Protokoll der Sitzung vom 27.08.2003

Dabei rede ich nicht über die Regelungen, die wir jetzt einfach übernehmen müssen, weil der Bund das so beschlossen hat. Das kann ich kritisieren oder nicht, diese sind einfach zu übernehmen. Allerdings verstehe ich nicht, weshalb Sie in zwei Schritten vorgehen. Das könnte man ja auch in einem tun, aber das ist vielleicht Nebensache.

Ich rede auch nicht von den Regelungen, die völlig unstrittig sind, wie die zu den ausländischen Hochschulgraden, zur Habilitation oder zur Stärkung der Evaluation der Lehre oder auch zum Titelschutz für die Hochschulen, Universitäten und Fachhochschulen.

Ich rede über den Teil des Gesetzes, zu dem ich eine deutlich andere Auffassung habe, wobei ich meine, dass wir eine unterschiedliche Sicht auf die Hochschulen haben. Sie engen Hochschulen immer mehr in Richtung Wirtschaftsunternehmen ein, ich hingegen glaube, dass wir gut beraten sind, an der humboldtschen Tradition der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden festzuhalten.

Besonders deutlich wird dieser Unterschied bezüglich der ersten Experimentierklausel zur Erprobung neuer Organisationsstrukturen. Nun kann ich zwar teilen, was Sie hier vorgestellt haben, es steht jedoch nicht im Gesetz. Im Gesetz stehen ganz andere Dinge.

Ich könnte mich ja auch freuen - und ich sage Ihnen, da bleibe ich bei meiner Meinung; denn wir haben als erste eine Experimentier- oder Erprobungsklausel vorgeschlagen -, dass SPD und CDU jetzt - mit vier Jahren Verzug - auf den Weg der PDS eingeschwenkt sind. Nur, was haben Sie daraus gemacht? Wir wollten die ganze Hochschule beteiligen. Sie haben den Vorschlag des Präsidenten aufgegriffen - eine „One-man-or-onewoman-show“. Das ist etwas anderes als das, was wir wollten. Beim Lesen des Gesetzestextes stellt man fest, dass er ausschließlich wirtschaftsorientierte Kriterien enthält. Beteiligung, Studentenpartizipation ist darin kein Kriterium, genauso wenig Interdisziplinarität. Es geht nur um Professionalität, um Effizienz und ähnliche Kriterien.

Deutlich wird dieser Unterschied im Herangehen an Hochschulen auch bei der Eignungsfeststellungsprüfung. Natürlich ist auch mir bekannt, dass die Hochschulen Probleme mit der

Qualifizierung der Abiturienten beklagen und sich durchaus Eignungsprüfungen wünschen. Aber das kann nicht die Lösung sein. Mit der Idee doktern Sie nur an den Symptomen herum. Sie müssen an die Wurzel gehen, nämlich an die Schule.

Stillschweigend wird ein Paradigmenwechsel vorgenommen. Bisher suchten sich die Studenten Hochschulen aus, jetzt wird etwas eingeleitet, wonach sich Hochschulen die Studenten auswählen können. Das ist eine andere Situation. Sie sind doch sonst immer für Marktwirtschaft - warum wollen Sie ausgerechnet an den Hochschulen die Prinzipien der Mangelwirtschaft der DDR wieder einführen? Vielleicht, weil wir dort eine Mangelwirtschaft haben?

Ganz nebenbei nehmen Sie den Hochschulen mit den Eignungsprüfungen einen Leistungsanreiz, den Sie mit dem neuen Finanzierungsmodell gerade einführen. Mit dem Hochschulgesetz sagen Sie „hü - weist Studenten ab!“, mit dem Finanzierungsmodell sagen Sie „hott - seht zu, dass ihr so viele Studenten wie nur möglich in der Regelstudienzeit durchbekommt, sonst kommt ihr nicht auf euer Geld!“ - Was sollen die Hochschulen nun tun?

Noch eine Frage: Was geschieht eigentlich mit den Studenten, die mit dem Abitur die Hochschulzugangsberechtigung erworben haben, aber weder in einen NC-Studiengang noch in ein anderes Fach hineinkommen, weil dort möglicherweise eine Eignungsprüfung bevorsteht? Sollen sie auf den Lehrstellenmarkt gehen? - Doch nicht wirklich. Ich glaube auch nicht, dass wir es uns auf Dauer leisten können, weiterhin eine der niedrigsten Studierquoten unter den modernen Industrieländern zu haben, ohne dafür bestraft zu werden.

Leider ist der Ministerpräsident nicht anwesend; ich frage trotzdem: Ist das die Umsetzung der Regierungserklärung? Darin sagte der Ministerpräsident nämlich:

„Ob es gelingt, die höchstmögliche Zahl von Brandenburgerinnen und Brandenburgern so zu qualifizieren, dass sie sich unter den Bedingungen der Wissensgesellschaft behaupten können, genau das ist die Schlüsselfrage unserer Zukunft schlechthin.“

Offenbar schließt er gerade mit der Zukunft ab und junge Menschen aus - die einen mittels NC, die anderen mittels Eignungsprüfung.

Wäre es nicht der bessere Weg - nämlich der, den Sie beschrieben haben -, die Studienberatung zu verbessern und den Leuten Klarheit zu verschaffen? Eine Prüfung ist etwas ganz anderes als Beratung. Wäre es nicht besser, zusätzliche Qualifizierungsangebote zu unterbreiten? Wäre es nicht vor allem besser, das Abitur zu qualifizieren? Oder war die Regierungserklärung nicht ernst gemeint? Dann bitte ich um Entschuldigung, dass ich das nach 13 Jahren in der Politik immer noch nicht gelernt habe. Falls der Ministerpräsident die CDU gelegentlich wieder einmal mit der roten Karte disziplinieren will, muss er sich mehr einfallen lassen, um dies in dem Bereich glaubhaft tun zu können.

Nun noch zu einer Kleinigkeit: Wer bezahlt denn das? Natürlich kann man sagen, dass dies Dienstpflicht der Professoren sei. Tun Sie dies einmal! Wenn die Professoren eine zusätzliche Aufgabe übernehmen, ist doch ganz klar, dass sie andere Aufgaben wegfallen lassen müssen. Oder erwarten Sie, dass die

Professoren begierig auf eine Anregung warten, was sie in ihrer Freizeit noch kostenlos tun könnten, um sich zu beschäftigen? Ich glaube, so wird es nicht funktionieren.

Ein Wort zu den Betriebsakademien, Entschuldigung, Berufsakademien: Ich glaube nicht daran - auch wenn es sich um private handelt -, dass sie nicht irgendwann auf der Matte stehen und die Hand aufhalten. Dann befinden wir uns in einer Erpressungssituation: Lassen wir die Ausbildung abbrechen oder reichen wir Geld herüber? Diese Gefahr sehe ich und meine: Das, was damit geleistet werden kann, können die Fachhochschulen mit den dualen Studiengängen auch ganz gut leisten, möglicherweise mit Außenstellen, zum Beispiel in den von Ihnen angesprochenen Gegenden, in der Prignitz und in der Uckermark.

Nun noch etwas, was in der Novelle leider fehlt. Ich meine nach wie vor, die Studiengebühren gehören abgeschafft.

(Beifall bei der PDS)

Sie sind sozial vollkommen ungerecht; denn sie belasten die Armen weit mehr als die Besserverdienenden. Schließlich finde ich, Sie haben dazu überhaupt kein moralisches Recht - ein politisches schon, aber kein moralisches. Erledigen Sie Ihre Hausaufgaben, sorgen Sie dafür, dass wir die Hochschulen am Haushalt genauso beteiligen, wie es alle anderen Länder können! Wenn Sie diese Hausaufgaben erledigen, brauchen wir über Semesterrückmeldegebühren überhaupt nicht zu reden.

