Protokoll der Sitzung vom 04.03.2004

Ich denke, diesbezüglich sollten wir erst einmal abwarten und sehen, was das nächste Jahr bringt. Von uns aus sowie seitens der Kommunen ist es fast nicht möglich, zu ermessen, wie groß das Einkommen sein wird, das man heranzieht, und wie groß sonstiges Vermögen sein wird, wie groß das Vermögen der Ehepartner usw. ist, um das jetzt schon ausrechnen zu können.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Wir beginnen mit Frau Dr. Enkelmann. Bitte.

Herr Minister, Abwarten ist keine Politik.

Meine erste Frage: Warum haben Sie im Bundesrat einem Gesetz zugestimmt, in dem das Arbeitslosengeld II für Bezieher in den neuen Ländern auf 331 Euro im Monat festgesetzt wurde, was für viele deutliche Einkommensverluste bedeutet?

Zweite Frage: Wie bewertet die Landesregierung die Lage derer, die künftig deutlich weniger Einkommen haben werden?

Dritte Frage: Sie haben vom Verlust der Kaufkraft gesprochen. Welche Auswirkungen wird das auf die Wirtschaftsentwicklung im Land Brandenburg haben?

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Frau Enkelmann, die zweite und dritte Frage hatten Sie sich

schon vorher aufgeschrieben und ich habe sie bereits beantwortet.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Aber nicht ausreichend!)

- Doch, ich denke schon. - Zum ersten Teil will ich Ihnen noch einmal deutlich sagen, dass das Ergebnis der Beratungen im Bundesrat ein Kompromiss gewesen ist. Es gab auch Bestrebungen dahin gehend - nicht aus dem Lager der Regierungskoalition und der sozialdemokratisch regierten Länder -, die Zumutbarkeitsgrenzen drastisch zu erweitern. Das ging durchaus dahin, dass gesagt wurde, wir sollten die Sozial- bzw. Arbeitslosenhilfeempfänger ohne zusätzliche Vergütung arbeiten lassen. Das war der Punkt. Es ging darum, einen großflächigen Niedriglohnbereich insbesondere für Ostdeutschland - da würde es genau treffen - einzurichten. Dagegen haben wir uns gewehrt, das konnten wir abwenden.

Andererseits habe ich eingeräumt, dass die Probleme, die sich bezüglich des Lebens auf Sozialhilfeniveau ergeben, sehr schwierig sind. Das kenne ich und weiß auch, dass es volkswirtschaftlich sehr zum Nachteil des Ostens gereichen wird. Auch darauf wies ich bereits hin. Es geht darum, dass nicht mehr genügend Kaufkraft vorhanden ist. Es werden auch Investitionen ausbleiben, wodurch natürlich mit Sicherheit damit zu rechnen ist, dass auf dem Arbeitsmarkt nicht so sehr viel passiert.

(Zurufe von der PDS)

Frau Kaiser-Nicht, bitte.

Herr Minister, das sage ich auch: Sie haben aber zugestimmt.

Erste Frage: Wie wird die Landesregierung die Landkreise und kreisfreien Städte bei der Umsetzung der Hartz-IV-Reform beraten?

Eine zweite Frage: Der Landrat von Märkisch-Oderland erwartet erhebliche Mehrkosten. In der Prignitz geht man von 4 bis 5 Millionen Euro Mehrkosten und in Potsdam von 10 Millionen Euro aus. Welche konkreten Mehrbelastungen erwartet die Landesregierung durch die Umsetzung von Hartz IV für die Kommunen? Gibt es dazu eine Übersicht?

Meine Bitte ist, hier keine Fragen zu stellen, die ich bereits beantwortet habe. Das Thema hatten wir wirklich schon.

Ich will hinsichtlich der ersten Frage noch Folgendes sagen: Nach meiner Kenntnis sind die Landkreise inzwischen - auch aufgrund der Erkenntnis, dass sie womöglich bei dem ganzen Geschäft zuzahlen - in gewissem Sinne „auf Krawall gebürstet“. Das heißt, sie werden von dem Optionsmodell, falls es für sie halbwegs erträglich ist, Gebrauch machen. Sie würden also im nächsten Jahr einsteigen, die Vermittlung und Betreuung Langzeitarbeitsloser selbst in die Hand nehmen und nicht nur in die Arbeitsgemeinschaft mit den Arbeitsämtern eintreten. Dies kann ich jetzt nicht in Zahlen ausdrücken.

Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir eine Reihe von Landkreisen angeschrieben haben, die sich bereit erklärten, an einer Umfrage teilzunehmen. Wir haben von diesen Landkreisen Zahlen hinsichtlich ihrer Belastung im nächsten Jahr abgefragt. Ich weiß nicht, ob wir das Ergebnis bereits kennen. Die Zahlen, die uns aus diesen Landkreisen dazu vorlagen, waren uns zu ungenau. Das hat man nun hinsichtlich der einzelnen Kostenstellen detailliert abgefragt.

Was die Prignitz angeht, so kann ich mich zum Beispiel bei der Grundsicherung an die Zahl 800 000 Euro erinnern. Herr Domres weiß es sicherlich auch noch. Wir sind heute bei einer tatsächlichen Belastung in Höhe von 250 000 Euro.

Ich will noch einmal deutlich mahnen: Vorsicht mit solchen Zahlen! Was an Abfrage machbar war, haben wir getan. Wir wollen keinesfalls nur abwarten, sondern werden das, was machbar ist, jetzt eruieren, um es für entsprechende Verhandlungen hinsichtlich des Optionsgesetzes, wenn wir mit dem Bund über die näheren Auswirkungen verhandeln werden müssen, in der Hand zu haben.

Herr Domres, bitte.

Herr Minister, Zielstellung war die Entlastung der Kommunen bei der Gemeindefinanzreform. Aber ich habe eine Nachfrage. Das Land Brandenburg wird 190 Millionen Euro zum Ausgleich von Sonderlasten bekommen. Wie werden diese 190 Millionen Euro an die Kommunen verteilt - 1 : 1 oder gibt es einen Abzug? Das Land spart 90 Millionen Euro beim Wohngeld. Werden diese 90 Millionen Euro den Kommunen als Belastungsausgleich zur Verfügung gestellt?

Die zweite Frage kann ich noch nicht beantworten. Bezüglich der ersten Frage kann ich aber mit Sicherheit sagen, dass das Land keine klebrigen Finger haben wird. Das heißt, die 190 Millionen Euro werden an die Kommunen durchgereicht. Darüber sind wir uns im Kabinett einig. Der Schlüssel wird sich an der Quote der Sozialhilfeempfänger sowie der Quote der Langzeitarbeitslosen orientieren. Die 150 000 Arbeitslosenhilfeempfänger müssen wir natürlich mit hineinnehmen. Wir müssen einen Berechnungsschlüssel finden.

Danke sehr. - Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich schließe Tagesordnungspunkt 1.

Begrüßen Sie mit mir Azubis der Sparkasse Barnim. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Sicherer Verbraucherschutz im Land Brandenburg

Antrag der Fraktion der SPD

Das Wort geht an den Vertreter der beantragenden Fraktion. Herr Abgeordneter Gemmel, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Aktuellen Stunden im Landtag sollen in der Regel aktuelle, akute Themen aufgegriffen werden. Das von der SPD-Fraktion heute vorgeschlagene Thema „Sicherer Verbraucherschutz im Land Brandenburg“ brennt sicherlich nicht akut auf den Nägeln, wenn man von den durch die Medien gehenden aktuellen Machenschaften beim In-Verkehr-Bringen von überlagerten Lebensmitteln absieht. Dennoch sollten wir uns in diesem Hause darüber einig sein, dass es richtig und gut ist, die Situation des Verbraucherschutzes heute hier zu beleuchten - wir haben das noch nicht sehr oft in dieser Legislaturperiode getan -, und zwar in seiner ganzen Breite.

Es geht bei dem zu behandelnden Thema nicht nur um gesundheitlichen Verbraucherschutz. Ich werde in meinem Beitrag auf den Verbraucherschutz als eine der klassischen politischen Querschnittsaufgaben insgesamt eingehen.

Seit der Umbenennung des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wird der Slogan proklamiert: Vorbeugender Schutz des Verbrauchers hat Priorität vor wirtschaftlichen Interessen.

