Protokoll der Sitzung vom 28.08.2003

Um die negativen Effekte der rot-grünen Steuerpolitik für die kommunalen Haushalte zu korrigieren, versprach Bundesfinanzminister Eichel Abhilfe. Er setzte im Frühjahr vorigen Jahres eine Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen ein. Die Damen und Herren einigten sich nach monatelangen Debatten darauf, dass sie sich nicht einigen konnten, sodass ein geschlossenes Konzept - wie so oft - Fehlanzeige blieb. Nach einer Sommernachtsrunde bei Kanzler Schröder verkündeten die Minister Eichel und Clement unlängst den angeblich großen Wurf:

Die Gemeinden sollen um 4,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr und 5 Milliarden Euro ab 2005 entlastet werden. Dazu soll auf Drängen Schröders die Gewerbesteuer drastisch ausgeweitet werden. Das trifft zum einen die Großkonzerne, die es in Brandenburg allerdings kaum gibt, und zum anderen die bundesweit ca. 760 000 Freiberufler. Das stärkt zwar in der Tat die Finanzkraft mancher Kommunen minimal, ist im gesamtstaatlichen Rahmen aber ein Nullsummenspiel, da sich die Freiberufler das Geld aus der Einkommensteuererklärung zurückholen können.

(Schippel [SPD]: Nicht alles!)

- Herr Schippel, Sie haben es gesagt und es stimmt auch.

Einspareffekte sollen darüber hinaus durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum so genannten Arbeitslosengeld II, das von der Bundesanstalt für Arbeit gezahlt werden soll, sowie durch die versprochene Anhebung des Mehrwertsteueranteils der Kommunen entstehen. Ob dies alles allerdings so kommt, ist mehr als fraglich. Einerseits hat die Bundesratsmehrheit bereits ihr Veto angekündigt und andererseits hat die Bundesregierung die Frage, wie sie diese Reform finanzieren will und welche neuen Löcher in den ohnehin löch

rigen Bundeshaushalt gerissen werden, bis heute nicht beantwortet.

Eines wissen wir jedoch bereits jetzt, nämlich dass der Umsatzsteueranteil des Bundes zulasten der Länder kräftig erhöht werden soll. Die Länder werden - dies ist so sicher wie das Amen in der Kirche - diese Mindereinnahmen postwendend auf die Kommunen abwälzen. Das alles ist eine riesengroße Mogelpackung.

Völlig unberücksichtigt bleiben bei all den Zahlenspielereien der Bundesregierung die strukturschwachen Regionen, insbesondere hier in Brandenburg; denn wo kein Gewerbe ist, kann man auch keine Gewerbesteuer eintreiben.

Summa summarum ist nach Ansicht der DVU-Fraktion die so genannte Gemeindefinanzreform der Bundesregierung nichts anderes als ein schlechter Witz. Dass Sie, Herr Innenminister Schönbohm - sozusagen als i-Tüpfelchen -, das von Ihnen seit Jahren versprochene Finanzausgleichsgesetz inzwischen in der Schublade Ihres Schreibtisches versenkt haben, setzt dem Ganzen die Krone auf. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der CDU, an Herrn Abgeordneten Lunacek.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor gut einem Jahr wurden erste massive Hilferufe der Kommunen laut. Das Problem schmerzt deutschlandweit. Verschiedene Kommunen - München, Frankfurt, Rostock, Sindelfingen, Leipzig, auch viele in Brandenburg - meldeten finanziell „Land unter!“ Die Gründe: ein massiver Rückgang der Steuereinnahmen sowie steigende Kosten durch das Übertragen pflichtiger Aufgaben, ohne dass das Geld dafür weitergereicht wird.

Die Städte und Gemeinden versuchen verzweifelt gegenzusteuern. Schwimmbäder und Bibliotheken werden geschlossen; einige Kommunen - beispielsweise München und Lünen - verkaufen inzwischen ihre Rathäuser und mieten sie wieder an, um wieder Geld in die Kassen zu bekommen, oder tätigen andere zweifelhafte Geschäfte.

