Protokoll der Sitzung vom 05.11.2003

Meine Damen und Herren, mit dem Entschließungsantrag der Koalition aus SPD und CDU wird genau den Gedanken entsprochen, die wir anfangs mit den Auslandsplattformen verbunden hatten: Evaluierung nach einer gewissen Frist, Prüfung

der Ausgestaltung der Verträge, Herstellung von Transparenz. Eine Absage an das Instrument Exportförderung ist mit der CDU-Fraktion aber nicht zu machen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Ehler. - Ich gebe der Fraktion der DVU das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach Chipfabrik und Hesco GmbH wieder einmal die Auslandsplattformen; denn irgendein Thema, Frau Dr. Schröder, gegen das Sie angehen können, brauchen Sie als selbst ernannte Arbeitsmarktexpertin bei jeder Plenarsitzung. Wie sich Ihre wirtschaftlichen Anträge - oder soll ich sagen „wirtschaftsfeindlichen Anträge“? - jedoch mit Ihrem Anspruch, sich für die Schaffung von Arbeitsplätzen einzusetzen, vereinbaren lassen, müssen Sie wohl mit sich selbst ausmachen.

Zum Thema! Wenn Ihre Behauptung zutreffen sollte, dass die Honorarverträge mit den Leitern der Auslandsplattformen der ZukunftsAgentur des Landes Brandenburg ohne Ausschreibung geschlossen wurden, obwohl nach EU-Richtlinie 52/50 EWG eine solche hätte erfolgen müssen, wird es selbstverständlich Sache des Wirtschaftsministeriums sein, dieser Frage nachzugehen, um mögliche Rechts- und Verfahrensfehler zu heilen. Deshalb stimmen wir auch dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zu, dass die Landesregierung über den Sachverhalt ausführlich und, wenn möglich, auch einmal ehrlich berichtet. Eine Entlassung der Leiter der Auslandsplattformen zum 31.12.2003 mittels Kündigung und Neuausschreibung der Stellen irgendwann im Jahre 2004 ist dazu sicherlich nicht notwendig und darüber hinaus in keiner Weise wünschenswert, meine Damen und Herren.

Frau Dr. Schröder, Ihnen geht es natürlich nicht um die Einhaltung der genannten EU-Richtlinie oder um eventuelle Einsparungen für das Land durch günstige Honorarverträge, die ohnehin zweifelhaft erscheinen; Ihnen geht es schlicht und ergreifend darum, die Auslandsplattformen der ZAB durch Kündigung ihrer Leiter handlungsunfähig zu machen, um damit dem Land Brandenburg und insbesondere seiner mittelständischen Wirtschaft irreparablen Schaden im Exportbereich zuzufügen.

Wir als DVU-Fraktion dagegen erklären Ihnen, Frau Genossin Schröder: Da wir leider in einer globalisierten Weltwirtschaft leben, ist die stärkste Ausrichtung unserer mittelständischen Wirtschaft in Brandenburg auf den Export notwendig. Es geht nicht mehr um eine ausschließliche Binnenorientierung. Notwendig ist daher eine Marketingkampagne für das Land Brandenburg und seine Unternehmen. Überdies muss die Hilfe für Brandenburger Unternehmen auf Auslandsmärkten verstärkt werden. Genau dazu dienen die Auslandsplattformen, welche von ihrer Struktur her auf die kleinen und mittelständischen Betriebe in Brandenburg zugeschnitten sind. Dies wird von den Unternehmerverbänden und den Kammern unterstützt. Trotz aller auch von uns geäußerten Kritik an manchen Fehlentwicklungen im Zusammenhang mit den Auslandsplattformen sind diese dennoch in ihrer derzeitigen Struktur im Interesse der

Entwicklung und des Ausbaus einer exportorientierten mittelständischen Wirtschaft in Brandenburg zu erhalten. Ihre Tätigkeit ist zu intensivieren.

Dem dient Ihr Antrag, Frau Dr. Schröder, jedenfalls nicht. Daher lehnen wir ihn ab. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Schuldt, und gebe das Wort an die Landesregierung. Bitte, Herr Minister Junghanns. Er wünscht nicht zu sprechen. Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und wir kommen zur Abstimmung.

Ich rufe zuerst den Antrag der Abgeordneten Dr. Schröder, Drucksache 3/6539, zur Abstimmung auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe zur Abstimmung den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU, Drucksache 3/6608, auf. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag einstimmig angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Auswirkungen der EU-Liberalisierungspolitik auf die öffentliche Daseinsvorsorge

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/6581

Ich eröffne die Aussprache und erteile der einreichenden Fraktion das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter Domres.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser durch die PDS-Fraktion eingebrachte Antrag ist die konsequente Fortsetzung der durch uns im Juni dieses Jahres im Landtag angestoßenen Diskussion über die Fragen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wir halten es für notwendig, gerade im Zuge der EU-Liberalisierungspolitik über die Auswirkungen dieser Politik auf die öffentliche Daseinsvorsorge, deren Ausgestaltung und damit verbunden über den Erhalt der kommunalen Selbstverwaltung zu reden.

