Frau Kollegin Stobrawa, wenn Sie zu dem Verfassungsvertrag so viele Bedenken äußern, dann frage ich Sie, weshalb Sie nicht kurz formulieren: Die PDS lehnt diesen EU-Verfassungsvertrag rigoros ab.
Nein, lieber Kollege, das ist im Moment noch nicht entschieden. Unabhängig davon habe ich nicht nur negative Dinge be
nannt, sondern - wenn Sie einmal im Protokoll nachlesen wollen - sage auch, was mir an dieser Verfassung sehr gefällt, sowohl persönlich als auch... Dabei befinde ich mich in Übereinstimmung mit Mitgliedern meiner Partei.
Aber da ich kritisch herangehe, setze ich das auch bei jedem anderen voraus, der in Zukunft mit einer solchen Verfassung leben will oder leben muss. Das ist für mich völlig normal.
Allerdings sollten die Bürgerinnen und Bürger schon mit entscheiden, ob die im Wesentlichen nicht geänderte Gewaltenteilung auf europäischer Ebene, ein in seinen Rechten immer noch erheblich eingeschränktes Europäisches Parlament, das einer nach wie vor starken Europäischen Kommission und den Gremien der Staats- und Regierungschefs gegenübersteht, ihren Vorstellungen von einem Europa des 21. Jahrhunderts entspricht.
Viertens und letztens schließlich zur neuen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik: Auch hier steht die Frage, ob die mit dem Verfassungsvertrag vorgegebene Linie, die einen großen Schritt in Richtung der weiteren Militarisierung Europas bedeutet, eine Mehrheit in Europa findet.
Bei der europäischen Verfassung geht es kurzum um Inhalte, Grenzen, Organisation und Verteilung politischer Macht. Das ist keine Frage, die allein von den Parlamenten und den im Bundesrat vertretenen Landesregierungen entschieden werden kann.
Lassen Sie uns gemeinsam aus der geringen Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen lernen! Lassen Sie uns etwas tun gegen die zu erwartende Wahlverweigerung bei den Europawahlen! Leisten Sie Ihren Beitrag, damit sich die Brandenburgerinnen und Brandenburger ihre Meinung zur europäischen Verfassung bilden und ihr Votum zur Verfassung abgeben können! Ich bedanke mich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Europäische Konvent hat im Frühsommer dem Europäischen Rat in Thessaloniki den Entwurf eines europäischen Verfassungsvertrags vorgelegt. Dieser wird nach eingehenden Abschlussberatungen durch den Europäischen Rat beschlossen werden. Im Anschluss daran muss - so ist es im Konvent festgelegt worden der Verfassungsvertrag durch die Länderparlamente ratifiziert werden. Ein grundsätzlicher Volksentscheid ist nicht zwingend vorgeschrieben. Es liegt also im Ermessensspielraum der Länder - hier steht Land für Bundesrepublik Deutschland -, ob und wie sie sich in einem Volksentscheid zu einer neuen europäischen Verfassung positionieren. Brandenburg hat seit 1992 eine der modernsten Verfassungen der Bundesrepublik Deutschland. Elemente der unmittelbaren Demokratie sind in die Artikel 76, 77 und 78 aufgenommen. Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid gehören somit zum Alltagsbild in Brandenburg.
Die in die Verfassung eingebauten Zustimmungskriterien sind notwendig und haben in der Vergangenheit deutlich gemacht, wie stark das Bürgerinteresse an einer Veränderung sein muss. Während bereits mehrere Volksinitiativen erfolgreich waren, gab es bis heute kein Volksbegehren, das in Brandenburg eine Mehrheit erhalten hätte.
- Herr Sarrach, es war zwar keine offizielle Frage, aber ich habe bereits gesagt: Es gibt keine Mehrheit, es sind nicht genügend Leute dorthin gegangen, um ihren Willen auszudrücken. Deswegen ist es richtig, dass man dort solche Kriterien eingebaut hat.
Im Gegensatz dazu sieht das 1949 verabschiedete Grundgesetz nur im Artikel 29, das heißt, in Fragen der Gebietsveränderung der Länder, einen Volksentscheid vor. Nun gibt es und wird es auch zukünftig viele Initiativen geben, die sich für mehr Plebiszite im Grundgesetz aussprechen. Realisieren kann diesen Wunsch nach Veränderung allerdings nur der Deutsche Bundestag und dies auch nur mit Zweidrittelmehrheit.
