Protokoll der Sitzung vom 01.04.2004

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Sarrach, ich rate Ihnen, etwas mehr Realismus an den Tag zu legen und weniger zu übertreiben. Wenn alles das, was Sie mir über die Bedrängnis der Menschen gesagt haben, gestimmt hätte, dann wäre die CDU nicht die stärkste Partei bei den Kommunalwahlen geworden. Denn wir haben das verantwortet und durchgesetzt.

Von daher gesehen nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Die Menschen denken offensichtlich anders, als Sie sich das vorstellen. Ich würde weiterhin darum bitten, dass Sie nicht diejenigen beschimpfen, die nicht das machen, was Sie für richtig halten. Ich finde, das sollten die Bürger doch selbst entscheiden.

(Zustimmendes Klopfen und vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich versuche heute noch einmal, Ihnen die tragenden Gründe zu nennen und zu erklären, warum Sie Unrecht haben. Danach mache ich das dann in Zukunft nur noch in zwei Sätzen.

Die kommunalen Abstimmungsbehörden und damit die Ämter und amtsfreien Gemeinden haben die Volksbegehren nach den Bestimmungen des Volksabstimmungsgesetzes und der Volksbegehrensverfahrensverordnung durchzuführen. Dem Landesabstimmungsleiter und dem Ministerium des Innern ist bisher kein einziger Fall bekannt geworden, dass die Abstimmungsbehörden die gesetzlich vorgegebenen Standards nicht eingehalten hätten.

Vielmehr haben erstmals oder erneut viele Abstimmungsbehörden bei Bedarf und soweit möglich zusätzliche Eintragungsstellen in amtsangehörigen Gemeinden und Ortsteilen geschaffen. Außerdem wurde den Bürgerinnen und Bürgern in mehreren Kommunen über die gesetzlichen Mindestzeiten hinaus zu weiteren Tageszeiten die Möglichkeit gegeben, Volksbegehren gegen die Gebietsreform zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer so genannten bürokratischen Behinderung des Volksbegehrens gesprochen werden.

Diese Vorwürfe entbehren jeder Grundlage. Ich meine, die Fairness gegenüber den Kommunen gebietet es auch, solche Vorwürfe nicht zu wiederholen, sondern sie zurückzuweisen, und ich hoffe, Sie nehmen sie noch zurück.

Die bestehenden Regelungen haben den Vorzug, dass sie den kommunalen Abstimmungsbehörden bei der Festlegung der Eintragungsstellen und Eintragungszeiten einen Ermessensspielraum lassen, und ich finde, sie sollten Ermessensspielraum haben. Sie können also die Eintragungsstellen und Eintragungszeiten unter Beachtung der gesetzlichen Mindeststandards entsprechend dem tatsächlichen Bedarf, den örtlichen Verhältnissen sowie dem personellen, finanziellen und technischen Leistungsvermögen ihrer Kommune weitgehend situativ festlegen.

Die Erhöhung der gesetzlichen Mindeststandards hätte zum Beispiel zur Folge, dass die Kommunen, selbst wenn überhaupt kein entsprechender Bedarf besteht, für die Dauer von vier Monaten zusätzliche Eintragungsstellen schaffen müssten. So haben sich nach dem vorläufigen Ergebnis des Volksbegehrens gegen die Gebietsreform beispielsweise in der kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder) im Durchschnitt pro Woche nur ein bis zwei Personen in Listen eingetragen. Welchen Sinn hätte in solchen Fällen die Pflicht zur Einrichtung zusätzlicher Eintragungsstellen? Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die Menschen entscheiden, ob sie abstimmen oder nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Sarrach [PDS])

Es wird niemand ernsthaft bestreiten können, dass die eintragungsberechtigten Bürgerinnen und Bürger während der viermonatigen Eintragungszeit hinreichend Gelegenheit hatten, von ihrem Eintragungsrecht Gebrauch zu machen.

Aufgrund von Artikel 77 Abs. 3 Satz 1 der Landesverfassung bedarf ein erfolgreiches Volksbegehren der Unterstützung von mindestens 80 000 Eintragungsberechtigten. Das sind 4 % der im Land insgesamt Teilnahmeberechtigten.

Im Vergleich mit anderen Ländern hat Brandenburg damit das niedrigste Eintragungsquorum. Das nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis! Es kommt hinzu, dass die Eintragungszeit in zwei Dritteln der übrigen Länder erheblich kürzer ist und in fünf Ländern sogar nur zwei Wochen beträgt. Von daher sind die vier Monate bei uns ein außerordentlich langer Zeitraum mit der Möglichkeit, dass sich jeder entscheiden kann, sich in diesen vier Monaten einzutragen.

Die Amtseintragung ist außer in Brandenburg noch in zehn weiteren Ländern verbindlich. In den übrigen sechs Ländern, in denen zusätzlich oder ausschließlich die freie Sammlung von Unterschriften zulässig ist, ist das Eintragungsquorum zweieinhalb- bis dreimal so hoch wie in Brandenburg. Eine Ausnahme hiervon bildet nur Hamburg, wo die Eintragungszeit nur zwei Wochen beträgt.

Im Ländervergleich nimmt also Brandenburg gerade mit Blick auf die Modalitäten beim Volksbegehren eindeutig einen Spitzenplatz zugunsten unserer Mitbürger ein.

Der Antrag soll offensichtlich von dem wahren Grund für das Scheitern Ihrer Initiative gegen die Gebietsreform ablenken, nämlich von dem Fehlen eines breiten Rückhalts in unserer Bevölkerung.

Beim Volksentscheid muss die Mehrheit der abstimmenden Personen und mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten - das sind über 500 000 Bürgerinnen und Bürger - für die Annahme des begehrten Gesetzentwurfs oder der sonstigen Vorlage stimmen. Andernfalls gilt dieses Begehren als vom Volk verworfen.

Daran können Sie sehen, dass die Hürden erkennbar sind, dass sie nicht zu hoch sind und dass sie im Vergleich mit anderen Bundesländern keinen Vergleich zu scheuen brauchen. Von daher möchte ich Sie bitten, diesem Vorschlag nicht zu entsprechen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der PDS, Drucksache 3/7255, folgt, der möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe damit Tagesordnungspunkt 16 und rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Landesentwicklungsplan Brandenburg, LEP I - Zentralörtliche Gliederung

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/7256

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der antragstellenden Fraktion. Frau Abgeordnete Tack, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meinen Damen und Herren! Die PDS-Fraktion hat hier im Parlament schon mehrmals gefordert, die Planungsgrundlagen für das Land Brandenburg zu überarbeiten; denn es ist höchste Eisenbahn. Gegenüber den 90er Jahren, in denen die Grundlagen für diese Planungen geschaffen wurden, haben sich die Bedingungen gravierend geändert. Bevölkerungsabwanderung, veränderte demographische Entwicklung, Überalterung, Stadtumbau und viele andere Fragen stehen jetzt im Gegensatz zu der Situation in den 90er Jahren auf der Tagesordnung.

Das Landesentwicklungsprogramm, der Landesentwicklungsplan engerer Verflechtungsraum und auch der Landesentwicklungsplan zentralörtliche Gliederung gehören überarbeitet, gehören auf den Prüfstand. Am 12. März hatten wir in Cottbus gemeinsam eine Veranstaltung „10 Jahre Regionalplanung“. Das war eine sehr interessante Veranstaltung, sie hatte nur einen großen Makel: Diskussionen waren nicht zugelassen. Das war schon bedauerlich. Aber dennoch war zu erkennen, dass die Regionalplanung in den Ausführungen ganz top ist, dass die Landesplanung aber der Entwicklung hier im Land weit hinterher hinkt. Das war schon ein gravierender Widerspruch. Wir erneuern mit dem Antrag heute den Auftrag an die Landesregierung, unverzüglich die Überarbeitung des Landesentwick

lungsplanes Brandenburg, LEP I - Zentralörtliche Gliederung, vorzunehmen.

Ich befinde mich dabei in guter Gesellschaft. Herr Petke hat ja laut über die Presse die Landesregierung ebenso aufgefordert, den LEP I - Zentralörtliche Gliederung zu überarbeiten.

(Minister Schönbohm: Wirklich in guter Gesellschaft!)

- Nur in diesem Sinne Herr Schönbohm! - Deshalb gehe ich davon aus, dass Sie dann unserem Antrag auch zustimmen werden. Herr Petke war just der Meinung, die Landesplanung sei jetzt überaltert, sie müsse neu gemacht werden. Zustimmung von Ihnen erwarten wir also aufgrund dieser Tatsache.

Das ist auch ein Wandel in Ihrer Auffassung, den wir sehr begrüßen. Bisher war die CDU ja immer der Auffassung, Landesund Regionalplanung gehörten abgeschafft. Nun fordert Herr Petke ein Umdenken in der CDU. Das finde ich okay und das sollten wir gemeinsam unterstützen.

Aufgrund der Gemeindegebietsreform sowie der demographischen und wirtschaftsstrukturellen Veränderungen in Brandenburg - die Landesregierung hat ja gerade in diesem Zusammenhang einen Bericht vorgelegt, der im Mai diskutiert werden soll - ist es aus unserer Sicht dringend erforderlich, mit der Überarbeitung des LEP I vor Ablauf der gesetzlichen Überarbeitungsfrist zu beginnen, das heißt, jetzt zu beginnen, Analysen zu erstellen und Schlussfolgerungen zu ziehen, um die zentralörtliche Gliederung neu zu gestalten.

LEP I ist ein Planungsinstrument, das in erster Linie dazu dienen soll, die Siedlungsstruktur des Landes nach den Prinzipien der zentralörtlichen Gliederung zu entwickeln. Damit sollen auch Voraussetzungen für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilen des Landes geschaffen werden. Ich will daran erinnern, laut Landesverfassung sind wir dazu verpflichtet, Voraussetzungen für diese gleichwertigen Lebensbedingungen in allen Regionen des Landes zu schaffen, es sei denn, die Mehrheiten wollen etwas anderes. Wie gesagt - ich habe gestern darüber gesprochen -: Dann muss man das auch sagen und dann muss man auch die Änderungen in der Landesverfassung herbeiführen.

Mittlerweile - ich hatte es schon gesagt - haben sich demographische und wirtschaftsstrukturelle Entwicklungen dahin gehend verändert, dass ursprüngliche Planungen dem Iststand hinterher hinken. Planungen sollen aber eigentlich nicht das nachvollziehen, was die Realität widerspiegelt, sondern von Planung, insbesondere von der Regional- und Landesplanung, sollen ja auch Entwicklungsimpulse ausgehen. Das wollen wir befördern helfen.

Mit der Gemeindegebietsreform wurden zudem die administrativen Grenzen im Land verändert. Auch das ist eine Tatsache, die die Forderung unterstreicht, den LEP I - Zentralörtliche Gliederung neu zu gestalten.

Ich will auch daran erinnern - gestern hat es hier dazu eine Debatte gegeben -: Die Landesregierung beabsichtigt, die Zentralisierung der Schulstandorte vorzunehmen. Auch das schafft neue Bedingungen für die zentralörtliche Gliederung und auch das muss künftig Berücksichtigung finden.

Die Folge all dieser Prozesse ist eine veränderte Konzentration von Funktionen und Einrichtungen, die der öffentlichen und

privaten Daseinsvorsorge dienen. Die unverzügliche Überarbeitung des LEP I ist auch deshalb notwendig, weil nur eine den Realitäten entsprechende zentralörtliche Gliederung Voraussetzung ist - daran gibt es ein großes kommunales und öffentliches Interesse - für eine effektive Förderpolitik auf der Grundlage des Leitbildes der dezentralen Konzentration.

Ich erinnere mich an die gemeinsame Beratung der Planungskonferenz vom - wie ich glaube - Dezember des vergangenen Jahres, auf der das Leitbild der dezentralen Konzentration für die Region Berlin-Brandenburg von beiden Regierungen - Berlin und Brandenburg - noch einmal ausdrücklich für richtig befunden und beschlossen wurde.

Meine Damen und Herren, an Sie alle und insbesondere an die CDU noch einmal die Bitte: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Die Überarbeitung der Planungsgrundlagen ist dringend geboten und es geht auch darum, dass neue, aber auch bewährte Funktionsergänzungsmodelle zwischen den Siedlungszentren entwickelt werden, die den aktuellen Entwicklungsstand der Siedlungsstruktur im Land widerspiegeln, die aber auch Entwicklungsimpulse für die Zukunft darstellen und beinhalten. Unter diesem Gesichtspunkt bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die Koalitionsfraktionen; für sie spricht der Abgeordnete Dombrowski.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es eigentlich ziemlich kurz machen. Frau Kollegin Tack, ja, es gibt Bedarf, an den Planungsgrundlagen Korrekturen vorzunehmen - das ist richtig -, und zwar aus den verschiedensten Gründen, nicht nur aus demographischen Gründen; die verändern wir auch nicht durch einen Plan. Das erreichen wir, indem wir Rahmenbedingungen schaffen, damit die Infrastrukturerweiterung, der Ausbau der Infrastruktur nicht unterbrochen wird, und durch viele Dinge mehr.

Aber, Frau Tack, wir werden Ihrem Antrag heute trotzdem nicht zustimmen. Sie haben die Begründung dafür schon geliefert. Sie haben ja von der Veranstaltung in Cottbus „10 Jahre Regionalplanung“ berichtet. Ich bin auch dort gewesen und Minister Birthler hat auf dieser Veranstaltung den Festvortrag gehalten und dort kundgetan, dass die Landesregierung bereits dabei ist, die Vorarbeiten für die Überarbeitung des LEP I Zentralörtliche Gliederung zu leisten. Von daher laufen die Dinge also schon.

Sosehr Sie inhaltlich Recht haben - darin will ich Ihnen überhaupt nicht wiedersprechen -, so unüblich ist es eigentlich, die Landesregierung zu etwas aufzufordern, was sie bereits tut. Das macht von daher an dieser Stelle keinen Sinn. Das tut aber den Inhalten, die Sie hier dargestellt haben, überhaupt keinen Abbruch.

Aber von daher werden wir Ihrem Antrag eben doch nicht zustimmen können, wenngleich in der Sache der Bedarf da ist.

Aber - wie gesagt - Sie sind ebenfalls bei dieser Veranstaltung in Cottbus gewesen, auf der gesagt wurde, dass das bereits in Arbeit ist. Und das ist gut so. - Danke sehr.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion, für die der Abgeordnete Claus spricht.