Protokoll der Sitzung vom 24.09.2003

All das steht in der Agenda. Wir tun hier den ersten Schritt und ich bin dankbar dafür, dass wir den Gesetzentwurf heute einbringen und ihn zum Ende des Jahres mit Wirkung zum neuen Kalenderjahr hoffentlich verabschieden können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Minister Reiche.

Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, kann ich wieder Gäste im Landtag begrüßen. Sie kommen aus dem Süden des Landes, aus Ruhland. Es sind Vertreterinnen und Vertreter des Vorruhestands- und Beamtenclubs Ruhland. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Damit gebe ich das Wort an die Fraktion der PDS. Bitte schön, Frau Große.

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Lehrerbildung bedarf einer grundlegenden Reform. Das wurde durch die Ergebnisse der letzten Schulleistungsuntersuchungen deutlicher denn je. In der Debatte zu unserem Antrag zur Reform der Lehrerbildung war das ebenfalls parteiübergreifend Konsens.

Gesetze können Reformen befördern. Bei so großem Handlungsbedarf sollten sie es auch. Um es gleich vorwegzunehmen: Diesem Anspruch wird der vorliegende Gesetzentwurf in keiner Weise gerecht.

Die Universitäten stehen derzeit nicht nur, aber eben auch im Bereich der Lehrerbildung wegen des an Dynamik gewinnenden Bologna-Prozesses unter einem enormen Reformdruck.

Auch von der Universität Potsdam wird erwartet, dass sie ein Leistungspunktsystem und eine Modularisierung der universitären Ausbildung mit dem Ziel der Herstellung europaweiter Vergleichbarkeit entwickelt und damit die Mobilität der Studenten fördert. Die Berliner Ministerkonferenz der europäischen Länder hat unlängst als Zeitmarke dafür das Jahr 2005 festgelegt. In der von uns beantragten Anhörung zur Reform der Lehrerbildung im Juni 2003 wurde deutlich, dass schon ein

enormer Zeitverlust eingetreten ist. Der Berliner Senat hat inzwischen einen Gesetzentwurf vorgelegt, den man durchaus kritisch betrachten kann. Wenn wir weiter zögern, dann wird das alles von den Akteuren nicht mehr vernünftig zu gestalten sein, werden vielleicht wichtige, bewahrenswerte Elemente des Potsdamer Modells der Lehrerbildung den Bach runtergehen.

Eine eigens eingerichtete Expertengruppe zur Weiterentwicklung der brandenburgischen Lehrerbildung hat im November 2002 einen Bericht vorgelegt, der bis heute folgenlos ist und der eben auch in dem heute vorliegenden Gesetzentwurf unberücksichtigt blieb.

In der schon erwähnten Anhörung hat Frau Prof. Dr. Haßler dringend angemahnt, dass studienbegleitende Modulprüfungen im Ersten Staatsexamen, die im Jahre 2004 beginnen müssen, dringend einer gesetzlichen Regelung bedürfen, und zwar in einem neu gefassten § 6. Das leistet der vorliegende Gesetzentwurf nicht. Damit befördert er die Reform nicht nur nicht, sondern er verhindert sie regelrecht.

Was also liegt uns nun eigentlich vor? Nichts anderes als ein hilfloser Versuch, Löcher zu stopfen und ohnehin Praktiziertes festzuschreiben. Ich denke hierbei an die Aufgabenabschichtung an das Landesprüfungsamt. Der vorliegende Gesetzentwurf bietet mit Sicherheit keinen Weg, den lange bekannten Mangel an Lehrkräften in den Lehrämtern für Sonderpädagogik und Berufsschulpädagogik zu beseitigen. Eine Antwort auf die Frage, woher die ab 2010 benötigten etwa 1 000 Lehrer pro Schuljahr kommen sollen, gibt es schon gar nicht. Ich frage Sie, Herr Minister: Weshalb sollte sich eine Lehrkraft, die ihre Erste Staatsprüfung in einem anderen Bundesland absolviert hat, für den Vorbereitungsdienst in Brandenburg anmelden? Welche Einstellungschancen hat eine solche Lehrkraft dann?

Herr Minister, im Juni haben mehrere Ihnen namentlich bekannte Sonderpädagogen regelrecht darum gefleht, dass ihre befristeten Verträge verlängert werden. Das ist trotz nachgewiesenen Bedarfs nicht geschehen. Die betreffenden jungen und hoch motivierten Kolleginnen und Kollegen sehen sich jetzt in anderen Bundesländern um. Die bekommen wir nicht zurück. Es gibt bei uns einen steigenden Bedarf an Sonderpädagogen schon allein durch die Ausweitung der flexiblen Eingangsphase und des Integrationsunterrichts.

Im Übrigen sind die zuständigen Lehrerbildungsseminare bisher nicht auf den Vorbereitungsdienst von Sonderpädagogen aus anderen Bundesländern vorbereitet. Ohne den Sockel eines grundständigen Studiums, den wir hier ja nicht bieten können, ist das auch problematisch.

