Protokoll der Sitzung vom 24.09.2003

Beispiel 2: Im Haushalt des für das Sparen in besonderer Weise zuständigen Finanzministeriums findet man eine Summe für Gutachten in Höhe von 4,2 Millionen Euro - das sind rund 3,5 Millionen Euro mehr als 2003 -, ohne dass auch nur mit einem Wort erläutert wird, warum denn diese große Summe erforderlich ist.

Ich kann hier nicht auf alle Details eingehen, ich sage nur: Das Gesamtausgabenvolumen hat sich gegenüber 2003 kaum verändert. 461 Millionen Euro sollten in dieser Wahlperiode als Schulden neu aufgenommen werden, jetzt werden es 4,6 Milliarden Euro sein. Warum sich die Gesamtverschuldung allein in dieser Wahlperiode von 12,8 auf mindestens 17,5 Milliarden Euro erhöht haben wird und die Investitionsquote mit 20,6 % den absoluten Tiefstand seit Bestehen des Landes erreichen wird - das sind Dinge, über die wir in den künftigen Beratungen noch zu diskutieren haben. Wir haben - weil Sie das fragen werden - in den vergangenen Wochen unsere Vorschläge zu einer grundlegenden Veränderung in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik öffentlich unterbreitet. Wir haben neben manch kritischer Wertung auch viel Zustimmung für diese Pläne von anerkannter Seite erfahren. Auch Brandenburger Politiker, die es wollten, konnten und können unsere Vorschläge lesen. Wir wollen mit anderen ins Gespräch kommen über eine radikale Änderung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik des Bundes gegenüber den neuen Ländern; über eine Wende Ost, denn der Aufbau Ost als Nachbau West ist gescheitert; über eine langfristige finanzielle Entlastung der gesamten Gesellschaft. Den Weg hin zu einer selbsttragenden wirtschaftlichen Entwicklung des Ostens haben wir im Detail in einem Projekt „Herausforderung 80 in acht Punkten“ zusammengefasst. Wir haben ein Innovationsprojekt Ost vorgelegt.

Herr Abgeordneter, jetzt gehen Sie an die Reserven Ihres Kollegen Domres.

Ich komme zum Ende, Herr Präsident.

Wir laden Sie zur Diskussion dieser Vorschläge ein. Wir sagen nicht, dass wir in allen Fragen den Stein der Weisen gefunden hätten, aber seriöse Vorschläge haben wir unterbreitet. Der von Ihnen nach vier Jahren großkoalitionären Regierens vorgelegte Haushalt ermöglicht Ihnen manches, aber eines ermöglicht er Ihnen hoffentlich nicht: Die äußerst bescheidene Bilanz ist nicht dazu angetan, arrogant gegenüber anderen Vorschlägen zu reagieren. Hochmut kommt vor dem Fall. Das belegt auch Ihr Haushalt. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Fraktionsvorsitzende Fritsch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt der Entwurf der Landesregierung für den Haushaltsplan 2004 vor, der ja im Wesentlichen beschreibt, wie das letzte Jahr dieser Legislaturperiode ablaufen soll.

Die Eckwerte geben bekanntermaßen einen außerordentlich engen Rahmen vor. Es wird eine sehr intensive Arbeit der Ausschüsse erforderlich sein, um den Konsolidierungskurs einerseits und die Erfüllung der notwendigen Aufgaben unter Beachtung der politischen Vorgaben dieses Hauses andererseits in Einklang zu bringen. Ich betone das so, weil ich manchmal den Eindruck habe, dass das, was hier an Vorgaben - zum Teil schon vor vielen Monaten - formuliert worden ist, noch nicht überall da angekommen ist, wo es hingehört.

Es sind hier ausdrücklich alle Ausschüsse gefordert, federführend der Finanzausschuss für den Haushalt und der Innenausschuss für das GFG. Ich habe die Bitte an alle übrigen Fachausschüsse, dort konstruktiv mitzuwirken.

Dass die Neuverschuldung im Jahr 2004 1,1 Milliarden Euro beträgt, ist mehr als bedauerlich. Damit steigt nämlich über die Erhöhung des Schuldendienstes der Ansatz bei dem Titel „Sächliche Verwaltungsausgaben“ noch einmal um 58,5 Millionen Euro auf dann etwa 1,2 Milliarden Euro und das sind rund 12 % des gesamten Haushalts. Jeder Euro, den wir an Zinsen zahlen, geht erstens an die falsche Stelle und fehlt uns zweitens bei der Erfüllung unserer Aufgaben.

