Protokoll der Sitzung vom 28.08.2003

Gegenwärtig geht es darum, einen Weg aus der derzeitigen Finanzenmisere aufzuzeigen. Die Erwartung, das Problem wäre mittels einiger Vorschläge zu lösen, das heißt, es hörte mit ei

nem Mal auf zu existieren, setzt eine Omnipotenz der Politik voraus, die es in unserer pluralistischen Gesellschaft nicht geben kann und auch nicht geben wird.

Drei Aspekte sind hier insbesondere zu beachten.

Erstens: In Deutschland sind strukturelle Reformen über Jahrzehnte verschleppt worden. Beleg hierfür ist auch die schlechte finanzielle Lage ehemals gut situierter Städte und Gemeinden in den alten Bundesländern. Einige sind von den Vorrednern genannt worden. Der Reformstau muss nunmehr schrittweise aufgelöst werden. Die Erfolge würden sich sicherlich schneller einstellen, wenn auch andere ihren Beitrag leisteten.

Zweitens: Ostdeutschland befindet sich nach wie vor in einem Transformationsprozess. Dieser ist langwierig und schwierig und er kann nach menschlichem Ermessen auch nicht ohne mitunter große Reibungsverluste ablaufen. Daher sind regelmäßige Kurskorrekturen erforderlich. Diese müssen beschlossen und dann auch umgesetzt werden.

Drittens: Die Begrenzung finanzieller Ressourcen tritt selbstverständlich insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Phasen deutlicher denn je zutage. Die Folgen dieser Tatsache erstrecken sich ausdrücklich auch auf Solidarmaßnahmen wie den Finanzausgleich und damit auch auf die finanzielle Ausstattung der Kommunen.

Vor diesem Hintergrund müssen wir über Richtungsentscheidungen und über konkrete Maßnahmen befinden - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zum einen sind schmerzhafte Rückgänge der Einnahmen über die letzten Jahre hinweg zu verzeichnen. Dies betrifft sowohl die Einnahmen aus Zuweisungen aus dem GFG als auch die eigenen Steuereinnahmen. Zum anderen erfolgte ein teilweise dramatischer Anstieg der Aufwendungen für die Erfüllung der Pflichtaufgaben. Hier sei nur an die Ausgaben für die Sozialhilfe erinnert.

Ich persönlich empfinde den Fakt als besonders schmerzhaft, dass die Ausgaben für Investitionen seit Jahren rückgängig sind. Leistungsfähige Kommunen bedürfen dieser Investitionen. Ohne sie kommt es tatsächlich zum Stillstand.

An dieser Stelle wiederhole ich bewusst: Verantwortliche Politik muss Rahmenbedingungen akzeptieren. Daher ist festzuhalten, dass beispielsweise die Kürzungen für das Jahr 2003 unvermeidbar waren und dass auch die Kommunen einen Teil davon tragen mussten. Allerdings müssen die Zuweisungen des Landes ihrerseits wiederum so bemessen sein, dass die Kommunen ihre Aufgaben, Pflichtaufgaben sowie ein Maß an freiwilliger Selbstverwaltung, erfüllen können.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Woidke [SPD])

Darauf zu achten, das ist unsere Aufgabe.

Einer Reduzierung der Zuweisungen musste insofern eine Reduzierung der Aufgaben, der Normen und Standards auf dem Fuße folgen. Dies war und ist wohl unstrittig.

Im Zuge des ersten kommunalen Entlastungsgesetzes ergriffene Maßnahmen blieben zunächst hinter den Notwendigkeiten zurück. Insofern wurden die zuvor geäußerten Befürchtungen bestätigt. Die Maßnahmen waren jedoch ein erster Schritt in

die richtige Richtung. Weitere Schritte müssen folgen. So wird das zweite kommunale Entlastungsgesetz den Weg in die parlamentarische Beratung finden.

Dieses zweite kommunale Entlastungsgesetz soll unter anderem Leistungsverpflichtungen und Standards der Kommunen reduzieren und zu einer Verwaltungsvereinfachung führen sowie Unsicherheiten im Bereich des Kommunalabgabengesetzes beseitigen und so die Einnahmenseite der Kommunen stabilisieren. Der eingeschlagene Weg wird damit fortgesetzt. Erneut gilt auch hier: Weitere Schritte müssen dann folgen.

Hierzu zähle ich auch den Beitrag des Landes bzw. der Landesverwaltung. Ein ehrgeiziges Ziel wurde im Hinblick auf den Personalabbau - immerhin sollen 12 400 Stellen abgebaut werden - bereits formuliert. Hierbei geht es allerdings nicht allein um den Stellenabbau an sich. Eine Verschlankung der Verwaltung ist vielmehr eingebunden in die Beantwortung der Frage, welche Aufgaben wahrgenommen werden müssen und wo, das heißt auf welcher Ebene, eine Aufgabenwahrnehmung sinnvoll ist.

Nur mit einer entschlossenen Fortsetzung der Funktionalreform lassen sich die durchaus vorhandenen Potenziale für eine Effizienzsteigerung auch tatsächlich realisieren. Unsere Aufgabe ist es, die Landesregierung in diesem Prozess weiterhin kritisch, aber auch konstruktiv zu begleiten.

Ein weiterer entscheidender Aspekt dieses Themas sind die kommunalen Steuereinnahmen. Die Gemeinden benötigen eine Verstetigung ihrer Steuereinnahmen heute dringender denn je. Die Bundesregierung hat auf diesen Handlungsbedarf mit der Gemeindefinanzreformkommission reagiert. Bei deren Beratungen spielte die Gewerbesteuer eine herausragende Rolle und das hat seinen Grund. Dies spielte hier auch in allen Redebeiträgen eine zentrale Rolle.

Der Kreis der Steuerpflichtigen ist nämlich bei weitem nicht mehr umfangreich genug, wofür die hohe Zahl der so genannten Steuerschlupflöcher nicht allein, aber mit verantwortlich ist. Zu den zentralen Vorschlägen für eine Reform gehört keineswegs zufällig und völlig zu Recht die Einbeziehung von Selbstständigen und Freiberuflern in das System der Gewerbesteuer. Meines Erachtens ist auch die Einbeziehung von Zinsen, Mieten, Pachten und Finanzierungsanteilen von Leasingraten in die Gewerbesteuer sinnvoll, wie sie auch vom Deutschen Städte- und Gemeindebund befürwortet wird. Mein Kollege Schippel hat das dazu Notwendige gesagt.

Schließlich ist auch auf Landesebene eine gesetzgeberische Initiative erforderlich. Ich meine das Finanzausgleichsgesetz, das im Jahr 2005 in Kraft treten soll und das daher noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden muss und wird.

(Zuruf von der PDS: Müsste!)

Meine Damen und Herren, die Reforminitiativen der Bundesregierung im Rahmen der Agenda 2010, die Reform der Gewerbesteuer, die Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben und nicht zuletzt die entschlossene Fortsetzung der Funktionalreform sind wichtige Meilensteine auf dem Weg, der den Reformstau auflöst, die Wachstumskräfte freisetzt, die Effizienzreserven nutzbar macht und damit letztlich auch die öffentlichen Haushalte einschließlich der Gemeindehaushalte

entlastet. Damit wird ein Weg aufgezeigt, den wir hier entschlossen weiter gehen müssen.

(Frau Osten [PDS]: Das klingt ja wie im Märchen!)

Es hängt alles zusammen, sagte der Spatz, als er den Regenwurm fraß. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Bochow und gebe das Wort an die Fraktion der CDU. Bitte, Herr Abgeordneter Petke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Belastbarkeit des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist in den letzten Jahren zweifelsohne auf eine harte Probe gestellt worden. Gerade in diesem Jahr können wir feststellen, dass sich die Steuerausfälle zwar auf einem niedrigen Niveau stabilisiert haben, wir aber noch nicht über den Berg sind.

Wir müssen heute auch darüber diskutieren, worin die Ursachen dafür bestehen. Eine Ursache ist natürlich die ungenügende wirtschaftliche Entwicklung; an dieser Feststellung führt kein Weg vorbei. Ohne Zweifel gibt es in den Parteien unterschiedliche Aussagen dazu, wer die Verantwortung dafür trägt, aber eines muss doch klar sein: Natürlich hat die Politik der rot-grünen Bundesregierung mit dieser mangelhaften wirtschaftlichen Entwicklung zu tun.

Eine andere Ursache liegt darin, wie Rot-Grün auf die Reformerfordernisse bei den Gemeindefinanzen reagiert hat, wie die Bundesregierung damit umgegangen ist. Lieber Kollege Schippel, wenn Sie sagen, dass die CDU vorher dort nicht Hand angelegt hat, dann konstatiere ich: Das lag natürlich auch daran, dass eine Notwendigkeit dazu nicht bestand,

(Widerspruch bei der SPD)

dass damals eben wirtschaftliches Wachstum die Statistiken gekennzeichnet hat, dass damals derartige Probleme, wie wir sie heute diskutieren, nicht bestanden. Solch drastische Steuerausfälle hat es zu keiner Zeit gegeben.

(Frau Osten [PDS]: Das hat Ihre Fraktion aber anders ge- sehen!)

Sie gibt es erst mit Beginn der wirtschaftlichen Stagnation bzw. des Minuswachstums und mit der Steuerreform 2000.

(Widerspruch bei SPD und PDS)

Ich kann die aufgeregten Reaktionen der Kollegen der SPD an dieser Stelle natürlich verstehen, aber auf der Zeitachse ist es nun einmal so.

