Protokoll der Sitzung vom 26.06.2003

Herr Kollege Gemmel, Sie wissen sehr gut, dass es hier um einen Zeitverzug nicht nur von einem Monat, sondern von mindestens vier Monaten geht. Auch der Minister hat gerade noch einmal deutlich gemacht, dass es etwa zur Frage der Konnexität eine Arbeitsgruppe gibt. In diesem Bereich gibt es sehr viele schwierige Fragen, die bis heute nicht geklärt sind. Ich wage zu bezweifeln, dass wir das bis September schaffen werden, wobei dann noch nicht die Endabstimmung erfolgt ist, von der Anhörung und dann eventuell noch vorzunehmenden Veränderungen ganz zu schweigen.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen Folgendes ganz deutlich sagen: Sie handeln verantwortungslos. Trotz des fast täglich größer werdenden Lochs in der Haushaltskasse riskieren Sie ganz bewusst Sanktionen der EU in Millionenhöhe.

(Zurufe von der SPD)

- Herr Gemmel, wir reden über den vorliegenden Entwurf; wir haben nicht über die große Novelle gesprochen. Ich habe im Übrigen angekündigt, dass wir bereit sind, bei der großen Novelle mitzuwirken. Die ist notwendig. Jetzt aber reden wir über das, was heute notwendig ist.

Andere Bundesländer haben die Anpassung längst vollzogen. Zum Beispiel hat Bayern die Anpassung an das EU-Recht noch vor der Fertigstellung der Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz vorgenommen. Hessen hat dies drei Monate nach dem Bundesnaturschutzgesetz getan. Das Berliner Abgeordnetenhaus wird die Thematik heute Nachmittag beraten. Brandenburg hängt hier hinten dran, ist inzwischen trauriges Schlusslicht in diesem Prozess. So weit ist es also mit dem ökologischen Musterländle des ehemaligen Umweltministers und heutigen Ministerpräsidenten gekommen.

Meine Damen und Herren, die Minister schwören bei Amtsantritt, Schaden vom Land Brandenburg abzuwenden. Das sollte eigentlich auch für die Abgeordneten gelten. In diesem Zusammenhang spreche ich übrigens nicht von den DVU-Abgeordneten, von denen man das nicht erwarten kann.

(Unruhe bei der DVU)

Die EU ist bereits auf das Land Brandenburg aufmerksam geworden. Die Kommissarin Wallström prüft auf Hinweis aus dem Europäischen Parlament, ob in FFH-Gebieten durchgeführte Abholzungen einen Verstoß gegen das EU-Recht darstellen. Brandenburg ist also bereits dabei, sein Image deutlich zu verspielen, und Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, leisten Ihren Beitrag dazu.

Ich kündige hiermit für die PDS-Fraktion an: Sollte es tatsächlich zu Zahlungen von Bußgeldern kommen, werden wir eine Klage gegen die Landesregierung wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel prüfen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Dr. Enkelmann. - Wir sind am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Es wurde beantragt, den Gesetzentwurf der Fraktion der PDS,

Drucksache 3/5976, an den Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der PDS, Drucksache 3/5976, in der Sache. Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

1. Lesung des Gesetzes zur Öffnung von Standards für kommunale Körperschaften (Standardöffnungsgesetz - StöffG Brandenburg)

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS

Drucksache 3/5977

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion der PDS. Herr Abgeordneter Domres, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion findet sich nicht mit dem kommunalfeindlichen Kurs der Koalition ab. Wir halten es für dringend erforderlich, Ihnen den Spiegel vors Gesicht zu halten und damit der Schönrederei zu begegnen, mit der Sie die brandenburgischen Kommunen hinhalten und mit deren Problemen allein lassen.

Sie haben die großen finanziellen Schwierigkeiten der Kommunen durch weitere radikale Kürzungen im laufenden GFG verschärft und riskieren damit einen Verfassungsstreit um die Sicherung der finanziellen Grundausstattung der Kommunen. Das hat es bisher noch nicht gegeben. Wir reden jetzt darüber, dass viele Kommunen ihre Pflichtaufgaben nicht mehr finanzieren können und sogar Kredite für die Erledigung von Pflichtaufgaben in Anspruch nehmen müssen.

Weil Sie darüber nicht so einfach hinweggehen konnten, haben Sie mit viel Getöse ein Entlastungsgesetz vorgelegt. Die Adressaten dieses Gesetzes haben jedoch eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass dieses Gesetz seinen Namen nicht verdient. Damit werden eben nicht die Kommunen entlastet, sondern das Land befreit sich von bisherigen finanziellen Verpflichtungen, wofür letztendlich auch wieder die Kommunen einstehen müssen. Es handelt sich deshalb nicht um ein Entlastungs-, sondern um ein Belastungsgesetz für die Kommunen. Da hilft auch alles Schönreden nichts.