Hinzu kommt: Ein Viertel des Haushalts sind Personalkosten, die leicht sinken. Die Finanzplanung zeigt deutlich die Gründe für die sinkenden Einnahmen des Landes auf und weist auf die Notwendigkeit einer Neufestlegung unseres Konsolidierungszieles.

Was ich nicht akzeptieren kann, Herr Kollege Bisky, ist die Aussage, wir hätten kein Ausgabenproblem, sondern ein Ein

nahmeproblem. Wir alle wissen, wie der Länderfinanzausgleich funktioniert: Steigende Steuereinnahmen in Brandenburg werden zu schätzungsweise 95 % über den Länderfinanzausgleich egalisiert. Das heißt nicht, dass wir uns nicht darum bemühen müssten - nicht, weil das unsere finanzielle Situation drastisch verbessern könnte, sondern weil wir die Solidarität der alten Bundesländer, der Geberländer, brauchen, damit wir nicht wieder Verfassungsgerichtsprozesse angehängt bekommen zu der Frrage, ob denn die Bayern mehr von ihrem Geld behalten dürften oder nicht.

Nein, auf dem Weg über erhöhte Steuereinnahmen werden wir den Haushalt nicht verbessern, sondern wir werden die Beschäftigungssituation im Lande verbessern können und damit die Ausgabensituation entlasten.

In der Tat ist der größere Teil des Gestaltungsspielraums, den wir haben, auf der Ausgabenseite zu finden - einmal, indem die sozialen Belastungen abgebaut werden, zum anderen aber auch, indem wir das, was wir ausgeben, zielgerichteter ausgeben, und zwar nach den Kriterien, über die wir uns hier im Hause eigentlich schon seit langem verständigt haben.

Wir haben ein Haushaltssicherungsgesetz verabschiedet, in dem steht:

„Ziel ist es, die Wahrnehmung von Aufgaben auf die Kernkompetenzen staatlichen Handelns zu beschränken.“

Ich weiß nicht, ob sich jeder klarmacht, was dieser Satz bedeutet. Aber er ist Gesetz und wir haben Gesetze einzuhalten, auch wenn wir neue Gesetze machen. Er heißt zumindest, dass die Rückführung anderer - wenn auch lieb gewordener - Aufgaben vorangetrieben werden muss, und er heißt, dass auf gar keinen Fall neue oder erweiterte Aufgaben in Gesetzen oder Verordnungen erscheinen dürfen. Das ist so selbstverständlich wie nur irgendetwas.

Wenn wir unsere eigenen Grundsatzbeschlüsse hier nicht durchsetzen und ernst nehmen, können wir auch nicht erwarten, dass uns die Menschen in Brandenburg ernst nehmen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Um die Entwicklung des Landes unter den gegebenen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen voranzubringen, bedarf es wahrscheinlich eines sehr umfangreichen Bündels von Maßnahmen, die beginnen mit Überlegungen zur Verwaltungsmodernisierung unter Federführung der Staatskanzlei, die die Personalbedarfsplanung beinhalten, die wir mindestens auf dem heute vorgesehenen Niveau durchsetzen müssen; einiges spricht dafür, dass wir in den nächsten Jahren vielleicht auch hier die Schrauben noch fester anziehen müssen.

Wir müssen ein Abschmelzen auch der Personalkosten erreichen. Die bisherigen Abbauzahlen von 12 400 Mitarbeitern führen ja nur dazu, dass die Personalausgaben annähernd konstant bleiben. Die Versorgungslasten, die immer mehr zu Buche schlagen, lassen befürchten, dass sie möglicherweise sogar ansteigen.

Wir haben in das Haushaltssicherungsgesetz hineingeschrieben, welche Aufgaben ausgegliedert werden sollen. Das ist ein ganz beachtlicher Katalog und wir werden in der Ausschussar

beit sehen, ob dieses Ausgliedern dann auch zu Veränderungen in den Ausgabentiteln der einzelnen Ressorts führt. Ich habe den Eindruck, dass wir an mancher Stelle erstaunt fragen werden: Warum steht hier noch der gleiche Ausgabenbetrag, obwohl eine wesentliche Aufgabe ausgegliedert werden soll? Das wird Erklärungsnachfragen auslösen und sicherlich nicht in jedem Falle Freude bereiten.

Voraussetzung dafür, dass die Grundsatzentscheidungen des Parlaments umgesetzt werden, ist als Erstes, dass die Häuser diese Grundsatzentscheidungen zur Kenntnis nehmen, und zwar nicht nur die Spitze der Häuser, sondern die Häuser insgesamt. Die zweite Voraussetzung ist, dass jeder einzelne Ressortchef die Verantwortung erkennt, die Umsetzung zu organisieren. Da die Ressorts ja nach wie vor Dienstberatungen mit den Fachamtsleitern der Landkreise durchführen, haben sie auch das Instrument in der Hand, diese Grundsatzentscheidungen auf die Kreisebene, wo das meiste Verwaltungshandeln, das der Bürger erlebt, stattfindet, zu transportieren. Ich habe aus Gesprächen auf der Kreisebene bisher nicht den Eindruck, dass dies schon in wesentlichem Umfang geschehen ist.

Die Aufgabe heißt heute nicht mehr nur, die Verwaltung aller Ebenen zu rechtssicherem Handeln zu befähigen - das muss 13 Jahre nach der Wende selbstverständlich sein -, sondern die Aufgabe ist viel schwieriger. Es hilft uns überhaupt nichts, wenn eine Verwaltungsbehörde vor Gericht Recht bekommt und der Bürger dann bestätigt, dass der Herr Landrat völlig im Recht sei. Wir kennen diesen Spruch aus alten Zeiten. Nein, heute haben wir eine ganz andere Zielstellung, nämlich die, die Einstellung und die Fähigkeit zu entwickeln, trotz bestehender Widerstände von Lobbyisten, von Interessengruppen, aber auch trotz bestehender Widerstände rechtlicher Art in Brandenburg so viele Vorhaben wie irgend möglich umzusetzen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich komme nachher noch zu praktischen Beispielen, damit Sie etwas aus dem Leben hören.

(Zurufe von der PDS)

Meine Damen und Herren, wir haben eine Prioritätensetzung vereinbart, die sich natürlich im Haushalt wiederfindet. Wir haben das Schulressourcenkonzept verabschiedet, eines der wenigen fachlichen Themen, die vorab unsere Zustimmung gefunden haben, weil es wichtig ist, wie mit Bildung und Ausbildung umgegangen wird. Wir haben aber auch gerade den Fortschrittsbericht zum Umgang mit den Sonderbedarfsergänzungszuweisungen der Landesregierung gelesen und festgestellt, dass die Investitionsanteile bei diesen Mitteln von 80 % auf 42 % im Jahr 2002 gesunken sind. Wir wissen, dass der Fortschrittsbericht für das Jahr 2003 vermutlich viel Kreativität erfordern wird, um bei Hans Eichel noch durchzukommen. Es wird immer schwieriger. Deshalb müssen wir auf diesem Grundprinzip weiterhin bestehen. Wir müssen bei den konsumtiven Ausgaben kürzen, auch dann, wenn wir wissen, dass sie nur haushaltssystematisch konsumtiv sind, aber natürlich eine Investition in die Zukunft darstellen. Das sind Bildungsausgaben, ganz klar.

Wir werden die noch in dieser Legislaturperiode zu verabschiedenden Gesetze sehr genau darauf prüfen müssen, ob die Kriterien Arbeitsplatzrelevanz, Steueraufkommen, Bürokratieabbau,

Stimulierung von Initiativen der Bevölkerung Berücksichtigung finden oder nicht. Land und Kommunen sind eine Schicksalsgemeinschaft. Wenn die Verbundmasse sinkt, sinken die Einnahmen auf beiden Ebenen. Das hat noch nichts mit Kürzen zu tun. Dann ist das kein aktiver Prozess, sondern ein Rechenergebnis. Insofern, Herr Bisky, haben wir so furchtbar große Sorge nicht wegen des Parteitagsbeschlusses, der noch viele andere Punkte beinhaltet.

Aber Parteitagsbeschlüsse legen immer den Finger in eine Wunde, machen auf ein politisches Problem aufmerksam, in diesem Falle auf die Finanzausstattung der Kommunen. Wir werden unsere Möglichkeiten nutzen, auf Münteferings Zusage, in der Bundestagsfraktion noch etwas zu tun, Einfluss zu nehmen und wir werden unsere Anstrengungen verstärken, um zu einer zielgenaueren oder, wenn Sie so wollen, gerechteren Verteilung der Finanzeinnahmen der Kommunen zu kommen, indem wir das Finanzausgleichsgesetz - ich habe die Verabredung hoffentlich richtig in Erinnerung - im nächsten Jahr zu verabschieden,

(Zurufe von der PDS)

sodass es Anfang 2005 endlich in Kraft treten kann.