Natürlich ist die Anerkennung der Lehramtsbefähigung aus anderen Bundesländern in Zeiten, in denen es um europaweite Anpassungsfähigkeit geht, ein längst überfälliger Schritt. Das alles aber ist eben wenig hilfreich, wenn keine Neueinstellungen vorgenommen werden, die den betreffenden Lehrkräften eine über zwei Jahre hinausgehende Perspektive sichern.

(Beifall bei der PDS)

Auch die Erleichterung der Bedingungen für Seiteneinsteiger durch die Verkürzung der Zeit bis zum berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst kann keine ausreichende Antwort auf die prekäre Situation im Bereich fehlender Lehrkräfte in Mangelfächern sein.

Fazit: Auch wenn wir das Gesetz, weil wir gutwillig sind, nur als einen Zwischenschritt vor dem großen Wurf betrachten, auf den wir schon sehr gespannt sind, erschließen sich uns der Sinn und die Konstruktion des Gesetzes nicht. Dennoch werden wir versuchen, zu einer Qualifikation des Gesetzentwurfs im federführenden Ausschuss beizutragen, oder eben auch dessen Überflüssigkeit in der vorliegenden Fassung nachweisen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Große, und gebe das Wort an die Fraktion der SPD. Bitte, Frau Abgeordnete Siebke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich werde die Überschrift genauso setzen wie es Frau Große und auch der Minister getan haben: Die Lehrerbildung ist zu reformieren. Das sagen wir nicht erst seit Wochen oder Monaten, sondern eigentlich schon seit Jahren.

Diese Reformierung muss in zwei Richtungen gehen. Einmal betrifft sie die Art der Ausbildung. Wir alle wissen, und zwar nicht erst seit PISA, dass es immer mehr darum geht, die Profession des Lehrers in den Mittelpunkt der Ausbildung zu stellen, dass es darum geht, neben der Fachwissenschaft wirklich das Lehrer-Sein in den Mittelpunkt der Ausbildung zu stellen. Wir wissen, dass die Universität Potsdam hier schon eine ganze Menge getan hat; das Potsdamer Modell wird in diesem Zusammenhang ja auch immer wieder genannt. Trotzdem ist auch hier eine Weiterentwicklung unbedingt notwendig.

Zum anderen ist es - das ist hier schon mehrfach gesagt worden - der europäische Prozess, der die Hochschulen insgesamt, dann aber natürlich auch die Lehrerbildung, insbesondere die Lehrerausbildung, unter Zwang stellt. Ich meine, es ist gut, dass hier jetzt auch eine Jahreszahl im Raum steht, nämlich 2005. Wir schreiben jetzt das Jahr 2003, um das hier noch einmal auszusprechen. Es ist also nicht unheimlich viel Zeit, hier noch einmal weiterzudenken. Vor allem ist es so, dass schon seit Jahren gedacht wird.

Ich hätte mir gewünscht, dass dieser Entwurf für ein Lehrerbildungsgesetz zusammen mit Berlin auch einige Faktoren, von denen ich bereits einige genannt habe - ich nenne noch einmal die Stichworte Bachelor, Master und Modularisierung -, zum Gegenstand gehabt hätte. Das ist nicht der Fall. Das ist auch schon von allen Vorrednern gesagt worden.

Ich erspare mir jetzt auch zu sagen, welche Schwerpunkte in dem Gesetz geregelt werden sollen. Das hat der Minister ausführlich dargestellt. Auch Frau Große ist darauf eingegangen. Dazu eine Bemerkung: Ob ich die Lehrer nach Brandenburg bekomme oder nicht, kann ich auch nicht per Gesetz regeln, denn dabei spielen andere Faktoren eine Rolle.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das weiß Frau Große genauso gut wie ich. Also kann das wohl kaum Gegenstand des Gesetzes sein. Ich bin im Gegensatz zu Frau Große der Meinung, dass die vorgesehenen Dinge durchaus geregelt werden müssen, um Rechtssicherheit für diese

Personengruppen zu bieten. Aber ich muss auch sagen, dass es ein Zwischenschritt ist, so wie es hier bereits gesagt wurde. Ich mahne an, jetzt auf Tempo zu drängen und ein ordentliches Lehrerbildungsgesetz, in dem Reformen wirklich angegangen werden, zustande zu bringen.

Ich stimme der Absicht zu, noch einmal zu schauen, ob wir nicht die Experimentierklausel, die in Berlin vorgesehen ist, auch bei uns mit unterbringen wollen. Denn ich sehe sonst schwarz, zum einen die Lehrerausbildung so hinzubekommen, dass wir dann wirklich ordentliche Lehrer haben, die auch guten Unterricht erteilen können, wobei ich nicht sagen will, dass die jetzigen Lehrer es nicht tun, aber die Anforderungen ändern sich ja auch. Zum anderen geht es darum, dem europäischen Prozess in der Hinsicht Rechnung zu tragen, dass die Studenten, die bei uns ausgebildet wurden, Chancen auf dem Arbeitsmarkt in Europa haben wie andere auch bei uns. Das muss schnell passieren. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Siebke, und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, an den Abgeordneten Nonninger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gesetzesänderung wird die brandenburgische Bildungsmisere nicht beheben, aber sicherlich ist es ein erster Schritt in die richtige Richtung, den Zugang von Lehrern aus anderen Bundesländern und von Seiteneinsteigern in das Lehramt in Brandenburg zu erleichtern. Die Ausbildung und Weiterbildungssituation der vorhandenen Lehrer sowie die Anforderung an neue Lehrkräfte gehören in das Mosaik der Gründe, die beispielsweise zum miesen Abschneiden Brandenburgs in der PISA-Studie geführt haben. Verbesserungen in diesen Bereichen gehören zu den Maßnahmen, die gegen die Bildungsmisere unternommen werden müssen.

