Verehrte Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass ich als Mitglied dieses Landtags das Recht habe, Gesetzentwürfe und Äußerungen in einer Parlamentssitzung auf ihre Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen und nach den Gesetzen der Logik einmal zu klären, wo eigentlich die Widersprüche sind? Das habe ich getan.
Das erste Grundgesetz der Logik lautet: Tertium non datur, ein Drittes gibt es nicht. Sie versuchen, ein Drittes zu erfinden, das es nicht gibt. Darauf habe ich hingewiesen.
Ich nehme den Begriff „Volksverdummung“ ausdrücklich zurück, da wir Volksvertreter sind. Von daher bitte ich um Entschuldigung.
„Auf Antrag einer Gemeinde, eines Amtes, eines Landkreises oder eines Zweckverbandes soll das Innenministerium im Benehmen mit der jeweiligen fachlich zuständigen obersten Landesbehörde eine Befreiung von Standards gemäß § 1 erteilen, wenn die Erfüllung des Gesetzauftrages sichergestellt ist.“
Sie wollen also Gesetze verabschieden und dann dem Innenminister die Entscheidung überlassen, ob sie gelten sollen oder nicht. Welches Verständnis haben Sie von Ihrer eigenen Arbeit? Eine solche Formulierung lässt alles offen. Die Benehmensregelung hat einen großen Vorteil: Sie stärkt die Position des Innenministers. Dass Sie das wollen, habe ich gar nicht gewusst. Ich bin schon dafür, aber nicht in dem Sinne, dass wir auf diese Art und Weise das Ressortprinzip außer Kraft setzen. Von daher ist das nicht akzeptabel.
len, ob Sie Ihre Polemik gerade als Abgeordneter halten oder ob Sie für die Landesregierung sprechen?
Ich habe die ganze Zeit als Mitglied der Landesregierung gesprochen und deutlich darauf hingewiesen, dass auch für das Handeln der Landesregierung das Gesetz der Logik gilt. Als Mitglied der Landesregierung muss ich auch prüfen, ob das, was Sie morgens sagen, mittags noch gilt. Mein Langzeitgedächtnis hält länger als einen Tag, Ihres vielleicht nicht. Das wollte ich damit deutlich herausarbeiten.
Ich möchte ohne jede Polemik Ihren verstorbenen Kollegen Prof. Dr. Schumann zitieren. Er hatte aus Anlass der Einbringung eines Gesetzentwurfs der CDU-Fraktion, der ebenfalls in diese Richtung ging, weil wir als Fraktion damals nicht die rechtsstaatliche Expertise hatten, Folgendes gesagt:
„das so in einem Gesetz verankern, sage ich Ihnen, das wäre ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Gerichte.“
Meine Damen und Herren, in den Ausschüssen werden Sie die eindeutig erkennbaren verfassungsrechtlichen Bedenken nicht ausräumen können. Deshalb meine ich, dass dieser Gesetzentwurf nicht in den Ausschuss überwiesen, sondern abgelehnt werden sollte. Nutzen Sie all das, was ich hier gesagt habe - das alles können Sie nachlesen -, bitte dazu, um uns zu helfen, Normen und Standards wirklich abzubauen. Immer dann, wenn wir praktische Vorschläge machen, sagen Sie, dass Sie Normen und Standards haben wollen und dass andere eine Ausnahme davon machen sollen. Es geht aber nicht nach dem Motto: „Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass.“ Wir wollen die Zahl der Normen und Standards reduzieren. Wenn Sie uns dabei helfen, haben wir eine gemeinsame Aufgabe. - Vielen Dank.
Ich danke Herrn Minister Schönbohm. - Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.
Ich lasse zuerst über den Antrag der Fraktion der PDS abstimmen, den Gesetzentwurf, Drucksache 3/5977, in den Ausschuss für Inneres zur federführenden Beratung und in den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zur Mitberatung zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich lasse jetzt über den Gesetzentwurf der Fraktion der PDS, Drucksache 3/5977, in der Sache abstimmen. Wer diesem Gesetzentwurf seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mehrheitlich abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren, es ist nach 13 Uhr. Ich eröffne den Nachmittagsteil der heutigen Landtagssitzung und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:
Ehe ich die Aussprache eröffne, möchte ich Gäste hier im Landtag begrüßen, die sich über die leeren Bänke etwas wundern werden. Aber die Herrschaften kommen irgendwann. Wir hatten eine relativ kurze Mittagspause. Vielleicht war die Küche wegen der nur 30 Minuten etwas überfordert. Unsere Gäste sind wieder Schüler aus der Gerberstadt Doberlug-Kirchhain, und zwar vom dortigen Gymnasium. Herzlich willkommen!
Ich eröffne die Aussprache zu dem genannten Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Große, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die fünfte Stunde, das ist die nach der Mittagspause, in der Regel auch in der Schule. Sie ist auch dort oft die Stunde der toten Augen. Aber die Schüler sind im Unterschied zu den Abgeordneten eigentlich immer anwesend, obwohl die Mittagspause dort auch nicht länger ist.
In seiner Regierungserklärung hat der Ministerpräsident festgestellt, dass neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kein anderes Thema so sehr im Mittelpunkt steht wie die Frage „der Bildung in einem ganz umfassenden Sinne“. Das wurde auch durch Herrn Fraktionsvorsitzenden Fritsch gestern noch einmal bestätigt.
Bestätigt wurde die Richtigkeit dieses Anspruchs durch die am 20.06.2002 von „MAZ“ und RBB veröffentlichten Umfrage
werte. Danach sehen 21 % der Befragten Bildung, Schule und Ausbildung als wichtigstes politisches Problem in Brandenburg, das vordringlich gelöst werden muss. Davor kommt, wie wir alle wissen, die Arbeitslosigkeit mit 75 %. Ich wiederhole: vordringlich gelöst werden muss und nicht schon gelöst ist, wie es die Antworten auf die Große Anfrage zu vermitteln versuchen. Wir sind noch nicht einmal auf dem von Herrn Minister Reiche häufig strapazierten „guten Weg“, wie es nicht zuletzt die schlechten Umfragewerte für ebendiesen Minister zeigen. Wir stolpern eher auf vielen undurchschaubaren und verschlungenen Pfaden, oft ohne Wegweiser oder mit Wegweisern, die in verschiedene Richtungen zeigen, dahin.
Die 300 Besuche des Ministers in Schulen, die in der Antwort auf Frage 2 als Beleg für den hohen Stellenwert von Bildung herhalten müssen, haben wohl eher eine andere Funktion. Wir müssen Sie, Herr Ministerpräsident, schon fragen, wie viel Realität bei diesen Besuchen wahrgenommen wird und ob auch Sie, Herr Ministerpräsident, sich mit potemkinschen Dörfern zufrieden geben. Die gestrige Debatte zu den desaströsen Mathematikabschlussprüfungen waren nur ein Beispiel für das Missverhältnis zwischen Theorie und Praxis, dessen Folgen auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden. Die auch wiederum mit zeitlicher Verzögerung begonnene Einführung des Zentralabiturs lässt Ähnliches befürchten. Die Folgen für die Schüler sind dann aber erheblich katastrophaler.
Obwohl für Juni 2002 versprochen, gibt es bis heute keine Ganztagskonzeption und keine neue Verwaltungsvorschrift Ganztag. Wir beginnen den Fremdsprachenunterricht in Klasse 3 ohne Rahmenplan, ohne abgesicherte personelle Voraussetzungen und ohne ein weiterführendes Fremdsprachenkonzept. Die Umschichtung von Aufgaben der Schulämter hin zu den Schulleitern wurde nicht finanziell untersetzt. Die Liste ließe sich fortsetzen. Ständig wird der dritte Schritt vor dem ersten gemacht.
Herr Ministerpräsident, sorgen Sie bei aller Notwendigkeit für Innovationen für etwas Kontinuität an unseren Schulen! Schüler, Eltern und Lehrer haben nach 13 Jahren Hektik wirklich etwas mehr Ruhe verdient.