Fatale Folgen hat die Finanznot für die Investitionen. Es gibt immer weniger kommunale Investitionen. Was das bedeutet, kann sich jeder an drei Fingern abzählen, der weiß, dass 75 % der Infrastruktur in Verantwortung der Kommunen liegen. Gerade für die neuen Länder ist das wichtig, in denen die Angleichung an die alten Bundesländer ein so wichtiges Thema ist.

Das ist die Situation, vor der wir stehen. Aber, meine Damen und Herren, das beschränkt sich nicht auf die Kommunen. Die Steuereinnahmen des Landes sinken im dritten Jahr in Folge. So etwas gab es bisher nicht. Auch das Land muss an allen Ecken und Enden sparen: beim Personal, bei sozialen Projekten, bei der Kultur, bei Investitionen und anderen Dingen. Land

und Kommunen stehen vor exakt dem gleichen Problem: Die Steuern brechen weg und verschiedene Kosten steigen, ohne dass wir darauf Einfluss haben.

Meine Damen und Herren, Land und Kommunen sitzen im gleichen Boot und das Wasser steigt, und zwar im Boot. Bisher sind die Probleme der Kommunen nicht gelöst.

Vor 14 Tagen verabschiedete die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Reform der Gewerbesteuer. Die Kommunen sollen dadurch mehr Geld erhalten. Die Bundesregierung geht von Steuermehreinnahmen für die Kommunen im Jahre 2004 in Höhe von 2,5 Milliarden Euro aus. Allerdings sollen die Länder nach den Vorstellungen der Bundesregierung auch an den Steuermindereinnahmen, die dadurch entstehen, mit 1 Milliarde beteiligt werden. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Die Mindereinnahmen bei den Ländern machen für uns die Situation noch schwieriger. Die Kommunen werden auch an diesen Mindereinnahmen mit 25,3 % - gemäß ihrer Verbundquote - beteiligt.

Ich glaube, insgesamt kann diese Maßnahme zwar zur Entspannung beitragen, aber dauerhaft lösen wird sie das Problem der Schieflage der Kommunalfinanzen nicht. Die Lösung liegt nicht allein in einer Umverteilung des vorhandenen Geldes. Das Tischtuch ist einfach zu klein. Immer, wenn man an der einen Ecke zieht, entblößt man die andere.

(Zuruf von der PDS: Dann muss man ein größeres Tisch- tuch nehmen!)

Zur Lösung gehören zwei Dinge. Wir brauchen erstens Wirtschaftswachstum, damit die Steuereinnahmen wieder sprudeln. Zweitens ist die Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben notwendig.

Meine Damen und Herren, die Politik sollte sich wieder auf gewisse Grundsätze besinnen, die eigentlich selbstverständlich sind, inzwischen jedoch immer weniger beachtet werden.

Erstens: Wer bestellt, muss auch bezahlen. - Das ist wie im normalen Leben. Es kann nicht sein, dass den Kommunen immer neue Lasten aufgebürdet werden, ohne dass man für die Kosten aufkommt, wie beispielsweise bei der Grundsicherung ab diesem Jahr, bei Steuermindereinnahmen beispielsweise durch UMTS, beim Kindergeld, der Riester-Rente etc. pp. Der Bund muss die Wohltaten, die er verteilen will, auch bezahlen oder sich eingestehen, dass es nicht geht.

Zweitens: Wir brauchen weniger Bürokratie, weniger Normen und Standards. Das ist eine vordringliche Aufgabe und sollte nicht nur Lippenbekenntnis sein. Nach wie vor gibt es zu viele Gesetze, Verordnungen und Erlasse, die ein hohes Niveau diktieren, das nicht mehr zu finanzieren ist.

