Protokoll der Sitzung vom 24.09.2003

Ich kann mir vorstellen, dass wir an mancher Stelle, die wir noch nicht angegangen sind, Einsparungen vornehmen können. Ich erinnere mich an die Diskussion um Doppelstrukturen, zum Beispiel im Zusammenhang mit den Auslandsplattformen im Wirtschaftsministerium. Ich sehe Möglichkeiten der Zusammenlegung der Leitstellen bei den Kreisen. Aber hier sind die Landkreise gefragt, dieses zu nutzen. All das würde Millionen sparen.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

Wenn Einrichtungen infrage stehen, dann lassen Sie uns die jetzt abschaffen, damit das Geld den Kommunen jetzt zugute kommt. In dem Sinne, solche Möglichkeiten zu suchen und eventuell noch im Haushalt 2004 umzusetzen, wünsche ich uns konstruktive Vorschläge und hoffe auf etwas Erfolg.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Schippel. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der DVU. Bitte, Frau Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schippel, leider hat mein Kostüm keine Taschen. Ich würde mir sonst jetzt ein Taschentuch herausnehmen und die bitterbösen Tränen abwischen, weil Ihre Rede vor so viel Ehrlichkeit gestrotzt hat. Herr Schippel, ich habe sehr genau zugehört. Für mich sind alle Fragen offen. Die Zahlen, die wir im GFG schwarz auf weiß haben, sprechen Bände. Die können Sie hier auch nicht „tränenderweise“ wegwischen.

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Der Wahlkampf von SPD und CDU hat begonnen. Sie haben öffentlich versprochen, dass es Nachbesserungen bei den Kommunalfinanzen geben wird. Aber Sie wissen auch, dass die realen Zahlen erst nach der Wahl auf den Tisch gekippt werden.

Ich hoffe nur für die Bürger, für die Landräte und auch für die Bürgermeister, dass sie sich nicht von Ihrem Wahlkampfgetöse an der Nase herumführen lassen. Sie haben es in der vergangenen Zeit zu oft gehört: Versprochen und gebrochen.

Die Brandenburger Kommunen sind finanziell am Ende und Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, kürzen bei den Kommunen von Jahr zu Jahr immer weiter, bis es buchstäblich quietscht.

Sehen wir uns die Zahlen Ihres famosen Gemeindefinanzierungsgesetzes 2004 im Einzelnen an. Die Verbundmasse beträgt nur noch 1,65 Milliarden Euro, also 30 Millionen Euro weniger als in diesem Jahr. Das wäre schon schlimm genug, doch die bereinigte Verbundmasse, welche die den Kommunen wirklich zur Verfügung stehenden Mittel ausweist, liegt gerade noch bei 1,48 Milliarden Euro - also eine Kürzung um 140 Millionen Euro. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kommunen dieselbe Summe schon im Vorjahr einsparen mussten. Sie sind bereits nicht mehr in der Lage, auch nur die notwendigsten kommunalen Maßnahmen zu ergreifen. Sieht man sich die Aufteilung der Verbundmasse an, so stellt man fest, dass die allgemeinen Zuweisungen, also das, was den Kommunen des Landes für die laufenden Aufgaben zur Verfügung steht, um die Irrsinnssumme von fast einer Viertelmilliarde Euro gekürzt werden sollen.

Die investiven Zuweisungen werden nur auf dem Papier um gut 110 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr erhöht. Rechnet man die bis 2003 geltende kommunale Investitionspauschale außerhalb der Verbundmasse von knapp 100 Millionen Euro, welche es ab 2004 in Wirklichkeit nicht mehr gibt, ab, so erhöhen sich die Investitionsmittel der Kommunen gegenüber dem Vorjahr de facto überhaupt nicht. Es bleibt also bei der bewussten und gezielten Abwürgung jeglicher kommunaler Investitionstätigkeit mit den daraus resultierenden Folgen für die kleinen und mittelständischen Betriebe und die daran hängenden Arbeitsplätze, insbesondere auch hier wieder in der Bauwirtschaft.