Ich bin durchaus dankbar für die Aussage der Kollegen von der SPD, dass schon in der letzten Legislaturperiode entsprechende Vorstellungen hätten entwickelt werden müssen. Das war ja auch im ersten rot-grünen Koalitionsvertrag verankert. Ich

glaube, in Bezug auf die Zusammenlegung von Arbeitslosenund Sozialhilfe gehen wir auf der Bundesebene einen Weg, den man durchaus unterstützen kann; aber wir gehen natürlich auch einen Weg, den ich für durchaus kritikwürdig halte.

Rot-Grün reagiert zum Teil so, wie wir das von anderen Vorhaben der Bundesregierung kennen. Zuerst wird ein neuer Name ins Spiel gebracht: Gemeindewirtschaftsteuer. Was verbirgt sich dahinter? Dahinter verbergen sich Dinge, die wir durchaus unterstützen, aber auch Punkte, die diskutiert werden müssen. Es wird für unsere Kommunen interessant sein, ob die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger nun an eine Mammutbehörde, wie es die Bundesanstalt für Arbeit ist, abgegeben werden oder ob sie bei den Kommunen verbleiben und dort betreut werden - dort, wo in den letzten zehn bis 13 Jahren die Erfahrung damit auch in Brandenburg gewachsen ist -,

(Frau Osten [PDS]: Sie haben sich gerade widersprochen! Haben Sie das gemerkt?)

sofern dort ein entsprechender finanzieller Ausgleich durch den Bund und möglicherweise auch durch das Land erfolgt.

Auf ein nächstes großes Thema schaue ich mit ein wenig Furcht; das ist die Steuerreform. Lieber Kollege Schippel, wenn Sie in diesem Zusammenhang sagen, der Bundesrat solle sich hierbei entsprechend verhalten und nicht zögern, sondern zustimmen, dann halte ich dementgegen: Hier ist heute deutlich geworden, woran es zurzeit auf Bundesebene liegt. Es geht doch nicht um die Frage, wie der Bundesrat entscheidet; er ist noch gar nicht gefragt. Vielmehr stellt sich die Frage: Was will die SPD auf der Bundesebene? Heute wurde hier gesagt, Sie wollen Mieten, Pachten und Leasingraten in die Gewerbesteuer einbeziehen. Das Bundeskabinett hat genau das Gegenteil beschlossen. Meiner Meinung nach liegt ein Grund für die eingetretene Verzögerung darin, dass auf der Ebene der Bundesregierung und ebenso in der SPD-Bundestagsfraktion und mit dem Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen eben keine Einigkeit über dieses Vorhaben besteht. Ich halte es tatsächlich für verfehlt, den Bundesrat bzw. die Union anzusprechen. Meine Bitte, auch im Interesse der Kommunen in Brandenburg und in Deutschland, lautet: Werden Sie sich zunächst einmal zwischen Bundes- und Landesebene in der SPD einig, werden Sie sich auf der Ebene der Bundesregierung einig; dann können wir zu entsprechenden Weiterungen auch hier im Land Brandenburg kommen.

(Frau Siebke [SPD]: Erfüllen Sie doch erst einmal Ihre Versprechungen!)

- Zu den Versprechen im Land, die die PDS so gern anmahnt: Gestern Abend sah ich die ORB-Hauptnachrichtensendung. Darin kritisierten Sie, Frau Kollegin Osten, den Haushaltsentwurf.

(Frau Osten [PDS]: Zu Recht! Wir sind in der Opposi- tion!)

- Natürlich sind Sie in der Opposition; dennoch kann man geteilter Meinung darüber sein, ob das zu Recht geschah. Da wird der Haushalt kritisiert; es würden Schulden aufgenommen und es werde nicht das Notwendige unternommen.

Natürlich machen wir uns bei einer Neuverschuldung von

mehr als 1 Milliarde Euro genauso Gedanken, ob dies verantwortbar ist, aber wir gehen gleichzeitig den Weg, den Menschen zu erklären, dass wir Leistungen reduzieren müssen. Der Innenminister hat hier völlig zu Recht angemerkt: Bei all den Diskussionen - erstes Artikelgesetz, Polizeistrukturreform, Gemeindereform -, bei denen es darum ging, wie wir unser Land für die Zukunft fit machen können, wie wir unseren Haushalt den Einnahmen anpassen können, wie wir die Ausgaben entsprechend reduzieren, haben Sie nicht nur keine Vorschläge unterbreitet, sondern haben Sie Nein gesagt.

(Frau Osten [PDS]: Er überzieht ständig seinen Etat! - Frau Dr. Enkelmann[PDS]: Kurzzeitgedächtnis!)

Genauso stellt sich die Situation der PDS heute dar. Sie kritisieren etwas, Sie kritisieren einen Entwurf der Landesregierung, Sie kritisieren den vorgelegten Entwurf des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2004, aber Sie haben nicht ein Beispiel dafür gebracht, Kollege Domres, wie Sie es anders machen wollen.