Diese von Frau Künast definierte politische Zielstellung war und ist aus Sicht vieler Lobbyisten und auch der Wirtschaft außerordentlich problematisch, hat aber im Problembewusstsein vieler Politiker eine Menge bewegt.

Auch Brandenburg ist im Verbraucherschutz ein gutes Stück vorangekommen, dennoch gibt es einige aktuelle Probleme. Ich will diese kurz grob benennen. Es sind erstens Finanzierungsschwierigkeiten bei der Sicherung einer unabhängigen Verbraucherinformation und Verbraucherberatung, die in Brandenburg bekanntermaßen im Wesentlichen über die Verbraucherzentrale Brandenburg organisiert ist.

Zweitens ist es der immer währende Konflikt zwischen Verbraucherschutz und Wirtschaftsinteressen. In diesem Zusammenhang nenne ich nur die Diskussion über Normen und Standards.

Drittens ist es die Ausgestaltung einer auf die Belange der Verbraucher abgestimmten Modernisierung der Gesellschaft. Die ist nun mit Sicherheit ziemlich aktuell, weil sie mit sehr schmerzlichen Auswirkungen auf die Menschen verbunden ist.

Viertens nenne ich die Herausforderungen der Globalisierung der Wirtschaft und des Waren- und Dienstleistungsverkehrs sowie Nachhaltigkeit und den Ressourcenschutz als große Zukunftsaufgaben.

Bevor ich zu den genannten Problemfeldern im Einzelnen komme, möchte ich etwas Grundsätzliches sagen. Ein wesentlicher Schlüssel für gesellschaftlichen Wohlstand und für soziale Gerechtigkeit ist eine erfolgreiche Wirtschaft. Dabei hat ei

ne umfassende Verbraucherinformation besonderen Einfluss auf eine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Ich gehe noch weiter und sage, aktiver Verbraucherschutz ist gleichzeitig auch aktive Wirtschaftsförderung. Dabei kommt der Politik die Aufgabe zu, den Rahmen für Transparenz und Verbrauchervertrauen zu setzen und dies zu organisieren.

Der Politik wird aber oft unterstellt, dass sie die Interessen der Verbraucher über die der Wirtschaft stellt. Das ist absolut unsinnig und völlig überzogen. Im Wesentlichen geht es doch darum, die Bürger und die ehrlich arbeitenden Betriebe vor Betrügereien zu schützen. Deshalb muss scharf kontrolliert werden. Nach meiner festen Überzeugung sollte dann, wenn es notwendig ist, auch sehr hart bestraft werden. Unrecht darf sich nicht lohnen.

Positiv sollte aber auch zur Kenntnis genommen werden, dass man dank intensiver Kontrollen heute offensichtlich zunehmend auch die schwarzen Schafe entdeckt.

Wir brauchen aber nicht nur scharfe Kontrollen, sondern auch aufgeklärte, gut informierte Bürger. Nur so können die Mechanismen des Marktes auch tatsächlich wirken. Dennoch: Nach dem Motto „Geiz ist geil“ waren sicherlich auch wir hier alle schon auf Schnäppchenjagd.

(Zuruf von der PDS)

Der Ramsch liegt dann zu Hause. - Sie vielleicht nicht, aber ich habe das auf alle Fälle schon getan. Ich oute mich in diesem Punkt gern. Ich bekomme dann in der Regel auch Ärger zu Hause.

Aber was viel schlimmer ist: Geiz ist nicht nur geil, sondern ist mitunter auch ziemlich teuer, und zwar immer dann, wenn es um langlebige Wirtschaftsgüter geht. Gerade bei Haushaltsgeräten merkt man das dann später, wenn sie nicht mehr repariert werden können.

Wie gesagt, der aufgeklärte Verbraucher tut so etwas nicht.

Fakt ist: Eine Beratung der Verbraucher auf hohem Niveau möglichst auch im persönlichen Gespräch - hilft der Wirtschaft; sie sorgt dafür, dass qualitativ gute Produkte ihren Absatz finden, und sichert somit hochwertige Arbeitsplätze auch in Brandenburg. Eines ist nämlich auch klar: Mit billigem Ramsch werden unsere Betriebe auf dem Weltmarkt auf Dauer nicht bestehen können.