Protokoll der Sitzung vom 19.05.2005

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Haushalt ist ein Zahlengrab, wie es Frau Funck vorhin angesprochen hat. Er ist aber nicht nur unsolide und unsozial - dies waren alle Vorgängerhaushalte ebenfalls -, sondern geradezu kriminell. Da

helfen auch keine schönen Worte, Herr Bischoff, weil er im Unterschied zu den früheren Haushalten nicht nur die wahre Haushaltslage dieses Landes verschleiert, sondern als getreue kameralistische Abbildung Ihres neuen Leitbildes auch den größten Teil des Landes Brandenburg und der Brandenburgerinnen und Brandenburger buchstäblich abschreibt. Ich sage es ganz bewusst: abschreibt wie eine alte Maschine oder einen alten, unrentablen Betriebsteil.

Doch Brandenburg ist keine ins Schlingern geratene Kapitalgesellschaft, in die nach Ihrem Parteivorsitzenden Müntefering - um ihn zu zitieren, Herr Bischoff - „finanzkapitalistische Heuschreckenschwärme eingefallen sind, sie abgegrast haben, um danach weiterzuziehen“, sondern Brandenburg ist unsere Heimat, die Heimat aller Brandenburgerinnen und Brandenburger auch außerhalb der berlinnahen Räume.

Seit Jahren hat sich die Haushaltslage des Landes Brandenburg immer mehr verschärft und zugespitzt. Die Ursachen für die desolate Finanzsituation des Landes sind sehr vielfältig. Stellvertretend möchte ich folgende benennen:

- die verfehlte Wirtschafts- und Steuerpolitik der Bundesregierung, die zu gravierenden Steuerausfällen und einer weiteren Verarmung der öffentlichen Haushalte geführt hat,

- eine fehlerhafte Wirtschaftspolitik des Landes, welche ohne Konzeption fast ausschließlich auf Großprojekte gesetzt hat,

- das Scheitern vieler Projekte in der Landesregierung, Stichwort LEG,

- die damit verbundenen erheblichen finanziellen Schäden und ausbleibenden Steuereinnahmen

- und schließlich die gravierende Massenarbeitslosigkeit, die weitere Reduzierung der Kaufkraft und der ausbleibende wirtschaftliche Aufschwung.

Sie, meine Damen und Herren der Koalition, waren einstmals mit hochtrabenden Worten angetreten, und zwar zu Beginn der letzten Legislaturperiode. Sie wollten den Haushalt konsolidieren und die Nettokreditaufnahme gegen null reduzieren. Aus heutiger Sicht betrachtet waren die Gebrüder Grimm sowie Hans Christian Andersen mit ihren Märchen im Vergleich zu Ihnen eiserne Realisten.

(Beifall bei der DVU)

Denn heute ist weder der Landeshaushalt saniert noch ist die Nettokreditaufnahme reduziert. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Haushaltsansätze liegen seit Jahren hart an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit und die Verschuldung des Landes hat ein Besorgnis erregendes Rekordniveau erreicht. Nicht zuletzt unser Landesrechnungshof wirft Ihnen in großen Teilen eine verfehlte Finanzpolitik vor. In seinem Jahresbericht 2004 bemängelt er ganz klar und deutlich, dass Sie immer noch nicht den Hauch eines Konzepts zum Abbau der dramatischen Verschuldung des Landes haben.

Inzwischen liegt der Schuldenstand bei gut 17,5 Milliarden Euro, Tendenz stark steigend. Auch im vorliegenden Haushalt beträgt die Nettoneuverschuldung im Haushaltsjahr 2005 wieder knapp 1 Milliarde Euro und liegt im Haushaltsjahr 2006 deut

lich über 800 Millionen Euro. Doch ich bezweifle sehr, dass es dabei bleibt. Ganz im Gegenteil ist die DVU-Fraktion der Meinung, dass dieser Landeshaushalt hier und heute nicht verabschiedungsfähig ist, denn die Ergebnisse der Regionalisierung der Mai-Steuerschätzung sind darin überhaupt nicht enthalten. Nach der aktuellen Steuerschätzung rechnen schließlich Sie selbst, Herr Finanzminister, für dieses und das nächste Jahr mit Steuermindereinnahmen von insgesamt 250 Millionen Euro. In diesem Jahr würden es voraussichtlich 120 Millionen Euro und 2006 bis zu 130 Millionen Euro sein, teilte Ihr Haus am Freitag letzter Woche mit.

Wie Sie angesichts dieser Zahlen gleichzeitig erklären konnten, der Doppelhaushalt 2005/2006 sei nicht infrage gestellt, obwohl er aufgrund dieser neuen Zahlen doch nur mehr Makulatur ist, müssen Sie vor sich selbst verantworten, Herr Finanzminister.

(Minister Speer: Aber ja!)

Doch vielleicht werden Sie irgendwann dafür auch zur Verantwortung gezogen.

Alle Wirtschaftsprognosen gehen derweil nach unten. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum lassen in den kommenden Jahren keine Verbesserung der Einnahmesituation erwarten. Die dramatische Finanzentwicklung der öffentlichen Haushalte des Landes wie der Kommunen setzt sich damit fort. Die geschönten Wachstumsprognosen von 1,2 % im Haushaltsjahr 2005 und 2,0 % im Haushaltsjahr 2006 mussten auf 0,7 % für 2005 bzw. 1 % für 2006 reduziert werden. Vermutlich werden wir in den nächsten beiden Jahren wieder ein so genanntes Nullwachstum haben. Wörtlich erklärten Sie, Herr Finanzminister, vor der Presse - dies ist es wirklich wert, zitiert zu werden -:

„Die Finanzlage ist extrem schwierig, aber für das Jahr 2005 noch beherrschbar. Ich werde den Vollzug des Haushalts sehr genau beobachten und mir entsprechende Steuerungsmaßnahmen vorbehalten.“

Da sind wir aber gespannt, Herr Finanzminister, wie Sie das anstellen wollen und welche Steuerungsmaßnahmen Sie sich einfallen lassen werden.

(Beifall bei der DVU)

Wir als DVU-Fraktion werden Ihren Haushaltsvollzug und dessen Auswirkungen auf das Land jedenfalls parlamentarisch gebührend zu würdigen und auch zu kommentieren wissen.

Für 2006 gaben Sie im Übrigen völlig unumwunden zu, dass Sie nicht die geringste Ahnung haben, noch prognostizieren können, wie sich die Zahlen bis dahin entwickeln werden. Also doch ein Zahlengrab. Irgendwie, meine Damen und Herren, kommt mir das Ganze vor, als würde ein Blinder mit seinem Krückstock durch den dichten Nebel stochern.

Bei alledem sind - ich erwähnte es bereits beim Einzelplan des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung - die Risiken im Zusammenhang mit dem Landeswohnungsbauvermögen ebenso wenig berücksichtigt wie die Tatsache, dass über dem Landeshaushalt als weiteres Damoklesschwert Kredite in Höhe von sage und schreibe 107,5 Millionen Euro für die Pleite-LEG hängen, für die das Land gebürgt hat und dessen gewahr sein muss, während der Haushaltsperiode 2005 und 2006 auch in Anspruch genommen zu werden.

Kommen wir nun zu den Änderungsanträgen meiner Fraktion zum Einzelplan 20. Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von SPD und CDU, mit Ihrer wahrlich heroischen Einsparsumme von 5 Millionen Euro in den nächsten beiden Haushaltsjahren fordern wir als DVU-Fraktion mit unserem vorliegenden Änderungsantrag eine Einsparung von ca. 51,3 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2005 und 102,6 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2006. Diese Gesamteinsparsumme hätte sich immer noch ergeben, wenn all unsere Änderungsanträge mit doch zum Teil hohen Aufwüchsen im Bereich Wirtschaft, Infrastruktur, Soziales usw. zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg durchgegangen wären. Da Sie inzwischen alle diesbezüglichen Änderungsanträge abgelehnt haben, nehmen wir die Deckung aus den Personalverstärkungsmitteln sowie den zugunsten der Pleite-LEG in den Haushalt eingestellten Mitteln von 22 Millionen Euro pro Jahr.

Bezüglich der Personalverstärkungsmittel - das erwähnte ich bereits - hat der Finanzminister im Haushaltsausschuss indirekt erklärt, dass es sich hier um einen Finanzpuffer handle. Unsere Einstellung zur LEG dürfte Ihnen ohnehin hinlänglich bekannt sein. Wir als DVU-Fraktion fordern - dies wiederhole ich hier und heute klipp und klar -: Die derzeit schleichende Liquidation dieses Milliardengrabs mit immer neuen Belastungen und Risiken für das Land kann und darf auch und gerade im Hinblick auf die haushaltsmäßige Sicherheit so nicht weitergehen. Daher ist es sinnvoller, die LEG in eine geordnete Insolvenz zu führen, also ein Ende mit Schrecken, als über 20 Jahre oder mehr von Jahr zu Jahr immer neue zwei- oder gar dreistellige Millionenbeträge in dieses Fass ohne Boden zu schütten.

Bevor ich kurz zu den Einzelplänen 12 und 15 komme, noch eine letzte Anmerkung zum Einzelplan 20. Wie es um Ihr Demokratieverständnis, meine Damen und Herren von SPD und CDU, bestellt ist, haben Sie während der Behandlung dieses Einzelplans im Rahmen der Haushaltsdebatte im Finanzausschuss klar und deutlich dokumentiert. Sie selbst haben die Zuschüsse für die politische Bildungsarbeit an Ihnen nahe stehende Bildungs- und Kommunalpolitische Vereinigungen um 60 000 Euro jährlich angehoben. Die DVU soll außen vor bleiben. Die Tatsache, dass nach geltender Rechtslage die Bildungs- wie die Kommunalpolitische Vereinigung der DVU ebenfalls in den Genuss von ca. 20 000 Euro jährlich gekommen wären, ließ Ihnen, Sie Superdemokraten, wahrscheinlich keine Ruhe, zumal Herrn Innenminister Schönbohm wohl die Argumente ausgegangen sind,

(Bochow [SPD]: Das wäre ja das erste Mal!)

um uns die Mittel nicht auszahlen zu müssen.

(Beifall bei der DVU - Lachen bei der SPD)

- Warum bringen Sie dann so einen Antrag ein? Also müssen Ihnen die Argumente ausgegangen sein. Das ist die logische Schlussfolgerung.

(Beifall bei der DVU - Schuldt [DVU]: Genau so ist es! - Frau Mächtig [PDS]: Das setzt Bildung voraus! Diese ha- ben Sie bis jetzt nicht nachgewiesen, Frau Hesselbarth! - Schuldt [DVU]: Aber Sie?)

- Aber Sie, Frau Mächtig!

So peitschten Sie, Herr Bischoff, aber auch Sie, Frau Funck, mit geradezu krimineller Energie

(Unruhe bei der SPD - Schippel [SPD]: Seien Sie vor- sichtig mit dem, was Sie sagen! Wir können auch über Briefkastenfirmen reden!)

- für mich ist das kriminell! - und rechtsbrecherischer Wortverdreherei einen Antrag durch, die Erläuterungen zu dem genannten Titel dergestalt zu ändern, dass nur mehr Vereinigungen von Parteien, welche seit mindestens drei Legislaturperioden im Landtag vertreten sind, in den Genuss der Förderung kommen sollen. So etwas gibt es nicht nur in keinem anderen Bundesland, sondern es ist auch ein himmelschreiender Angriff auf den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes und unserer Landesverfassung sowie auf das Demokratieprinzip, welches ein freies Spiel der politischen Kräfte gewährleistet.

(Beifall bei der DVU)

Herr Schippel, wenn Sie mit mir über Briefkastenfirmen diskutieren wollen, dann kann ich mich gern darauf einlassen; ich habe noch unendlich viel Redezeit.

(Beifall bei der DVU - Schippel [SPD]: Nein, das müsste interessant sein! Das ist es nicht!)

Deshalb erkläre ich Ihnen hier und heute noch einmal: Die Klage vor dem Verfassungsgericht des Landes Brandenburg wird derzeit vorbereitet und demnächst eingereicht. Wir sind uns sicher, dass Sie, meine Damen und Herren von Rot-Schwarz, dann wieder auf den Boden der demokratischen Tatsachen zurückgeholt werden.

(Beifall bei der DVU - Schuldt [DVU]: Jawohl!)

Dieser Angriff auf das Demokratieprinzip ist für uns sogar so gravierend, dass wir auch den Gang nach Karlsruhe oder vor den Europäischen Gerichtshof nicht scheuen werden. Wir sehen uns also vor Gericht wieder, Herr Schippel.

Zum Einzelplan 15 wurde von meinen Fraktionskollegen dort, wo wir der Meinung sind, dass es sich um unnötige Ausgaben handelt, insbesondere bei den Planungsmaßnahmen für den Landtagsneubau, die wir zumindest für die nächsten beiden Jahre gesperrt haben wollen, sowie bei den unsinnigen Baukosten für das nicht mehr genutzte Verbindungsbüro bei der EU in Brüssel, welche gestrichen gehören, bereits darauf hingewiesen. Selbstverständlich lehnen wir auch den Einzelplan 15 ab.

