgaben zu tun, mit Ausgaben für junge Leute, mit einer Hinwendung zu jungen Leuten. Diese Diskussion dürfen wir uns nicht ersparen.
Wir machen es uns viel zu leicht, wenn wir am Ende des bisherigen Gesetzgebungsverfahrens zu dem Ergebnis kommen: Es geht um einen konsequenten Personalstellenabbau, um eine Reduzierung der Personalkosten. Wer dieses Vorhaben mit dem Vorwurf der Realitätsferne verbindet, der hat möglicherweise selbst den Blick für die Realitäten in diesem Lande verloren.
Da hier von „Staatsgläubigkeit“ die Rede ist - Herr Lunacek, vielleicht kommt ein solcher Eindruck zustande, wenn man Abgeordneter und Generalsekretär einer Partei ist; auch ich ertappe mich möglicherweise dabei, damit wir uns nicht missverstehen -, stelle ich die Frage: Meinen Sie, dass wir den Menschen in diesem Lande, sowohl den 253 000 Arbeitslosen als auch denjenigen, die jeden Tag 100 oder 200 Kilometer zur Arbeit fahren - manche kommen nur noch am Wochenende nach Hause, weil sie in Bayern oder Baden-Württemberg tätig sind -, den Vorwurf zumuten müssen, staatsgläubig zu sein? Diese Menschen haben längst begriffen, was dieser Staat zu leisten imstande ist. Diejenigen, über die Sie urteilen, haben möglicherweise vergessen, welche Aufforderung an uns damit verbunden wird: viel mehr für Lebensperspektiven in Brandenburg zu tun. Demzufolge sollten wir eine konstruktive Debatte darüber führen, worin die Kernaufgaben dieses Landes bestehen und welches die von uns aufgezeigten Alternativen sind.
Herr Präsident, ich komme zum Ende. - Ich wiederhole mich nicht, sondern möchte darauf verweisen, dass wir eine Fülle dieser Überlegungen in unserem Entschließungsantrag untergebracht haben. Sie haben sie somit rechtzeitig gelesen und können dem Antrag zustimmen.
Wir sollten einen Sonderausschuss einsetzen, der sich mit der Verwaltungsreform beschäftigt. Dieser Ausschuss sollte die Landesregierung kritisch und aufgeschlossen begleiten. Wir sollten damit nicht zu lange warten. Liebe sozialdemokratische Kollegen, in Berlin gibt es einen solchen Ausschuss.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss und verweise noch darauf, dass man in Berlin gute Erfahrungen damit gesammelt hat. Unser Parlament kann von diesen Erfahrungen profitieren.
In Berlin ist man möglicherweise nicht so tolerant wie bei uns. - Das Rederecht geht an die Fraktion der SPD. Herr Abgeordneter Bischoff, bitte.
Ich möchte allerdings mit einem Zitat zum Thema „Schuldenmachen“ beginnen, das aus dem Reich von Königen stammt, Herr Vietze:
„Für einen Minister ist es sehr verführerisch, das Schuldenmachen zu benutzen, um ihn in den Stand zu versetzen, während seiner Verwaltung den großen Mann zu spielen, ohne das Volk mit Steuern zu überladen oder eine sofortige Unzufriedenheit gegen sich zu erregen.“
Das schrieb der englische Philosoph David Hume im Jahre 1752. Ich meine, 200 Jahre später hat es ein Staatsratsvorsitzender noch genauso gemacht. Heute, 251 Jahre später, debattieren wir im Landtag Brandenburg nicht über die ganz große Politik, sondern über das vorgelegte Haushaltssicherungsgesetz. Es gehört zu einem der wichtigsten Reformvorhaben in dieser Legislaturperiode.
Wir reformieren die Landesverwaltung und schaffen mehr Effizienz. Wir reduzieren auch - darin sind wir ehrlich, Herr Vietze - die Anzahl der Landesbediensteten und legen verbindlich die jährliche Absenkung von Landesausgaben fest.
Wer auf der einen Seite nach Steuersenkungen ruft und mehr Kaufkraft einfordert, muss auf der anderen Seite dem Bürger eines ehrlich sagen - Herr Vietze, das habe ich bei Ihnen vermisst -: Wenn der Staat weniger Steuern einnimmt, muss er Leistungen und die damit verbundenen Ausgaben zurückführen. Dieser Prozess hat begonnen, wird breit diskutiert und mündet nunmehr in ein Reformgesetz. Ansonsten gerät man in eine Schuldenspirale, die Sie schon zur Genüge kennen gelernt haben.
An zentraler Stelle steht für uns ein Prozess des Umdenkens, den wir unterstützen und von allen Seiten einfordern: weg von der kameralistischen Hierarchieorientierung hin zu einer flexiblen Kundenorientierung. Das Land Brandenburg ist für seine Menschen da und nicht für sich selbst.
Gute Ansätze sind vorhanden, aber es geht natürlich um mehr. Es geht um einen fundamentalen Mentalitätswechsel. Die blo
ße Beschlussfassung des Haushaltssicherungsgesetzes im Landtag ist noch keine Erfolgsgarantie. Der Erfolg unserer Verwaltungsmodernisierung hängt im Wesentlichen davon ab, ob der Stellenabbau gelingt, ob die Ausgaben gesenkt werden und vor allen Dingen davon, ob sich Ressortinteressen - in Regierung und Parlament gleichermaßen - nicht nur verbal, sondern auch im Denken und im konkreten Handeln hinter die Ziele des vorgelegten Haushaltssicherungsgesetzes stellen. Im Parlament ist der Prozess des Umdenkens eingeleitet. Die Koalition legt Änderungsanträge und einen Entschließungsantrag vor. Wir unterstützen den Reformprozess der Landesregierung und wollen ihn mit Anträgen zu fünf zentralen Punkten begleiten:
2. jährliche Reduzierung der Ausgaben des Landesetats um mindestens 1,5 %; 3. grundsätzliche Befristung von Leistungsgesetzen; 4. mehr Effizienz in der Verwaltung und verstärkte Zusammenarbeit mit Berlin; 5. weniger Berichtswesen in den Landesbehörden.