Frau Ministerin, kämpfen Sie doch lieber mit dem Ministerpräsidenten und Ihren Kollegen und weniger gegen die Studenten.

(Unmut bei der CDU)

Ich finde es schon merkwürdig, dass Sie das Gesetz genau in der semesterfreien Zeit einbringen.

Natürlich hatten die Studierenden die Möglichkeit, ihre Stellungnahmen einzubringen. Allerdings haben die Studierenden - in der Presseerklärung zumindest - verkündet, dass sie überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Da erhebt sich natürlich die Frage, was das wirklich wert ist.

Meine Damen und Herren, natürlich ist die Novelle kein großer Wurf. Ich bin auch nicht dafür, jetzt grundsätzlich zu novellieren, obwohl ich gegen das ursprüngliche Gesetz war. Unruhe ist für die Hochschulen tatsächlich schädlich; das sehe ich auch so. Im Übrigen ist es nicht so gekommen, wie Minister Reiche gehofft hat, und auch nicht so, wie ich befürchtet habe: Die Hochschulen können schon noch eine ganze Weile mit dieser Struktur leben.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss Ihres Beitrages!

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident; ich war ohnehin beim letzten Satz.

Ich bitte Sie: Diskutieren wir ernsthaft über dieses Gesetz und

nehmen wir die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten ernster, als er es selbst offenbar tut. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der ausführlichen Darstellung von Ministerin Wanka kann mein Redebeitrag sehr kurz sein. Ich möchte zu Beginn meines Beitrages nur die Gelegenheit ergreifen, Herrn Abgeordneten Trunschke zu bitten, auf den Boden der Sachlichkeit zurückzufinden. Ich denke schon, dass vieles erörterungs- und diskutierwürdig ist, dennoch sollten wir die Kirche im Dorf lassen und das, was wirklich wichtig ist, ansprechen.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal daran erinnern, dass wir uns schon sehr lange über das so genannte Berichtswesen im Land kritisch ausgetauscht haben. Der Bericht über die Erfahrungen mit dem im Jahre 1999 neu gefassten Brandenburgischen Hochschulgesetz ist ein positives Beispiel. Auf sechs Seiten wurde das Wichtigste zusammengefasst. An der knappen und prägnanten Darstellungsweise sollten sich künftige Berichterstatter wirklich orientieren.

Zum Inhalt: In der letzten Legislaturperiode hat die SPD ein Hochschulgesetz beschlossen, das sich, wie sich heute zeigt, insgesamt sehr gut bewährt hat. Die Autonomie der Hochschulen wurde durch dieses Gesetz gestärkt und unsere Hochschulen erhielten die Basis, von der aus sie die Studienstrukturen reformieren konnten.

Um den Anschluss an das europäische Niveau zu erreichen, reicht die Anzahl der heutigen Bachelor- und Masterstudiengänge natürlich bei weitem nicht aus. Ich erkenne jedoch die Anstrengungen der Hochschulen an, die wirklich neue und zum Teil fachbereichs- und hochschulübergreifende Studienangebote realisiert haben. Dieser Prozess muss fortgeführt und von der Politik begleitet werden.

Eine Institution, die im Gesetz verankert wurde, möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben: den Landeshochschulrat. Unter dem Vorsitz von Frau Prof. Evelies Mayer hat der Landeshochschulrat in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit geleistet. Die jüngsten Empfehlungen des Landeshochschulrates zur weiteren Hochschulentwicklung in Brandenburg sind in einem kürzlich erschienenen Bericht nachzulesen. Diese Lektüre möchte ich allen Parlamentariern und Regierungsmitgliedern nahe legen. Vor allem aber möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Frau Mayer, die vor kurzem aus diesem Ehrenamt ausgeschieden ist, meinen Dank für ihre engagierte Arbeit auszusprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun liegt der Gesetzentwurf zur Änderung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes mit den geforderten Anpassungen an das bundesdeutsche Rahmengesetz vor. Ich freue mich, dass unser Wissenschaftsministerium und Frau Ministerin Wanka so schnell rea

giert haben. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen die Struktur des hauptamtlichen Personals an den Hochschulen. Mit der Einführung der Juniorprofessur als Regelqualifikation für den wissenschaftlichen Nachwuchs wird der Karriereweg der Hochschullehrer verkürzt und eindeutig geregelt. Davon profitieren unsere Universitäten schon heute.

Ein Schritt in die richtige Richtung ist auch der neue Absatz 5 in § 25, durch den die Hochschulen die Möglichkeit erhalten, über Eignungsfeststellungsprüfungen die Studienbewerber auszuwählen. Allerdings äußerte sich der Präsident der TFH Wildau, Prof. Ungvári, skeptisch über die organisatorisch-technische Umsetzbarkeit eines hochschulinternen Ausleseverfahrens für Studienbewerber. Sicherlich stellt ein Ausleseverfahren eine Möglichkeit dar, die Studienabbrecherquote zu senken. Um eventuelle schulische Defizite auszugleichen, bedarf es jedoch zusätzlicher Förderangebote seitens der Hochschulen jedenfalls vorläufig noch.

Eine weitere Neuerung im Hochschulgesetz ist die Experimentierklausel in dem neuen § 5 a, die von den Hochschulen überwiegend begrüßt wird, wie der Stellungnahme der Brandenburgischen Landesrektorenkonferenz zu entnehmen war. Irritationen der Studierendenvertretungen bezüglich der Beschneidung ihrer Mitwirkungsrechte sollten in Gesprächen ausgeräumt werden. Wir plädieren außerdem dafür, ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gesetzentwurf zu geben.

Erörtert werden muss ebenfalls die Neufassung des § 7, der nach unserer Auffassung die Mitwirkung des Landeshochschulrates einschränkt.

Meine Damen und Herren, eine letzte Anmerkung. Dass die Bestimmungen zur staatlichen Anerkennung von privatrechtlich betriebenen Berufsakademien besonders dringend in das Brandenburger Hochschulgesetz eingefügt werden müssen, leuchtet nicht so recht ein. Einerseits kann ich den Bedarf an privaten Berufsakademien nicht erkennen, andererseits sehe ich auch nicht die finanzkräftigen Betreiber solcher Akademien in Brandenburg. Hinzu kommt, dass es meines Wissens in der Koalition noch gar keine grundsätzliche Verständigung darüber gibt, ob es in Brandenburg überhaupt Berufsakademien, auch privatrechtlich betriebene, geben soll. Übrigens haben auch nicht alle anderen Bundesländer solche Berufsakademien zu bieten.

Einen Hinweis noch und da schließe ich mich Herrn Trunschke an: Sollte nicht wenigstens im Hinblick auf die kritische Finanzausstattung unserer Hochschulen im Gesetz klar und unmissverständlich stehen: „Berufsakademien haben in Brandenburg keinen Anspruch auf staatliche Zuschüsse.“?

Ich möchte die Diskussion an dieser Stelle nicht weiter vertiefen und bitte Sie um die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Danke sehr. - Da die DVU-Fraktion Redeverzicht erklärt hat, sind wir bei der CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Dr. Niekisch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die DVU auf ihren Redebeitrag verzichtet - Sie sind doch sonst immer so progressiv und für die Zukunft des Landes und hier geht es doch wirklich um ein zentrales Thema -, ist keine gute Sache.

(Schuldt [DVU]: Herr Nonninger ist krank!)

- Aha. Aber Sie sind doch alle Universalgebildete da drüben, Sie können sich doch gegenseitig vertreten.

(Klein [SPD]: Jetzt ist aber Schluss!)

- Gut, meine Damen und Herren.