Zu dem ansonsten unspektakulären Einzelplan 12 des Ministeriums der Finanzen liegt eine Petition der Steueranwärter des Finanzamtes Eberswalde vor; wir haben es schon mehrfach gehört. Es handelt sich um Menschen, die guten Glaubens ihre Ausbildung als Steueranwärter begonnen haben und demnächst abschließen werden, von denen aber nur bis zu 50 % in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werden sollen. Wir halten eine solche Vorgehensweise gegen die Interessen junger Menschen schlicht und ergreifend für einen Anschlag auf das Prinzip von Treu und Glauben. Wir fordern daher, dass alle Steueranwärter, die derzeit in der Ausbildung sind und diese demnächst abschließen werden, in die Beamtenlaufbahn auf Probe übernommen werden.

Bei einem zu diesem Thema vorliegenden Änderungsantrag einer anderen Fraktion werden wir uns nur deswegen der Stimme enthalten, weil wir die vorgesehene Deckung für unrealistisch halten. Wir fordern Sie, Herr Finanzminister Speer, jedoch auf, alles dafür zu tun, dass diese jungen Menschen nicht vor den Kopf und in die Hoffnungslosigkeit gestoßen, sondern in ein Anstellungsverhältnis übernommen werden.

Den Einzelplan 12 als solchen lehnen wir ab.

Das vorliegende Haushaltsgesetz enthält, ähnlich wie frühere Haushaltsgesetze, über die Nettokreditermächtigung in § 2 Abs. 2 hinaus zusätzliche Kreditermächtigungen von ca. 2,2 Milliarden Euro jeweils in den beiden kommenden Haushaltsjahren. Das ist mehr als das Doppelte der jeweiligen Nettoneuverschuldung. Hinzu kommen Bürgschaften und sonstige Garantieleistungen in Höhe von über 1,3 Milliarden Euro. All diese Blankoermächtigungen sollen wir hier im Landtag stillschweigend abnicken, ohne dass das Landtagsplenum oder der dafür zuständige Ausschuss für Haushalt und Finanzen in den nächsten beiden Jahren ein Mitsprache- oder gar ein Entscheidungsrecht hätten. Alle unsere Änderungsanträge, die Genehmigungen für diese Schattenkreditaufnahmen und -gewährleistungen unter den Zustimmungsvorbehalt des zuständigen Ausschusses zu stellen, wurden von Ihnen, meine Damen und Herren, im Finanzausschuss wieder einmal samt und sonders abgelehnt. Damit hat sich die Legislative aber auch bei diesem Haushalt wieder buchstäblich selbst kastriert. Da wir jedoch in einer Demokratie und nicht im Absolutismus leben, ist auch dies ein Grund dafür, warum wir das Haushaltsgesetz und den Gesamthaushalt als solchen ablehnen.

Meine Damen und Herren von SPD und CDU, dasselbe gilt natürlich für Ihren selbstbeweihräuchernden Entschließungsantrag, für den wir als DVU-Fraktion bestenfalls ein müdes Lächeln übrig haben.

Zum Schluss noch zum Haushaltsstrukturgesetz: Die Brandenburger Kommunen beklagen die von Jahr zu Jahr schlimmer gewordene Finanzknappheit. Es werde immer komplizierter, freiwillige Leistungen wie die Unterhaltung und den Betrieb eines Schwimmbades zu erbringen. Schon jetzt könnten es sich viele Gemeinden kaum noch leisten, Reparaturen an Freibädern ausführen zu lassen. Herr Böttcher sprach von „Investitionsstau“.

In Südbrandenburg werden in diesem Jahr viele Freibäder vermutlich nicht öffnen können, weil das Personal nicht bezahlt werden kann. Wie bei den Freibädern sieht es bei allen kommunalen Einrichtungen aus, ob es sich um Bibliotheken, Jugendbegegnungsstätten, Senioreneinrichtungen oder um kommunale Straßenbau- und sonstige Infrastrukturmaßnahmen handelt. Die meisten Kommunen sind so überschuldet - und damit finanziell handlungsunfähig -, dass sie freiwillige Aufgaben längst nicht mehr erfüllen können.

Dann geht die Landesregierung hin und will ihnen im Haushaltsplan für 2006 weitere 50 Millionen Euro aus der Verbundmasse kürzen. Die Ausführungen der kommunalen Spitzenverbände wie des Brandenburgischen Städte- und Gemeinebundes oder des Landkreistages dazu während der Anhörung waren wohl mehr als eindeutig. Alle Kommunalverbände lehnen diese Kürzung unumwunden ab. Da hilft auch kein neuer Symmetriebericht, Herr Bischoff.