Ich erinnere daran: Die EU-Kommission hat am 21. März 2003 das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vorgelegt und gleichzeitig eine öffentliche Konsultation eingeleitet. Bis zum 15. September war Zeit, Stellungnahmen zu den in dem Grünbuch aufgeworfenen Fragen abzugeben.

Die Koalition hat im Juni keine einheitliche Position zu unserem Anliegen finden können und den Antrag abgelehnt. Da

raufhin gab es im Europaausschuss eine Diskussion, die aber mehr oder weniger aufgrund der Antworten auf Kleine Anfragen geführt wurde.

Ich hoffe, dass die Koalition zu dem jetzt vorgelegten Antrag eine einheitliche Position gefunden hat und unserem Antrag zustimmen wird.

Der Kollege Lenz hat in der damaligen Diskussion sehr treffend gesagt, dass bei der weiteren Diskussion um die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge Landesinteressen zu wahren sind. Ich füge hinzu, dass auch die Interessen der Kommunen und der Beschäftigten in den Betrieben sowie die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu wahren sind.

In diesem Zusammenhang bin ich eigentlich optimistisch, dass Sie, anders als bei der Neuordnung des Gemeindewirtschaftsrechts, entscheidungsfreudiger sind und sich dem Anliegen unseres Antrags anschließen werden.

Die mit der Vorlage des Grünbuchs der Kommission im Mai eingeleitete Diskussion über Leistungen der Daseinsvorsorge oder über Dienste von allgemeinem Interesse muss eine zentrale Frage beantworten, nämlich die, für welches gesellschaftliche Dasein Vorsorge geleistet werden soll. Der Landtag Brandenburg sollte sich unserer Meinung nach an dieser Diskussion, wie es schon andere Landtage vor ihm getan haben, durch die Bestimmung einer eigenen Position beteiligen.

Die PDS-Fraktion begrüßt es, dass eine nationale und internationale Diskussion über globale öffentliche Güter begonnen hat und Frankreich und Schweden die Initiative zu einer internationalen Taskforce ergriffen haben. Diese soll sich mit dem Konzept der globalen öffentlichen Güter und ihrer Finanzierung befassen. Die EU muss sich nach unserer Überzeugung dieser Initiative anschließen und eine eigene Konzeption europäischer öffentlicher Güter entwickeln. Voraussetzung dafür ist eine demokratische, transparente Bewertung der Folgen der bisherigen Liberalisierung insbesondere hinsichtlich Servicequalität, Beschäftigung, Umweltauswirkungen, soziale Ausgrenzungen, Marktkonzentration etc.

Lassen Sie mich noch einmal kurz auf die Diskussion von Juni 2003 zurückkommen. Möglicherweise wird mir wieder vorgehalten, dass ich hier eine „staatstragende Rede“ gehalten habe, und in der CDU wird man sich verwundert die Augen reiben bei der Frage, warum ausgerechnet aus der PDS-Fraktion Zukunftsfragen aufgeworfen werden. Ich frage Sie aber, von wem sonst das kommen soll und warum nicht von der PDS.

Der Kollege Petke sagte sinngemäß, die CDU unterstütze es, die Position des Landes, die Position der Kommunen geltend zu machen. Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag ist ein Beitrag zur Positionsbestimmung.

Am 20. September dieses Jahres hat in Potsdam eine internationale Konferenz zur öffentlichen Daseinsvorsorge stattgefunden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben zum Abschluss der Konferenz eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, in der neun Forderungen für die Zukunft der öffentlichen Daseinsvorsorge formuliert sind. Ich erspare es Ihnen und mir, die einzelnen Punkte hier vorzutragen. Sie können sie in unserem Antrag nachlesen. Die PDS-Fraktion schließt sich diesen Forderungen an und der Landtag sollte dies ebenfalls tun.

In diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, wie soziale, ökologische und gesundheitliche Belange in der Politik der Europäischen Union und der damit verbundenen weiteren Liberalisierung der Dienste der öffentlichen Daseinvorsorge Berücksichtigung finden. Eine Teilantwort auf diese Frage könnte der vorliegende Antrag sein.

Die andere Frage ist, wie die Interessen der Bürgerinnen und Bürger mit den Interessen privater Versorgungsunternehmen vereinbar sind, welchen Platz kommunale Unternehmen haben und ob durch die betriebene Politik die Existenz der öffentlichen Daseinsvorsorge in den Mitgliedsstaaten nicht in der Substanz bedroht ist. Ziel von Politik muss es unserer Meinung nach sein, eine allgemeine Versorgungssicherheit zu sozial verträglichen Konditionen, gleichen Zugang aller zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, hohe Servicequalität, Verbraucherschutz, Nachhaltigkeit, demokratische Kontrolle und Partizipation zu gewährleisten.

(Beifall bei der PDS)

Dieses Ziel muss oberste Priorität für eine europäische Politik im Bereich der Daseinsvorsorge haben.

Ich bitte um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag, weil mit diesem Beschluss auch der Landtag Brandenburg einen Beitrag zur Positionsbestimmung im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und der Kommunen leisten würde. Somit bringen auch wir uns mit einem Beitrag in die Diskussion um die öffentliche Daseinsvorsorge und deren Ausgestaltung ein. Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger erwarten einen solchen Beitrag auch vom Landtag Brandenburg. - Danke sehr.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Domres, und gebe der Fraktion der SPD das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter Lenz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das im Mai 2003 von der Europäischen Kommission vorgelegte Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse war bereits im Juni - Herr Domres sagte es schon - die Grundlage für einen von Ihnen, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, in diesem Hause gestellten Antrag. Schon in meiner damaligen Rede habe ich klar zum Ausdruck gebracht, dass die öffentliche Daseinsvorsorge gerade im Zusammenhang mit der möglichen und notwendigen Umsetzung der Sozialunion ein wichtiger Bestandteil des Reformprozesses ist. Dazu ist die Erarbeitung einer europäischen Rahmenrichtlinie ein notwendiger Schritt. Das Grünbuch, das sich an den europäischen Verträgen orientiert, kann dabei nur ein Konsultationspapier sein.

Der Grundsatz, lebensnotwendige Dienstleistungen in einem bezahlbaren Rahmen zu halten, den freien Wettbewerb nicht zu unterlaufen, den Verbrauchern einen optimalen Schutz zu bieten und bei allem kommunale Verantwortlichkeiten zu beachten, ist sicherlich ein Problem bei der Erarbeitung und Umsetzung einer europäischen Rahmenrichtlinie.

Meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, im Gegensatz zu Ihnen kann ich die in Ihrem Antrag heraufbeschworene

fundamentale Schieflage im europäischen Aufbauwerk nicht erkennen und sie somit auch nicht feststellen.

(Beifall bei der SPD)

Grundsätzlich wird die Politik der Liberalisierung im Bereich der Daseinsvorsorge, sofern sie die Interessen der Bürger berücksichtigt, auch von meiner Fraktion unterstützt. Einzelne Marktöffnungen der Vergangenheit - hier vor allem die Märkte von Telekommunikation und Strom; wir haben bereits im Juni darüber gesprochen - haben gezeigt, dass durch den Wettbewerb wirtschaftliche Vorteile wie Kosten- und Preissenkungen erzielt werden können, ohne dass es zu Nachteilen hinsichtlich der Versorgungssicherheit oder der Leistungsqualität kommen muss.

Die europaweite Liberalisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge kann nur in solchen Sektoren erfolgen, die aufgrund ihrer Größe oder strukturellen Vernetzung eine europäische Dimension aufweisen. Als Beispiele nenne ich nur Gas, Strom und den grenzüberschreitenden Luft- und Eisenbahnverkehr.

Da, wo keine europäische Dimension vorhanden ist, ist die lokale bzw. regionale Ebene wegen ihrer besonderen Nähe zu den betroffenen Bürgern am besten in der Lage, unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der betroffenen Bevölkerungsgruppen über die Art, die Organisationsweise und die Qualität der Leistungen der Daseinsvorsorge zu bestimmen. Wichtig ist, dass die für die Erbringung einer Leistung der Daseinsvorsorge verantwortliche Gebietskörperschaft frei entscheiden kann, ob sie die Dienstleistung in eigener Regie oder zusammen mit anderen Gebietskörperschaften erbringen will oder ob sie andere, einschließlich privater Lösungsmodelle wählen möchte. Den nationalen, regionalen und kommunalen Trägern der Daseinsvorsorge bleibt also auch weiterhin die Verantwortung für die beste Versorgung ihrer Bürger.

Einige generelle Voraussetzungen der Daseinsvorsorge könnten als Rechtsrahmen in den EG-Vertrag aufgenommen werden. Artikel 16 des Vertrages könnte dann folgende Anforderungen enthalten:

Erstens: Gleicher Zugang aller Bürger zu Dienstleistungen, soweit dies wirtschaftlich vertretbar ist.

Zweitens: Ein hohes Maß an Versorgungssicherheit, wenn dies wirtschaftlich realisierbar ist.

Drittens: Hinreichende Kapazitäten beim Marktversagen sind durch den Dienstleistungserbringer zu garantieren.

Viertens: Hohe Qualität der Leistungen.