Protokoll der Sitzung vom 23.02.2000

Ich bin schon die ganze Zeit dabei: denn genau darum ging es: Es ging um Arbeitsplätze in dieser Region. Es ging um die Versprechungen, die gemacht worden sind, um das Wunder, das angekündigt worden ist, das mit dem Transrapid über die Region kommen sollte.

Genau um ein Wunder, Herr Präsident, geht es in unserem Antrag, nämlich um das Wunder der Natur. Wir wollen, dass die bisher aus den Untersuchungen ausgeklammerten Gebiete in eine neue Liste einbezogen werden. Es gibt dazu eine ganze Reihe von Vorschlägen. Ich will nur zwei Beispiele nennen: Das sind zum einen die ICranichrastplätze um Nauen. Es sind immerhin 50 000 bis 60 000 Kraniche und Wildgänse, die dort jährlich rasten. Das ist ein Naturschauspiel. Ich denke, es ist auch für viele Besucher ein Schauspiel. Es geht unter anderem auch um die Niederung der Stepenitz im Abschnitt Perleberg.

(Gemme] [SPD]: Das ist ausgewiesen!)

Die Liste ist noch viel länger, die kann ich Ihnen gerne zeigen, die kann ich auch dem Minister gerne zur Verfügun g stellen. Ich fordere Sie also zum einen auf, bis Ende März endlich die Liste, also die zweite Tranche, an die EU und an Berlin bzw. Bonn, an das Bundesamt für Naturschutz, weiterzureichen: denn nach wie vor hängt tatsächlich das Damoklesschwert der Kürzung von Strukturmaßnahmen über uns. Insofern ist es dringend notwendig, diese zweite Liste zu liefern. Es wäre möglich, sie mit den Projekten zu liefern, die sozusagen unstrittig sind. Das sind immerhin 85 % der vorliegenden Liste.

Ein Zweites: Als Begründung dafür, dass es keine dritte Tranche geben soll, sagen Sie, das sei von der EU abgelehnt worden. Die Umweltkommissarin Wallström hat vor zwei Wochen bei einer Beratung in Berlin ganz deutlich gesagt, dass sie auch Nachmeldungen von FFH-Gebieten zulassen wird. Wir sollten uns dieser Möglichkeit nicht verschließen.

Eine dritte Forderung: Wir sollten in einer dritten Tranche, die bislang von der Landesregierung nicht vorgesehen ist, die noch strittigen Gebiete. aber auch zusätzliche Gebiete melden. Diese könnten unter anderem aufder ehemaligen Trasse des Transrapid liegen. Denkbar wären auch Gebiete, die sich heute im Bereich der Bergbausanierung befinden. Ich denke auch an ein solches Gebiet wie die Lacomaer Teiche. Dort gibt es immerhin tausend rufende Männchen der Rotbauchunken - eine einmalige Population im Land Brandenburg. Auch die sollte geschützt werden.

Aus unserer Sicht könnte das tatsächlich ein gangbarer Weg sein, der zugleich die weitere Ausweisung von schützenswerten Flächen nicht ausschließt.

Was für uns nicht akzeptabel ist - das haben wir in der Anhörung auch deutlich gemacht, die Kritik kam von vielen Seiten -, ist das Herangehen der Landesregierung. Sie hat ganz einfach die

Ausweisung der FFH-Gebiete über Jahre verschlafen. Es wäre denkbar gewesen. diese Liste vorzulegen. Dass das jetzt im Hauruckverfahren passiert und zum Teil unter doch sehr fragwürdiger Einbeziehung von Kommunen, Verbänden usw, ist einfach so nicht hinnehmbar.