Allein seit 1998 sind 396 Bundesgesetze hinzugekommen. Nicht einmal 100 wurden gestrichen. Auch wir im Land sind - da brauchen wir uns nichts vorzumachen - an vielen Stellen nicht besser. Bei der Naturschutznovelle kommt die Probe aufs Exempel: Meinen wir es mit dem Abbau von Normen und Standards ernst oder meinen wir es nur grundsätzlich ernst und knicken, wenn es konkret wird, ein?

Meine Damen und Herren, bei einem wirklichen Bekenntnis

zum Beispiel zur vorschriftenfreien Gemeinde würde es völlig ausreichen, den Sicherstellungsauftrag für Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Abwasser grundsätzlich festzulegen.

(Frau Osten [PDS]: Davon wird es doch nicht mehr Geld!)

Die Städte und Gemeinden könnten dann tatsächliche Lösungen entwickeln, die den örtlichen Gegebenheiten entsprechen und bezahlbar sind.

Ich sage: Wir müssen den Menschen vor Ort Vertrauen schenken. Wir haben kluge Kommunalpolitiker, die engagiert sind, die Erfahrung haben, die besser wissen, was vor Ort wichtig, richtig, was bezahlbar ist. Sie wissen es zumindest besser als manche, die am grünen Tisch in Berlin oder auch in Potsdam sitzen.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

Drittens und letztens: Wir müssen dem Wirtschaftswachstum wieder Priorität einräumen. Hier schaue ich zum Wirtschaftsminister. Wir brauchen dazu Investitionen und mehr Freiraum für unternehmerisch Tätige. Dann werden die Steuereinnahmen wieder steigen und das, was wirklich wichtig ist, kann bezahlt werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Lunacek. - Ich gebe das Wort jetzt der Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fragestellung der Aktuellen Stunde unterstellt, dass es einfache Lösungen gebe. Ich kann Ihnen sagen: Die Schwierigkeiten, vor denen wir stehen, sind groß. Es gibt keine einfachen Lösungen. Alle müssen daran mitwirken: Bund, Land und Kommunen.

Die Finanzlage aller Ebenen ist schwierig. Mit einem höheren Wirtschaftswachstum wird es leichter sein, die Aufgaben zu lösen. Aber auf Wirtschaftswachstum zu hoffen heißt nicht, das nicht zu tun, was jetzt notwendig ist. Wir wissen, dass sich in den Kommunen das Leben abspielt und dass ihnen geholfen werden muss. Die Hilfe kann aber nicht nur in mehr Geld bestehen, sondern man muss auch überlegen, wie man die Kommunen von pflichtigen Aufgaben entlasten kann. Dazu haben Sie von der PDS bisher keinen Beitrag geleistet. Sie haben alle unsere Vorschläge abgelehnt, alle!

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der PDS)

Bedenken Sie einmal, dass man nicht nur über die Einnahmenseite, sondern auch über die Ausgabenseite sprechen muss! Es ist zu prüfen, wo man Aufgaben reduzieren kann. Wir werden Sie an dem messen, was Sie heute dazu gesagt haben.

Die Frage, die sich auf Bundesebene stellt, betrifft die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Die Übertragung der Finanzverantwortung für erwerbstätige Sozialhilfeempfänger von den Kommunen auf den Bund bedeutet die Ent

lastung von einem großen, ständig steigenden Ausgabenblock. Das ist der mit Abstand bedeutendste Teil dieser bundespolitisch vorgesehenen Finanzreform. Ich möchte Sie daran erinnern, dass in den Landkreisen 50 bis 55 % aller Ausgaben für den Bereich des Sozialen getätigt werden; die Sozialhilfe ist ein Teil davon.

Die von der Bundesregierung vorgesehene Gemeindefinanzreform umfasst die Einnahmen- wie die Ausgabenseite der Kommunen. Sie ist aber kein Synonym für die Erhöhung kommunaler Einnahmen, wie Ihr Antrag es unterstellt. Die Handlungsspielräume sind insoweit begrenzter als auf der Ausgabenseite. Dies gilt bundes- und landespolitisch.

Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir im Rahmen der Debatte über den Antrag der PDS-Fraktion zur Vorlage des Finanzausgleichsgesetzes gesondert über die Ausgabenseite diskutieren werden. Dann haben wir Zeit, uns damit intensiver auseinander zu setzen.

Was haben die Brandenburger Kommunen zusätzlich zur Ausgabenentlastung durch das Gesetz zur Reform der Gewerbesteuer des Bundes zu erwarten? Zum einen soll den Gemeinden ein erhöhter Anteil am Umsatzsteueraufkommen zufließen. Der Anteil soll von 2,2 % auf 3,6 % steigen. Das entspricht etwa 2 Milliarden Euro bundesweit. Der bestehende Verteilungsschlüssel beim Umsatzsteueraufkommen orientiert sich natürlich an dem entgangenen Gewerbekapitalsteueraufkommen im Jahre 1997 und wird somit für Brandenburg kein geeigneter Maßstab für den Erhöhungsbetrag sein. Hierüber wird man mit der Bundesregierung noch verhandeln müssen.

Zum anderen soll die Gewerbesteuer in eine rein ertragsabhängige so genannte Gemeindewirtschaftsteuer umgestaltet werden. Diese Konzeption steht dem gemeinsamen Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände für eine Reform der Gewerbesteuer insofern diametral entgegen. Bundesweit ist diese Reform weitgehend aufkommensneutral. Die Aufkommensneutralität trägt aber den aktuellen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen Rechnung. Das wurde so von der Bundesregierung auch angekündigt. Gleichwohl würde sich die Reform nach unseren Berechnungen auf die Brandenburger Gemeinden im Vergleich zu heute positiv auswirken.

Ich will die dahinter stehenden Mechanismen im Einzelnen nicht erläutern, sondern mich auf einige wesentliche Effekte des Entwurfs der Bundesregierung beschränken.

Erstens: Die Freiberufler und Selbstständigen werden in die Gewerbesteuerpflicht einbezogen. Zugunsten der Gemeinden sinkt zugleich die Einkommensteuer der Betroffenen, die Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam zusteht. Darüber wird zwischen den Lagern diskutiert; das Ergebnis müssen wir abwarten.

Zweitens: Kleine und mittlere Einzelunternehmen und Personengesellschaften leisten einen größeren Beitrag zur kommunalen Steuerbasis als bisher. Sie werden dafür aber ebenfalls bei der Einkommensteuer entlastet.

Drittens: Alle Kapitalgesellschaften und die großen Personenunternehmen leisten einen deutlich geringeren Beitrag zur Gemeindewirtschaftsteuer als zur Gewerbesteuer. Dieser Effekt überwiegt angesichts der Strukturen in unserem Lande bei uns nicht.

Insgesamt können die Brandenburger Kommunen, soweit es zurzeit berechnet werden kann, aus dem Gewerbesteuerreformgesetz der Bundesregierung einen Beitrag von insgesamt bis zu 100 Millionen Euro erzielen. Ich füge hinzu: Das bedeutet nicht, dass jede einzelne Gemeinde mit einem Plus nach der Reform rechnen kann. Eine negative Betroffenheit kann auch dort eintreten, wo gewerbesteuerlich eine große Abhängigkeit von Kapitalgesellschaften besteht. Gemeinden hingegen, in denen viele Freiberufler ansässig sind, würden überdurchschnittlich stark profitieren. Diese Unterschiede werden in einem künftigen Gesetz ausgeglichen werden müssen. Darum heißt es „Finanzausgleichsgesetz“.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Woraus denn? Wo soll denn das Geld herkommen?)

Ich sage nur so viel: Ein Finanzausgleichsgesetz können Sie erst dann auf den Weg bringen, wenn Sie wissen, wovon Sie sprechen. Die Daten werden im Augenblick erarbeitet. Daran will ich nur erinnern; wir kommen nachher noch einmal darauf zu sprechen.