Meine Damen und Herren von der Landesregierung, Sie müssen wieder an die Grundprobleme herangehen. An unbequemen Entscheidungen kommen auch Sie nicht vorbei.
Die Landesregierung begründete einst die Neuregelung der Zuständigkeit für Verbraucherschutz unter anderem als Folge der BSE-Krise. Es sollte durch die Bündelung der Kompetenzen im Verbraucherschutz der umfassende Schutz der Verbraucher insbesondere im gesundheitlichen Verbraucherschutz und der Tierseuchenbekämpfung, sichergestellt werden. Das Ergebnis kennen wir alle.
Meine Damen und Herren, meine Zeit reicht leider nicht aus. Große Reden in Sachen Verbraucherschutz sind nicht mehr gefragt. Da helfen uns auch keine populistischen Anträge der SPD-Fraktion zur Aktuellen Stunde, sehr wohl aber unser verantwortungsvolles Handeln und unsere Verantwortung. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Claus. Ich gebe das Wort der Landesregierung. Herr Minister Birthler, bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der gesundheitliche Verbraucherschutz ist ein hohes gesellschaftliches Gut. Die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung dafür bewusst. Sie sorgt für ein dichtes und effizientes Netz der Lebensmittelkontrolle, ohne die Produzenten und Händler aus ihrer Pflicht zu entlassen; denn erst einmal obliegt ihnen die Einhaltung und Kontrolle lebensmittelrechtlicher Bestimmungen. Unabhängig davon überprüft die amtliche Lebensmittelüberwachung des Landes Brandenburg stichprobenartig die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Produkte. Durch das duale System von Eigenkontrolle und staatlicher Überwachung im Sinne einer Kontrolle der Kontrolle wird seit Jahren sichergestellt, dass der Verbraucher beim Verzehr von Lebensmitteln keine Bedenken zu haben braucht.
Die Politik steht dabei oftmals vor dem Dilemma, dass einerseits die Lebensmittel noch nie so gründlich untersucht wurden wie derzeit, aber gleichzeitig die Verunsicherung der Verbraucher durch die in den Medien inflationär als Skandal bezeichneten Ereignisse zunimmt.
Hier möchte ich klarstellen: Die in Brandenburg verkauften Lebensmittel sind grundsätzlich sicher. Die Aufregung um festgestellte Verstöße gegen das Lebensmittelrecht steht in keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen Risiko.
Darum kann ich an die Medien nur appellieren: Recherchieren Sie gründlich und wahren Sie die Maßstäbe!
Mein Haus verfolgt in der Verbraucherschutzpolitik einen Kontrollanspruch, der den gesamten Prozess der Lebensmittelherstellung umfasst. Das bedeutet Transparenz und Kontrolle vom Erzeuger bis zum Verbraucher, also Sicherheit vom Feld oder Stall bis zur Ladentheke.
Ständig wachsen aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben die gesetzlich vorgegebenen Aufgaben im gesundheitlichen Verbraucherschutz und insbesondere in der Lebensmittelüberwachung an. Aber nicht nur um diesen Erfordernissen, sondern auch um Anforderungen nach Bündelung der knapper werdenden Ressourcen gerecht zu werden, haben wir dafür neue, effiziente Verwaltungsstrukturen geschaffen.
Bereits im März 2001 wurde in meinem Haus die Abteilung Verbraucherschutz eingerichtet, in der die wesentlichen Aufgaben und Zuständigkeiten in den Bereichen der Verbraucherinformation und -beratung, der Lebensmittel- und Futterüberwachung, des Veterinärwesens, der Gentechnik sowie des Strahlenschutzes gebündelt sind.
Einen weiteren Schritt zu einer effektiven Organisation des Verbraucherschutzes im Land stellt die Gründung des Landesamtes für Verbraucherschutz und Landwirtschaft mit Sitz in Frankfurt (Oder) am 1. Januar 2002 dar. Beide Maßnahmen haben sich bewährt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sich nicht nur am Mitteilungsblatt seines Heimatvereines orientiert, sondern die Tagespresse gründlich studiert, der wird die Aktualität dieses Themas heute durchaus erkennen können.