(Zurufe von der PDS)

Jetzt hat dieser Beschluss aber den Charakter einer Kabinettsentscheidung und das ist eine ganz neue Qualität.

(Zurufe von der PDS)

Der trauen wir jetzt.

(Zurufe von der PDS)

Aber eines ist auch klar: Es wird dadurch nicht mehr Geld; die Zielgenauigkeit des Einsatzes der Gelder wird vielleicht etwas besser.

Lassen Sie mich ein Beispiel anführen, das zeigt, dass manches eben doch noch nicht so funktioniert, wie es funktionieren soll. Es gibt die Regionalplanung, die festlegt, wo Windeignungsgebiete sind, wo Windmühlen stehen dürfen, die der Minister am liebsten alle absägen möchte, was nun nicht mehr geht. Die Windeignungsgebiete werden nach einer Reihe von Parametern ausgewählt: Windhöffigkeit, Abstand zu Siedlungsgebieten, auch Vogelflugdichte. Dann erleben wir in der Praxis, dass bei einer stehenden Anlage plötzlich die Auflage erteilt wird, ein Vogelschutzgutachten zu erstellen. Wenn es da Zweifel gibt, hätte die Anlage eigentlich gar nicht genehmigt werden dürfen. Der Gutachter ist dort entlanggegangen und hat kontrolliert, aber nichts gefunden. Er kommt nun nicht zu dem Schluss, es sei harmlos, sondern sagt anschließend, man wisse nun, dass die Fuchspopulation in der Gegend relativ hoch sei. Es könne ja sein, dass der Fuchs die armen Vögel geholt habe. Darüber, ob der Gutachter Federn gefunden hat, wird nicht referiert. Solch ein Gutachten sagt uns nichts, kostet aber Geld und ich wünsche mir eigentlich nur, dass der Fuchs den Gutachter holt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Lassen Sie mich ein anderes Beispiel nennen. Ich will mit diesen Beispielen dahin kommen, vielleicht noch einmal mehr das

öffentliche Interesse, das wir in Brandenburg definieren müssen, zu beschreiben. Wir alle haben in der Presse verfolgt, wie es dem Güterfelder Bauernmarkt gegangen ist. Dort hat es Arbeitsplätze gegeben. Dort hat es Direktvermarktung Brandenburger Produkte gegeben. Dort hat es einen alten Standort von Gewerbe gegeben, der auf diese Weise mit Leben erfüllt wurde. Planungsrechtlich war er natürlich völlig daneben. Mir ist eine Behörde lieber, die das Planungsrecht in Ordnung bringt und die Leute aktiv werden lässt, auch wenn der Investor unsympathisch ist. Solche Verstöße kann man mit kräftigen Bußgeldern ahnden und der Kreiskasse auf die Beine helfen, statt dafür zu sorgen, dass der Markt platt gemacht wird.

Ich füge ausdrücklich hinzu: Ich habe Hartmut Meyer sonst immer dafür gelobt, dass er einer war und ist - hoffentlich auch in Zukunft sein wird -, der trotz bestehender Gesetze etwas in Bewegung gebracht hat und nicht als Verhinderer aufgetreten ist.

(Zurufe)

Aber es gibt in Brandenburg eben diese Beispiele, die wir uns eigentlich nicht leisten können.

Ich spreche ein ganz anderes Thema an, das aber genauso strittig ist. Wenn ich mir anschaue, wie sich die Kosten im Bereich der Jugendhilfe entwickelt haben, bekomme ich graue Haare. Da ist das Land beteiligt, auch wenn die Dinge vor Ort in den Kreisen ablaufen, nämlich über die Vorgaben, die das Landesjugendamt macht. Wenn ein Platz für einen schwer erziehbaren Jugendlichen vor sieben Jahren ungefähr 3 000 DM gekostet hat und die Kosten heute bei 2 700 bis 3 700 Euro liegen, dann liegt die Erklärung dafür nicht nur bei den Lohnsteigerungsraten, sondern dann ist hier etwas schief gelaufen mit der Art der Organisation der Aufgabenwahrnehmung.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])