Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum haben die Verkehrs- und Wirtschaftspolitiker der SPD und der CDU das Thema Verkehr, Schienenverkehr, Bahnreform, Schienenverkehrsindustrie so ausführlich besprochen? Ihrer Argumentation, Frau Tack, es wären schon alle Messen gesungen, kann man nur widersprechen. Vor 14 Tagen haben sowohl Herr Mehdorn als auch der Bundeskanzler erklärt, noch nie hätten, was die Bahn betrifft, so tief greifende Entscheidungen wie in den nächsten beiden Jahren angestanden. Anhand von Haushaltszahlen lassen sich sicherlich einige Problematiken aufzeigen, aber dass zum Thema Bahn keine Entscheidungen anstünden, kann man nun wirklich nicht sagen.
Warum haben wir keinen spezifischen bahnpolitischen Antrag gestellt? Das haben wir deshalb nicht getan, weil wir uns seit ungefähr zehn Jahren in der Bundesrepublik in einem Prozess befinden, der im Grunde genommen die Liberalisierung des Schienenverkehrs in Europa begleitet. Es sind viele Dinge im hohen Maße miteinander verknüpft. Die Länder sind Besteller. Wir stehen vor der Frage: Wird die Bahn privatisiert? - Die Länder sind gleichzeitig Standorte für Teile der Bahnindustrie, die in hohem Maße mit ihrem größten Auftraggeber, der Bahn, verbunden ist.
Wir stehen vor Diskussionen über die Regionalisierung und die Frage Connex, die in Brandenburg zu einer höchstrichterlichen Entscheidung geführt hat. Insofern hat das Thema eine große Klammer. Im Moment stehen wir vor einem Vorhaben und
grundlegenden Entscheidungen, was die Struktur der Bahnindustrie betrifft. Wir sehen uns einer Entwicklung gegenüber, wie sie sich in der Automobilindustrie bereits vollzogen hat. Wir sehen uns der Entwicklung gegenüber, dass die Luftfahrtindustrie wie die Bahnindustrie derzeit ihre gesamten Zulieferbeziehungen neu sortieren. Es hat in der Vergangenheit eine Unzahl von Zulieferern gegeben - auch eine ganze Reihe von Brandenburger Unternehmen. Das bedeutet etwa 3 000 Arbeitsplätze in der eigentlichen Industrie und über 5 000 Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie, jedoch in großer Abhängigkeit - Fertigung, Lohnfertigung, verlängerte Werkbank. Das waren die mittelständischen Unternehmen in Brandenburg.
Es gibt jetzt eine einmalige Chance, in der Verbindung aus Schienenfahrzeugpolitik und Industrie eine Qualifizierung der Zulieferindustrie in Brandenburg vorzunehmen. Sie wissen, dass Bombardier in Schleswig-Holstein das Marschbahn-Projekt gewonnen hat. Es zeigt sich natürlich, dass durch die Regionalisierung dieser Aufträge sehr viele kleinere Aufträge vergeben werden und die Industrie - aufgrund ihrer alten Strukturen auf die Großaufträge der Bahn ausgerichtet - sich schwer tut, so individualisierte Produkte zu gerechten Preisen anzubieten. Das ist eine einmalige Chance, die brandenburgische Zulieferantenindustrie zu qualifizieren.
Das Thema, das gerade bei der Marschbahn aktuell ist, ist, dass der Bombardier-Konzern und der Vossloh-Konzern bereit sind, wesentliche Teile dieses Auftrags gemeinsam mit mittelständischen Zulieferern zu übernehmen. Hier ist die große Klammer: Auf der einen Seite die sehr viel kleinteiligeren regionalisierten Aufträge mit eigenen Produkten für diese Schienenverbindung und auf der anderen Seite eine Bahnindustrie, die noch ganz anders aufgestellt ist, aber aufgrund ihrer Kostenstrukturen gezwungen sein wird, mit der mittelständischen Industrie, das heißt mit Brandenburger Unternehmen, zu kooperieren.
Deshalb sehen wir den gemeinsamen Antrag von CDU und SPD innerhalb dieser breiten Klammer. Die Bahnpolitik, die Frage der Beauftragung, die regionalen Aufträge stehen in unmittelbarer Verbindung mit der Frage der tief greifenden Strukturveränderungen, die derzeit stattfinden - deshalb die Beschäftigung mit dieser Frage auf der politischen Ebene. Auf der anderen Seite muss die Landesregierung aufgefordert werden, diese einmalige Chance zu ergreifen, um nicht nur Arbeitsplätze zu sichern, sondern auch die konkreten Möglichkeiten aufzugreifen, die mittelständische Zulieferindustrie nicht nur zu sichern, sondern Hunderte, wenn nicht Tausende neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Ein konkretes Beispiel: In der letzten Woche haben über 80 brandenburgische mittelständische Zulieferfirmen ihre Leistungen den Firmen Bombardier und Vossloh präsentiert. Es ist zu ersten Kooperationen gekommen. Insofern denken wir, dass bei allen Schwierigkeiten, die von den Beteiligten gesehen werden, die einmalige Chance besteht, in diesem politischen Prozess dafür zu sorgen, dass das Land Brandenburg und die Wirtschaft des Landes an diesem Prozess partizipieren.
Insofern bitte ich Sie, auch wenn es in der Sache sicherlich Streitpunkte gibt, in Brandenburg den Fokus wieder auf dieses breite Thema zu lenken. Wir haben die Landesregierung auch eindeutig aufgefordert, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Das Thema europäische Eisenbahnagentur zeigt deutlich, dass wir unsere Interessen vielleicht stärker wahrnehmen müs
Ich danke dem Abgeordneten Ehler und gebe der Fraktion der DVU das Wort. Frau Abgeordnete Hesselbarth, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktionen von SPD und CDU enthält acht Punkte, deren inhaltliche Intention auch von den Abgeordneten meiner Fraktion begrüßt wird, schließlich bekennt man sich darin zur Notwendigkeit einer effektuierten Infrastruktur. Das fordern wir als DVU-Fraktion im Interesse unserer heimischen Wirtschaft, seit wir in diesem Landtag vertreten sind.
Mit den vorliegenden Wünschen können wir hundertprozentig mitgehen, jedoch - darauf warten Sie jetzt schließlich - bleibt ein großes Aber. Ich frage mich, was der vorliegende Antrag letztendlich bewirken kann, enthält er doch nur eine politische Wunschliste. Das drückt sich deutlich in den verwendeten Formulierungen aus. Ich lese da zum Beispiel dreimal: Der Landtag spricht sich aus... Des Weiteren lese ich: Der Landtag setzt sich ein, der Landtag bekräftigt... Und: Der Landtag erwartet...
Nur in den Punkten 7 und 8 des Antrags wird der jeweils zuständige Fachminister und damit die Landesregierung überhaupt zu einem bestimmten Handeln aufgefordert. Leider stellen aber auch diese Aufforderungen an die Landesregierung kein echtes politisches Handeln, keine Gestaltung im Sinne der Verbesserung wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen für die Schienenfahrzeugindustrie in unserer Region dar. Sie zielen, wie so oft, auf eine bloße Berichterstattung über nicht näher definierte Bemühungen des Landes ab.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von CDU und SPD! Der 6. Dezember ist längst vorüber und der heilige Nikolaus beschert nicht über das ganze Jahr. Genau darin unterscheiden wir uns als DVU-Abgeordnete von Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Sie die Regierungskoalition bilden.
Unsere Anträge erschöpfen sich nicht in hilflosen Worthülsen, Herr Dr. Ehler, sondern wir setzen auf ergebnisorientiertes Handeln; schließlich geht es hier nicht um irgendwelche strukturpolitischen Planungsleistungen, sondern um die Schaffung günstiger Bedingungen für eine bedeutsame Branche einer Schlüsselindustrie.
Dass Unternehmer anders denken und handeln als SPD-Politiker, zeigt nicht nur der Zustand, in dem sich das Unternehmen Brandenburg befindet, sondern auch der vorliegende Antrag. Erforderlich ist es, zuzupacken und politische Macht zu gebrauchen. Was unsere Regierungskoalition jedoch bestenfalls zustande bringt, ist eine Wunschliste an den Weihnachtsmann.
Nur wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schafft, können sich Industrie und Handwerk am Wirtschaftsstandort Brandenburg im internationalen und nationalen Wettbewerb behaupten. Dazu ist eine ausgezeichnete Infrastruktur auf der Straße, der Schiene und im Luftverkehr vonnöten, ebenso wie eine vorhandene Forschungs- und Wissenschaftslandschaft, die eng mit den Unternehmen kooperiert und den Bedarf an hochqualifizierten Arbeitsplätzen abdeckt.
Damit sind wir wieder beim Zielbahnhof, den es in Brandenburg dank Ihnen nicht gibt. Wenn Sie schon eine strukturpolitische Weichenstellung beantragen, müssten Sie eigentlich wissen, wohin der Zug fahren soll. Sie wissen es jedoch nicht und das ist das Problem.
Was ich in Ihrem Antrag noch vermisse, sind klare strukturpolitische Aussagen, auf welche Weise die infrastrukturrelevanten Unternehmen, zum Beispiel die Schienenfahrzeugbranche, die konkrete parlamentarische Unterstützung erhalten sollen, die notwendig ist, um die Wechselwirkungen zwischen dem räumlichen Kontext der Region Brandenburg und dem Beziehungsnetz von Wirtschaft und auch Wissenssystem zu verbessern. Mit diesem Positionspapier allein werden sie das nicht hinbekommen.
Wenn die Länder künftig zum Beispiel ein umfangreicheres Mitspracherecht bezüglich des Einsatzes von Bundesmitteln für die Bahninfrastruktur haben sollen, müssen Sie dies auch gegenüber dem Bund durchsetzen. Wieso beantragen Sie das nicht im Bundesrat, statt hier gegenseitig Wunschlisten auszutauschen?
Meine Prognose ist, dass hier wieder einmal viel geredet wird, am Ende jedoch nichts herauskommt. Deshalb, liebe Kollegen der Koalition, gilt auch hier die Hustenbonbon-These: Der Antrag bringt nicht viel, schadet aber auch nicht. Deshalb wollen wir ihm unsere Stimme nicht versagen. Wir werden aber mit eigenen Anträgen dem Ganzen künftig den nötigen Biss geben. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth, und gebe jetzt der Landesregierung das Wort. Herr Minister Szymanski, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat die Bahnreform unterstützt und sich insbesondere für die Regionalisierung des SPNV sowie für eine schrittweise Einführung des Wettbewerbs eingesetzt. Die durchgeführten Organisationsprivatisierungen der beiden früheren Staatsbahnen sowie die Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs haben sich bewährt, es muss jedoch realistisch eingeschätzt werden, dass nicht alle Ziele der Bahnreform erreicht werden konnten. So ist die angestrebte Verkehrsverlagerung auf die Schiene weitgehend ausgeblieben bzw. noch nicht dort, wo wir sie haben wollten; wie alle Redner darstellten.
Die Entwicklung der über Jahrzehnte vernachlässigten Schieneninfrastruktur kann trotz des erreichten Fortschritts bei wei
tem nicht zufrieden stellen. Aus diesem Grunde ist der Antrag zum jetzigen Zeitpunkt auch der richtige, will ich deutlich sagen, weil hier auch kritisiert worden ist, dass Wirkungen ausbleiben. Ich glaube, dass diese positiven Auswirkungen durch diesen Antrag möglich sind.
Im vom Land verantworteten Schienenpersonennahverkehr gibt es einen Schwerpunkt, der lautet: Wie schnell und wie komfortabel gelange ich ans Ziel? Um diese Standards zu verbessern, gibt es Forderungen, nämlich - erstens - nach einer intakten Infrastruktur mit mehr Mitspracherechten für das Land bei der Finanzierung von Investitionsmaßnahmen durch den Bund.
Zweitens brauchen wir gutes Wagenmaterial. Hier haben wir in den letzten Jahren Anschubfinanzierungen geleistet, die dazu beigetragen haben, dass insbesondere in der Bahnindustrie gearbeitet werden konnte. Es ist hier dargestellt worden, dass es natürlich auch darum geht, die Zulieferindustrie mit zu entwickeln. Diese Verbindung halte ich ebenfalls für wesentlich.
Drittens brauchen wir einen fairen Wettbewerb der Verkehrsunternehmen. In der Konkurrenz und nicht im Monopol lassen sich mehr Service, mehr Leistung, mehr Angebot entwickeln.
Wir brauchen viertens ein gutes Qualitätsmanagement, um die Leistungen überprüfbar zu machen. Ziele und Wege für Brandenburg zeigt das von unserem Haus im letzten Jahr erarbeitete Bahnkonzept 2009 auf. Hierin ist klar und deutlich formuliert, was wir bis dahin erreichen wollen, nämlich - kurz zusammengefasst -: Mehr Leistung, mehr Service für weniger Geld.
Der Antrag der Fraktionen der Regierungskoalition entspricht also den Schwerpunkten unserer Eisenbahnpolitik. Wir werden unsererseits die weitere Umsetzung der Bahnreform unter Beachtung der Ergebnisse der Task Force „Zukunft der Schiene“ aus dem Jahr 2001 einfordern. Die Unabhängigkeit der DB Netz AG von der DB Holding und die Bildung einer TrassenAgentur beim Eisenbahn-Bundesamt sowie die Suche nach neuen Modellen für die regionale Schieneninfrastruktur finden unsere volle Unterstützung.
Der Antrag spricht sich für die Stärkung der Kompetenzen des Landes beim weiteren Ausbau der Schieneninfrastruktur aus. Auch bisher bestehen solche Mitwirkungsmöglichkeiten, sind aber noch zu beschränkt. Wir wollen die Mitwirkungsmöglichkeiten erweitern. Dazu bedarf es Verhandlungen, die natürlich im engen Zusammenwirken mit anderen Bundesländern stattfinden müssen. Hierzu müssen auch Mehrheiten geschaffen werden. Ich werde das auch im Rahmen der Verkehrsministerkonfenz nachdrücklich thematisieren und mich dafür einsetzen.
Mit dem Deutsche-Bahn-Gründungsgesetz wurde der Forderung der neuen Bundesländer nach Abbau des investiven Nachholbedarfs im Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn entsprochen. Da das ursprüngliche Ziel - Abbau der investiven Altlast bis 2002 - nicht erreicht wurde, haben die Länder mit dem Bund in der Gemeinsamen Erklärung vereinbart, die Mittel dafür auch nach 2002 einsetzen zu können. Wir werden die jährliche Information des Ausschusses darüber natürlich gewährleisten.
Schließlich ist nur folgerichtig, dass mit diesem Antrag, der sich auf Weichenstellungen in der Bahnpolitik bezieht, auch
die Verbindung zu industriepolitischen Zielen hergestellt und die Entwicklung der für Brandenburg sehr wichtigen Schienenfahrzeugindustrie entsprechend unterstützt wird. Das Ministerium für Wirtschaft wird in den kommenden Monaten das Impulsprogramm zur Stärkung von Branchenkompetenz in den Regionen Brandenburgs in Kraft setzen. Ziel des Programms ist es, die Vernetzung Brandenburger Unternehmen zu unterstützen. Es geht also um neue Produkte, Verfahren und Märkte.
Zusammenfassend kann ich feststellen: Der vorliegende Antrag ist ein konstruktiver Beitrag zur Weiterführung der Bahnreform in Übereinstimmung mit unseren Landesinteressen zur Stärkung eines umweltfreundlichen, leistungsfähigen Schienenverkehrs im Lande Brandenburg. - Herzlichen Dank.
Ich danke Ihnen, Herr Minister Szymanski. - Wir sind am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung.
Zur Abstimmung liegt Ihnen der Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU, Drucksache 3/6741 - Neudruck vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen worden.
Die Einbeziehung des Landtages Brandenburg in die Arbeiten der Föderalismuskommission von Bundestag und Bundesrat ist überfällig!
Die Fraktionen von SPD und CDU beantragen die Überweisung des Antrags - Drucksache 3/6943 - an den Hauptausschuss. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit haben Sie einstimmig so beschlossen.