Die im Land Brandenburg für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden sind die 18 Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter der Landkreise und kreisfreien Städte, in denen größtenteils Lebensmittelkontrolleure, aber auch Tierärzte, Lebensmittelchemiker und Technologen beschäftigt werden.
Im vergangenen Jahr wurden durch die 135 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Ämter nahezu 27 000 Betriebe und Einrichtungen der Lebensmittelwirtschaft, vom Imbissstand über die verschiedenen Lebensmittelmärkte bis zu großen, für den EU-weiten Handelsverkehr zugelassenen Betrieben, sehr gewissenhaft kontrolliert. Das sind im Durchschnitt pro Tag etwa zwei bis fünf Kontrollen. Es ist mir an dieser Stelle nicht nur eine Pflicht, sondern ein Bedürfnis, diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre engagierte, oftmals unter schwierigen Begleitumständen ablaufende Arbeit zu danken.
Im Rahmen der Kontrollen sind fast 15 000 Proben entnommen worden. Bei weniger als 1 % dieser Proben wurden Verstöße festgestellt. Die Entscheidung, welche Betriebe bzw. Einrichtungen aufgesucht werden und worauf kontrolliert wird, leitet sich aus bundeseinheitlichen Vorgaben, aber auch aus bisherigen Kontrollergebnissen im Land Brandenburg ab. Auf besondere Vorkommnisse wie Bürgerbeschwerden wird unmittelbar reagiert.
Tabakwaren, Bedarfsgegenständen, Kosmetika und Futtermitteln in dem zum 1. Januar dieses Jahres neu gegründeten Landeslabor Brandenburg untersucht. Hier werden neben rein klassisch analytischen Aufgaben auch risikoorientierte Beurteilungen vorgenommen.
Mit der Einrichtung dieses Landeslabors verfolgen wir eine klare Zielstellung, nämlich die, eine Absenkung des Zuschussbetrages und damit eine Entlastung des Landeshaushaltes zu erreichen. Dafür wurden sämtliche Untersuchungsaufgaben im Bereich des Verbraucherschutzes gebündelt, um diese möglichst effizient und effektiv durchzuführen. Für diese Bündelung bedurfte es weder zusätzlicher personeller Ressourcen noch sächlicher Kapazitäten. Mit dem vorhandenen Personal und der existierenden labortechnischen Infrastruktur werden gegenwärtig alle Untersuchungsaufgaben auf bestem fachlichen Niveau erfüllt.
Die Umweltorganisation Greenpeace hat in einer im vergangenen Jahre veröffentlichten Studie mit dem Titel „Pestizide außer Kontrolle“ die Lebensmittelüberwachung in allen Bundesländern sehr kritisch, aber auch unterschiedlich bewertet. Bei einem Vergleich der Bundesländer liegt die Effizienz der Lebensmittelüberwachung im Land Brandenburg über dem Bundesdurchschnitt. Dennoch haben wir die Studie zum Anlass genommen, eventuelle Schwachstellen aufzudecken und notwendige Änderungen einzuleiten. Durch die GreenpeaceStudie wird beispielsweise zu Recht als Mangel aufgezeigt, dass die Untersuchungen oft zu viel Zeit beanspruchen, was ein Reagieren in den Überwachungsämtern erschwert. Die aus meiner Sicht auch für Brandenburg notwendige Verkürzung der Untersuchungszeiten ist eine Herausforderung, der sich das Landeslabor selbstverständlich stellt.
Schwerpunkte in der vielfältigen Überwachungsaufgabe waren im Jahr 2003 die Aufklärung von nicht durchgeführten BSETests bei geschlachteten Rindern sowie die Ursachenermittlung für die Belastung von Futtermitteln mit Dioxinen. Im Rahmen der BSE-Diagnostik wurden in Brandenburg im vergangenen Jahr ca. 39 000 Rinder untersucht; alle mit negativem Ergebnis.