Herr Ministerpräsident, Sie haben erklärt, dass eine moderne Wissensgesellschaft „ohne eine sie ermöglichende Bildungsinfrastruktur nicht möglich ist“. In Ihre Regierungszeit aber fällt das Festhalten an der Entscheidung, 187 weiterführende Schulen, davon 150 im ländlichen Raum, zu schließen. In Ihre Regierungszeit fällt auch, dass zu den schon eingesparten 11 100 Lehrerstellen seit 1990 weitere 7 000 bis 2006 dazukommen werden, weswegen junge, gut ausgebildete, oft hoch motivierte Kolleginnen und Kollegen keine Chance auf Festeinstellung haben, weswegen viele Schulen insbesondere im berlinnahen Raum ständig wechselnde Lehrerbesetzungen haben, was für eine kontinuierliche pädagogische Arbeit und die Qualität von Bildung tödlich ist. Ihre Regierung hat es nicht vermocht, für unterschiedliche Regionen mit sehr verschiedenen Problemen ich nenne nur zu große Klassen, zu wenig Lehrer im engeren Verflechtungsraum, zu wenig Schüler im äußeren Entwicklungsraum - differenzierte Lösungen anzubieten. Symptomatisch dafür sind Falkensee und Heckelberg. Flexible Angebote anstelle des ständigen Operierens mit der wenig belastbaren Lehrer-Schüler-Relation und Durchschnittswerten wie beim
Unterrichtsausfall sind dringend erforderlich, wenn der oben genannte Anspruch nicht nur ein Lippenbekenntnis sein soll.
Herr Ministerpräsident, Sie weisen zurück, dass es, wie wir in der Frage 3 formulieren, massive Einsparungen gibt, und bemühen wieder die drastisch sinkenden Schülerzahlen. Die im Jahr 2003 vom Statistischen Bundesamt vorgelegten Zahlen sprechen eine sehr deutliche Sprache. Brandenburg ist im Bereich der Ausgaben für öffentliche Schulen das absolute Schlusslicht. Brandenburgs Grundschüler haben noch immer gemeinsam mit den Berliner Grundschülern die wenigsten Stunden. Mit Ausgaben je Schüler von allgemein bildenden Schulen von 4 100 Euro - in Thüringen sind es übrigens 4 900 Euro, in Berlin 5 300 Euro - liegt Brandenburg weit unter dem Bundesdurchschnitt an letzter Stelle. Während für Gesamtschüler in Schleswig-Holstein 6 000 Euro ausgegeben werden, sind es bei uns 4 500 Euro. Auch bei Gymnasien, Realschulen und Grundschulen belegen wir mit Abstand die letzten Plätze im Bundesvergleich. Nur bei Förderschulen liegen wir im Bundesdurchschnitt. Das ist auch gut so.
Die Zahlen sind aus den Jahren 2000 und 2002. Wir befürchten, dass sie für 2003 noch schlechter ausfallen werden.
Auf die Einsparungen im Bereich Kita, Berufsbildung, Weiterbildung kann ich aus Zeitgründen nicht eingehen, ebenso nicht auf die schon gelungenen Dinge wie die flexible Eingangsphase.
Herr Ministerpräsident, auch wir wissen, dass wir den künftigen Generationen keine Schuldenberge hinterlassen können. Schulden aber gibt es nicht nur finanzieller Art. Bildung rechnet sich erst in längeren Zeiträumen, als sie in Präsidentschaftszeiten und Legislaturperioden abgerechnet werden können. Antizyklisches Handeln wäre jetzt angebracht. Dazu gibt es in der Beantwortung der Großen Anfrage leider überhaupt keine Ansätze.
Der Dänenkönig Christian VIII. hat im Jahr 1813, als das Land nach mehreren Kriegen einen Staatsbankrott verkünden musste, die Gelder für Bildung und Kultur erhöht. Dazu ist folgendes Zitat überliefert: