Protokoll der Sitzung vom 27.08.2003

Ich meine - sicherlich können die Kollegen der DVU das Gegenteil behaupten -, dass in der Bundesrepublik dazu sehr wohl eine entsprechende fachlich-juristische Debatte stattfindet. Der 64. Deutsche Juristentag hat Vorschläge, sowohl was eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters als auch eine materielle und prozessuale Verschärfung im Heranwachsendenstrafrecht betrifft, zurückgewiesen. Wir meinen, die Juristen haben mit ihren Empfehlungen gut getan. Wir Politiker sollten uns der politischen Aufgabenstellung in besonderer Weise stellen. Es geht darum, jungen Menschen Lebensperspektiven zu geben. Es gibt eine Verantwortung für das Wohlbefinden junger Menschen und für ihre Integration in die Gesellschaft.

Herr Homeyer hat auf die Verantwortung der Familien verwiesen. Ich glaube, es gibt noch mehr, die ihren Beitrag dazu leisten können, dass junge Leute in diesem Deutschland - auch in Brandenburg - eine Lebenschance haben. Mehr Ausbildungschancen, mehr schulische Angebote zur politischen Bildung, mehr Möglichkeiten im Freizeitbereich, die Förderung des kollektiven Erlebnisses, die finanzielle Untersetzung und nicht die Streichung so mancher Punkte im Jugendplan - dies alles erhöht Lebenschancen und Lebensqualität.

Wir lehnen den Antrag ab. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Vietze. - Da die Landesregierung Redeverzicht angezeigt hat, gebe ich das Wort noch einmal an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Reaktionen auf unseren Antrag betrachte, dann verwundert es mich schon sehr, wie wenig sich die Politiker mit den gesellschaftlichen Realitäten heutzutage auseinander setzen. Diese Einschätzung gilt insbesondere angesichts dessen, was der sich als Rechtsexperte der PDS gebärdende Herr Vietze dargebracht hat. Herr Vietze, Sie haben doch als Mitglied der führenden Kraft SED Kinder und Jugendliche in so genannte Jugendwerkhöfe weggeschlossen, und das nicht nur, wenn sie kriminell waren, sondern auch dann, wenn sie anderes Gedankengut vertraten, die Freiheit wollten oder „republikflüchtig“ wurden. Und jetzt befürworten Sie das? Wenn Sie von der Geschichte reden, dann muss ich Ihnen sagen, dass das Jugendgerichtsgesetz in der Zeit des Nationalsozialismus eingeführt wurde. Also bitte nicht zu weit aus dem Fenster lehnen!

Hatte die Einbeziehung Heranwachsender in das Jugendstrafrecht 1954 mit einer Quote von 22 % tatsächlich Ausnahmecharakter, so hat sich diese Quote im Jahre 2001 mit 62,3 % nahezu verdreifacht. Das erweckt den Eindruck, dass die Entscheidung über die Anwendung von Jugendstrafrecht - entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls getroffen wird, sondern maßgeblich unter dem Aspekt erfolgt, das Jugendstrafrecht sei das bessere Strafrecht und deshalb in nahezu jedem Fall anzuwenden.

Eben weil die Situation so ist - die Kriminalitätsstatistik hat, wie von mir eingangs geschildert, gemessen an der historischen Situation bei Einführung des Jugendstrafrechts ganz andere Dimensionen erreicht, was die Kriminalitätszahlen einerseits, Brutalität und Verwerflichkeit andererseits betrifft -, können und dürfen wir diesen Rechtsstand nicht beibehalten. Da kann auch die Einführung eines so genannten Warnschussarrests als zweifelhafte Kompromisslösung, die verschiedene unionsgeführte Länder beantragt haben, nicht helfen. Betrachtet man die Vielzahl der Fälle von Gewaltkriminalität, das heißt von Raub über Geiselnahme und Vergewaltigung bis hin zum Mord, so darf man nicht die Augen vor der Realität verschließen. Polizei und Strafverfolgungsbehörden können das schließlich auch nicht. Den Gesetzeshütern einerseits bei Zwölf- bis Vierzehnjährigen die Hände zu binden, andererseits Schwerkriminelle, denen die Strafverfolgungsbehörde mit Mühe das Handwerk legen konnte, trotz eines Alters von 20 Jahren regelmäßig dem Jugendstrafrecht zu unterwerfen und nach wenigen Jahren Haft wieder auf die Menschheit loszulassen ist ein Schlag ins Gesicht der Rechtsordnung, vor allen Dingen aber in das Gesicht der Opfer. Der erzieherische Gedanke des Jugendstrafrechts ist bei knapp 21-Jährigen in der Regel nicht zu gestalten, zumindest wenn man den Aussagen von Rechtspraktikern Glauben schenkt, und das mehr als spekulativ. Wir als DVU-Fraktion wollen hier klare und rechtsstaatlich unangreifbare Verhältnisse im Strafrecht und im Strafvollzug. Gerade dort, wo der erzieherische und generalpräventive Gedanke gegenüber dem spekulativ-täterbezogenen pädagogischen Auftrag in den Hintergrund tritt, ist Handlungsbedarf gegeben, um dem Auftrag der Staatsgewalt, die Sicherheit und die Rechte der gesetzestreuen Bürger zu verteidigen, Rechnung zu tragen.

Deswegen bitte ich Sie noch einmal, über Ihren Schatten zu springen und unserem Antrag doch zuzustimmen. Die Men

schen, die von diesen Kriminellen geschädigt wurden, werden es Ihnen danken. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt. - Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU hat die Überweisung des Antrages Drucksache 3/6260 - an den Rechtsausschuss beantragt. Wer dem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der DVU - Drucksache 3/6260 - in der Sache. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Bundesratsinitiative zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (§ 6 a Abs. 4 UStG und § 16 Abs. 1 Satz 2 UStG)

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 3/6261

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einreichenden Fraktion und erteile der Abgeordneten Hesselbarth das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehr Vertrauensschutz im Steuerrecht - das ist angesichts eines immer weiter ausufernden Steuerdschungels mit selbst für ausgewiesene Fachleute nicht mehr durchschaubaren Regelungen das Gebot der Stunde. Das gilt insbesondere für das Umsatzsteuerrecht, das in zunehmendem Maße nicht mehr nationaler, sondern europäischer Gesetzgebung unterliegt.

Durch die EU-Richtlinien innerhalb des Umsatzsteuerrechts, die innerhalb eines vorgeschriebenen Zeitraums in nationales Recht der Mitgliedsländer umgesetzt werden müssen und die bei nicht rechtzeitiger Umsetzung im Falle der Benachteiligung durch das bisherige nationale Recht unmittelbaren Gesetzesrang für alle EU-Bürger beanspruchen, wird dem deutschen Steuerrecht bisher zwar lediglich im Rahmen der angesprochenen Steuerart eine weitere Komplexitätsstufe hinzugefügt. Erhebliche Auswirkungen ergeben sich für die Praxis jedoch aufgrund der Wechselwirkungen zu den Ertragsteuern, insbesondere bei teilweiser Nichtabzugsfähigkeit von Umsatzsteuerund Vorsteuerbeträgen.

Von besonderer Brisanz sind die Fälle, in denen der Unternehmer einen Gegenstand innerhalb der EU an einen anderen vermeintlichen Unternehmer liefert und diese Lieferung gemäß

§ 6 a Umsatzsteuergesetz als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt. Liegen die Voraussetzungen gemäß § 6 a Abs. 1 Umsatzsteuergesetz jedoch nicht vor - unabhängig davon, ob der deutsche Lieferant davon Kenntnis hat oder nicht -, so handelt es sich um eine steuerpflichtige Lieferung an den Leistungsempfänger, sodass der liefernde Unternehmer Umsatzsteuer nachzuentrichten hat.