Die Schlüsselmasse erhält 228 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Hier bin ich auf Ihr Angebot gespannt, meine Damen und Herren von SPD und CDU, wie Sie das finanzieren wollen. Denn bei den kreisfreien Städten bedeutet dies eine Kürzung von 7 Millionen Euro, bei den kreisangehörigen Gemeinden um 159 Millionen Euro und bei den Landkreisen um noch einmal 62 Millionen Euro. Dazu werden weitere 20 Millionen Euro beim Schullastenausgleich gekürzt und das trotz herrschender Bildungsmisere. Aber da Sie sich ja mit dem Bevölkerungsrückgang abgefunden haben, werden wir wohl bald keine Schulen mehr brauchen.

So weit die Zahlen der kommunalen Kürzungen, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank.

Die Folgen werden sein - Herr Humpert und Herr Böttcher haben das ganz trefflich beschrieben -: Die Kommunen werden in eine völlig aussichtslose Lage manövriert; die Kommunen werden ihre Leistungen erheblich einschränken müssen.

Was bedeutet das für den Bürger? Die Annehmlichkeiten, die das Leben lebenswerter machen, werden erheblich eingeschränkt oder gar nicht mehr stattfinden. Denken wir nur an Kultur- und Sportangebote, Jugend- und Sozialarbeit. So

manch lieb gewordenes Heimatmuseum wird seine Türen schließen müssen. Für mich hat das nichts mit Liebhaberei zu tun; vielmehr muss jedem Bürger doch die Möglichkeit gegeben werden, sich zu informieren, wie sich seine Heimat entwickelt hat.

Herr Reiche - er ist wahrscheinlich wieder einmal Kaffee trinken -,

(Widerspruch bei der SPD)

es ist natürlich ein feiner Zug von Ihnen, wenn Sie vor der Wahl sagen, die Kita-Gebühren sollen abgeschafft werden. Aber seien Sie bitte so ehrlich und sagen Sie uns auch, wer für die Finanzierung der Betreuung dann Sorge tragen soll. Dass Sie das nicht können, wissen wir.

(Beifall bei der DVU)

Noch ein paar Worte zur Infrastruktur. Es wird deutlich weniger in den Ausbau der kommunalen Infrastruktur investiert. Einerseits werden die investiven Mittel, die schon in den Vorjahren und insbesondere nach der drastischen Kürzung 2003 kaum mehr vorhanden waren, nicht erhöht; andererseits werden aufgrund der dramatischen Kürzungen bei den allgemeinen Mitteln die Kommunen zum Löcherstopfen zusätzlich die wenigen verbleibenden investiven Mittel umschichten.

Die Kürzungen im Haushalt 2004 sind in höchstem Maße unseriös. Der Städte- und Gemeindebund erwägt deshalb auch den Gang vor das Verfassungsgericht. Herr Schönbohm und Frau Ziegler, wenn das GFG in seiner jetzt vorliegenden Form nicht vom Tisch kommt, wird sich die DVU-Fraktion diesem Gang anschließen.

(Beifall bei der DVU)

Das Investitionsvolumen für die Kommunen hat sich seit 1996 halbiert.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Von den schlimmen Folgen dieser drastischen Einschnitte sind vor allem die regionalen Handwerker und mittelständischen Betriebe betroffen - die Insolvenzzahlen sind Ihnen bekannt, meine Damen und Herren -, also genau die, die für das Gemeinwohl sorgen und Steuern zahlen. Genau diese Menschen werden bestraft. Das ist Ihre Politik, die wir mit Sicherheit nicht mittragen werden. Wir werden nicht dafür verantwortlich sein, dass dieses Land in einem Meer von Tränen versinkt, Herr Schippel. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der CDU. Bitte, Herr Abgeordneter Petke.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben dem Gesetzentwurf zum Gemeindefinanzierungsgesetz finden wir in den Unterlagen das Gutachten zur Verteilung der finanziellen

Mittel zwischen Land und Kommunen. Innenminister Schönbohm hat es bereits angesprochen: Wir stehen einen guten Monat vor der Kommunalwahl am 26. Oktober. Ich meine, dem Gutachten können wir auch ein paar Wahrheiten entnehmen. Eine solche Konstellation, dass man wenige Tage vor einer für das Land und damit auch für die Parteien wichtigen Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger dieses so diskutiert, ist in der politischen Auseinandersetzung durchaus nicht selbstverständlich. Aus diesem Grunde sei mir gestattet - bevor ich auf die Einlassungen des Kollegen Domres von der PDS-Fraktion zu sprechen komme, und zwar insbesondere auf die Behauptungen, die das Verfahren und den Inhalt des GFG betreffen -, an dieser Stelle auf ein paar der in dem Gutachten zu findenden Fakten einzugehen.

In dem Gutachten wird von einem Ungleichgewicht in der Finanzausstattung zwischen Land und Kommunen in den Jahren 1996 bis 2001 gesprochen. Als Reaktion darauf wird empfohlen, die Verbundquote von 25,0 % auf 25,3 % zu erhöhen. Diese Erhöhung ist im vorliegenden Entwurf zum Gemeindefinanzierungsgesetz 2004 entsprechend dem Gutachten umgesetzt worden. Insofern tragen wir den Empfehlungen des Gutachters Rechnung, was die Symmetrie zwischen den Landes- und den Kommunalfinanzen betrifft.

Damit komme ich zum GFG als solchem. Auch hier finden wir Aussagen, die zum Teil zu hinterfragen sind; darauf werde ich nachher noch eingehen. Das wird insbesondere hier im parlamentarischen Verfahren - in der Anhörung, aber auch in der Diskussion im Innenausschuss und den Gremien der Fraktionen - eine Rolle spielen. Aber es ist dort schon die Feststellung getroffen, dass es bei den Kommunalfinanzen unseres Landes, darüber hinaus aller Kommunen in Deutschland zu einer sehr, sehr gespannten Situation gekommen ist. Da stellt sich natürlich die Frage: Woran liegt das? Auf der einen Seite haben wir wegbrechende Steuereinnahmen, die - auch darauf ist hingewiesen worden - natürlich nicht nur die Kommunen des Landes betreffen, sondern auch das Land selbst, also Brandenburg, aber auch den Bund. Von diesen wegbrechenden Steuereinnahmen ist keine Körperschaft ausgenommen.

Bei den Kommunen kommt noch etwas Spezifisches hinzu: die steigenden Ausgaben, Ausgaben - da müssen wir schon selbstkritisch sein -, die oft von uns auf die Kommunen übertragen werden, vom Bundesgesetzgeber, aber auch vom Landesgesetzgeber.

An dieser Stelle eine erste Anmerkung zur PDS. Frau Osten sagt, wir sparten nicht genug, Herr Domres sagt, wir sparten zu viel. Frau Osten sagt: An der Stelle wird zu viel gekürzt. - Wo liegt eigentlich die Stringenz in den Aussagen der PDS-Fraktion,

(Zurufe von der PDS)

was die Auseinandersetzung mit dem Haushalt und insbesondere mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz betrifft?

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Und wenn Sie, Herr Kollege Domres, uns vorwerfen: „Sacht mir nich, dass et nich jeht!“, dann sage ich Ihnen: Sagen Sie uns, wie es anders geht! - Diese Antwort bleibt die PDS-Fraktion seit vier Jahren im Landtag Brandenburg und in der Öffentlichkeit schuldig.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der PDS)

Ich kenne zu all den Reformvorhaben der Landesregierung, sei es die Gemeindereform, sei es die Polizeireform, sei es die Konsolidierung des Haushalts, nur eine Antwort der PDS-Fraktion, die vier Buchstaben hat und lautet: Nein!

(Widerspruch bei der PDS)

Das ist aus unserer Sicht der falsche politische Ansatz. Ich glaube, die Wählerinnen und Wähler werden Ihnen sowohl am 26.10. dieses Jahres als auch am 19. September nächsten Jahres die entsprechende Quittung dafür geben.

(Fortgesetzte Zurufe von der PDS)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Ja, bitte.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Sarrach.

Herr Kollege Petke, meinen Sie nicht, dass auch die CDU nicht die Antwort gefunden hat, wenn Sie von der Verbundquote sprechen? Denn die Verbundquote in Höhe von 25,3 % - ist Ihnen das klar? - sagt noch nichts über die konkrete Höhe der Zuweisungen an die Gemeinden aus. Die sind abhängig von der Verbundmasse, die sich aus den Steuern ergibt.

(Unruhe)

Herr Kollege Sarrach, ich bin, gerade bei dem schwierigen, komplexen System der Gemeindefinanzen, für jede Nachhilfe dankbar, aber es war mir natürlich schon geläufig, dass eine Prozentzahl nichts darüber aussagt, was dann absolut hinten herauskommt.