Protokoll der Sitzung vom 08.06.2005

Wir kommen zur Frage 338 (Förderkonkurrenz in der Metro- polenregion?), die der Abgeordnete Christoffers stellt.

Ende Mai wurde bekannt, dass die Landesregierung gegenüber der Bundesregierung offensichtlich ihre Bereitschaft signalisiert hat, die gemeinsame Arbeitsmarktregion Berlin-Brandenburg fördertechnisch aufzukündigen. Es gab eine entsprechende Reaktion auch von Experten, die einen Subventionswettlauf innerhalb der Region befürchten.

Ich frage die Landesregierung: Was hat sie dazu bewogen, diesen Schritt öffentlich zu machen und eine Debatte vor einer endgültigen Entscheidung über die Strukturfondsperiode ab 2007 zu initiieren?

Herr Wirtschaftsminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Herr Christoffers, Sie rufen eine komplizierte Materie auf. Zunächst möchte ich darauf aufmerksam machen, dass zum 31.12.2006 ausnahmslos alle gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über Fördergebietebeihilfe-Intensitäten ihre Gültigkeit verlieren. Demgemäß sind auch alle diesbezüglichen nationalen Regelungen zu prüfen, gegebenenfalls neu zu ordnen und der EU zur Genehmigung vorzulegen.

Die Neuordnung der Gebiete, die Sie hinterfragen, erfolgt auf der Grundlage der bekannten EU-rechtlichen Vorschriften. Das sind die NUTS-Verordnung, die dazu verabschiedeten Leitlinien usw. Insofern hat das Land - das sei festgestellt - die Arbeitsmarktregion Berlin-Brandenburg weder aufgekündigt, noch liegt es in seinem Ermessen, zu bestimmen, ob etwas fortgesetzt oder nicht fortgesetzt wird.

Da seit Ende des Jahres 2003 aufgrund entsprechender Darstellungen von Vertretern der Kommission der EU bekannt war, dass die Kommission beabsichtigt, das Beihilferegime zu straffen und die Förderkulisse in den „alten“ Mitgliedsstaaten vor allem mit Blick auf die Bedürftigkeiten der zehn neuen Mitgliedsländer zu reduzieren, sind seitdem von der Landesregierung unter Beteiligung der verschiedensten Häuser und auch unter Einbeziehung Berlins Überlegungen dazu angestellt worden, wie dem Wirtschaftsraum Berlin-Brandenburg - nur in diesem Rahmen betrachten wir diese Angelegenheit, es ist also kein Auseinanderdividieren - Möglichkeiten zur weiteren Wirtschaftsförderung in Sachen Finanzausstattung und Beihilfeintensität erhalten bleiben können.

Ich will darauf verweisen, dass es zu den Einmaligkeiten und nicht zu den Üblichkeiten in der Entwicklung der EU gehört, dass eine Beihilfe- bzw. eine Förderkulisse derart flächendeckend, wie wir das in den neuen Bundesländern erlebt haben, ausgesprochen worden ist. Wir müssen uns umgekehrt darauf einstellen, dass es solche Unterschiede, wie sie in der für 2007 bis 2013 angekündigten Förderkulisse - Stichwort „Facing-outRegionen“- beschrieben sind, geben wird.

Ein solcher Zustand - das möchte ich hinzufügen - ist übrigens kein alleiniger ostdeutscher Zustand. Auch in den alten Bundesländern gibt es solche Fälle, beispielsweise den Regierungsbezirk Lüneburg betreffend. Ab dem Jahr 2004 wird dieser Regierungsbezirk den Beihilfestatus eines Facing-out-Gebietes bekommen, angrenzend an Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen, wo bisherige Fördergebiete nach dem Jahr 2006 diesen Status verlieren werden. Insofern ist das kein Unikat und ich will den Gedankengang dafür öffnen.

