„Arm und elend sind wir. Wenn wir jetzt auch noch dumm werden, können wir aufhören, ein Staat zu sein.“
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Große. - Ich gebe das Wort erneut an die Fraktion der PDS, an Herrn Abgeordneten Dr. Trunschke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am 13. November letzten Jahres gab der Ministerpräsident seine Regierungserklärung ab, ziemlich spät, aber durchaus mit Zielsetzungen, die wir von der PDS auch teilen können. Leider sagte der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung selten, eigentlich nie, wie er denn seine Ziele
tatsächlich erreichen wird. Deutlich wird das zum Beispiel an seinem dramatischen Appell zur Wissensgesellschaft:
„im 21. Jahrhundert ein Land von Bildung und Weiterbildung sein müssen. Ob es gelingt, die höchstmögliche Zahl von Brandenburgerinnen und Brandenburgern so zu qualifizieren, dass sie sich unter den Bedingungen der Wissensgesellschaft behaupten können, genau das ist die Schlüsselfrage unserer Zukunft schlechthin.“
Also: Schlüsselfrage. - Aber wie beantwortet der Ministerpräsident diese Schlüsselfrage? Mit unserer Großen Anfrage wollten wir schlichtweg nichts anderes erreichen, als eine Antwort auf diese kleine Frage zu bekommen.
Die vorliegende Antwort der Landesregierung hat uns allerdings etwas verblüfft: Die Landesregierung macht schon alles. - Wenn es denn so wäre; wozu dann der dramatische Appell? Es ist allerdings nicht so. Ich befürchte, der Ministerpräsident kann über die Herausforderungen, vor denen Brandenburg durch die Wissensgesellschaft steht, zwar gut und eindrucksvoll reden; richtig verinnerlicht hat er sie meines Erachtens noch nicht. Das wird an vielen Punkten deutlich.
Bekanntlich nimmt Brandenburg bei der Hochschulfinanzierung den letzten Platz in der Bundesrepublik ein. Was lag also näher, als zu fragen, wie man denn von diesem letzten Platz wieder wegkommen kann? Als Antwort bekommen wir aber nicht etwa konkrete Schritte genannt, sondern eine Ausflucht:
„Das Benchmarking der Gesamtausgaben für Hochschulen kann nicht alleiniger Maßstab für die Einschätzung der Studienbedingungen im Land Brandenburg sein.“
Wer behauptet nun eigentlich, dass das das einzige Kriterium sein sollte? Ich habe das Gefühl, Sie bauen sich da einen Pappkameraden auf, auf den sich ganz gut einschlagen lässt. Aber glauben Sie denn ernsthaft, Sie könnten mit schönen Worten und intelligent gemachter Mangelverwaltung zu wenig Geld wettmachen? Wissen Sie eigentlich, wie groß der Rückstand Brandenburgs zu den anderen Ländern ist? Gemessen am Anteil der so genannten Grundmittel am Landeshaushalt bildet Baden-Württemberg mit über 10 % die Spitze - 10 % vom Landeshaushalt für Hochschulen. Das vorletzte Land, nämlich Bremen, gibt mit 5 % noch ungefähr die Hälfte davon aus. Mit einer Vier vor dem Komma gibt es überhaupt kein Land. Erst dann, mit großem Abstand, folgt Brandenburg mit 3,82 %. Quelle ist nicht die PDS, sondern das Statistische Bundesamt.
Meine Damen und Herren, glauben Sie wirklich, Brandenburg hätte eine reale Chance in der Wissensgesellschaft mit ungefähr einem Drittel der Ausgaben, die andere Länder tätigen? Natürlich sind wir ein armes Land. Aber müssten wir dann nicht erst recht in Bildung und Wissenschaft investieren?
Des Weiteren fragten wir: Warum können alle anderen neuen Bundesländer, die ja nun wahrlich auch nicht reich sind, einen ungefähr doppelt so großen Anteil vom Landeshaushalt für Hochschulen ausgeben?
Aber nehmen wir statt der öffentlichen Kassen - diese sind ja leer - das Bruttoinlandsprodukt als Maßstab. Auch hier nimmt Brandenburg den letzten Platz ein mit ungefähr der Hälfte der Ausgaben des Spitzenreiters. Spitzenreiter ist übrigens Sachsen.
Der Mensch neigt ja nun dazu, sich immer die Statistik herauszusuchen, die ihm passt. Allerdings muss man mit der Auswahl etwas vorsichtig umgehen. Der Regierung passen jedenfalls die Ausgaben je Studierenden, die in Brandenburg geleistet werden. Stolz verkündet sie:
Das stimmt, es ist der vorletzte. So kann man sich die Welt schönantworten. Quelle ist übrigens wieder das Statistische Bundesamt.
Des Weiteren behauptet die Landesregierung, dass die Hochschulen seit dem Jahr 2002 einen finanziellen Aufwuchs für die steigende Studiennachfrage gesichert bekommen. Das stimmt, allerdings nur, wenn man solche Kleinigkeiten wie Haushaltssperre und globale Minderausgabe ignoriert. Ich hoffe nur, dass die Landesregierung eines Tages nicht selbst an ihre eigene Darstellung glaubt. Das wäre dann gefährlich.
Schließlich noch ein Wort zur Kultur. Vorsichtig ausgedrückt hat es schon etwas irritiert, dass der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung überhaupt nicht darauf eingegangen ist. Können Sie sich vorstellen, dass man einen Weg in die Wissensgesellschaft findet ohne Beachtung von Kunst und Kultur?
„Die Kulturpolitik des Landes wird in Zukunft noch stärker als bisher von der Maßgabe geprägt sein, dass das Land seine Aufgaben hinreichend erfüllt. Dies setzt die Konzentration auf ebendiese Aufgaben voraus und ist mit der Erwartung verbunden, dass andere Träger in der Kultur ihre Aufgaben ebenso erfüllen.“
So weit, so gut. Tatsache ist, dass der Vertrag zum Theaterverbund noch immer nicht unterschrieben ist. Tatsache ist, dass sich das Land aus der Finanzierung der Musikschulen etwas zurückgezogen hat. Tatsache ist auch, dass sich die Landesregierung die bibliothekarischen Landesaufgaben gegenwärtig durch die Stadt Potsdam bezahlen lässt. Tatsache ist weiter, dass Kommunen und Kreise immer weniger Geld zur Verfügung haben, um freiwillige Aufgaben - wie eben Kultur - zu erfüllen. Tatsache ist kurioserweise auch, dass die Kommunalaufsicht, also auch die Landesregierung, von den Kommunen zunehmend fordert, genau auf die Finanzierung freiwilliger Aufgaben zu verzichten, weil die Haushalte es nicht mehr hergeben. Das heißt, der eine Teil der Landesregierung sagt hü! und der andere sagt hott!
An anderer Stelle meinen Sie, zur sozialen Erreichbarkeit von Kultur trägt die Förderung des Landes bei. Ich nenne nur die Musikschulen. Wenn Sie die Zeitungsmeldungen verfolgen, dann wissen Sie, was im Land los ist und wie drastisch die Gebühren überall erhöht werden.
meine Kritik zu dem Weg der Landesregierung in die Wissensgesellschaft auf den Punkt bringen kann. Ich habe keine besseren Worte als die folgenden, die aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten stammen, gefunden:
„Bildung ist der kostbare Rohstoff, von dem im 21. Jahrhundert fast alles andere abhängen wird. Die Zukunft des modernen Brandenburg steht und fällt mit unserer Fähigkeit, dieser fundamentalen Einsicht politische Taten folgen zu lassen.“
Ich danke dem Abgeordneten Dr. Trunschke und gebe jetzt das Wort an die Abgeordnete Hartfelder. Sie spricht für die Koalitionsfraktionen SPD und CDU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der PDS-Fraktion zeugt nicht von sehr viel Einfallsreichtum. Die Sammlung der Kleinen Anfragen zum Bereich Bildung aus dem letzten Dreivierteljahr ist 5 cm dick. Das heißt: Alles, was in der Großen Anfrage durch die Bildungs- und Hochschulpolitiker der Fraktion der PDS erfragt worden ist, ist eigentlich schon einmal über Kleine Anfragen beantwortet worden. Demzufolge ist es ganz logisch, dass sich die Antworten auf diese Fragen dann auch auf die Kleinen Anfragen beziehen und dass manchmal sogar die Antworten auf die Kleinen Anfragen wortwörtlich noch einmal dargestellt werden.
Ich spreche für die Koalitionsfraktionen, weil wir der Auffassung sind, dass wir in den letzten Jahren eine ganze Reihe der Dinge erreicht haben, die wir mit den ergriffenen Maßnahmen, beginnend mit der Schulgesetznovelle 2000, das, was PISA, IGLU, aber auch die Prüfungen der 10. Klasse, gerade erst geschrieben, uns auferlegt haben, gemeinsam in Angriff genommen haben. Dabei wissen wir, dass die Finanzierung des Bildungswesens in Brandenburg ein großes Problem ist, und vor allen Dingen wir als Bildungspolitiker haben manchmal das Gefühl, dass uns diese Finanzierung aus den Fugen gerät. Die Daten, die Frau Große in ihrem Vortrag genannt hat - Quelle ist das Statistische Bundesamt -, sind natürlich richtig und Besorgnis erregend und das können wir eigentlich nur durch die noch mindestens fünf Jahre weiter sinkenden Schülerzahlen bis zur 10. Klasse und eine dann nicht weiter absinkende Finanzierung des Bildungssystems auffangen.
Das heißt, dass dieses Horrorszenario, welches Sie, Frau Große, jetzt eben aufgemacht haben, in den nächsten Jahren nur dadurch verhindert werden kann, dass es gerade in dem Bereich der Personalfinanzierung der Lehrer keine weiteren Einschnitte gibt - wohl wissend, dass wir den Haushalt 2004 und die danach folgenden Haushalte noch mit unheimlichen Einsparsummen werden belegen müssen. Sie haben selbst gesagt, warum das so ist. Wir dürfen unser Leben in den nächsten 10 bis 15 Jahren nicht auf Kosten der Generation der Schüler gestalten, die heute hier sitzen und die vielleicht in fünf bis sechs Jahren selber Kinder haben werden.
Dass diese Koalition die Probleme nicht zu verantworten hat, steht heute nicht zur Debatte, sollte aber noch einmal gesagt werden.
Wir sind der Meinung, dass durch das geplante und verabschiedete Schulressourcenkonzept die Möglichkeit besteht, nicht nur die Schüler-Lehrer-Relation als ein Parameter der Finanzierung von Bildung zu verbessern, sondern dass auch andere problematische Bereiche der Lehrerversorgung in Angriff zu nehmen sind, wobei es uns entgegen der Diskussion und der Sorgen in den letzten Wochen nicht in erster Linie um die Lehrer geht.
Das heißt: Die Frage der Entfristungen, der weiteren Befristungen von Arbeitsverträgen junger Kollegen, aber auch der Versetzung und Umsetzung von Kollegen, das alles tut uns sehr weh. Das ist aber nicht der Hauptansatzpunkt unserer Politik.
Wir wollen eine qualitativ gute Schule für die Schüler machen. Natürlich spielt die Motivation der Lehrer dabei eine Rolle. Es gibt aber eine Vielzahl anderer Maßnahmen, die - in Angriff genommen, ausgearbeitet und weiterentwickelt - sicherlich zu einem qualitativ besseren Schulsystem führen werden. Auf Seite 5 der Antwort auf die Große Anfrage sind solche Maßnahmen aufgezeigt. Ich wiederhole sie nicht, sondern verweise darauf.
Zum zweiten Teil der gesamten Fragestellung „Ganztagsschule“ nur ein Gedanke: Sie haben sicherlich zu Recht, Frau Große, das Fehlen einer Konzeption für die Ganztagsschule angemahnt. Es wurde die Sommerpause genannt. Wir hätten als Koalitionsfraktionen sicherlich mehr Druck auf die Landesregierung ausüben sollen oder können, konnten es aber eigentlich doch nicht. Sie wissen selbst, Frau Große, dass die Vereinbarung in der Kultusministerkonferenz erst vor vier Wochen geschlossen worden ist. Vier Wochen ist ein zu kurzer Zeitraum, um eine Konzeption zu erstellen, die tragfähig ist und die ja auch zwischen den Koalitionspartnern abgestimmt sein sollte. Ohne diese Vereinbarung zwischen den Kulturministern wären Alleingänge schlecht möglich gewesen. Sie wissen selbst, dass dann, wenn es um Bundesmittel zur Finanzierung der Angebote von Ganztagsschulen geht, auch Bewilligungsbescheide erteilt werden müssen und rechtlich nachgewiesen werden muss, dass eine Maßnahme auf der Grundlage dieser Vereinbarung erfolgt ist.
Frau Große, das ist richtig. Ich habe aber eben ausgeführt, dass ich das aufgrund der späten Verabschiedung in der KMK für vertretbar und eigentlich für gar nicht anders machbar halte.
Das größte Problem, das ich - wie auch meine Fraktion, aber auch die SPD-Fraktion - in Brandenburg im Augenblick sehe, ist der Rückgang der Schüler, der im ländlichen Raum zu großen Problemen führt. Frau Große, Sie haben gesagt - das ist ja auch richtig, das können wir so mittragen -, dass die Verhältnisse im berlinnahen Raum völlig anders sind als die in berlinfernen Gebieten. Dieses Problem ist allerdings nicht politisch verursacht, sondern ist ein Problem, das sich durch die Wendezeit, aber auch aufgrund veränderter Geburtenraten wie auch veränderter Lebensumstände der Menschen ergeben hat. Das ist kein durch die Politik verschuldetes Problem.
Ich habe in den ganzen Jahren, die ich hier in diesem Landtag Politik mache, von Ihnen noch nie ein wirklich tragfähiges Konzept gehört, das genau diese beiden Probleme lösen könnte. Das ist ein schwieriges Problem. Wir schließen ja keine Schulen, um jemandem etwas Böses zu tun oder den Kommunen zu sagen: Macht euch einmal auf den Weg und sucht nach eigenen Vorstellungen. Klassen werden nicht errichtet und Schulen werden geschlossen, weil die Kinder wirklich fehlen und weil wir im ländlichen Raum gleichwohl gute Schule machen möchten.
Ihre Fragen in der Großen Anfrage haben darauf gezielt, dass es hierfür kein Konzept gebe. Ein solches Konzept gibt es aber. Es wird seit 1998 von der Kommission „Schulen im ländlichen Raum“ erarbeitet. Aber auch darüber haben wir - genau wie über alle anderen Fragen - mehrmals debattiert. Eine wirklich schlüssige Endkonzeption hat uns bisher aber niemand vorgelegt, es sei denn, dass eine Schule mit 15, 20 oder gar nur mit 10 Schülern finanziert werden soll.