(Beifall bei der PDS)

Es ist bezeichnend, dass Herr Schönbohm nicht in der Lage war, echte Entlastungen für die Kommunen vorzuschlagen, aber parallel dazu über seinen Landesverband eine Entbürokratisierungskampagne ins Leben ruft. Das ist doch reinster Populismus. Meine Damen und Herren von der CDU, diese Initiative zeigt, dass Sie mit Ihrer Regierungsrolle nicht klarkommen.

Das Innenministerium, für das Herr Schönbohm unmittelbar verantwortlich ist, könnte seit dreieinhalb Jahren sozusagen ein Hort der Entbürokratisierung sein und sich damit profilieren.

Aber was hat der Innenminister denn bisher wirklich gekonnt? Er hat eine Reihe von Rechtsvorschriften außer Kraft gesetzt, vorrangig Runderlasse, die ohnehin überflüssig waren. Das ist übrigens ein Verfahren, das es schon bei Innenminister Ziel gegeben hat.

In diesem Zusammenhang ist die Antwort auf die Kleine Anfrage zum Thema „Abbau von Normen und Standards“ in der Drucksache 3/5957 interessant. Diese Antwort lässt einen zu dem Schluss kommen, dass die Landesregierung den Überblick über die eigenen Erlasse und Rechtsvorschriften verloren hat. Ich zitiere:

„Eine abschließende Übersicht aller seit Beginn der Legislaturperiode von den Ministerien des Landes geschaffenen Rechtsvorschriften, Normen und Standards ist zurzeit nicht möglich.“

Warum eigentlich nicht? Wenn Ihnen die Entbürokratisierung und die Verfahrensbeschleunigung so am Herzen liegen, warum werden Sie dann nicht in Bezug auf die Genehmigungsverfahren für die Haushalte der Kreise und der kreisfreien Städte tätig? Es ist jedes Jahr das gleiche Problem, dass die Kreise und die kreisfreien Städte auf die Genehmigung ihrer Haushaltspläne warten müssen.

(Zuruf von der PDS)

Während den Kommunen in der Gemeindeverordnung vorgegeben ist, dass sie ihren Haushaltsplan bis Ende November des laufenden Jahres für das nächste Jahr beschließen und bei der Kommunalaufsicht einreichen sollen,

(Zuruf von der PDS: Skandal!)

gibt es keine Vorgaben für die maximale Dauer des Genehmigungsverfahrens. Das nimmt das Innenministerium offensichtlich als Freibrief; denn es scheint, dass das Verfahren im Vergleich zu den Vorjahren nicht verkürzt, sondern verlängert wird. So wartet die Landeshauptstadt Potsdam mittlerweile schon drei Monate auf die Genehmigung, ohne dass ernsthafte Kritikpunkte vorgetragen worden sind. Es heißt sogar, dass zusätzliche Prüfungstatbestände aufgrund des BGH-Urteils das Verfahren grundsätzlich verlängerten.

Auf diesem Gebiet und in Ihrem unmittelbaren Verantwortungsbereich können Sie sich bei der Entbürokratisierung und Verfahrensbeschleunigung verdient machen, Herr Schönbohm.

(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie mich ein weiteres Problem ansprechen, bei dem die Kommunen auf eine Entscheidung warten. Ich meine das seit langem versprochene Finanzausgleichsgesetz. Von den großen Ankündigungen ist nichts geblieben außer taktischen Spielchen zwischen den Koalitionspartnern. Wenn Herr Schönbohm noch im Mai auf eine mündliche Anfrage von Frau Osten geantwortet hat, dass das Parlament mehrfach über den Stand der Erarbeitung des FAG informiert worden sei, dann könnte ich darüber nur lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Von sich aus hat die Landesregierung jedenfalls nicht informiert.

Der Höhepunkt war gestern Ihre Antwort, Herr Minister, auf meine mündliche Anfrage. Ich finde es nicht sach- und schon gar nicht fachgerecht, wenn Sie in der gestrigen Antwort mit nur einem Satz auf eine Antwort aus der Landtagssitzung im Mai verweisen. Man darf auch aus dem Innenministerium inhaltsreichere Antworten erwarten. Oder haben Sie nichts mitzuteilen?

(Beifall bei der PDS)

Ich muss feststellen, dass die Vorarbeiten für den kommunalen Finanzausgleich im nächsten Jahr noch nie so schlecht waren wie in diesem Jahr. Die Kommunen müssen endlich wissen, woran sie sind, um sich ihrerseits auf das nächste Jahr vorbereiten zu können. Sie sind in der Bringepflicht, Herr Schönbohm.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir werden in unserem Bemühen um eine Verbesserung der Finanzsituation der Kommunen nicht nachlassen. Deshalb unser Drängen auf die Vorlage des Finanzausgleichsgesetzes. Deshalb auch der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Öffnung von Standards für kommunale Körperschaften.

Ich darf Sie daran erinnern, dass wir die Landesregierung im Zusammenhang mit dem so genannten Entlastungsgesetz in einem Entschließungsantrag auffordern wollten, ein solches Standardöffnungsgesetz vorzulegen. Meine Damen und Herren, das haben Sie abgelehnt, vielleicht deshalb, um die Regierung nicht zu sehr zu belasten. Man weiß es nicht genau. Deshalb legen wir Ihnen als Entlastung jetzt einen solchen Gesetzentwurf vor.

Anliegen der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung ist es, den Kommunen neue Wege zu eröffnen, um zeitlich befristete Ausnahmen von geltendem Landesrecht zu ermöglichen. Damit stärken wir die kommunale Selbstverwaltung.

Die Kommunen sind durch eine Vielzahl von Standards in Gesetzen, Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften usw. bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in ein enges Korsett geschnürt. Wir haben es zunehmend mit dem Problem zu tun, dass fachlich nachvollziehbare Standards aufgrund ungenügender Berücksichtigung der notwendigen Finanzierung zu scheinbar unüberwindlichen Hürden werden. Deshalb ist die Frage, ob im gewissen Umfang Freiräume geschaffen werden können, um Standards in konkreten Fällen an finanzielle Möglichkeiten anzupassen.

Das Anliegen ist, den Kommunen in Einzelfällen sachgerechte, vertretbare und zeitlich begrenzte Flexibilisierungen von Standards zu ermöglichen. Wir beschränken uns dabei auf Personal- und Sachstandards, die für die Aufgabenerfüllung der Gemeinden, Ämter und Landkreise sowie Zweckverbände im eigenen und übertragenen Wirkungskreis gelten. Die Sachstandards beziehen wir auf den Betrieb und die sächlichen Ausstattungen. Der Anwendungsbereich des Gesetzes wird auf Gesetze, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften des Landes Brandenburg begrenzt. In § 1 Abs. 3 werden beispielhaft Fallgruppen aufgezählt, in denen eine Befreiung typischerweise in Betracht kommen könnte. Dies wäre durchaus noch erweiterbar.

Voraussetzung ist, dass eine Kommune einen entsprechenden Antrag bei der obersten Rechtsaufsichtsbehörde stellen kann.

Das Innenministerium soll im Benehmen mit der jeweils fachlich zuständigen obersten Landesbehörde eine Befreiung von den aufgeführten Standards erteilen. Voraussetzung dafür ist, dass die Erfüllung des Gesetzesauftrags grundsätzlich sichergestellt bleibt.

Das Gesetz soll in seinen Anwendungen auf kommunale Träger beschränkt werden. Über einen solchen Antrag eines kommunalen Aufgabenträgers hat das Innenministerium innerhalb von drei Monaten nach Eingang zu entscheiden. Das Innenministerium soll dann ermächtigt werden, nähere Bestimmungen über das Genehmigungsverfahren zur Befreiung von Standards zu treffen.

Wir schlagen des Weiteren vor, dass die Gesetzesumsetzung zeitnah zu evaluieren ist. Da das Gesetz insgesamt Experimentalcharakter trägt, sollte es in seiner Geltungsdauer auf fünf Jahre begrenzt werden.

Meine Damen und Herren, wir sind uns bewusst, dass es zu der mit dem Gesetzentwurf angesprochenen Materie noch Unsicherheiten und unterschiedliche Auffassungen gibt. Ein solches Standardöffnungsgesetz ist seit drei Jahren in MecklenburgVorpommern in Kraft. In anderen Ländern gibt es ähnliche Diskussionen.

Es ist also prinzipiell möglich, einen solchen Weg zu beschreiten. Ich darf daran erinnern, dass die CDU-Fraktion 1996 einen Gesetzentwurf zu dieser Thematik eingebracht hat, der allerdings sehr allgemein gehalten war und keine Mehrheit im Landtag fand. Daran sollten sich die CDU-Abgeordneten vielleicht erinnern, bevor sie über den Entwurf der PDS-Fraktion entscheiden.

Ich möchte aber auch feststellen, dass nicht viel von der seinerzeit geführten Debatte übrig geblieben ist. Wo ist denn der damals angesprochene paritätisch von Land und Kommunen besetzte Landesnormenausschuss?