Im Rahmen eines bundesweiten Datenabgleichs zwischen geschlachteten und getesteten Tieren haben sich Unstimmigkeiten ergeben. Aufgrund einer eigenen Schwachstellenanalyse kann auch für das Land Brandenburg nicht ausgeschlossen werden, dass ca. 100 Rinder ohne BSE-Test geblieben sind. Zwar muss man das Risiko, dass eines der nicht getesteten Rinder an BSE erkrankt war, im Verhältnis zu fast 40 000 negativ getesteten Tieren als sehr gering beurteilen. Trotzdem hat sich damit eine empfindliche Lücke im Rahmen der Überwachung gezeigt, der mein Ministerium im Rahmen der Fachaufsicht gegenüber den Landkreisen und kreisfreien Städten offensiv begegnet ist.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eindeutig feststellen: Gegen kriminelle Energie gibt es kein Erfolg versprechendes Mittel. Es ist in einem Flächenland wie Brandenburg unmöglich, Schwarzschlachtungen, die hinter dem Rücken der Überwachungsbehörde stattfinden, völlig auszuschließen. Aber wir werden, wo immer so etwas auftritt, entschieden dagegen vorgehen.
Die Vorgänge um Dioxinbelastungen von Lebens- und Futtermitteln, aber auch Meldungen von Nitrofen-Rückständen im
Getreide, nicht durchgeführten BSE-Tests, Schwarzschlachtungen sowie Rückstandsbelastungen von Obst und Gemüse verunsichern den Verbraucher und stellen leider auch oft die Wirksamkeit der Überwachung infrage. Ich bin aber davon überzeugt, dass gerade die Aufdeckung von einzelnen Missständen ein Beweis dafür ist, dass die unabhängige staatliche Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung gut funktioniert und unverzichtbar ist.
Neben der Eigenkontrolle ist eine gut funktionierende staatliche Kontrolle auch ein Standortvorteil für die Lebensmittelindustrie des Landes Brandenburg. Ich will mit zwei Zahlen verdeutlichen, welche Rolle dieser Industriezweig, der nicht immer im Mittelpunkt steht, für unser Land hat. In der Lebensmittelindustrie arbeiteten im Jahr 2002 knapp 11 000 Beschäftigte, die zu 16 % am Umsatz des gesamten verarbeitenden Gewerbes des Landes beteiligt sind. Dass die Lebensmittelverarbeitung eine Wachstumsbranche ist, steht für mich dabei außer Frage.
Neben den Kontrollen mit dem Ziel gesundheitlich unbedenklicher Nahrungsmittel nehmen wir auch die Verbraucherinformation und -beratung sehr ernst. Diese Aufgaben werden vornehmlich durch die Verbraucherzentrale Brandenburg e. V. wahrgenommen. Der Verein wird sowohl durch die Bundes- als auch durch die Landesregierung bezuschusst. Im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes werden durch mein Ressort jährlich Schwerpunkte im Bereich der Ernährungsberatung vorgegeben. Diese werden in Projekte festgeschrieben und von der gemeinnützigen und unabhängigen Verbraucherzentrale umgesetzt. Durch diese präventiven Maßnahmen sollen die Verbraucher dahin gehend sensibilisiert werden, auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu achten. Letztlich ist dies auch ein wichtiger Beitrag, um die Kosten im Gesundheitswesen zu senken.
Lassen Sie mich noch einmal betonen: Der gesundheitliche Verbraucherschutz besitzt für die Landesregierung einen hohen Stellenwert. Es ist und bleibt unser Ziel, eine den Markterfordernissen und Verbraucherinteressen entsprechende Lebensmittelüberwachung und Verbraucherinformation zu garantieren. Darauf haben die Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs einen Anspruch.
Ich wünsche mir, dass der Landtag mit seinen Entscheidungen dazu beiträgt, dass wir bei der Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelkontrolle das erreichte Niveau halten können. Produkte aus Brandenburg sollen weiterhin nicht nur schmackhaft, sondern auch gesundheitlich unbedenklich sein. - Vielen Dank.
Ich danke Ihnen, Herr Minister Birthler, und gebe das Wort noch einmal der Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Dr. Woidke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Claus! Sehr geehrter Herr Helm, es stellen sich die Fragen: Ist das Thema aktuell? Was ist
Vielleicht kann ich auch anders fragen: Ist es gerechtfertigt, über das Thema Verbraucherschutz immer nur im Zusammenhang mit desaströsen Vorgängen im Lande Brandenburg zu reden?
