Protokoll der Sitzung vom 31.03.2004

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Trotzdem sage ich: Schule ist zuallererst für die Schüler da.

(Zuruf von der PDS: Das stimmt!)

In der Schule müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die optimale Bildungs- und Erziehungsarbeit zulassen, und dies, Frau Große, gerade wegen PISA.

Was hätte die Entscheidung für die einzügige Schule bedeutet? Sie sagen: Sie ist tragbar. Ich sage: Sie ist nicht tragbar. Im berlinfernen Raum hätten wir nämlich anderenfalls Schulen mit drei oder vier fest angestellten Lehrern. Alle anderen Lehrer das ist in der Kommission errechnet worden - müssten wandern. Sie wären also Gastlehrer an diesen Schulen. Was das heißt, weiß ich auch aus eigener Erfahrung als Lehrerin. Man fühlt sich diesen Schulen nicht verbunden. Man geht dorthin, macht seinen Unterricht und geht wieder weg. Was soll das für

eine Bindung zwischen Schülern und Lehrern an diesen Schulen sein? Sie haben von Qualität gesprochen. Welcher Austausch über Qualitätsstandards soll denn zwischen drei oder vier Lehrern an diesen Schulen stattfinden?

(Frau Stobrawa [PDS]: Stellen Sie sich jetzt mit Absicht dumm?)

Natürlich gehen auch wenig Schüler in diese Schulen. Das heißt auch, dass diese Schüler wenig Austauschmöglichkeiten untereinander haben. Es ist ein enger Kreis. In diesen Schulen wird es über den Unterricht hinaus wenig oder auch keine weiteren Angebote geben. Das, Frau Große, bedeutet nicht, wie Sie hier zitiert haben, Wärme und Geborgenheit, sondern das heißt, dass die Kinder aus berlinfernen Gegenden unseres Landes keine Chancengleichheit mehr haben werden. Das werden wir nicht zulassen.

(Zuruf von der PDS: Das war ein Zitat des Bundespräsi- denten!)

- Er hat es aber nicht zu diesem Themenkomplex gesagt. Man kann es so auslegen, wie man es braucht. An dieser Stelle ist es, denke ich, falsch.

Schulen müssen, um entsprechende Angebote unterbreiten zu können, wenigstens zweizügig sein, und Gymnasien müssen das sage ich hier noch einmal - wenigstens dreizügig sein, um eine inhaltsreiche gymnasiale Oberstufe bilden zu können. Das bedeutet nun einmal weniger Schulstandorte und damit verbunden auch weitere Fahrwege.

Sie haben gesagt, es müsse umgedacht werden. Da gebe ich Ihnen Recht. Wir müssen umdenken,

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

aber meiner Meinung nach in eine andere Richtung.

(Frau Große [PDS]: Da sind wir jetzt aber gespannt!)

Wir müssen weg von der Schule, die Bildung und Erziehung am Vormittag anbietet, und wir müssen weg davon, dass Freizeit, dass das Nachgehen von Interessen, ob nun Sport, Kunst oder Musik, am Nachmittag stattfindet.

(Zurufe von der PDS)

Die Schule in Brandenburg muss in Zukunft beides verbinden. Das heißt: Sport, Kunst und Musik müssen auch am Standort der Schule stattfinden. Schule muss - in diese Richtung müssen wir denken - zum Lebensraum der Kinder werden.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der PDS)

Dafür sollen die materiellen Ressourcen genutzt werden, aber auch die Lehrerstunden. Sie sollen nicht für kleine Schulen genutzt werden, sondern wir müssen die Lehrerstunden einsetzen, um an den Schulen wirklich gute Angebote unterbreiten zu können. Zwischen Jugendhilfe, Sportvereinen, Musikschulen und Schulen müssen Netzwerke geschaffen werden.

(Zuruf von der PDS: Ohne Geld!)

Ganztagsangebote können die Antwort auf die Schulsituation in Brandenburg sein, wenn die Agierenden - Lehrer, Eltern, Schüler und die Partner von außen - Bildung und Erziehung als ganzheitliche Aufgabe begreifen. Dann machen auch lange Schulwege Sinn.

Die getroffene Regelung für Grundzentren, mit einer geringeren Anzahl von Schülern Klassen bilden zu können, ist richtig, um auch hier noch Angebote zu erhalten. Ich gebe Frau Große Recht, dass es für uns leichter wäre, diese Situation zu bewältigen, wenn wir die Schüler, die nicht das Gymnasium besuchen, nicht noch auf zwei unterschiedliche Schulformen verteilten, sondern wenn wenigstens diese Schüler gemeinsam eine Schule besuchen könnten.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Ob diese nun Sekundarschule oder anders heißt, ist mir in diesem Zusammenhang egal. In diesem Falle hätten wir es leichter, die Schulstruktur besser zu organisieren.

Ich fasse zusammen. Die Überschrift, die die PDS gewählt hat - „Schulsterben alternativlos“ - ist richtig.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Wir haben ein Fragezeichen dahinter gesetzt!)

Aber man kann damit unterschiedlich umgehen. Man kann es beklagen, wie dies Frau Große hier ausführlich getan hat, oder man kann positiv denken. Ich meine, wir sollten das Zweite tun; denn diese Situation bietet auch eine Chance, Schule anders zu denken, eine Chance, die Potenziale von Schule anders zu sehen, sie besser zu nutzen. Das, meine ich, ist eine gemeinsame Aufgabe, der wir uns hier gemeinsam stellen sollten. Aber es ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe, an diesem Umdenken teilzuhaben. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Siebke, und gebe das Wort der Fraktion der DVU. Frau Abgeordnete Fechner, bitte.

Schulsterben - alternativlos? Mit dieser Landesregierung ja!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem ist nach Ansicht des Bildungsministers ganz simpel. Es sind zu wenig Kinder da und deshalb werden die Schulen geschlossen; denn wo keine Kinder sind, braucht man auch keine Schulen. Wenn die Entwicklung so weitergeht, brauchen wir vielleicht auch bald kein Bildungsministerium mehr.

Seit langem ist die Problematik bekannt und getan hat sich bis heute nichts. Nachdem in der Vergangenheit etliche Grundschulen geschlossen wurden, sind nun zwangsläufig die weiterführenden Schulen dran. Es wurde oft im Plenum und auch in den Ausschusssitzungen darüber debattiert. Doch zum Handeln konnten sich die Koalitionsfraktionen nicht entschließen. Das hat natürlich besonders schlimme Auswirkungen für die berlinfernen Regionen. Schulstandorte werden geschlossen und Kinder müssen künftig noch längere Schulwege in Kauf

nehmen. Schulwege von 30, 40 km werden in Zukunft keine Seltenheit mehr darstellen. Frühzeitig werden unsere Kinder also mit der heutzutage geforderten Mobilität konfrontiert und nicht nur damit, sie werden auch gleich auf das wirkliche Leben vorbereitet.

(Zuruf des Abgeordneten Klein [SPD])

Das Wichtigste, was sie lernen: Geld bestimmt fast alles im Leben, sogar welche Bildung man bekommt; denn Bildung zum Nulltarif gibt es nicht mehr.

Jetzt werden auch noch die Eltern schulpflichtiger Kinder kräftig zur Kasse gebeten, weil sie die Fahrtkosten ihrer Kinder zur Schule mitfinanzieren müssen. Die Folge davon: In vielen Familien bestimmt inzwischen der Geldbeutel, welche Einrichtung ihr Kind besucht; denn um die Fahrtkosten zu sparen, werden einige Eltern ihre Kinder in die Schule schicken, deren Erreichbarkeit die wenigsten Kosten verursacht. Dann geht es eben ab auf die im Wohnort vorhandene Gesamtschule und nicht auf die 10 km entfernte Realschule.

Leider wird die Bildungspolitik, wie so viele andere Bereiche auch, vom Rotstift diktiert. Deswegen hat unsere Fraktion der Deutschen Volksunion „dank“ der katastrophalen Finanzpolitik dieser Landesregierung auch wenig Hoffnung auf Besserung.

Es werden weiterhin Schulen schließen müssen und die Schulwege unserer Kinder werden immer länger. Für alle möglichen ideologischen Kinkerlitzchen ist in der Schulpolitik Geld da, nur nicht dafür, unsere Kinder zur Schule zu transportieren.

(Beifall bei der DVU)

Auch die von einigen Parteien geforderte Einführung von Sekundarschulen wird die Situation auf Dauer nicht ändern; denn die Ursache der demographischen Entwicklung, die kinderund familienfeindliche Politik, wird damit nicht beseitigt. Es ist schade, dass diese Landesregierung, aber auch ihre Vorgängerinnen, den finanziellen Spielraum vernichtet haben, Spielraum, den man benötigt hätte, um selbst die aktuelle verfahrene Situation von einer Katastrophe in eine Chance zu verwandeln.

Leider nutzt man nicht die Möglichkeiten, die sich aus der traurigen und hausgemachten demographischen Entwicklung ergeben. Statt Lehrer zu entlassen und Schulen zu schließen, sollte man endlich die Möglichkeit nutzen, kleinere Klassen zu schaffen. Sicherlich gibt es wichtige fachliche Gründe, warum Schulen mindestens zwei Klassen je Klassenstufe mit jeweils mindestens 20 Schülern, in Ausnahmefällen 15, haben sollten. Aber gibt es nicht erheblich mehr pädagogische Gründe, die dafür sprechen, zeitweise noch kleinere Klassengrößen zuzulassen?

Selbstverständlich gibt es nach Auffassung unserer DVU-Fraktion Alternativen zu der gegenwärtig in Brandenburg anstehenden Schließung von Schulstandorten. Wenn in Deutschland bzw. Brandenburg eine Familienpolitik betrieben würde, in der Kinder kein Armutsrisiko mehr darstellten, wenn eine Finanzpolitik betrieben würde, bei der sich die Ausgaben an den Einnahmen orientierten, wenn eine Wirtschaftspolitik betrieben würde, die sich am langfristigen Wohlergehen der Vielzahl von kleinen und mittelständischen Betrieben orientierte, welche die große Mehrzahl der Arbeits- und Ausbildungsplätze stellen,

und wenn eine Bildungspolitik betrieben würde, in der die Parteiideologie keine Rolle mehr spielte, dann gäbe es Alternativen zum brandenburgischen Schulsterben.

Doch solange man die Ursachen nicht beseitigt und nur die Symptome behandelt, wird sich nach Ansicht unserer Fraktion der Deutschen Volksunion hier im Land leider nichts ändern. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner, und gebe das Wort der Fraktion der CDU. Frau Abgeordnete Hartfelder, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach meinen Vorrednerinnen muss ich nicht mehr auf die Faktenlage eingehen, die niedrigen Schülerzahlen erläutern und auf die Nichterrichtung von 7. Klassen - darum geht es heute eigentlich erst einmal - eingehen.

Hinzufügen will ich aber, dass es niemandem von uns leicht fällt, eine Schule, die vielerorts kulturelles und soziales Zentrum ist, zu schließen.

Ich bin dankbar dafür, dass die PDS in ihrem Antrag wenigstens erwähnt hat, dass die Regierungsfraktionen nicht auch noch für die demographische Entwicklung in unserem Land verantwortlich zu machen sind.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Zurufe von der PDS)