Mehrfach ist von Kollegen Helm in der Anhörung auch auf die wirtschaftlichen Beschränkungen aufmerksam gemacht worden. Sie haben unter anderem zitiert, wie die FFH-Richtlinie davon ausgeht, dass wirtschaftliche, soziale, kulturelle und regionale Anforderungen berücksichtigt werden müssten. Nur, daraus haben Sie genau die falschen Schlussfol gerun gen gezogen, nämlich dass zu berücksichtigende Anforderungen auch eine Nichtmeldung von naturschutzfachlich infrage kommenden Gebieten zulassen. Genau das meint die EU-Richtlinie nicht.

(Helm [CDU]: Bitte mit dem Eigentümer abstimmen!)

Ich denke, diese ist mit der EU-Richtlinie nicht gedeckt. Was die Abstimmung angeht, sind wir völlig einer Meinung. Das ist genau die Frage. Aber die Nichtmeldung ist damit nicht gemeint.

Würden wir uns allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten richten, dann würde letzten Endes der Naturschutz tatsächlich immer in der Rolle des Verlierers sein. Das heißt, mit einem solchen Verfahren wäre einer weiteren Verschlechterung der natürlichen Lebensräume, einer ernsthaften Bedrohung der verschiedenen Arten in zunehmender Zahl nicht beizukommen. wenn tatsächlich abgewogen wird und die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen ganz oben stehen würden.

Deshalb sollten wir als Politiker - und wir sind auch für künftige Generationen in der Verantwortung - dem Geist der FFHRichtlinie entsprechen. Danach gilt im Interesse der Natur das Verschlechterungsverbot. Es werden die Interessen der Wirtschaft berücksichtigt. Ich erinnere nur an den Bestandsschutz. Es werden auch Entwicklungsmaßnahmen keinesfalls ausgeschlossen. Dass dabei die Forderung einer Umweltverträglichkeitsprüfung steht, ist hinzunehmen und ist eine notwendige Forderung.

Ich bin keine Umweltpolitikerin mit Scheuklappen. Mir sind die Interessenkonflikte sehr wohl bekannt. Ich wehre mich aber gegen die Versuche, die Konflikte zulasten des Naturschutzes auszutragen.

Seit Jahren hat sich auch die PDS für eine Regelung zum Ausgleich von naturschutzbedingten Wirtschaftserschwernissen für Landwirte eingesetzt. und das, obwohl Ausgleichszahlungen für den Verzicht auf Umweltbelastungen durch eine bestimmte Wirtschaftsweise genau genommen das Verursacherprinzip konterkarieren. Trotzdem sind wir für solche Zahlungen, einfach deshalb, weis die agrarwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Erwirtschaftung landwirtschaftlicher Einkommen zurzeit derart mies sind. Daran sind nicht die Landwirte und die Bauern schuld.

So wie diese Frage endgültig geklärt werden muss, müssen auch andere in der Anhörung angesprochene Punkte einer Lösung zugeführt werden. Ich denke, dass wir uns dafür in den Ausschussberatungen ausreichend Zeit nehmen sollten.

Ich wünsche mir allerdings auch ein tieferes Nachdenken über die Argumentation der Wirtschaft Mit dem Verweis auf die in Brandenburg im Vergleich zu den alten Bundesländern weitaus geringere Nettowertschöpfung pro Kopf und die viel höhere Arbeitslosenquote redeten Sie der nachholenden - nicht nachhaltigen - Wirtschaftsentwicklung das Wort. Die FFH-Gebietsausweisung dürfe deshalb erforderliche Erweiterungsinvestitionen, beispielsweise an den drei Chemiestandorten, nicht behindern.

(Müller [SPD]: Das sieht man doch, dass wir aufholen!)

Für mich ist Wirtschaftsentwicklung ebenfalls unabdingbar. Wir wissen beide, Herr Müller, dass die alten und die neuen Bundesländer unterschiedliche Voraussetzungen haben, was den Naturschutz anbetrifft.

Frau Abgeordnete. bitte kommen Sie zum Schluss!

Ja, nur einen Satz noch. - Lassen Sie uns weiter darüber nachdenken, wie wir das auch anders ausgleichen könnten. beispielsweise über eine Gemeinschaftsaufgabe Naturschutz. Wir sollten auch darüber nachdenken, wie andere Bedingungen für das Land Brandenburg geschaffen werden können. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Herr Abgeordneter Dellmann, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde eines interessant: Die These, die Frau Enkelmann auch vertreten hat, dass es nach Ansicht der PDS in Brandenburg ganz einfach wäre, Wirtschaft und Umweltschutz unter einen Hut zu bringen, also mehr Umweltschutz und gleichzeitig mehr wirtschaftliche Entwicklung, mehr Freiheit. Ich glaube, das ist nur eine These. Das, was wir jetzt gemeinsam versucht haben, ist die Suche nach einem Kompromiss. Denn es geht nicht beides gleichzeitig. Es geht immer nur der Kompromiss.

Wir haben eine der spannendsten und intensivsten Diskussionen in den letzten Wochen erleben können, nämlich die Diskussion um die Ausweisung von FFH-Gebieten. Auch die Regionen, durch die der Transrapid fahren sollte, waren davon betroffen. Wir als Koalitionsfraktion haben uns der Kritik, die auch auf kommunaler Seite und von Vertretern der Wirtschaft erhoben wurde, dass das Verfahren zu spät eingeleitet wurde und viel zu intensiv durchgeführt werden musste. angeschlossen. Aber trotzdem bin ich sehr dankbar für die konstruktive Art und Weise, in der wir insgesamt mit dem Problem umge gangen sind.

Ich fand es auch richtig, dass das in einem ausgesprochen kooperativen Verfahren, nämlich zwischen Re gierung. allen

beteiligten Ministerien - auch da sei noch einmal mein Dank an diese Stellen gerichtet -, dem Parlament mit seinen Ausschüssen und vor allen Dingen auch den konkret Betroffenen vor Ort funktioniert hat.

Wenn man sich die Zahlen noch einmal vor Augen führt, dann kann sich das sehen lassen. Die Sorge, die wir alle hatten, dass es hier keine ausgewogene Meldung geben würde, war nicht begründet. Es wird eini ge Konfliktpunkte geben. Es war uns aber von vornherein klar: Da muss eine politische Entscheidung

getroffen werden. Ich nenne nur eine Zahl: Insgesamt ist es bei 150 Gebieten zu Gebietsverkleinerungen gekommen. und das in einem intensiven Auseinandersetzungsprozess mit Landwirten, mit Vertretern der IHKs usw.

Ich glaube, dass wir es schaffen werden, zum 31.03.2000 unsere Meldung als Land Brandenburg abzugeben. Wir sollten es tun. Ich weiß, dass in diesen Tagen der entsprechende Kabinettsbeschluss in die Mitzeichnungsrunde gehen wird.

Jetzt aber konkret zum Antrag der PDS: Ich muss gestehen, ich hatte, als ich Ihren Beitra g, Frau Enkelmann, hörte, so etwas das Gefühl, Sie haben noch einmal nach den konkreten Gebieten gefragt. Informationen. die ich habe, lauten folgendermaßen: Es gibt abgestimmte Meldungen zu den FFH-Gebieten. Ob es die Prignitz ist oder ob es die Gebiete sind durch die die Transrapidtrasse geführt hätte, es gibt keinerlei Problemfälle. Umkehrschluss: Es gibt auch nicht die Notwendigkeit. etwas nachzumelden. Ich habe das Gefühl gehabt, Sie haben nachgefragt und weil Ihnen nichts Besseres eingefallen ist, haben Sie hier noch einmal eine Grundsatzdiskussion zum Transrapid begonnen.

Wir als Koalition sind der Auffassung, es ist im konkreten Fall nicht notwendig, eine dritte Tranche zu melden, sondern die Gebiete, die mit den betroffenen Landkreisen abgestimmt sind sind zum 31.03.2000 mit der zweiten Tranche nach Berlin und dann später nach Brüssel zu melden. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Herr Abgeordneter Claus, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Antrag der Fraktion der PDS ist nicht zu übersehen. mit welcher Schadenfreude er an das Parlament gerichtet ist. Doch der vermeintliche Triumph der PDS-Genossen, die sich von Anbeginn der Planung der Zukunftstechnik des Transrapid entgegenstellten, ist schon jetzt ein Papyrussieg. Vordergründig mögen die Verhinderer dieses Projektes zunächst gewonnen haben, weil Milliarden von Mark nicht ausgegeben werden. Doch gewonnen für wen und eingespart wozu?

Die Menschen in der strukturschwachen Region, durch die der Transrapid fahren sollte, zählen eindeutig zu den Verlierern. Da es Bedenkenträger gibt, die im Namen des Umweltschutzes

grundsätzlich gegen alles Neue sind, stellt sich die Frage, welchem Herrn sie dienen. Oder sind sie einfach nur unfähig, volkswirtschaftliche Zusammenhän ge zu erkennen?

Herr Claus, lassen Sie eine Frage zu?

Anschließend. - Viele Millionen Mark an Steuergeldern flossen in den letzten Jahren in die Planungen für die Transrapidtrasse. Eines Tages, wenn wieder mehr parteipolitischer Realitätssinn für die Verwirklichun g der Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung in den politischen Alltag einfließen wird könnte diese Planung dann selbstverständlich schnell angefasst und in die Tat umgesetzt werden.

(Beifall des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Es ist deshalb eine besondere Perfidie der PDS-Fraktion, die Zukunftspotenziale zu zerstören. indem man aus dem potenziellen Verkehrskorridor ein Naturschutzgebiet macht.

Angesichts der bestehenden Normen europäischer und deutscher Naturschutzgesetze ist es dann nämlich ausgeschlossen, dort jemals eine Straße genehmigt zu bekommen. Dass es der Fraktion der PDS mit diesem Antrag nun wirklich nicht um den Naturschutz geht, sondern nur um die wirtschaftliche Selbstknebelung, zeigt sich auch darin, dass wegen der strengen Naturschutzregelung bei der Trassenwahl bereits Gebiete ins Auge gefasst wurden. die als herausragend schützenswerte FFHBiotope nun wirklich nicht dienen können.

Wir als Fraktion der Deutschen Volksunion halten vielmehr weiter an dem Projekt des Transrapids einschließlich der Streckenplanung fest und bedauern. dass mit dem verhängnisvollen Beschluss dieses Zukunftstechnologie-Verkehrsmittel nicht durch Brandenburg fahren wird. Ein weiterer Schritt zur wirtschaftlichen Abkoppelun g und Verarmung des Bundeslandes wurde damit vollzogen.

Wir lehnen es ab, in Ermangelung von Willen zur Durchsetzung von wirtschaftlichem Eigeninteresse im Zweifelsfall immer auf das Patentrezept der Umwandlung von ganzen Regionen in Naturschutzgebiete zu verfallen. Auch wir sind für ein Naturschutzgebiet - das ist gar keine Frage -, aber nur dort, wo es sinnvoll ist und gemeinsam mit den betroffenen Bürgern abgestimmt wird, einschließlich des finanziellen Ausgleiches.

Es verwundert im Übrigen, dass die PDS-Fraktion zwar schnell zur Unternaturschutzstellung der potenziellen Verkehrsstraßen bereit ist, jedoch die Frage unbeantwortet lässt, wie Bodeneigentümer und -nutzer entschädigt werden sollen.

Abschließend bleibt uns nur noch zu sagen: Den Antrag der PDS lehnen wir ab. Das Gleiche trifft aufeine Ausschussüberweisung zu. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der DVU)

Es gab noch eine Frage. Herr Abgeordneter Schulze, bitte!

Sehr geehrter Abgeordneter von der Deutschen Volksunion, können Sie mir vielleicht erklären, was Sie unter einem Papyrussieg verstehen?

(Vereinzelt Gelächter)