Protokoll der Sitzung vom 03.03.2004

Wenn nur noch halb so viele Bundesländer gewollt werden, ergeben sich weitere Fragen. Vielleicht ersparen wir uns manche Diskussion über die Größe des Landtags Brandenburg und anderes. Die Fusion ist das nächste Thema.

Herr Ministerpräsident Platzeck empfängt die Föderalismuskommission zur Klausurtagung. Es wird die Botschaft verbreitet: Absage an den Wettbewerb unter den Ländern! Kein Wettbewerbsföderalismus gegen Ostdeutschland!

Richtig! Auch für unsere Fraktion ist das nachvollziehbar. Aber welche Alternative schlagen wir vor? Geht es um Solidarität

kontra Wettbewerb? Geht es um Solidarität und Wettbewerb? Geht es um Fragen des Standortwettbewerbs zwischen den Ländern, über die man reden muss? Ist vielleicht sogar etwas dran an den Überlegungen der Kollegen aus Hessen und Baden-Württemberg, die mehr Entscheidungsbefugnisse über die Gelder verlangen, die sie zur Angleichung der Lebensverhältnisse bereitstellen? Dort scheint man den Eindruck zu haben, dass beispielsweise wir in Brandenburg zu viel Geld von dem, was wir erhalten - eben auch aus Baden-Württemberg und aus Hessen -, nicht effizient einsetzen. Sie sind traurig darüber, dass sie etwas hergeben, was dem Aufbau Ost dienen soll, aber dann im Lausitzring, der Chipfabrik, dem Flughafen und anderen Projekten versickert. Ist es angesichts dessen nicht notwendig, dass wir hier darüber reden?

Nun finde ich: Es ist eine kluge Entscheidung. SPD und CDU haben Vertrauen in den Ministerpräsidenten und verzichten auf die Diskussion. Sie müssen allerdings Verständnis dafür haben, dass es bei uns nicht um das Maß an Vertrauen geht. Bei uns geht es vielmehr um das Maß an Verzichtserklärung, weil wir unserer Meinung nach in einem Landtag sitzen, in dem wir möglicherweise darüber reden müssen, welche Gesetzgebungszuständigkeiten wir in unserem Land eigentlich noch haben werden, wenn die Kommission ihre Arbeit beendet hat. Möglicherweise ist dann gar nichts mehr zu entscheiden, weil Festlegungen getroffen worden sind - der Ministerpräsident schlägt so etwas ja vor -, nämlich dahin gehend, dass die Steuerpolitik, die Finanzpolitik usw. in einem bedeutend höheren Maße durch die Bundesregierung, durch den Bundestag zu steuern sind, die Kompetenz dafür dort liegen soll. Anderes wird vielleicht in die Hand der Europäischen Union gelegt. Na prima! Vielleicht kommen wir dann eines Tages zu der Auffassung, dass wir nicht nur Kommunen zusammenlegen und größere Kreise bilden können, sondern dass wir auch viel größere Länder schaffen können, dass wir möglicherweise sogar darüber nachdenken können, ob wir überhaupt noch einen Landtag brauchen, weil wir dann ja gar keine Kompetenzen mehr haben werden.

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrags!

Zumindest melden wir uns dann vielleicht nicht zu Wort, wenn es darum geht, Kompetenzen zur Mitwirkung einzufordern.

Insofern haben wir einfach die Bitte - das ist mein letzter Satz, Herr Präsident -, uns einzubeziehen, und zwar in Information und Diskussion; denn wir sind genau wie Sie und die anderen hier mit verantwortlich für die notwendige Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die Koalitionsfraktionen. Für sie spricht der Abgeordnete Fritsch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin etwas erstaunt darüber, dass Herr Vietze meint, wir könnten in den parlamentarischen Gremien nicht über Föderalismusreform diskutieren, wenn wir dafür nicht eine Ermächtigung durch einen Landtagsbeschluss hätten.

(Zurufe von der PDS)

Der Hauptausschuss hat sich mit diesem Thema bereits mehrfach beschäftigt. Meiner Meinung nach ist der Hauptausschuss Manns genug, seinen Bedarf an Informationen von Fall zu Fall neu einzufordern. Meine ganz praktische Erfahrung ist, dass die Landesregierung solche Informationen jedesmal auch relativ willig geliefert hat.

(Unruhe bei der PDS)

Insofern bedarf es einer Ermächtigung der genannten Art nicht.

Trotzdem ist der Prozess hier interessant; denn es gibt dafür mehrere Wurzeln und Ursachen. Ich erinnere an die Konferenz der Landtage in Lübeck, die durch die Präsidenten der Landtage initiiert wurde und an der alle Fraktionsvorsitzenden teilgenommen haben, sowie an die Runden, die die Ministerpräsidenten gedreht haben, und an die Einsetzung der Kommission. Das macht deutlich, dass offensichtlich einiges neu zu regeln ist, und zwar vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Auftrags der Bundesregierung, für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland zu sorgen. Natürlich spielen hierbei Fragen eine Rolle wie Zuständigkeit für die Steuererhebung oder Vollzug der Steuererhebung durch die Finanzämter; denn wenn es hierbei ein ungleiches Maß gibt, dann entstehen Ungerechtigkeiten.

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Fördermittelverteilung, sind die Finanzbeziehungen zwischen den Bundesländern. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff Wettbewerbsföderalismus oder eben nicht Wettbewerbsföderalismus einzuordnen. Wer über Jahre und Jahrzehnte aus den Bundestöpfen kräftig geschöpft hat und heute in einer guten Situation ist, kann sich als Geberland nicht von denen abschotten, die heute noch Mittel brauchen und zu denen zum Beispiel wir gehören.

Was wir ablehnen, ist, die Forderungen im Detail zu diskutieren. Die großen Züge kennen wir. Die betreffenden Themen hat der Ministerpräsident auch öffentlich gemacht. Aber die Einzelverhandlungspositionen kann man eben nicht über das Parlament festlegen; denn das ist keine Shoppingveranstaltung, zu der man mit einer Liste geht und zu der das Parlament vielleicht sagt: Bring uns doch noch mal drei Stück Gesetzgebungskompetenz und 10 kg Fördermittel mit. Vielmehr wird dort im Detail über ein Geben und Nehmen verhandelt. Ich will jetzt keine sehr flapsigen Vergleiche ziehen; jedenfalls wird da sehr intensiv verhandelt. Es werden Pakete auf- und zugeschnürt mit dem Ziel, die eigenen Interessen möglichst gut zu vertreten.

Übrigens haben wir ja die Möglichkeit, die öffentlichen Unterlagen aus den Debatten im Internet einzusehen. Die Staatskanzlei bzw. Herr Speer hat mir neulich noch einmal die Internetadresse genannt. Auf diesem Wege können Sie das bekommen. Dafür brauchen wir also keinen neuen bürokratischen

Mechanismus einzuführen, in dem viel Papier gedruckt und verteilt wird.

Deshalb hat der Hauptausschuss in seiner Sitzung dem Plenum empfohlen, der Vorlage nicht zuzustimmen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die DVU-Fraktion spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schön, dass wir heute über eine PDS-Marotte zum letzten Mal diskutieren.

(Beifall bei der DVU - Zuruf von der PDS: Ja, weil Sie nicht mehr gewählt werden!)

- Warten wir einmal ab, wer von uns beiden nicht mehr gewählt wird. Das habe ich schon einmal gesagt und hatte Recht damit.

Darüber, worum es bei der Föderalismuskommission und einer sinnvollen Einbeziehung des Landesgesetzgebers geht, hat sich der Landtag mittlerweile mehrfach sowohl im Plenum als nunmehr auch im Hauptausschuss zu befassen gehabt. Ich habe die Qualität des PDS-Antrags - Drucksache 3/6943 - mehrmals ausführlich kommentiert. Deswegen möchte ich heute ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen von Herrn Rainer Speer, dem Chef der Staatskanzlei, zur Arbeit der Föderalismuskommission machen, die in Parlamentarier- und Staatsrechtlerkreisen mittlerweile unter dem putzigen Spitznamen „Combo“ bekannt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der PDS, Herr Speer hat Ihnen mit seinen Ausführungen in der 65. Sitzung des Hauptausschusses eindeutig und kompromisslos dargelegt, weshalb er den Teufel tun wird, in irgendeiner Weise Anstalten zu treffen, dass sich das Land Brandenburg aktiv, geschweige denn konstruktiv in irgendeiner Form in die Arbeit der Kommission einbringt. Hierbei geht es nämlich um nichts anderes als um Geld, um Geld anderer - wirtschaftsstarker - Bundesländer, von dem unsere Landesregierung hier alles finanziert, weil Brandenburg aufgrund der eigenen unprofessionellen Landespolitik nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft zu existieren. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren von der PDS. Es geht also nicht um die Verbesserung der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland.

Außer dem formalen Hinweis, dass unter der Leitung von Herrn Stoiber und Herrn Müntefering zwei Arbeitsgruppen zu den Bereichen Kompetenzabgrenzung und Finanzen gebildet wurden, konnte Herr Speer nichts weiter sagen, als dass derzeit keine Ergebnisse im Hinblick auf die Kommissionsarbeit absehbar sind. Begründet hat er dies namentlich mit einem erkennbaren Dissens zwischen Geber- und Nehmerländern im Bereich der Mischfinanzierung und im Hinblick auf die Finanz- und Kompetenzzuordnung.

Die Landesregierung zieht quasi den Schwanz ein, weil sie sich ihrer Situation als Bettler gegenüber gesunden Landeshaushal

ten bewusst ist und sich letztlich damit abgefunden hat, was bedauerlich ist. Aber die Regierungspolitik ist da wenigstens um Grade ehrlicher als Sie von der ganz linken Ecke hier. Einerseits fordern Sie in der Begründung zu Ihren Anträgen ständig, dass den Länderparlamenten wieder mehr Kompetenz zugewiesen werden soll. Auf der anderen Seite - das ist die zwölfjährige Erfahrung der Brandenburgerinnen und Brandenburger mit der PDS - torpedieren Sie mit all Ihren haushalts- und wirtschaftspolitischen Aktivitäten, dass das Land Brandenburg überhaupt jemals in die Lage versetzt werden könnte, sich mit einer gesunden Wirtschaft, einer funktionierenden Infrastruktur sowie gebildeten und tüchtigen Menschen mit unternehmerischem Engagement quasi am eigenen Schopfe selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Ich erspare es mir deshalb, heute zum dritten Mal die Schwachstellen des föderalistischen Systems hinsichtlich der Steuergesetzgebung nach Artikel 105 und im Hinblick auf die Mischfinanzierung und Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91 a des Grundgesetzes zu kommentieren.

Die Probleme des so genannten Konsensföderalismus sind längst evaluiert. Dass wir, die DVU-Fraktion, ehrlich und konsequent für Föderalismus und Subsidiarität bis hinunter auf die unterste Ebene der Selbstverwaltung kämpfen, haben wir ebenfalls seit Beginn unserer parlamentarischen Tätigkeit mit verschiedenen Initiativen nachhaltig zum Ausdruck gebracht.

Der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses werden wir selbstverständlich zustimmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Da sich die CDU vom Koalitionspartner hat vertreten lassen und die Landesregierung verzichtet, sind wir am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung in Drucksache 3/7083 - Neudruck. Wer dieser Beschlussempfehlung folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung mehrheitlich gefolgt worden.

Ich begrüße mit Ihnen Gäste aus dem Spreewald, aus Lübbenau. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Nachbesserung bei der Gemeindefinanzreform

Antrag der Fraktion der PDS

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Herr Domres, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Schlagzeilen im Dezember 2003. Die Landesregierung hatte mitgeteilt, dass die gerade durch Vermittlungsausschuss, Bundestag und Bundesrat beschlossene Gemeindefinanzreform eine vernünftige Lösung sei. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung des MdF:

„Die Gemeindefinanzen werden sich schon 2004 trotz vorgezogener Steuerreform durch die sofortige Wirkung der Absenkung der Gewerbesteuerumlage nicht unwesentlich verbessern.“

So die Finanzministerin.

Aber auch das Arbeitsministerium ließ sich zu einer wahren Jubelarie hinreißen. Das Arbeitsministerium teilte mit:

„Der vom Vermittlungsausschuss gefundene Kompromiss zur Arbeitsmarktreform ist ein guter Schritt. Damit können wir in Deutschland ein gutes Stück vorankommen und dieser Schritt war überfällig.“

Der Minister führte weiter aus:

„Wir haben einen akzeptablen Mittelweg erreicht. Aber das Wahlsystem für die Kommunen ist kompliziert und muss jetzt praktikabel ausgestaltet und juristisch einwandfrei gestaltet werden. Jetzt geht es darum, dass die Besserstellung der Kommunen durch die Reformvorhaben zu kommunalen Investitionen führt, die in unseren Dörfern und Städten Arbeitsplätze schaffen.“

So der Arbeitsminister damals.

Aber auch die CDU wollte damals, im Dezember, nicht abseits stehen, als es darum ging, das Theater, das man den Menschen in dieser Republik vorgespielt hat, ins rechte Licht zu setzen. Der CDU-Landesvorsitzende und für die Kommunen zuständige Innenminister Jörg Schönbohm erklärte: