Protokoll der Sitzung vom 12.11.2003

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In neoliberalen Kreisen gilt neben der Globalisierung und dem Abbau sozialer Standards die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und staatlicher Aufgaben als das Allheilmittel gegen hohe Kosten und ineffektive Strukturen. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass man volkswirtschaftlich wichtige und hoheitliche Aufgaben nicht nur unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sehen darf.

Der brandenburgische Gesundheitsminister, Herr Baaske, ist ein Neoliberaler. Anders kann ich mir diesen Gesetzentwurf nicht erklären.

(Vereinzelt Gelächter)

Denn mit diesem Gesetzentwurf sollen kleinere verfassungsrechtliche Hindernisse auf dem Weg zur Privatisierung der Landeskliniken, einschließlich des Maßregelvollzugs, beseitigt werden.

Wir von der Deutschen Volksunion wären sicherlich die Letzten, die sich gegen eine volkswirtschaftlich sinnvolle und sachgerechte Privatisierung der Landeskliniken stellten, aber wir sehen im Grundgesetz und in der Landesverfassung keine Grundlage dafür, potenziell gefährliche und geistesgestörte Straftäter von Privatunternehmern einsperren, bewachen, betreuen und behandeln zu lassen. Wir lehnen den Versuch des Landes ab, sich hier aus finanziellen Gründen quasi aus der Verantwortung zu stehlen. Wir warnen auch davor, das sensible Gebiet des Maßregelvollzugs von Gewinnerzielungsabsichten bestimmen zu lassen.

Die Behauptung des Ministeriums, es würden keine Mehrkosten im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage erwartet, halten wir für einen schlechten Witz.

Zugegeben: Nur durch diese Gesetzesänderung werden keine Kosten entstehen. Erst mit der dadurch möglichen Privatisierung könnte es heikel werden. In Sachsen-Anhalt beispielsweise stiegen nach der Ausgliederung aus der Landesverwaltung die Pflegesätze und somit auch die Kosten. Die erhofften Privatisierungserlöse hingegen ließen sich nur zu gut 40 % realisieren. Nein, meine Damen und Herren auf der Landesregierungsbank, Ihren Pfusch, den Sie in den letzten 13 Jahren fabriziert haben, werden Sie so nicht einfach abschieben können. Erledigen Sie lieber Ihre Hausaufgaben! Sorgen Sie dafür, dass die Landesverwaltung effektiv arbeitet und sorgen Sie endlich dafür, dass Brandenburg seine Landesverwaltung aus eigener Kraft finanzieren kann!

Wir lehnen den Gesetzentwurf aus den genannten Gründen ab.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an den Abgeordneten Dr. Wagner. Er spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann bei diesem Gesetz alles erkennen, Frau Fechner, bloß keinen Pfusch, sondern es ist ein sehr, sehr überlegt vorbereiteter Gesetzentwurf, der natürlich noch der Diskussion bedarf.

Ich sehe auch keinen Anlass, Frau Bednarsky, der Ideologie zu frönen und primär den Glauben in den Raum zu stellen, dass eine Einrichtung, die man privatisiert, ausschließlich auf Monetik ausgerichtet ist. Wenn das so wäre, würden Hunderte von Einrichtungen in diesem Lande nur von der Monetik bestimmt sein. Sie wissen, dass das nicht so ist.

Minister Baaske hat in seinem Vortrag die Zeitschiene ausreichend beleuchtet. Er hat die Notwendigkeit einer ergänzenden Gesetzgebung ausreichend dargestellt. Es wäre unsinnig, noch einmal darüber befinden zu wollen.

Die CDU-Fraktion stimmt auch mit der Meinung überein, dass man eine Privatisierung in diesem Bereich vornehmen kann, wie auch immer die Trägerschaft dann aussehen sollte.

Wir haben auch volle Übereinstimmung, dass der Maßregelvollzug Bestandteil psychiatrischer Einrichtungen sein sollte, wie mein Kollege Dr. Kallenbach sagte.

Wenn man die Beispiele aus Thüringen - wir haben das sehr wohl vernommen, Herr Minister Baaske - und Sachsen-Anhalt betrachtet, muss man sagen: Thüringen hat Erfahrungen mit dem privaten Maßregelvollzug, allerdings sehr geringe. Im Augenblick sind sie positiv. Sachsen-Anhalt hat eindeutig erklärt, den Maßregelvollzug in keinem Falle privatisieren zu wollen, also absolut in private Hand zu geben. Das gibt natürlich Veranlassung zum Nachdenken.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken bei diesem Gesetzentwurf haben Sie schon anklingen lassen. Wir haben auch welche. Es handelt sich dabei - wenn man Maßregelvollzug betreibt um sehr weitgehende Eingriffe in Persönlichkeitsrechte. Wenn man so etwas vorhat, muss man verfassungsrechtlich ganz sauber vorgehen. Ich glaube, das haben alle Parteien in diesem hohen Hause - die demokratischen Parteien zumindest - vor.

Wenn man an eine Beleihung oder eine Geschäftsbesorgung denkt, ist unsere Auffassung, wird man eines nicht tun können: Man wird die Fach- und die Rechtsaufsicht nicht abschieben können, man muss sie immer beim Ministerium belassen; denn es wäscht kein Regen eine Regierung glatt, wenn etwas passiert.

In dem Zusammenhang kann ich nur sagen: Es geht immer so lange gut, bis - der Himmel möge es verhüten! - etwas passiert. Dann kommen die Schuldzuweisungen. Sie haben sicherlich noch in Erinnerung, wie die Emotionen damals, zu Zeiten des Herrn Minister Ziel, am Fall Schmökel hoch schlugen. Es war sehr schwer, wieder Sachlichkeit in diese Diskussion zu bringen.

Ich meine, die Kommission, die dann tätig war, hat sehr gute Arbeit geleistet, hat für Brandenburg klare Verhältnisse geschaffen.

Deswegen - ich kann es kurz machen, auch um Wiederholungen zu vermeiden - stimmt meine Fraktion für eine Überweisung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und auch in den Rechtsausschuss, damit die verfassungsrechtlichen Probleme, die auszudiskutieren sind, sauber behandelt werden und der Gesetzentwurf dann in sicherlich nicht allzu ferner Zukunft mit gutem Gewissen verabschiedet werden kann. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen und - wir haben es gerade gehört - zur Mitberatung an den Rechtsausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das so beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Zukunft des Großflughafenprojektes BBI (Berlin Brandenburg International) am Standort Schönefeld

Große Anfrage 64 der Fraktion der DVU

Drucksache 3/6160

Antwort der Landesregierung

Drucksache 3/6605

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der fragenden Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kommen wir zu den Antworten der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zum Großflughafenprojekt BBI vom Sommer vergangenen Jahres. Genaues Datum der Anfrage: 22. Juli 2003, Datum der Antwort: 4. November 2003. Das ist die Große Anfrage, um deren Beantwortung und Behandlung im Plenum sich die Landesregierung in dieser Legislaturperiode wohl am längsten herumgedrückt hat. Was sind die Gründe dafür? Diese Frage ist leicht zu beantworten. Es gibt nur einen Grund und der lautet, dass hier einmal mehr die Linke nicht weiß, was die Rechte tut. Viel Wasser ist in der Zwischenzeit die Havel heruntergelaufen, aber, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, unsere Fragen sind nach wie vor aktuell.

Nach wie vor sind Ob, Wann und Wie der Verwirklichung des Flughafenprojekts BBI am Standort Schönefeld als Großflughafen unklar. Da helfen auch die schönsten Bekundungen und Ablenkungsmanöver dieser Landesregierung nicht weiter, weder die zwischenzeitliche Beantwortung der Großen Anfrage der PDS noch der dazwischengeschobene Antrag der Koalitionsfraktionen aus der letzten Sitzung des Landtags.

Das Dilemma beginnt bereits mit der Antwort auf unsere Frage 1: Hält die Landesregierung an der Verwirklichung des Flughafenprojekts BBI als internationalem Großflughafen fest? Schon die Antwort der Landesregierung auf diese erste Frage ist nicht eindeutig. Die Landesregierung verweist zwar auf den Konsensbeschluss vom 28. Mai 1996 und erklärt diesen auch noch nach dem Scheitern der Privatisierung für gültig. Gleich darauf aber heißt es, meine Damen und Herren: wobei eine Privatisierung der BBF derzeitig nicht umsetzbar erscheint. Dies gilt insbesondere für den Ausbau des Flughafens Schönefeld zum

Flughafen Berlin Brandenburg International als Single-Standort. - Mal ganz ehrlich: Wie ist das gemeint?

In der letzten Woche hat sich auch der heutige Bundesverkehrsminister und im Sommer 2003 zurückgetretene Ministerpräsident Stolpe zu dem Thema geäußert. Er hat sich laut Zeitungsmeldung vom 23. Januar von der Bezeichnung „Großflughafen“ distanziert und erklärt, angestrebt sei eine bedarfsgerechte Rekonstruktion des Standorts. Ob es ein Drehkreuz wird, müsse man sehen. Um mehr Unterstützung für den Ausbau zu erreichen, sei es günstiger, eine andere Bezeichnung als „Großflughafen“ zu wählen. - So, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, nun haben Sie abermals Gelegenheit, sich zu allem hier zu erklären.

Distanzieren auch Sie sich von der Bezeichnung „Großflughafen“? Was konkret heißt Reproduktion, tacksche PDS-Politik mit einem sehr kleinen Flughafen oder Stolpes kleine DDR? Stehen der Bund und insbesondere der heutige Bundesverkehrsminister Stolpe noch zu dem Projekt? Und, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, bei wem wollen Sie eigentlich mehr Unterstützung finden, bei den Bürgerinnen und Bürgern, bei der mittelständischen Wirtschaft oder bei der PDS-Fraktion, sozusagen im Vorgriff auf rot-rote Regierungsträumereien? Das sind wohl die Schlüsselfragen.

Des Weiteren beantworten Sie in keiner Weise unsere Fragen, was Sie seit dem Scheitern der Privatisierung im Mai 2003 konkret zur Verwirklichung des Projekts unternommen haben, weder zur Frage 1 noch zu den Fragen 4 und 5 sowie schließlich zu den Fragen 9 und 10 im Hinblick auf die Konkurrenzsituation.

Zu den Planungsrisiken - das ist unsere Frage 3 - heißt es lapidar, vor der Entscheidung über den Planfeststellungsantrag könnten dazu keine inhaltlichen Aussagen gemacht werden. Genau von solchen Risiken aber ist in der Presse vom 23. Januar des Jahres ebenfalls die Rede. Stichworte dort: Nachweis des Bedarfs, vorher notwendige Schließung Berliner Flughäfen und drohende Nachtflugverbote. Vielleicht ist ja hier und heute eine Antwort von der Landesregierung möglich. - Ich bedanke mich erst einmal.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die Koalitionsfraktionen. Für sie spricht der Abgeordnete Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ministerpräsident Matthias Platzeck erklärte in seiner Regierungserklärung am 11. Dezember 2003 vor diesem hohen Hause:

„Mein Ziel ist es, den Erfolg des Flughafenausbaus ohne Wenn und Aber zu sichern.“

Das ist auch das Ziel der Koalitionsfraktionen. Der Bau des Großflughafens BBI ist das größte und wichtigste Infrastrukturprojekt dieses Landes. Die Koalitionsfraktionen sind sich darin einig, alles Mögliche zu tun, um diesem Projekt zum Erfolg zu verhelfen. Die Voraussetzungen dafür sind gegenwärtig relativ günstig. Dafür nenne ich Ihnen vier Gründe.

Erstens: An dem Konsensbeschluss der Landesregierung, des Bundes und des Berliner Senats wird festgehalten. Das hat die Landesregierung auf Seite 10 der Antwort auf die Große Anfrage noch einmal bekräftigt.

Zweitens: Der Berliner Senat steht weiterhin zu der vereinbarten Schließung der Flughäfen Tempelhof und Tegel. Tempelhof wird voraussichtlich zum 1. November 2004 geschlossen. Der Senat hat die erforderlichen Maßnahmen bereits in die Wege geleitet.

Drittens: Wir haben einen erfahrenen Manager als Geschäftsführer der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH gewinnen können.

Viertens: Der Flughafen Schönefeld entwickelt sich zu einem wichtigen Flughafen für Billigflieger. Die Entwicklung der Passagierzahlen spricht für sich. Im Jahre 2002 - Sie werden das sicherlich alle gelesen haben; ich möchte es nur noch einmal in Erinnerung bringen - wurden 1,76 Millionen Fluggäste abgefertigt. Das ist eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 3,7 %. Auf Inlandsflügen wurden sogar dreimal so viele Passagiere befördert. Das ist - anders kann man es gar nicht sehen eine sehr ermutigende Entwicklung, zumal Easyjet Schönefeld zu einem Drehkreuz auf dem europäischen Festland ausbaut. Einige andere Flughäfen verlagern ebenfalls Kapazitäten nach Schönefeld.

Die Flughafengesellschaft wird diese Entwicklung befördern, indem sie allen Gesellschaften die gleichen günstigen Konditionen bietet, die bisher nur vereinzelt gewährt worden sind.

Diskutiert wird zurzeit auch die Altlastenproblematik. Ohne auf Details einzugehen, möchte ich nur auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Christoph Schulze verweisen, in der es heißt:

„Selbst im Falle einer tatsächlich bestehenden Gefährdungssituation wäre die Aufhebung der Flughafengenehmigung immer das letzte Mittel, sofern eine Beseitigung der Gefahr auf anderem Wege dauerhaft nicht möglich wäre.“