Protokoll der Sitzung vom 24.09.2003

Natürlich muss es bei der derzeitigen Haushaltslage auch Einschnitte in freiwillige Landesaufgaben geben, die für uns alle schmerzlich sind. Deshalb hat die Landesregierung allein bei Förderprogrammen Einsparungen in Höhe von 130 Millionen Euro vorgenommen. Nicht alle vorgenommenen Kürzungen bzw. Streichungen scheinen uns vertretbar zu sein. Insbesondere die Streichung der Mittel für die kommunalpolitischen Vereinigungen sowie die Kürzungen im Bereich der politischen

Bildung stehen dem Ziel, durch qualifizierte Entscheidungen die kommunale Selbstverwaltung zu stärken und effizienter zu gestalten, diametral entgegen.

(Zuruf von der PDS: Und nun?)

Ebenso wollen wir die Rücknahme der Streichung von Mitteln für die Familienbildung prüfen. Wir brauchen starke Familien, die ihre Verantwortung wahrnehmen und die Zukunft ihrer Kinder mitbestimmen. Dazu gehört, die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken und ihnen zeitnah Beratung in schwierigen Situationen anzubieten.

Einen Aufwuchs bei der Nettoneuverschuldung kann es aber nicht geben, da die Grenze zum verfassungsmäßigen Haushalt schon in kaum vertretbarem Maße ausgereizt ist. Das bedeutet, dass Veränderungen der Haushaltsstruktur durch Umschichtungen, also Minderausgaben in weniger prioritären Bereichen, erreicht werden müssen.

Der arbeitsmarktpolitische sowie der sozialpolitische Bereich sind zurzeit von großen Umwälzungen betroffen. Kollabierende Sozialversicherungssysteme und steigende Arbeitslosenzahlen machen entschlossenes Handeln auf Bundesebene dringend erforderlich. Dass wir im August eine Arbeitslosenquote von 18,6 % hatten und damit über dem Durchschnitt des Bundesgebietes Ost lagen, zeigt, dass die Arbeitsmarktpolitik der Vergangenheit zu wenig nachhaltig war. Auch hier ist eine Veränderung nur durch Stärkung der Wirtschaft zu erreichen.

Ein weiteres großes Problem stellt die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen dar. Da die wirtschaftliche Situation vielen Unternehmen nicht mehr die Möglichkeit bietet, auszubilden, sind wir nach wie vor auf die zusätzliche Ausbildung im kooperativen Modell angewiesen, die sich das Land einiges kosten lässt.

Dass eine Ausbildungsplatzabgabe kein erfolgreiches Konzept zur Bereitstellung von mehr betrieblichen Ausbildungsplätzen in Brandenburg ist, weiß jeder, der sich mit der Materie beschäftigt hat.

(Unruhe bei der PDS)

Viele Betriebe leiden unter dem Mangel an Aufträgen und der schlechten Zahlungsmoral. Da Ausbildungsplätze insbesondere in den ersten beiden Jahren einen erheblichen Kostenfaktor darstellen - neben dem bürokratischen Aufwand, der damit verbunden ist -, können die Betriebe diese zusätzliche Belastung nicht tragen.

Der einzige Weg aus der Krise ist eine positive Wirtschaftsentwicklung, die aber entsprechende Rahmenbedingungen und ein Umsteuern in Deutschland voraussetzt.

Wirtschaft zu stärken heißt einerseits, mit direkter Unternehmensförderung die Konkurrenzfähigkeit des brandenburgischen Mittelstands zu stärken, und andererseits, durch die Verbesserung der Infrastruktur den Unternehmensstandort im Wettbewerb der Regionen um Investitionen und neue Arbeitsplätze besser zu positionieren.

Ich sehe die Position meiner Fraktion in Übereinstimmung mit den von den Kammern des Landes Brandenburg, den Bau- und

Wirtschaftsverbänden sowie dem DGB formulierten Forderungspapier „Infrastruktur als Schlüssel zum Aufschwung Ost“.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben daher beschlossen, dass das Positionspapier im Haushalt 2004 angemessene Berücksichtigung finden soll.

Vom IWH wurde errechnet, dass sich 10 % des Produktivitätsrückstands der gewerblichen Wirtschaft Ostdeutschlands auf schlechte Straßenanbindungen zurückführen lassen.

(Zuruf von der PDS: Nicht schon wieder!)

Diese Produktivitätslücke belastet die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen, verringert die Chancen unserer Menschen auf einen Arbeitsplatz in der Region und befördert damit die Abwanderung.

