Protokoll der Sitzung vom 12.05.2004

- Ja, Herr Sarrach, ich kann mich sehr gut erinnern. Vor acht Jahren, 1996, und zwar am 5. Mai, beim Volksentscheid haben all diejenigen, die diese Fusion der beiden Länder mit durchaus heißem Herzen angestrebt haben, eine Niederlage erlitten. Die Ursachen dafür haben wir vielfältig erforscht und ausgebreitet und wir müssen dem Rechnung tragen, dass das so passiert ist.

Nun hat sich eine neue Situation ergeben. 1999 wurde ein neuer Landtag gewählt und die Koalitionsregierung aus SPD und CDU hat sich im Jahre 2000 überlegt, einen neuen Fusionsanlauf für die beiden Länder zu starten. Wie weit er inzwischen gediehen ist, möchte ich nicht weiter ausführen, weil das heute nicht Gegenstand der Debatte ist; da ist sicher auch Kritisches zu bemerken. Aber es wurde zumindest versucht, natürlich unter dem Aspekt der Fusion der beiden Länder, das, was man im Neugliederungsstaatsvertrag von 1995 schon einmal fixiert hatte, neu aufzulegen und zu überlegen, ob man das nicht heute macht. Die zuständigen Ressorts in Berlin und Brandenburg sollten einen Umsetzungsvorschlag erarbeiten. Dieser Vorschlag, den ich in meiner ersten Bemerkung schon genannt hatte, liegt uns heute vor.

Ein weiterer Aspekt für die Einrichtung gemeinsamer Landesobergerichte ergibt sich aus dem in Kraft getretenen Artikel 2 Nr. 5 Abs. 1 Nr. 4 des Haushaltssicherungsgesetzes vom 15. Juli 2003. Das heißt also, die Landesregierung setzt das um, was wir als Gesetzgeber ihr als Auftrag mit auf den Weg gegeben haben. Der Staatsvertrag liegt vor. Vier Gerichte sollen eingerichtet werden. Ich denke, das sollten wir tun.

Herr Sarrach, es ist ja noch nicht so weit, dass wir heute beschließen, sondern wir werden heute diesen Staatsvertrag in den Hauptausschuss überweisen. Ich finde es auch ein wenig komisch, dass Sie sagen, Sie werden der Überweisung nicht zustimmen und gleichwohl eine Anhörung beantragen. Das ist meiner Meinung nach nicht ganz konsequent. Wenn man eine Anhörung beantragt, sollte man zumindest auch der Überweisung zustimmen.

Einen Appell habe ich an die Kollegen des Koalitionspartners zu richten, nämlich den, den Einfluss, den Sie in Berlin haben, geltend zu machen und Ihren Parteifreunden in Berlin vielleicht zu erzählen, dass es nicht so weit ist, von Berlin nach Cottbus zu fahren und dort am Oberfinanzgericht des Landes Berlin-Brandenburg zu arbeiten. Der Weg ist nach Cottbus genauso weit wie nach Berlin. Sie bzw. die Kollegen, die gegenwärtig dagegen Sturm laufen, sollten sich einmal überlegen, was beispielsweise den Mitarbeitern von Vattenfall zugemutet wird. Diese sind erst aus Hoyerswerda nach Berlin gezogen; jetzt ist die Konzernzentrale von Berlin nach Cottbus verlegt worden und die Mitarbeiter sind so flexibel und bereit, ihren Weg auch wieder von Berlin nach Cottbus zu machen. Bitte, machen Sie Ihren Einfluss in Berlin geltend, damit dieser Staatsvertrag so durchgesetzt wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Klein und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung zäumt hier wieder einmal das Pferd von hinten auf. Bereits vor der geplanten Volksbefragung zur Länderfusion im Jahre 2006 soll jetzt schon die Fusion von Fachobergerichten beschlossen werden. Dieser Vorgriff ist reichlich spekulativ, meine Damen und Herren, bedenkt man, mit welchen Fragezeichen der Ausgang der Volksabstimmung versehen ist. Ein Abwarten bis zum Zeitpunkt des Ergebnisses der gemeinsamen Volksbefragung hätte mit Sicherheit den Vorteil, dass bis dahin auch die wichtigen Fragen zur Zusammenlegung der Gerichtsbarkeiten abschließend geklärt werden dürften.

Bei verschiedenen Veranstaltungen haben wir uns mit den Personalräten des OVG Frankfurt (Oder) zusammengesetzt und ausführlich die Probleme im Zusammenhang mit der Fusion der Oberverwaltungsgerichte und speziell des geplanten Berlin-Umzugs des OVG von Frankfurt diskutiert. Meines Erachtens wird hier einseitig in keinster Weise den persönlichen Belangen der zumindest nichtrichterlichen Mitarbeiter des OVG Rechnung getragen.

Ungeklärt sind auch die Auswirkungen des Weggangs des OVG nach Berlin gerade auf die Grenzregion im Hinblick auf den damit verbundenen Imageverlust. Ich erinnere nur an die hohe Anzahl von Arbeitslosen, an das Scheitern der Chipfabrik etc. Insbesondere die Signalwirkung eines zusätzlichen Infrastrukturabbaus für potenzielle Investoren kann die Grenzregion am wenigsten gebrauchen.

Auch wurde nicht die Position der Berliner Justiz berücksichtigt. Gegen ein gemeinsames Finanzgericht in Cottbus zum Beispiel sprechen sich nach wie vor alle Bediensteten des Berliner Finanzgerichts aus, und nicht nur die, sondern auch die CDU des Abgeordnetenhauses.

Deshalb muss in Erwägung gezogen werden, dass die Fusion der Obergerichte erst nach der Volksabstimmung vollzogen werden soll. Dies wäre im Sinne aller Erwägungen im Hinblick auf die Fusionsabstimmung, weil der Wechsel des Finanzgerichts nach Cottbus am 1. Januar 2007 ja erst nach der geplanten Volksabstimmung stattfindet.

Die entscheidende Frage ist die, welche Auswirkungen ein Scheitern der Länderfusion von Berlin und Brandenburg auf eine bereits erfolgte Zusammenlegung beider Oberverwaltungsgerichte hat, insbesondere in welcher Weise dann die gemeinsame behördeninterne Koordinierung erfolgt, wenn wieder zwei Justizministerien zuständig sind. Ist dann nicht eine Trennung in wiederum zwei OVG erforderlich? SchleswigHolstein und Niedersachsen haben uns das schon einmal vorgemacht - ein Fusionsvorhaben, bei dem die politischen Auswirkungen vorwiegend mit einem Fragezeichen versehen sind.

Das Einzige, was sicher bleibt, sind die Fusionskosten. Obwohl erhebliche Prognoseunsicherheit besteht, kann man schon jetzt nach dem Bericht der Arbeitsgruppe „Kostenprüfung gemeinsame Fachobergerichte“ - Stand 15. März 2004 - Unterbringungskosten in Höhe von 16,5 Millionen Euro in Berlin bzw. 4,7 Millionen Euro in Brandenburg allein für Grunderwerb und Bau veranschlagen. Dabei handelt es sich um eine eher optimistische Kostenprognose. Welche Kostenprüfung haben Sie durchgeführt, Frau Ministerin Richstein?

Dazu kommen natürlich noch weitere Kosten, zum Beispiel für den Umzug, für Möblierung, IT-Technik und Bücherei in Höhe von mindestens 3 Millionen Euro, die ebenfalls, geht man von der schwierigen Schätzung im Vorfeld aus, wohl noch erheblich höher ausfallen werden.

Dagegen geht die Arbeitsgemeinschaft von eher geringfügig zu erwartenden Einsparungen aus. Dies erklärt sich schon dadurch, dass die Gerichtsfunktion zum einen auf die Fallzahlen keinen Einfluss hat und sich damit korrespondierend mit dem Umfang der Verwaltungsaufgaben auch nur unwesentlich verringern wird. Man hofft insoweit auf vage Synergieeffekte in Höhe von maximal 700 000 Euro jährlich, die aber noch nicht einmal in absehbarer Zeit einsetzen werden. Deswegen haben wir eine öffentliche Anhörung zur Gerichtsfusion beantragt. Darauf, meine Damen und Herren, werden wir auch weiterhin bestehen. Heute werden wir selbstverständlich diesem Gesetz nicht unsere Zustimmung geben. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt und gebe das Wort dem Abgeordneten Werner von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Veränderungen anstehen, dann löst das naturgemäß Diskussionen aus. Je näher der Zeitpunkt der Entscheidung rückt, umso heftiger werden die Diskussionen. Dabei steht spätestens seit Juli vergangenen Jahres mit dem Haushaltssicherungsgesetz fest, dass wir diesen Staatsvertrag auf den Weg bringen wollen. Ich will das nur einmal feststellen, um die Zeitschiene noch einmal deutlich zu machen.

Es hat in letzter Zeit in der Tat viele Gespräche gegeben. Ich denke, es ist schon wichtig, dass wir alle Argumente, Bedenken und Befürchtungen der Betroffenen ernst nehmen, dass wir sie auch mitnehmen und dass wir gerade bei der Ausgestaltung des Staatsvertrages all diese Dinge berücksichtigen.

Nun kann man zur Länderfusion stehen, wie man will. Ich will auch nicht beurteilen, ob sie politisch tot ist oder nicht. Nur meine ich, dass hiermit keine Länderfusion vorweggenommen wird und dass hier nichts präjudiziert wird.

Andererseits wäre es aber ein verheerendes Signal im Hinblick auf die mögliche Fusion von Berlin und Brandenburg, wenn dieser Staatsvertrag, egal, von welcher Seite, abgelehnt würde. Weil Schleswig-Holstein und Niedersachsen hier in Rede standen, möchte ich hinzufügen, dass ich es beim kürzlichen Besuch des Rechtsausschusses in Schleswig-Holstein nicht habe verstehen können, warum man dort ein gemeinsames OVG wieder aufgelöst hat. Im Übrigen war dort keine Länderfusion vorgesehen. Also kann man es auch einmal völlig unabhängig von einer Länderfusion betrachten.

Ich will nur einmal ins Feld führen, dass es zwischen Berlin und Brandenburg eine ganze Reihe anderer gemeinsamer Behörden, Institutionen, Verbände und Vereinigungen gibt, die ohne Länderfusion schon vor 1996 entstanden sind, die nach 1996 entstanden sind und die ganz unspektakulär miteinander arbeiten, wenn ich nur an ein gemeinsames Landesarbeitsamt denke, wenn ich daran denke, dass Unternehmerverbände, Gewerkschaften zusammenarbeiten, Akademie der Künste, Akademie der Wissenschaften, Branchenverbände und dergleichen mehr.

Nun komme ich auf den Einfluss der Berliner Kollegen. Es ist quantitativ schon ein Unterschied, ob eine ganze Fraktion wie die PDS hier im Hause dagegen stimmt oder ob es Bedenken einzelner Kollegen aus unserer Partei im Abgeordnetenhaus gibt. Da kann ich gern den Ball an den Kollegen Klein zurückspielen und ihn darum bitten, dass auch im hiesigen Hause beim Koalitionspartner die Mehrheit festgestellt wird oder eben zustande kommt.

Ich denke, wir haben hier ein ausgewogenes Paket. Jedes Land erhält zwei Obergerichte, Brandenburg die beiden größeren. Das darf man auch nicht unberücksichtigt lassen. Dann kommt gerade beim Oberverwaltungsgericht immer der Vorwurf, die Berliner Richter würden über Brandenburger Recht entscheiden. Wenn man sich aber den jetzigen Zustand ansieht, dann

stellt man fest, dass ohnehin fast ausschließlich Berliner Richter beim OVG tätig sind.

Ich meine, wir sollten alle Kraft darauf verwenden, die Chancengleichheit zu wahren, damit wir die Fusion auf gleicher Augenhöhe vornehmen. Dazu sind einige technische Details erforderlich. Ich möchte nur daran erinnern, dass es eine einheitliche Beurteilung der Richter geben muss.

Besonders wurde der nichtrichterliche Dienst angesprochen. Artikel 7 des Staatsvertrages regelt das hinlänglich. Das kann man auch in der Begründung lesen. Mit dem Personalrat des OVG findet endlich am kommenden Montag ein Gespräch statt. Ich denke, dabei werden viele Dinge besprochen und viele Befürchtungen ausgeräumt werden können. Im Übrigen vernimmt man sehr starke Zeichen aus Frankfurt, dass es dort durchaus genügend Möglichkeiten gibt, die nichtrichterlichen Bediensteten im Justizbereich weiterzubeschäftigen.

Ein weiteres Problem ist die Frage der Mittelbehörde. In Berlin ist das anders geregelt. Auch das muss noch ausgestaltet werden.

Es ist gesagt worden: Über den Standort Cottbus mit dem gemeinsamen Finanzgericht werden wir nicht weiter verhandeln. - Wenn ich Kollegen Sarrach höre, dann habe ich alles Verständnis dieser Welt, dass er für Frankfurt kämpft. Das würde ich als Frankfurter auch machen. Aber wenn es sich so darstellt - so habe ich Sie verstanden, Herr Sarrach -, dass Sie Cottbus infrage stellen,

(Sarrach [PDS]: Da haben Sie mich falsch verstanden, Herr Werner!)

dann muss ich mich wirklich fragen, wie Sie die Landesinteressen vertreten.

Wenn Berliner Richter und Berliner Politiker meinen, Cottbus sei zu weit entfernt, dann will ich noch einmal die Frage stellen, ob es in den über zehn Jahren des Bestehens des Finanzgerichts in Cottbus wegen der Entfernung jemals Beschwerden aus der Prignitz oder aus der Uckermark gegeben hat.

(Zuruf des Abgeordneten Sarrach [PDS])

Wir haben seinerzeit ganz bewusst die dezentrale Konzentration eingeführt; wir haben Behörden und Gerichte im Land verteilt.

(Sarrach [PDS]: Genau!)

- Ja. - Aber ich sage Ihnen auch sehr deutlich: Nichts ist für die Ewigkeit gemacht und neue Situationen stellen eben neue Anforderungen. Da muss man bestimmte Dinge neu definieren. Ich will nicht verhehlen, dass der Verlust eines Obergerichts ein Imageverlust für eine Stadt, für einen Standort ist. Aber vergleichen Sie auch einmal die Verluste an Behörden, die Cottbus hinnehmen musste, mit denen, die Frankfurt bisher hinnehmen musste! Ich glaube, da hat Cottbus in den zurückliegenden Jahren sehr viel mehr einbüßen müssen als Frankfurt -

(Beifall der Abgeordneten Konzack [SPD])

bei allem Verständnis für Frankfurt (Oder).

Eine letzte Bemerkung sei mir noch erlaubt, Herr Präsident. Es wird seit kurzem die Zusammenlegung der Obergerichte der Fachgerichtsbarkeiten diskutiert und das wird nun natürlich ins Feld geführt. Meine Damen und Herren, wenn ich Expertenschätzungen glauben darf, dann wird diese Diskussion mindestens noch zehn bis 15 Jahre dauern, bevor das entschieden wird. Wenn das entschieden werden sollte, dann werden wir uns erneut Gedanken machen. Aber ich denke, in einem Zeitraum unter zehn Jahren passiert das nicht.

Zum Abschluss sei noch darauf verwiesen, dass bei gemeinsamen Obergerichten...

Herr Abgeordneter Werner, erstens geht Ihre Redezeit dem Ende zu und zweitens ist noch eine Frage angemeldet. Möchten Sie diese noch beantworten?

... eine bessere Spezialisierung der Senate, die wir immer anmahnen, nötig ist. - Danke.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich kann die Frage nicht mehr zulassen; er hat seine Redezeit schon überzogen. Klären Sie das bitte individuell! - Schönen Dank, Herr Abgeordneter Werner.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt Ihnen die Überweisung des Gesetzentwurfs - Drucksache 3/7444 - an den Hauptausschuss - federführend - und an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen sowie an den Rechtsausschuss. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist mehrheitlich so beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Stärkung des Kinderschutzes gegen Gewalt

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/7469