Grundsätzlich greift bei Fehlannahmen über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung die Vertrauensschutzregelung des § 6 a Abs. 4 Umsatzsteuergesetz. Durch diese gesetzliche Regelung soll der gute Glaube eines Unternehmers geschützt werden, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns walten ließ, wenn das Nichtvorhandensein aller erforderlichen Voraussetzungen aufgrund der Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers nicht erkennbar war. Doch nach Verwaltungsauffassung ist der gute Glaube bereits dann nicht mehr geschützt, wenn sich nach Ermittlungen ausländischer Steuerverwaltungen herausstellt, dass der Leistungsempfänger ein Scheinunternehmer ist. Dabei bleibt die Finanzverwaltung detaillierte Ausführungen schuldig,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

welche Maßnahmen der Unternehmer ergreifen müsste, damit sein Vertrauen schützenswert ist.

Daher ist zu fordern, den Vertrauenstatbestand des § 6 a Abs. 4 Umsatzsteuergesetz auch auf die Voraussetzungen des Absatz 3 auszudehnen und vonseiten des Bundesministeriums der Finanzen in einem Schreiben die erforderlichen Maßnahmen aufzuzeigen, die nötig sind, damit der gute Glaube des leistenden Unternehmers im Bereich des Buch- und Belegnachweises geschützt ist.

Während im Ertragsteuerrecht bei vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr der Gewinn bei bilanzierenden Unternehmen dem Kalenderjahr zugeordnet wird, in dem das Wirtschaftsjahr endet, ist im Umsatzsteuergesetz gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 der Besteuerungszeitraum auf das Kalenderjahr zementiert. Eine Abweichung bei abweichendem Wirtschaftsjahr ist bisher nicht vorgesehen. Dies bedeutet für die Unternehmen eine rechnerisch komplizierte und arbeitsintensive Aufteilung des Umsatzes des Wirtschaftsjahres auf zwei Kalenderjahre. Daher ist eine Anpassung des Umsatzsteuerrechts in diesem Bereich an das Ertragsteuerrecht zu fordern, sodass bei abweichendem Wirtschaftsjahr der Gewinn dem Kalenderjahr zuzuordnen ist, in dem das Wirtschaftsjahr endet.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, es mit dem Vertrauensschutz insbesondere für die kleinen und mittelständischen, im Außenhandel tätigen Brandenburger Unternehmen ernst meinen und wenn Sie außerdem eine wirkliche Steuervereinfachung wollen, so stimmen Sie bitte unserem vorliegenden Antrag zu.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Für die Koalitionsfraktionen gebe ich das Wort an Herrn Abgeordneten Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder geht es um eine Bundesratsinitiative der DVU zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes. Fast möchte man dieser Partei eine Psychotherapie empfehlen. Gott sei Dank hat sie es nicht in den Bundestag geschafft; stattdessen quält sie uns hier im Landtag immer mit solchen Ideen und Initiativen für den Bundesrat. Aber ich hoffe - die Zeit, in der wir sie noch erdulden müssen, wird überschaubar -, dass ihre nationalen Ambitionen im nächsten Jahr, spätestens im September, einen ordentlichen Dämpfer erfahren.

(Zuruf von der DVU: Wunschdenken!)

Der DVU geht es im Kern um eine Angleichung deutschen Rechts an die Gesetzgebung in anderen europäischen Ländern, wodurch der Lieferant von Waren eine Entlastung von bestimmten Nachweispflichten erfährt. Diese Nachweispflichten sind jedoch bei der Lieferung ins Ausland von elementarer Bedeutung, um die betrügerische Umgehung der Umsatzsteuerpflicht zu verhindern oder zumindest stark einzuschränken. Bei einer Exportnation - diese Bezeichnung trifft auf Deutschland zweifellos zu - würde dies jedoch zu erheblichen Unsicherheiten bei den Steuereinnahmen führen. Ausgerechnet der DVU unterläuft in der Absicht, wirtschaftsfreundlich zu erscheinen, ein im nationalen Interesse kapitaler Fehler. Deswegen fällt es uns nicht schwer, ihren Antrag abzulehnen. - Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Klein und gebe das Wort an die Fraktion der PDS. - Bitte, Frau Abgeordnete Osten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann feststellen - dies ist nicht allzu oft der Fall -, dass der Redebeitrag der Koalition auch unsere Zustimmung findet. Ich muss nur zwei Dinge hinzufügen.

Erstens: Egal, welche Stufe gerade ansteht, erwarten wir natürlich auch von einer Steuerreform auf Bundesebene, dass man sich um rechtliche Klarstellung und Transparenz bemüht.

Zweitens: Es wird sehr deutlich, dass dies ein Schaufensterantrag ist, um gleich einmal Ihre Terminologie zu benutzen, Frau Hesselbarth, denn Sie wissen sehr gut: Wenn sich Länder auf eine Bundesratsinitiative einigen und dann noch gesetzliche Veränderungen treffen sollen, dann ist dies bis zum Januar 2004 wohl nicht zu machen.

Wir lehnen den Antrag ab. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Osten. - Da die Landesregierung jetzt an der Reihe wäre, aber Redeverzicht angezeigt

hat, kann ich das Wort noch einmal an die Fraktion der DVU, an Frau Abgeordnete Hesselbarth, geben.

(Klein [SPD]: Die Quälerei nimmt kein Ende!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir fordern Steuerentlastung und Steuervereinfachung und dies insbesondere für die kleinen und mittelständischen Betriebe hier im Land Brandenburg. Obwohl Sie, Herr Klein, mit Ihrer Replik auf meine Ausführungen wieder einmal Ihre völlige steuerpolitische Inkompetenz offenbart haben, will ich noch einmal versuchen, Ihnen zu erklären, worum es uns hierbei eigentlich geht. Damit es intellektuell nicht zu schwierig wird, Herr Klein, bringe ich einfach zwei Beispiele

(Lachen bei SPD und CDU)

zu den seitens unserer DVU-Fraktion geforderten umsatzsteuerrechtlichen Änderungen. Also hören Sie genau zu, Herr Klein.

Die Änderung von § 6 a Abs. 4 Umsatzsteuergesetz, die wir vorschlagen, trifft beispielsweise dann zu, wenn eine mittelständische Firma aus Brandenburg ein von ihr hergestelltes Wirtschaftsgut, zum Beispiel eine Maschine, an einen Abnehmer nach Frankreich liefert und aufgrund des Schriftwechsels mit dem französischen Abnehmer und insbesondere aufgrund der Tatsache, dass dieser eine gültige französische Umsatzsteueridentifikationsnummer verwendet, davon ausgeht, dass dieser Unternehmer ist. Der Brandenburger Lieferant behandelt in diesem Fall die Lieferung selbstverständlich umsatzsteuerfrei im guten Glauben, dass der französische Abnehmer in Frankreich versteuert.

Es kann in einem solchen Fall jedoch passieren, dass sich nach Jahren bei einer Betriebsprüfung durch das französische Finanzamt herausstellt, dass bei dem französischen Abnehmer die Unternehmereigenschaft zum Zeitpunkt der Lieferung nicht gegeben war. Zu denken ist hier sowohl an einen französischen Privatmann, der die Maschine beispielsweise für Schwarzarbeiten braucht, als auch an einen ehemaligen Unternehmer, welcher infolge von Liquidation, Insolvenz oder Ähnlichem als Unternehmer nicht mehr weitermachen darf, dies ebenso schwarz trotzdem tut, und welcher dem deutschen Lieferanten gegenüber beispielsweise die Umsatzsteueridentifikationsnummer eines Bekannten verwendet. In diesem Fall kann auf den deutschen Lieferanten trotz guten Glaubens noch nach Jahren eine saftige Umsatzsteuernachzahlung zukommen. Genau dies, meine Damen und Herren, kann nach Auffassung der DVUFraktion beim besten Willen nicht im Sinne der Steuergerechtigkeit und der Förderung von Auslandsmarktinitiativen gerade kleiner und mittelständischer Brandenburger Unternehmen sein. Im Übrigen haben solche Umsatzsteuernachzahlungen, wie Sie alle hoffentlich wissen, bereits zur Insolvenz nicht weniger mittelständischer Betriebe geführt.

Kommen wir zu einem zweiten Beispiel. Während im Bereich des Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerrechts bei einem Wirtschaftsjahr vom 01.10. bis 30.09. des folgenden Kalenderjahres der Gesamtgewinn dieses abweichenden Wirtschaftsjahres dem folgenden Kalenderjahr zugerechnet wird, müssen bei der Umsatzsteuer aufgrund der starren Beharrung