(Beifall bei der CDU - Unruhe bei der PDS)

Hier müssen Verbesserungen erreicht werden.

Durch die klare Verhandlungsposition des Landes gegenüber dem Bund bei der Erarbeitung des Entwurfs des Bundesverkehrswegeplans ist es gelungen, zu erreichen, dass die Straßensanierung in Brandenburg im neuen Bundesverkehrswegeplan berücksichtigt wird. Wir können insbesondere den Investoren Perspektiven für den Bundesstraßenausbau in Brandenburg aufzeigen.

Wir begrüßen, dass die Technologieförderung auf dem bisherigen Niveau fortgeführt wird und dass die Filmförderung eine angemessene Berücksichtigung gefunden hat. In den Haushaltsberatungen werden wir uns dafür einsetzen, dass die Kofinanzierung der GA-Mittel im nächsten Jahr gesichert wird. Gerade im Bereich der Wirtschaftsförderung würden Landeskürzungen einen doppelten oder dreifachen Kürzungseffekt nach sich ziehen.

Ich habe Politikbereiche genannt, die wir in den kommenden Jahren stärken wollen, damit zusätzliche Arbeitsplätze im Lande geschaffen werden. Damit uns das auch bei wegbrechenden Landeseinnahmen gelingt, müssen wir konsequent die EUStrukturfondsmittel für diese Politikbereiche einsetzen. Die CDU-Forderung, zusätzliche Mittel für den Infrastrukturausbau und die gewerbliche Wirtschaft aufzubringen, ist nicht neu, aber immer noch aktuell.

Bildung bedeutet Zukunft. Dieser Satz macht die zentrale Bedeutung von Bildung und Wissenschaft offenbar. Dass es einen engen Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Wirtschaftsentwicklung gibt, ist bekannt. Deshalb ist es unabdingbar, unsere knappen Mittel zielgenau zu investieren. Das bedeutet mehr Orientierung an Qualität, Leistung und Vergleichbarkeit.

Dort, wo dieses Dreigestirn waltet, werden sehr gute Ergebnisse erzielt. Wir sind dabei auf dem richtigen Weg; denn seit der Novellierung des Schulgesetzes haben wir einen klaren Wechsel vollzogen. Dass sich das noch nicht kurzfristig in besseren Ergebnissen niederschlägt, wie die schriftlichen Abschlussprüfungen in den 10. Klassen gezeigt haben, hat etwas mit der Dauer von Bildungsgängen zu tun. Hier brauchen wir einen langen Atem.

Dass die Qualität des Unterrichts einen stärkeren Einfluss auf das Bildungsergebnis hat als Klassenfrequenzen oder Verweildauer in der Schule, lässt sich durch PISA leicht nachweisen.

Bis heute hat mir niemand schlüssig erklären können, wie die Qualität des Unterrichts durch Verlängerung der Anwesenheitspflicht verbessert wird. Brandenburg hat bundesweit den höchsten Anteil an Ganztagsschulen. Warum stehen wir mit unserem PISA-Ergebnis nicht vor Bayern oder Sachsen?

(Homeyer [CDU]: Das frage ich mich auch!)

Wesentlich für bessere Lernergebnisse ist neben der Absicherung des Fachunterrichts die Vermeidung von Unterrichtsausfall. Hier gilt es nachzubessern, denn die offizielle Quote von 2,6 % Unterrichtsausfall berücksichtigt nicht die Zusammenlegung von Klassen, die Stillbeschäftigung und die nicht fachgerechte Vertretung. Dass dieses Thema die Menschen in Brandenburg bewegt, kann man auch an der hohen Zahl von Petitionen ablesen, die sich mit dem Unterrichtsausfall beschäftigen.

(Homeyer [CDU]: Das stimmt!)

Welchen tieferen Sinn vor dem Hintergrund der derzeitigen Finanzlage die Forderung eines Mitglieds der Landesregierung nach kostenlosen Kita-Plätzen haben soll, erschließt sich mir nicht,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

zumal bereits mehr als 90 % der Kinder im Vorschulalter eine Kita besuchen, ohne dass es uns einen Spitzenplatz bei PISA eingebracht hätte. Hier stehen die Verbesserung der Qualität und die Umsetzung des Bildungsauftrages in den Kitas im Vordergrund.

Wissenschaft ist wie Bildung ein Bereich, in dem Auswirkungen nicht sofort wirksam werden. Aber es ist uns gelungen, die Weichen richtig zu stellen. Der vor kurzem veröffentlichte OECD-Bericht bestätigt die Richtigkeit unseres Handelns und die Notwendigkeit, noch stärker in Wissenschaft und Forschung zu investieren. Während der Gesamthaushalt eine Absenkung des Ausgabenvolumens erfährt, ist hier eine leicht positive Tendenz festzustellen.

Positiv hervorzuheben ist die mit dem Haushalt 2004 eingeführte Leistungsorientierung bei der Verteilung der für Hochschulen zur Verfügung stehenden Mittel. Zudem konnten eine Erhöhung der Zahl der Studienplätze und ein noch breiteres Angebot an Studiengängen umgesetzt werden.

Angesichts des Altersaufbaus und der demographischen Entwicklung unserer Gesellschaft haben wir dafür zur sorgen, dass die Ressourcen unseres Landes freigesetzt und in die Bereiche investiert werden, die wirklich über die Zukunft entscheiden. Das bedeutet mehr Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung, um Brandenburg zu einem wirtschaftlich starken und modernen Land zu machen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das ist die Aufgabe, der sich meine Fraktion stellt. Ich wünsche mir, wenn auch mittelfristig, meine Rede mit folgenden Worten beginnen zu können: Wir sind ein wirtschaftlich und fi

nanziell starkes, modernes und innovatives, sicheres und weltoffenes Land. - Einige Zeit wird bis dahin sicherlich noch vergehen, aber jede Anstrengung dafür lohnt sich. - In diesem Sinne danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Blechinger. - Wir haben damit die erste Runde der Haushaltsdiskussion geschafft und steigen jetzt in die zweite ein. Ich gebe dem Minister des Innern, Herrn Schönbohm, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kaum ein Thema in der Verantwortung des Innenministers hat in den letzten Tagen und Wochen die Öffentlich so bewegt wie die Frage der Kommunalfinanzen. Das kommt nicht von ungefähr. Die Kommunen in Deutschland und in Brandenburg befinden sich in der Tat in einer außerordentlich komplizierten und schwierigen finanziellen Lage, ebenso aber auch die Länder.

Meine Damen und Herren, wir sagen vor der Kommunalwahl, dass die Lage schwierig ist. Wir sprechen vor der Kommunalwahl an, welchen Weg wir gehen wollen. Wir drücken uns nicht davor, weil wir glauben, dass es zur Politik gehört, vor der Wahl zu sagen, was danach eintreten wird. Ich habe bei Ihrer Rede, Herr Kollege Bisky, festgestellt, dass Sie immer gesagt haben, Sie wollen sparen, dass Sie aber auch immer gesagt haben, wo Sie mehr ausgeben wollen.

(Zurufe von der PDS)

Wenn Sie über dieses GFG sprechen, dann sagen Sie einmal, wie Sie damit umgehen wollen. Dann sage ich Ihnen: Wenn Sie Kommunalwahlkampf machen wollen, dann können Sie es tun. Die Bürger im Lande müssen aber etwas wissen: Dies ist die Politik, die vorher ganz klaren Wein einschenkt, auch wenn er etwas sauer ist, weil die Zeiten schwierig sind. Dazu stehen wir und das machen wir gemeinsam. Damit können Sie sich gleich auseinander setzen.

(Beifall bei der CDU - Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Da hat Herr Lunacek aber etwas anderes gesagt!)

- Es ist ja prima, dass Sie solch eine kräftige Stimme haben.

Die Einnahmen der Kommunen sind ebenso wie die des Landes seit Jahren rückläufig. Allein 2001 verringerten sich die Steuereinnahmen gegenüber 2000 um 181 Millionen Euro. Ursachen sind die Steuerrechtsänderungen des Bundes und der konjunkturelle Abschwung. Im Jahr 2002 ist es gelungen, den Rückgang der Steuereinnahmen durch Anhebung der Hebesätze bei den Realsteuern sowie aufgrund einer Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer aus der Zerlegung zu stoppen. Aber die Situation bleibt weiterhin angespannt, was die Entwicklung des Steueraufkommens im ersten Halbjahr 2003 zeigt. Bei Einkommensteuer und Gewerbesteuer gab es im ersten Halbjahr dieses Jahres einen Rückgang um 25 % gegenüber dem Vorjahr.

Was die Ausgabenseite betrifft, stiegen insbesondere die sozialen Leistungen, die im Wesentlichen von den Kommunen nicht