Nun schlagen Sie, meine Damen und Herren der PDS, vor, über eine Bundesratsinitiative den Bundestag aufzufordern, das Grundgesetz zu ändern, um einen Volksentscheid über eine zukünftige europäische Verfassung zu ermöglichen. Nach meinem Verständnis und dem meiner Fraktion sind Bundesratsinitiativen dann angebracht und notwendig, wenn Landesinteressen gewahrt werden sollen. Bei der Verabschiedung eines europäischen Verfassungsvertrages sehe ich sehr wohl Bürgerinteressen, aber keine unmittelbaren Landesinteressen berührt. Deshalb sehen ich und meine Fraktion keine Notwendigkeit einer Bundesratsinitiative.
Meine Damen und Herren, wir haben in Deutschland keinen Volksentscheid über die Gründung der EU, über die Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion, über die EU-Osterweiterung und schon gar nicht über die Einführung des Euro herbeigeführt.
Bei der Einführung des Euro hatten Sie, meine Damen und Herren von der PDS, im Gegensatz zu den erstgenannten Entscheidungen auch die Möglichkeit einer Bundesratsinitiative. Nun, am Ende einer langen Kette, da der von den meisten Bürgern als wichtiger und richtiger Schritt in die Zukunft begrüßte Verfassungsvertrag im Entwurf vorliegt, eine Verfassung, die viele Verträge ablöst und somit zu einem effektiveren Europa beitragen wird, stellen Sie die Forderung nach einem Volksentscheid. Nun ist ein Befürworter von Berlin-Brandenburg - dazu bekenne ich mich an dieser Stelle ausdrücklich - ein gebranntes Kind, wenn ich an den abgelehnten Volksentscheid zur Fusion beider Länder denke. Berlin-Brandenburg hat hier nach meiner Auffassung eine Zukunftschance verpasst und Ihre damalige Haltung zur Fusion, meine Damen und Herren von der PDS, war sicherlich ein Baustein zu diesem Ergebnis.
Nun aber wieder zurück zu Ihrem Antrag. Wenn sich der Bundestag im Rahmen der Selbstbefassung auf Antrag einer
oder mehrerer Fraktionen mit der geforderten Zweidrittelmehrheit für einen Volksentscheid aussprechen würde bzw. generell mehr plebiszitäre Elemente ins Grundgesetz einarbeiten würde, könnte und würde meine Fraktion dies nur begrüßen.
Ein Nein. - Ein Antrag der FDP-Fraktion ist im Bundestag allerdings bereits mit breiter Mehrheit abgelehnt worden. Ihrem heute vorliegenden Antrag, meine Damen und Herren von der PDS, wird meine Fraktion nicht zustimmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der PDS-Fraktion ist dem Inhalt nach durchaus wünschenswert und unterstützungswürdig, aber nur, wenn die PDS-Fraktion eine glaubwürdige Politik vertreten würde, denn diese, meine Damen und Herren, ist nicht zu erkennen. Ich sage Ihnen auch, warum.
Zu den Plenarsitzungen im August dieses Jahres hat meine Fraktion einen nahezu wortgleichen Antrag mit eben genau dieser Begründung in den Landtag eingebracht.
Auf Seite 2 des PDS-Antrages steht sinngemäß, dass Artikel 29 Grundgesetz, der sich mit der Neugliederung des Bundesgebietes befasst, einen Volksentscheid vorsieht und bisher das einzig konkret geregelte Beispiel unmittelbarer demokratischer Elemente in der Verfassung ist.
„Nur wenn den Bürgerinnen und Bürgern ein echtes Mitwirkungsrecht zur Verfügung steht, wird es gelingen, sie auf dem weiteren Integrationsprozess mitzunehmen und sie für die europäische Idee zu begeistern. Am Ende des Verfassungsprozesses muss daher der vom Konvent ausgearbeitete und von der Regierungskonferenz angenommene Verfassungstext in Deutschland nicht nur mit einer Zweidrittelmehrheit vom Deutschen Bundestag und Bundesrat ratifiziert werden. Er bedarf darüber hinaus der ausdrücklichen Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen eines Volksentscheids.“
Unabhängig von der Oberflächlichkeit des vorliegenden Antrags - schließlich soll hier für einen einzigen Vertrag das entsprechende Plebiszit in das Grundgesetz aufgenommen werden, während wir uns bei unserem Antrag an die höchst abstrakte generelle Verfassungsform gehalten und ein Plebiszit für die Verabschiedung aller wesentlichen supranationalen Vereinbarungen, die unser Staatsgefüge unmittelbar betreffen, beantragt haben - ist verfassungsrechtlich höchst verdächtig, dass die PDS den Antrag meiner Fraktion mit fadenscheinigen Argumenten ablehnt und jetzt, zwei Monate später, einen sinngemäß entsprechenden Antrag in den Landtag einbringt.
Der PDS geht es - das zeigt dieses parlamentarische Verhalten der Linken - eben nicht um die Verbesserung von Demokratie, Transparenz und Effizienz innerhalb der EU-Länder, sondern um Populismus der plumpesten Art. Dass dieser Antrag nicht glaubwürdig ist, zeigt schon, dass in den Reihen der PDS nach wie vor verfassungsfeindliche Strömungen, wie die kommunistische Plattform, im Hintergrund die Fäden ziehen,
denen es evident nicht um die Integration in einem freiheitlichdemokratischen Europa geht - getroffene Hunde bellen -, sondern um die Bekämpfung unserer Verfassungsordnung. Da nutzt es auch nichts, wenn sich diese Partei in der Öffentlichkeit als moderne links-demokratische Alternative darstellen möchte. Ich bezeichne so etwas als Rattenfängerei.
Wie schon in meiner Rede zur Einführung von Plebisziten, insbesondere im Hinblick auf die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zur europäischen Verfassung, weise ich wiederum darauf hin, dass laut Emnid-Umfrage vom April 2002 82,7 % der Deutschen für Volksentscheide, insbesondere im Zusammenhang mit den EU-Verträgen, sind. Hinzuzufügen ist, dass laut dieser Emnid-Umfrage aufgrund der Einführung der unmittelbaren Demokratie auf dieser Ebene die europäische Verfassung auch nicht gefährdet ist, da sich 62 % der Deutschen - bei einem EU-Durchschnitt von 63 %, also durchaus auf EU-Standard - für eine europäische Verfassung aussprechen.
Im Übrigen haben sich 84 Konventsmitglieder aus 25 Staaten, darunter mehrere Regierungsvertreter, im Rahmen der Initiative für ein Referendum über die EU-Verfassung ausgesprochen. Ich darf als Beispiel Giscard d'Estaing nennen. Meine Fraktion jedenfalls setzt sich offen und entschieden für die Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger am Prozess der Verfassungsgebung auf europäischer Ebene ein.
Ein letzter Satz, Herr Präsident. - Das politische Gaukelspiel der PDS sollten wir eigentlich nicht mitmachen. Aber warum sollten wir nicht unserem Antrag zustimmen, auch wenn er nur teilweise von den PDS-Genossen verstanden und deshalb dilettantisch
- aus Bruchstücken unseres Originalantrages zusammengesetzt worden ist? Wir haben jedenfalls noch mehr Klärungsbedarf und haben einer Ausschussüberweisung zugestimmt. - Ich bedanke mich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der im Antrag formulierte Vorschlag - das muss ich zugeben - ist sehr interessant. Er ist nicht nur interessant, sondern es gibt auch viele Gründe, für einen Volksentscheid zur Annahme der EU-Verfassung zu stimmen bzw. für einen solchen einzutreten. Es gibt auch in meiner Fraktion eine Reihe von Mitgliedern, die dem durchaus nahe stehen. Ich sage das vorab, damit Sie nicht denken, wir wollten hier eine dogmatische Meinung vertreten.
Derzeit sehen die Verfassungen von 17 der 25 Mitglieds- und Beitrittsstaaten der EU die Möglichkeit des Volksentscheids vor. Sechs weitere Länder führen bereits Plebiszite ohne Verfassungsgrundlage durch. Lediglich in Deutschland sowie in den Niederlanden fehlt es an beidem, nämlich an den rechtlichen Voraussetzungen und an der politischen Praxis. Aber, liebe Frau Kollegin Stobrawa, Deutschland deshalb als „demokratisches Entwicklungsland“ zu bezeichnen, wie Sie es hier formuliert haben, halte ich doch für etwas stark.