Das von Ihnen, Herr Abgeordneter, verwendete Zitat eines Wirtschaftsförderers muss nicht von allen geteilt werden. Diese Einlassungen sind nicht vorgebracht worden, als wir feststellen mussten, dass sich die Förderschwelle im Land befindet. Aber ich sehe insbesondere in der Diskussion mit den Wissenschaftlern über die Grundlagen, über die Herleitung noch immer eine Chance, dazu zu einer gemeinsamen Auffassung zu kommen.

Alle bisherigen Erfahrungen sprechen dafür, dass die Möglichkeit der Gewährung von Zuschüssen ein wesentlicher Faktor für die unternehmerischen Entscheidungen in der deutschen Hauptstadtregion ist. Festzustellen bleibt aber auch, dass es nicht um einen Förderwettbewerb in dieser Region geht. Das besagen unsere Erfahrungen aus den letzten Jahren sowie die Regelungen, die wir im Fall der GA getroffen haben, entsprechend denen bloße Verlagerungen, beispielsweise aus Berlin heraus, nicht gefördert werden. Vielmehr liegt uns daran, den Blick für die Tatsache zu schärfen, dass wir uns im überregionalen Wettbewerb mit den Regionen Dresden, Leipzig und anderen, ja sogar im internationalen Maßstab befinden.

Die gemeinsame Auffassung, dass potenzielle Unterschiede in der Region auftreten können, darf uns vor der Kulisse, dass wir uns als Hauptstadtregion im überregionalen Wettbewerb zu finden haben, nicht auseinander dividieren. Demzufolge wäre es töricht und für die Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg tödlich, wenn wir keine Überlegungen dazu anstellen würden, wie gewisse Präferenzen für uns erhalten bleiben können.

Mit dem von uns - übrigens mit guter Aussicht auf Erfolg - in die Diskussion eingebrachten Konzept bliebe für alle an Berlin grenzenden Landkreise und die kreisfreie Stadt Potsdam bis zum Jahr 2013 ein Regelfördersatz in vernünftiger Höhe bis zum Jahr 2013 erhalten. Würden wir das nicht tun - um einmal den Umkehrschluss zu ziehen -, bekämen möglicherweise sowohl Berlin als auch die angrenzenden Kreise, und zwar nicht in der Teilung der jetzigen Arbeitsmarktregion, sondern in der Kreisstruktur - keine regionalen Fördermöglichkeiten mehr.

Ich will in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es täglich nicht nur 146 000 Pendler aus Brandenburg zu ihrem Arbeitsort Berlin gibt, sondern dass auch 54 000 Berliner zu ihren Arbeitsorten in Brandenburg, hauptsächlich in den angrenzenden Landkreisen, fahren oder gehen.

Schlussendlich steht die deutsche Hauptstadtregion vor der Perspektive, entweder unter Zugrundelegung der Statistiken, die ich im Einzelnen nicht aufführen darf, den Förderstatus aufgrund der BIP-Leistungen, die die Bundeshauptstadt in diese Region einbringt, für die gesamte Region abzuschwächen oder die Fördergunst unter Zugrundelegung der jetzt verfolgten Zielstellung für die Region zu erhalten. Da ergibt sich aus dem Dreigestirn Standortattraktivität der deutschen Hauptstadt, Lagegunst und Fördergunst des Landes Brandenburg ein Gesamtpaket, welches die Attraktivität und die Wirtschaftskraft der Region stärkt. Dies folgt im Übrigen auch dem Konzept der branchenorientierten Förderung.

Ich möchte hinzufügen, dass im Gegensatz zu den Jahren 1998 und 1999, als diese Arbeitsmarktregion gebildet worden ist, im Rahmen der Branchenstrukturen, im Rahmen der abgestimmten Vorgehensweise der einschlägigen Landesfördergesellschaften, auch im Rahmen des Miteinanders der Bankgesellschaften länderübergreifend eine Zusammenarbeit entwickelt wurde, die sicherstellt, dass wir uns nicht in einem Kleinkrieg, wie von Wissenschaftlern dargestellt, verschleißen. Im Gegenteil! Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass eine Gemeinsamkeit in der deutschen Hauptstadtregion mit zwei Ländern nicht darin bestehen kann, dass wir alles auf dem Niveau Berlins gleichmachen, sondern dass mehr Kraft in der Unterschiedlichkeit liegt, die mit den Mechanismen des Ausgleichs genutzt werden muss. - Danke schön.

Vielen Dank. - Der Fragesteller möchte noch mehr wissen. Bitte, Herr Christoffers.

Herr Minister, ich glaube, Sie haben den Schwachpunkt Ihrer Argumentation selbst benannt, denn Sie sprechen von möglicherweise zu treffenden Regelungen, die eventuell eintreten können. Deswegen habe ich drei Nachfragen.

Erstens: Worauf gründen Sie Ihre Hoffnung, dass es nach dem Kooperationsvertrag der beiden Wirtschaftsfördergesellschaften nicht dazu kommt, dass die Standortattraktivität der gemeinsamen Region aufgrund der verschiedenen Fördersätze nach außen verschieden dargestellt wird und wir wirklich in einen Wettbewerb treten?

Zweitens: Der Bundesrat hat eine Entschließung, Bezug nehmend auf die Veränderungen zur EU-Strukturfondsperiode ab 2007, angenommen. In dieser Beschlussvorlage des Bundesrates, der das Land Brandenburg zugestimmt hat, ist ein neuer Förderschwerpunkt benannt worden: Wachstumsdynamik für KMU. Wäre nicht vielmehr ein gemeinsames Agieren der Bundesländer Brandenburg und Berlin gegenüber der Bundesregierung und gegenüber der Europäischen Union zur Durchsetzung dieses Förderziels eine realistische Alternative zu Ihrem Vorschlag?

Drittens: Herr Minister, das Land Brandenburg hat mit Überlegungen zu möglichen Präferenzen schon einmal eine Entscheidung getroffen, die dem Land, was die Zweiteilung angeht, nicht dienlich gewesen ist. Sie werden diesen Vorgang sicherlich ausgewertet haben. Können Sie dem Parlament versichern, dass alle Risiken, die aus dieser Entscheidung resultieren könnten, seitens der Landesregierung tatsächlich abgewogen wurden?

Erstens: Herr Abgeordneter, ich muss an dieser Stelle von Möglichkeiten sprechen, weil wir uns, wie Ihnen bekannt ist, in Verhandlungen mit der Europäischen Kommission bzw. mit der Bundesregierung zur Zukunft der Förderkonzepte 2007 bis 2013 befinden. Insofern kann ich dem Ergebnis dieser Verhandlungen nicht vorgreifen. Das macht auch die Schwierigkeit dieses Prozesses deutlich.

Die Vertretung der Interessenlage des Landes Brandenburg neben oder parallel zu Berlin ist eine Option, die sich daraus nährt, Fakten, die wir jetzt schon kennen, auszuwerten. Das betrifft die BIP-Entwicklung, die wir für Berlin und auch für unsere Region kennen, und es betrifft die Tatsache, dass es wahrscheinlich keine Trennung mehr auf der so genannten Gliederungsebene der Landkreise geben soll, wie sie in den Jahren 1998 und 1999 einmal verfolgt worden ist. Wir kennen die Pendlerbewegung und haben sie ausgewertet. Wir wissen, in welchem Umfang die Europäische Kommission diesbezüglich agiert und wie sie ihre Bewertungen anstellt. Deswegen spreche ich von Möglichkeiten. Ich kann den Ergebnissen nicht vorgreifen und kann die Argumentation meines Kollegen Wolf aus Berlin nicht vor mir hertragen.

Ich sehe die Attraktivität durch diese vermeintlich in Aussicht gestellte Förderschwelle nicht gefährdet, weil parallel dazu die gemeinschaftliche Aufstellung besteht, die man nicht geschenkt bekommt, sondern die man durch ein gemeinsames Portal der deutschen Hauptstadtregion transportiert, die man durch eine abgestimmte Vorgehensweise bei der Bewerbung von potenziellen Investoren realisiert, wie wir das schon praktiziert haben. Diese sichert auch die Abstimmung, wenn ein Unternehmer nach der Devise „Ich gehe zu Herrn Wolf und dann zu Herrn Junghanns und frage, wer mir mehr bietet“ den Förderwettbewerb anheizen will.

Solche Ausgleichsmechanismen werden gegenwärtig auch bezüglich der Zusammenarbeit der beiden Wirtschaftsfördergesellschaften erarbeitet und werden, wenn sie rund sind, transparent gemacht. Damit wird für die interessierte wirtschaftliche Öffentlichkeit dargestellt, dass man auf diesem Zug nicht fahren kann.

Zweitens: Das so genannte KMU-Förderziel ist kein Substitut für die Regelungen zu den Fördergebieten bzw. zur Fördergebietsabgrenzung. Ich sehe in diesem Förderziel, wonach sowohl Berlin als auch das Land Brandenburg KMU unterstützen - übrigens betrachten wir das bei unserer Wirtschaftsförderung ebenfalls im Einklang mit diesem Ziel -, eine Ergänzung zur notwendigen Festlegung der Ziele. Das KMU-Ziel kann eine Festlegung von Fördergebietskulissen und BeihilfeintensitätsFestlegungen nicht ersetzen. Herr Christoffers, Sie stellen darin zwar einen Widerspruch fest und tragen ihn mir gegenüber auch öffentlich vor, aber es ist eine Ergänzung.

Ich habe in der letzten Woche mit den zuständigen Generaldirektionen gesprochen: Es wird nicht als Widerspruch gesehen. Wir werden nach dem Jahr 2007 Gebietskulissenfestlegungen zu den Förderkulissen und Beihilfeintensitäten haben. Dann werden in dem so genannten Fortsetzungsprozess Lissabon aus bis dato insgesamt neun Förderprogrammen der Europäischen Union drei Schwerpunktthemen zusammengefasst. Dabei spielen die KMU eine besondere Rolle. Lassen Sie uns also die Ausgestaltung nicht in einen Gegensatz zu den Fördergebietskulissen stellen, sondern sie als Ergänzung betrachten.

Ich komme zu der von Ihnen angesprochenen Zusicherung im Parlament. Wenn wir sicherstellen, dass die bestehende Gefahr der Absenkung der Förderintensitäten in Brandenburg verhindert wird, wenn durch die Existenz unterschiedlicher Fördersätze im Havelland oder in Potsdam-Mittelmark, zwischen Ludwigsfelde und Luckenwalde, und durch den schwierigen Umgang damit kein Nachteil für Ludwigsfelde entsteht, in Bezug auf Automotiv mit Leipzig im Wettbewerb zu stehen, die immer mit den höchsten Förderintensitäten arbeiten können, dann ist das eine Wahrnehmung der Interessen Brandenburgs und der deutschen Hauptstadtregion im überregionalen Wettbewerb.

Meine Sicherheit, dass wir dort unsere Interessen vertreten, resultiert aus diesen Zusammenhängen, die natürlich auf der Auswertung der Erfahrungen der letzten Jahre beruhen. Sie sollen aber vor allen Dingen helfen, dass wir in der Region Berlin-Brandenburg nicht das vermeintlich Schlechtere auswählen, sondern uns daran messen lassen, wie wir parallel unsere Interessen vertreten, aber nicht gegeneinander agieren. Das ist mit diesem Herangehen gesichert.

Die Risiken sehe ich nicht so, wie Sie sie in dem anderen Fall geschildert haben.

Vielen Dank, Herr Minister Junghanns.

(Beifall bei der CDU)

Die Frage 339 (Berufsgenossenschaften) stellt der Abgeordnete Karney.

Das Umlagesystem der Berufsgenossenschaften steht in Deutschland und in Brandenburg zunehmend in Kritik. Die wirtschaftliche Entwicklung schlägt immer massiver auf die von den Unternehmen zu leistenden Insolvenzgeldumlagen und sonstigen Beiträge durch. Die Belastung der Unternehmen wächst seit Jahren. Hinzu kommt, dass Unfallversicherungen zu teuer, zu bürokratisch und zu intransparent sind. Mehrfachkontrollen durch das Landesamt für Arbeitsschutz, den TÜV Mensch und Arbeit und das Institut für Arbeitsschutz und die sonstigen Berufsgenossenschaften kosten doppelt und dreifach. Obwohl die Zahl der Arbeitsunfälle in den vergangenen Jahrzehnten um rund 55 % gesunken ist, sank der Beitragssatz nur minimal. Hohe Verwaltungskosten, komplizierte Zuschlags- und Nachlasssysteme und nunmehr schon Vorschüsse für das darauf folgende Jahr bringen die Unternehmen und damit auch die Arbeitsplätze in Schwierigkeiten.

Ich frage die Landesregierung: Was unternimmt sie, um die Unternehmen von diesen steigenden Kosten zu entlasten?

Das hören wir von Frau Ministerin Ziegler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Lieber Herr Karney, in Ihrer Anfrage verbinden Sie mehrere Themengebiete miteinander. Deshalb brauche ich etwas mehr Zeit zur Erläuterung.

Das Insolvenzgeld ist eine Leistung für Arbeitnehmer aus dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches, die durch die Agentur für Arbeit erbracht wird. Die Unfallversicherungsträger sind seit 1974 lediglich mit dem Einzug und der Abführung der Insolvenzgeldumlage beauftragt, weil das Verfahren auf diese Weise unbürokratisch und günstig erfolgen sollte. Deshalb ist es auch nicht sachgerecht, die Entwicklung bei den Aufwendungen für die Insolvenzgeldumlage in eine Diskussion über die Kostenbelastung in der gesetzlichen Unfallversicherung einzubringen und dies miteinander zu verbinden.

Ich komme zu den Bereichen Arbeitsschutz und Prävention: Staatliche Arbeitsschutzbehörden und die Aufsichtsdienste der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind mit unterschiedlichen Funktionen auf unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen und mit unterschiedlichen Kompetenzen im Aufgabenfeld Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bzw. der Versicherten bei der Arbeit tätig.

Der Vollzug staatlicher Arbeitsschutzvorschriften wie Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung, Geräte- und Produktsicherheitsgesetz, Betriebssicherheitsverordnung, Sprenggesetz,

Strahlenschutzverordnung, Gefahrstoffverordnung, Mutter- und Jugendarbeitsschutzgesetz und Arbeitszeitgesetz sowie die Beratung der Arbeitgeber zu ihren diesbezüglichen Pflichten ist die eine, nämlich die staatliche Aufgabe für die Arbeitsschutzbehörden der Länder.

Nach dem Sozialgesetzbuch VII - Gesetzliche Unfallversicherung - haben die selbstverwalteten Träger der gesetzlichen Unfallversicherung den gesetzlichen Auftrag, mit allen geeingneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksamere erste Hilfe zu sorgen. Die Unfallversicherungsträger haben das Recht, hierzu Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen und deren Einhaltung in den Betrieben mit eigenen Aufsichtsdiensten zu überwachen.

Aus den gesetzlichen Aufgaben ergeben sich - in diesem Punkt haben Sie Recht - zum Teil Überschneidungen in den Tätigkeitsfeldern der zuständigen Landesbehörden und der branchenbezogen organisierten Unfallversicherungsträger. An dieser Stelle nehme ich eine kleine Richtigstellung vor: Ein Institut für Arbeitsschutz gibt es in Brandenburg nicht; es gibt bei uns das Landesamt für Arbeitsschutz, aber das war es dann auch schon.

§ 20 SGB VII und § 21 Arbeitsschutzgesetz enthalten Verpflichtungen zum engen Zusammenwirken beider Aufsichtsdienste bei der Überwachung sowie zur gegenseitigen Unterrichtung über durchgeführte Betriebsbesichtigungen. Hierzu wird also in Brandenburg zwischen der obersten Arbeitsschutzbehörde und der landesbezogenen Stelle der Unfallversicherungsträger eine Abstimmung hinsichtlich der Überwachungsaktivitäten vollzogen; hier werden Erfahrungen ausgetauscht und wird der Rahmen für die abgestimmte Tätigkeit der Aufsichtsdienste abgesteckt.

Die statistischen Angaben widerlegen Ihre Auffassung und sagen aus, dass es - wenn es nicht gerade einen besonderen Anlass wie einen Unfall oder einen Schadensfall gegeben hat sehr unwahrscheinlich ist, dass beide Aufsichtsdienste innerhalb eines Jahres im gleichen Betrieb tätig werden. Das ist aufgrund der Statistik nicht nachzuweisen. Das mittlere Zeitintervall zwischen Betriebsbesichtigungen durch die staatliche Arbeitsschutzbehörde bei den registrierten mehr als 55 000 kleinen Arbeitsstätten mit ein bis 19 Beschäftigten beträgt derzeit je nach Gefahrenkategorie zwischen vier und elf Jahren. Damit kann eine Überbürokratisierung und Überbelastung der Betriebe nicht nachgewiesen werden.

Ich komme nun zu den Unfallversicherungsträgern und deren Verwaltung: Sie haben Recht, nicht nur die Zahl der Arbeitsunfälle ist in den vergangenen Jahrzehnten um rund die Hälfte zurückgegangen, sondern auch der Anteil des durchschnittlichen Beitragssatzes der gewerblichen Berufsgenossenschaften am Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist von 1970 bis 2004 von 5 % auf 3,3 % gesunken. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag selbst ist aber von 26,5 % im Jahr 1970 auf 41,7 % im Jahr 2004 gestiegen. Das liegt nicht nur in der Preis- und Lohnentwicklung, der Inflation, sondern auch in der erheblich gestiegenen Leistungsfähigkeit der Sozialversicherungsträger vor allem im Bereich der Rehabilitation begründet. Forschung und Entwicklung haben zu einem erheblichen Fortschritt bei den Behandlungsmöglichkeiten zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation geführt. Heute können ganz selbstverständlich

Behandlungserfolge erzielt werden, an die vor 35 Jahren noch nicht gedacht wurde. Dies hat aber auch zu einer Verteuerung der Leistung beigetragen.

Ein wirtschaftlicher Umgang der Unfallversicherungsträger mit den Beitragseinnahmen ist meines Erachtens durchaus gegeben, wenn man den in den letzten 35 Jahren konstanten durchschnittlichen Beitragssatz der gewerblichen Unfallversicherung in Höhe von 1,31 % bis 1,35 % betrachtet. Diese Größenordnung ist wirklich ein Zeichen von Wirtschaftlichkeit.

Darüber hinaus haben Sie das Beitragssystem angesprochen. Sicherlich gibt es im Vergleich zum bestehenden System immer Verbesserungen und einfachere Beitragsmodelle. Die Zuschläge und Nachlässe haben aber einen konkreten, sinnvollen Hintergrund. Darüber sollen betriebliche Investitionen in und Bemühungen um Arbeitsschutz und betriebliche Prävention belohnt werden. Deshalb gibt es diese Zu- und Abschläge, die ein Stück weit auch Einzelfallgerechtigkeit für die Betriebe bedeuten.

Die Möglichkeit, Vorschüsse zu erheben, streckt die Beitragsforderung und soll nicht dazu dienen, die Unternehmen sozusagen schon vorher zu belasten, sondern dazu, dass dies keine einmalige Belastung ist, sondern dieser Beitrag mithilfe der Vorschüsse gesplittet werden kann.

Um kurzfristig die besonders belasteten Unfallversicherungsträger und die Unternehmen vor allen Dingen der Baubranche bei der Bewältigung ihrer Altlasten wirksamer zu unterstützen, gibt es den Vorstoß auch des Bundes, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Lastenausgleichs in der gesetzlichen Unfallversicherung auf den Weg zu bringen. Dies wissen Sie sicherlich.