Doch es darf bezweifelt werden, dass die vorgeschlagenen Änderungen des Lehrerbildungsgesetzes ausreichen, um Junglehrer oder erfahrene Kräfte aus anderen Bundesländern, beispielsweise aus Berlin, nach Brandenburg zu locken. Ich habe noch nie gehört, dass die brandenburgischen Lehrer von ihren Kollegen aus Berlin um ihr Gehalt oder ihre Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen beneidet werden. Umgekehrt scheint mir das eher der Fall zu sein. Aber vielleicht ändert sich das ja angesichts der Berliner Schuldenmisere. Vielmehr hätte es sich ändern können, wenn Brandenburg nicht ebenfalls von seiner Regierung in den Schuldensumpf gefahren worden wäre. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Nonninger und gebe das Wort an die Fraktion der CDU, an die Abgeordnete Hartfelder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir scheint, dass wir uns selten in der Beurteilung eines Gesetzentwurfes so einig waren wie heute. Vom Minister bis zu vier Fraktionsrednern scheint

das quer Beet einhellig so zu sein. Auch meine Meinung lautet: Es ist ein Schritt, der einfach deshalb notwendig war, um Seiteneinsteigern im Bildungswesen Brandenburgs eine rechtlich verlässliche Sicherheit zu geben, aber auch Lehrkräften aus anderen Bundesländern hier den Vorbereitungsdienst, Ergänzungsprüfungen usw. zu ermöglichen. Aber es ist nicht der große Wurf, den wir uns gewünscht hatten, über den wir im Bildungsausschuss seit zwei Jahren sprechen und der notwendig ist.

Herr Nonninger, eine Bemerkung zu Ihnen: Die Besoldung in einem Land hat nicht zuvorderst etwas mit der Lehrerbildung und den Inhalten im Lehrerbildungsbereich zu tun.

(Zuruf des Abgeordneten Nonninger [DVU])

In den nächsten Jahren wird sich nach meiner Meinung auch viel verändern und relativieren. Berlin und Brandenburg werden sich in diesem Bereich sehr nahe kommen. Ob das immer jedem gefällt, wird eine andere Frage sein.

Frau Große, Sie haben gesagt, wir müssten ganz schnell handeln, das müsste ganz schnell funktionieren und der große Wurf müsste uns gelingen. Ich verfolge im Bundesgebiet seit zehn Jahren die Diskussion um diesen großen Wurf, der von Frau Siebke deutlich angesprochen worden ist. Es geht um die Frage, wohin es führen muss, nämlich in Richtung Bachelor-, Masterausbildung, Modularisierung.

Ich begleite seit zehn Jahren in meiner Partei die Bildungspolitik auch im Hochschulbereich und höre, was dort gesprochen wird. Ich glaube, das größte Problem für uns ist, dass wir solch eine Lehrerbildungsreform nicht ohne die Hochschule durchführen können, ohne die Professoren, die an diesen Hochschulen lehren und auch die Verantwortung tragen. Hier liegt eigentlich das große Problem, denn die Hochschulen müssen mitziehen. Eine Reform des Lehrerbildungsgesetzes ohne die Hochschulen wird uns auf die Füße fallen.

(Schippel [SPD]: Das ist wohl wahr!)

- Genau. Danke, Herr Schippel. - Das heißt also, dass wir gerade in diesem Bereich sensibel vorgehen müssen. Ich denke, dass das seitens unserer beiden Ressorts, die dafür die Verantwortung tragen, zu leisten sein wird.

Ich kann mich also mit vielen Teilen des Gesetzes gut identifizieren. Ich finde sie richtig. Einen Teil, mit dem ich überhaupt nicht einverstanden bin, muss ich der Ehrlichkeit halber hier noch einmal nennen. Es handelt sich um den § 7 - Vorbereitungsdienst. Sonderpädagogen sollen ihren Vorbereitungsdienst an Regelschulen absolvieren können. Ich halte das für verkehrt. Kein Mensch wird auf die Idee kommen, die Facharztausbildung für einen Orthopäden an eine Hals-Nasen-Ohren-Klinik zu verlegen. Das heißt, der Vorbereitungsdienst eines Sonderpädagogen soll an einer Förderschule, wie auch immer geartet, erfolgen und nicht an einer Regelschule. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hartfelder. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt Ihnen die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung in Drucksache 3/6373 an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf: