Protokoll der Sitzung vom 16.06.2004

Garantiert eintreffen jedoch wird die Kostenersparnis für den Staat.

Auch auf die Förderpolitik des Landes Brandenburg hat das Chaosreformvorhaben Auswirkungen. Ich kann aus Zeitgründen hier nur den Wegfall der Arbeitslosenserviceeinrichtungen erwähnen.

„Keine Arbeitsmarktreformen zulasten der Arbeitslosen und der Kommunen“ ist eine Forderung, die mittlerweile von vielen gestellt wird. Doch leider hat sie bei den regierenden Parteien von SPD und Grünen kein Gehör gefunden. Reformen sind auch nach Ansicht unserer Fraktion der Deutschen Volksunion

nötig und wichtig. Allerdings sollten Reformen eine Verbesserung mit sich bringen und nicht hauptsächlich darauf gerichtet sein, Geld zu sparen. Das Reformchaos von Rot-Grün ist unsozial und belastet in erster Linie die sozial Schwachen und Arbeitslosen. Deshalb lehnt meine Fraktion, die Fraktion der Deutschen Volksunion in diesem Landtag, diese unsoziale Reform ab. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner. - Ich erteile nun der Fraktion der CDU das Wort. Frau Abgeordnete Schulz, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS fordert hier - wie immer in sehr polemischer Art und Weise - mehr Geld. Wirkliche Ansätze sozialer Reformen und die Berücksichtigung der Notwendigkeiten konnte ich nicht erkennen. Den Markt wollen Sie offensichtlich abschaffen. Was die PDS in Berlin betrifft, empfehle ich, doch einmal hinzuschauen, in welchen Bereichen dort Kürzungen vorgenommen werden.

(Zuruf von der PDS: Ja, dank Ihrer Sozialpolitik!)

Zu Ihren Aussagen in Bezug auf Mecklenburg-Vorpommern kann ich nur sagen: Die Zahl der Arbeitslosen steigt trotzdem. Worauf Sie nämlich nicht eingegangen sind, ist für uns das Hauptproblem: die fehlenden Arbeitsplätze.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der PDS sowie Zuruf: Man sollte auch zuhören!)

Das ist, glaube ich, unser erstes und hauptsächliches Kampffeld. Sie können sicher sein: Ich mahne eine sehr differenzierte Betrachtung an, auch in den Gesprächen mit der Bundestagsfraktion der CDU. Ich neige überhaupt nicht dazu, die Panikmache, die hier von Ihrer Seite betrieben wurde, zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Es mutet dann schon etwas abenteuerlich an, wenn Sie die Opposition hier möglicherweise in die Alleinverantwortung für einen Gesetzentwurf der Regierung Rot-Grün nehmen wollen. Ich begrüße es natürlich sehr, dass Sie, Frau Abgeordnete Schröder, Bürgersprechstunden durchführen und wenn Sie als kleinen Nebeneffekt unter denjenigen, die sich beraten lassen, noch Karten für das Grönemeyer-Konzert verlosen, ist dies noch ein schöner Nebeneffekt.

Ich gehe davon aus, dass das Hartz-IV-Gesetz in der Tat eine der großen sozialpolitischen Herausforderungen ist, die wir zu bewältigen haben. Mit den Vorschlägen der Hartz-Kommission sollte im Wesentlichen erreicht werden, dass Arbeitsuchende schneller, effizienter und passender vermittelt werden, ohne dabei die Situation in den neuen Bundesländern außer Acht zu lassen.

Zweitens: Leistungen sollen an einer Stelle, also aus einer Hand, gewährt werden. Die Kommunen sollen von den Kosten

für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger entlastet werden. Diese Ziele insbesondere sollen mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe erreicht werden, im Übrigen ein seit langer Zeit auch in der Union diskutiertes Ziel. Es handelt sich um zwei staatlich finanzierte Leistungen, die auf der Grundlage unterschiedlicher Gesetze gewährt wurden. Diese Leistungen nebeneinander zu gewähren macht keinen Sinn mehr, zumal sich der Personenkreis der Empfänger nach Wirksamwerden der Grundsicherung kaum unterscheidet. Wir haben in diesem Zusammenhang immer darauf hingewiesen, dass die Zusammenführung zu den Konditionen erfolgen muss, die im BSHG zugrunde gelegt werden. Dort wird zu Recht gefordert, dass diejenigen, die arbeitsfähig sind, bereit sein müssen, ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Dieser Sachverhalt traf für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe bisher nicht zu.

Staatliche Leistungen sind grundsätzlich nach dem Prinzip „Fördern und Fordern“ zu gewährleisten. Sozialhilfe ist Hilfe zur Selbsthilfe. Das geht übrigens auch aus dem Eingangstext des BSHG hervor. Man könnte ja einmal nachlesen.

Fehlsteuerungen im System haben es Menschen zum Teil zu leicht gemacht, staatliche Unterstützung zu erhalten. Daran kann aber niemand ernsthaft interessiert sein. Ich glaube, diese Fälle sind allen auch bekannt. Weder die Hilfebezieher noch diejenigen, die ihren Lebensunterhalt erarbeiten, werden dafür Verständnis haben.

Die Höhe des zukünftigen Arbeitslosengeldes II wird geringfügig über dem Sozialhilfesatz liegen. Ich trete auch nicht für weitere Kürzungen ein und ich trete auch nicht dafür ein, dass Kinder in der Sozialhilfe verbleiben. Ich habe immer wieder vor diesem Parlament gesagt: Kinder raus aus diesen Strukturen, damit es keine Stigmatisierung gibt.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein Punkt, den wir nachhaltig im Auge behalten müssen.

(Zuruf von der PDS)

Bedarfsgemeinschaften, die aus mehreren Personen bestehen, können so, meine Damen und Herren, sehr schnell besser gestellt sein als mancher Arbeitnehmer. Wir halten es schon deshalb für wichtig, dass Arbeitslosengeld-II-Empfängern Arbeit und Beschäftigung angeboten wird. Arbeit muss immer lohnender sein als jede Form von staatlicher Unterstützung.

(Beifall bei der CDU)

Gebetsmühlenartig erzähle ich das hier im Parlament immer wieder und ich bleibe dabei.

Wir müssen dabei allerdings unsere völlig andere Situation gegenüber den anderen Bundesländern bedenken. Arbeitsplätze sind in Brandenburg Mangelware. Nicht die Arbeitslosen sind das Problem an sich, sondern die Arbeitslosigkeit.

In Brandenburg standen im Mai 2004 - ich runde einmal die Zahlen - 250 000 Arbeitslosen etwa 10 000 offene Stellen gegenüber. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen liegt dabei schon bei 43,8 %. Auf einen freien Arbeitsplatz kommen somit 27 Arbeitslose. Trotz dieser schwierigen Situation haben Landkreise

wie die Prignitz schon in der Vergangenheit nichts unversucht gelassen, jedem arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger innerhalb von vier Wochen ein Arbeitsangebot - auch im Rahmen gemeinnütziger Arbeit - zu unterbreiten. Sie waren mit diesem Modell durchaus erfolgreich.

Schon dieses Beispiel unterstreicht die Richtigkeit der Forderung der Union, die Leistung vor Ort von den Landkreisen und kreisfreien Städten durchführen zu lassen, sodass sich die Arbeitsagenturen wieder auf ihre eigentliche Arbeit, nämlich die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt und die Berufsausbildung, konzentrieren können und sollen.

Doch dazu hätte es des Optionsgesetzes mit einer wirklichen Option und der entsprechenden Grundgesetzänderung bedurft. Dazu konnte sich die rot-grüne Regierung aber leider nicht durchringen.

(Zuruf von der CDU: Genau!)

Option hätte nämlich bedeutet, dass die Aufgabe zur Kommune kommt und sie diese in Eigenverantwortung erfüllt. Nunmehr bedeutet Option, dass die Kommune zur Aufgabe kommt, das heißt in den Entscheidungssträngen der Bundesagentur für Arbeit verbleibt. Das bedeutet auch höchstwahrscheinlich das Aus für so erfolgreiche Projekte kommunalverantworteter Beschäftigungspolitik wie in der Prignitz. Es gibt - das will ich auch gern zugeben - durchaus erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den Arbeitsagenturen und den Kommunen. Die Frage ist, ob diese Zusammenarbeit von regionaler, vor Ort entschiedener Kommunalpolitik verantwortet wird oder ob die Zusammenarbeit, wie bereits gesagt, in den Entscheidungsstrukturen der Arbeitsagenturen stattfindet.

Des Weiteren hat die Bundesagentur für Arbeit bereits angekündigt, dass sie zusätzlich 24 000 qualifizierte Mitarbeiter zur Umsetzung der Reform benötigen wird. Hier wird man auf diejenigen zurückgreifen müssen, die bereits Erfahrung in der Betreuung Arbeitsloser haben, sei es in den Wohlfahrtsverbänden oder in den Arbeitslosenserviceeinrichtungen. Es ist ja bekannt, dass wir hier zumindest eine Lösung erreicht haben.

Eine Frage wird dabei natürlich noch das Ausschreibungsprozedere sein. Ich erinnere daran: Wir sind bereits mitten im Jahr. Zur Erfassung der Daten aller Anspruchsberechtigten für das Arbeitslosengeld II sind in diesen Tagen zwölfseitige Fragebögen aus Nürnberg unterwegs; immerhin an fast 3,5 Millionen Personen. Wie bereits berichtet wurde, sind diese Fragebögen in der der Bürokratie innewohnenden ganz eigenen Logik gestaltet.

(Zuruf von der PDS)

Das dürfte zu zusätzlichem Beratungsbedarf führen. Ich sage noch einmal: Wir sind bereits mitten im Jahr.

Ein weiterer Punkt sind die angestrebten finanziellen Entlastungen der Kommunen. Bekanntermaßen sind inzwischen die zusätzlichen Belastungen so hoch wie die versprochenen Entlastungen. Man hat offensichtlich - das ist ganz fatal für die neuen Bundesländer - Zahlenmaterial von vor drei bis vier Jahren verwendet. Während die Zahl der Arbeitslosenhilfeempfänger im Jahr 2000 bei ca. 103 000 lag, ist sie in diesem Jahr bereits auf 158 000 gestiegen. Bei den Sozialhilfeemp

fängern lag die Zahl im Jahr 2000 bei 58 000 und ist jetzt bereits bei ca. 72 000. Bei den Arbeitsagenturen geht man davon aus, dass es sich um 200 000 Anspruchsberechtigte handeln wird.

Dies macht zum einen die steigenden Belastungen deutlich denn für die Arbeitslosenhilfeempfänger muss das Wohngeld übernommen werden - und zeigt zum anderen, dass die Berechnungsgrundlage bei der Gesetzeserarbeitung nicht seriös bedacht war. Auch der Städtetag hatte das bei seinen Vorschlägen anscheinend nicht berücksichtigt. Ich hätte mir auf der anderen Seite natürlich auch gewünscht, dass der Städtetag und der Landkreistag von Anfang an eine Sprachregelung gefunden und einheitlich agiert hätten.

Inzwischen gibt es mehrere Teileinigungen zwischen dem Bund und den Vertretern des Städtetages. Minister Clement hat zugesichert, den Kommunen die Unterbringungskosten vollständig zu ersetzen. Die Bundesagentur in Nürnberg bereitet auch Modelle vor, die die Arbeitslosengeld-II-Bezieher in aktive Beschäftigung bringen sollen. Hier ist es ebenso wichtig, auf bestehende Strukturen zurückzugreifen, insbesondere natürlich auf die Strukturen der vorhandenen Arbeitsfördergesellschaften. Wir sind für die Entwicklung effektiver Strukturen. Nur ich sage: Wir müssen das Fahrrad auch nicht zweimal erfinden.

Dies war der Versuch eines Überblicks über den gegenwärtigen Stand der Umsetzung des so genannten Hartz-IV-Gesetzes mit ganz vielen offenen Fragen, sei es die Frage der Entlastung der Kommunen, sei es die Frage der Regelung der Option, sei es die Frage nach den Organisationsformen der Arbeitsgemeinschaften, in welchen vertraglichen Strukturen auch immer - das ist ebenfalls noch nicht klar -, der Qualifizierung zusätzlicher Mitarbeiter, der Übertragung von Daten, der Neuausrichtung der Beschäftigung.

Frau Kollegin, fragen Sie nicht mehr so viel. Ihre Redezeit ist zu Ende.

(Zuruf von der PDS: Aber es gibt noch so viel!)

Den Fragenkatalog schließe ich ab. Aber eines sollten wir alle nicht vergessen: Es geht hier um Menschen, die arbeiten und leben wollen.

(Zuruf von der PDS)

Da stimme ich sogar dem Motto der Aktuellen Stunde zu, aber auch nur dem Motto. Deshalb wird sich meine Fraktion für eine Verschiebung des Gesetzes einsetzen,

(Zuruf von der PDS: Hört, hört!)

wenn nicht sichergestellt ist, dass die Leistungen für die Betroffenen am 1. Januar 2005 pünktlich und in verlässlichen Strukturen ausgezahlt werden können und Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden. Auch das zuständige Ministerium ist an der Stelle nicht aus der Verantwortung. Meine Da

men und Herren, ich glaube, wir sind es denjenigen, die dieses Gesetz betrifft, schuldig,

(Klein [SPD]: Genau!)

um nicht noch mehr Politikverdrossenheit an der Stelle zum Tragen kommen zu lassen. Also soll es ein ganz vernünftiges Gesetz geben, und zwar, wenn es geht...