Wir alle wissen, dass es dann, wenn solche Dinge passiert sind, vor allem für eine Gruppe zu spät ist, und zwar für die Gruppe der Landwirte. Die Landwirte bezahlen den Preis für die Krisen und dieser Preis ist sehr hoch.
BSE, Nitrofen und Dioxin sind hierbei nur einige Stichworte. Die Skandale haben in Brandenburg einen hohen Preis gefordert, sie haben Geld gekostet, sie haben das Vertrauen der Verbraucher gekostet, und sie haben - das ist vielleicht am schlimmsten - Existenzen im ländlichen Raum Brandenburgs gekostet.
Kaum jemand hat wahrgenommen, dass in Brandenburg nicht eines der im vergangenen Jahr ca. 40 000 untersuchten Rinder BSE-positiv war. Auch kaum jemand hat bemerkt, dass ausgerechnet in Bayern in den vergangenen Jahren mit großem Abstand die meisten BSE-Fälle aufgetreten sind.
Wann und wie reagiert die Politik auf Krisen oder sollte sie sich mit permanenten Problemstellungen auch permanent beschäftigen? Es ist eine alte Weisheit: Was wir heute säen, werden wir morgen ernten. Dieser Spruch trifft auch auf Lebensmittel zu. Die Situation unserer Landwirte wird wesentlich davon bestimmt, wie viel Geld wir für ihre Produkte auszugeben bereit sind, oder andersherum gesagt: Ein Landwirt kann nur dann angemessen produzieren, wenn wir bereit sind, für seine qualitativ hochwertigen Produkte einen angemessenen Preis zu zahlen. Es geht einzig und allein darum, gute Arbeit auch in der Landwirtschaft entsprechend zu honorieren. Hohe Qualitätsstandards in der Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln sind nun einmal mit höheren Kosten für den Produzenten verbunden. Aber die so erzeugten Produkte sind ihren Preis im wahrsten Sinne des Wortes auch wert. Diese Produkte sind eben preiswert.
Es geht nicht darum, Sonderangebote oder Schnäppchen zu verbieten oder gar nur die teuersten Produkte zu kaufen. Aber die Deutschen geben im europäischen Maßstab am wenigsten für Lebensmittel aus, obwohl sie merkwürdigerweise europaweit mit Abstand die teuersten Küchen besitzen.
Das Land Brandenburg hat sehr viel Mühe und Geld in die Entwicklung von Direktvermarktungsstrukturen und auch in die Vermarktung Brandenburger Agrarprodukte investiert. Davon konnte sich auf der Grünen Woche in Berlin auch in diesem Jahr wieder jeder überzeugen. In großen Teilen Brandenburgs sind durch viele Investitionen bereits Voraussetzungen für regionale Kreisläufe geschaffen worden. Diese haben den großen Vorteil eines kurzen Weges vom Stall bis zur Ladentheke und einer sehr hohen Transparenz für den Endverbraucher. Um Erfolg zu haben, bedarf es aber auch einer sehr starken Kooperation der Erzeuger in der jeweiligen Region untereinander. Das
Regionale Marken und Produkte müssen entwickelt und dann auch konsequent vermarktet werden. Die 13 im Lande bestätigten LEADER+-Regionen bieten hierfür weiterhin beste Voraussetzungen. In diesen Regionen stehen zusätzliche Mittel der EU für die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Gastronomie, Wirtschaft, Tourismus und Landwirtschaft zur Verfügung. Einige Regionen sind diesen Zielen schon sehr nahe gekommen, beispielsweise der Wirtschaftsraum Spreewald. Andere wie die Region zwischen den Städten Spremberg und Forst, die LEADER+-Region Strittmatter Land, und auch die Prignitz stehen hier noch am Anfang, können aber auch schon heute nach relativ kurzer Arbeitszeit sehr gute Ergebnisse vorweisen.
Der Verbraucherschutz ist eine aktuelle Aufgabe, die sich jeden Tag stellt, und Verbraucherschutz wird nur über eine vernünftige landwirtschaftliche Produktion in Brandenburg zu realisieren sein. - Ich danke Ihnen.