Protokoll der Sitzung vom 27.10.2004

Ich frage die einbringende Fraktion, ob sie von den restlichen 90 Sekunden Redezeit noch Gebrauch machen möchte. - Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Gesetzes über die Schulen im Land Brandenburg - Drucksache 4/19 - an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer der Empfehlung folgt, den bitte ich um

das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Überweisung mehrheitlich zugestimmt worden, wenn ich richtig gezählt habe.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

1. Lesung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch im Land Brandenburg (Bbg AG-SGB II)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/14

Die Aussprache wird durch die Landesregierung eröffnet. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Entwurf des Ausführungsgesetzes betrifft die weitere praktische landesrechtliche Umsetzung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Das Bundesgesetz erhält - wie Sie wissen - am 1. Januar 2005 seine volle Gültigkeit, nachdem bereits am 1. Januar und am 1. April 2004 einige Bestimmungen in Kraft getreten sind.

Die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist der grundlegende Gesetzesakt zur Reformierung des Arbeitsmarktes und bekanntlich auch der umstrittenste.

Das Bundesgesetz ist nun durch die Kommunen in enger Kooperation mit den Arbeitsagenturen umzusetzen - entweder in den Arbeitsgemeinschaften oder in alleiniger Verantwortung einiger ausgewählter so genannter Optionskommunen. Die Landesregierung wird die Kommunen wie die Arbeitsagenturen in diesem Prozess aktiv unterstützen. Aus unserer Sicht gibt es keinen besseren Weg, Arbeitsuchenden rasch und passgenau Arbeit zu vermitteln und sie gleichermaßen zu fördern und zu fordern.

Unsere Unterstützung ist auch kein Lippenbekenntnis; schließlich ist die Begleitung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes eine unserer wichtigsten Aufgaben und als solche auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Aber natürlich ist das keine Einbahnstraße und setzt partnerschaftliche Kooperation voraus. Überdies ist das Land verpflichtet, die landesrechtlichen Regelungen zur SGB-II-Umsetzung zu schaffen. Daran führt kein Weg vorbei und das sollten auch die Kritiker der Arbeitsmarktreform bei der Diskussion bedenken.

Die Regelungen unseres Gesetzentwurfs wirken auch nicht unmittelbar auf die Arbeitslosen in unserem Land; denn die betreffenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, also die Leistungen für die erwerbsfähigen bisherigen Sozialhilfeempfänger und die bisherigen Arbeitslosenhilfeempfänger, sind bereits abschließend im Bundesgesetz geregelt.

Die Länder müssen nun mit entsprechenden Ausführungsgeset

zen ihre Regeln schaffen, die zur Umsetzung des Bundesgesetzes notwendig sind. Dazu gehört unter anderem die Schaffung verfahrensrechtlicher Voraussetzungen für die Weiterleitung des Bundesanteils an den kommunalen Unterkunftskosten sowie die Weitergabe der Wohngeldersparnis des Landes. Nicht mehr und nicht weniger regelt dieser Gesetzentwurf.

Einige Regelungen im Einzelnen. Nach SGB II ist die Trägerschaft der Leistungen zwischen den Arbeitsagenturen und den kommunalen Trägern aufgeteilt. Während die Arbeitsagenturen für den Lebensunterhalt der Arbeitsuchenden und Sozialhilfeabhängigen sowie für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit aufkommen, tragen die Landkreise und kreisfreien Städte die Leistungen für Unterkunft und Heizung, für die soziale Unterstützung bei Eingliederungsmaßnahmen sowie für bestimmte einmalige Beihilfen. Die fünf in Brandenburg als Optionskommunen zugelassenen Landkreise nehmen neben dieser kommunalen Aufgabe auch die Aufgabe der Arbeitsagenturen wahr.

So bestimmt § 1, dass sowohl die nach SGB II den Landkreisen und kreisfreien Städten unmittelbar zugewiesenen Aufgaben als auch die Optionsaufgaben von ihnen eigenverantwortlich als Selbstverwaltungsaufgaben wahrgenommen werden. Das ist ja auch nicht neu für Brandenburgs Kommunen, haben sie doch bisher schon nach dem Bundessozialhilfegesetz solche Aufgaben in eigener Regie und gut durchgeführt.

Ähnliches gilt für die Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt durch die Optionskommunen anstelle der Arbeitsagenturen. Auch mit Leistungen zur Eingliederung in Arbeit haben unsere Kommunen Erfahrungen. Ich denke hierbei an den Erfahrungsschatz aufgrund der kommunalen Beschäftigungsprogramme, den die Optionskommunen in die Bewältigung der neuen Aufgaben einbringen können und - da bin ich sicher - auch gut einbringen werden.

Hinsichtlich der Selbstverwaltung - auch das wissen Sie unterliegen die Landkreise und kreisfreien Städte grundsätzlich der Kommunalaufsicht des Innenministeriums. Jetzt ist neu, dass mit § 1 Abs. 2 die damit verbundene Rechtsaufsicht vom Innen- auf das Arbeitsressort übertragen wird. In Verbindung mit den Zuständigkeiten nach § 2 hat das Arbeitsressort damit die Rechtsaufsicht über alle Aufgaben der kommunalen Träger nach SGB II sowie über die Arbeitsgemeinschaften. Damit wird das Grundprinzip des SGB II, Leistungen aus einer Hand, von uns landesrechtlich durch das Prinzip Aufsicht aus einer Hand verstärkt.

Leistungen aus einer Hand, das verpflichtet die Landkreise, ihre SGB-II-Aufgaben grundsätzlich auf die ARGE zu übertragen. Ausnahmen sind in Einzelfällen möglich, in denen gewichtige sachliche Gründe dagegen sprechen. Diese Pflicht zur Aufgabenübertragung bedeutet aber nicht, dass die bei Ämtern und Kommunen vorhandene Kompetenz, ihre sachliche und personelle Ausstattung nicht mehr genutzt werden könnten. Im Gegenteil, wir legen besonderen Wert auf eine dezentrale und bürgernahe Organisation der Leistungserbringung, wie es auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Wir wollen daher, dass die ARGE auf bewährte örtliche Strukturen und Kompetenzen zurückgreift. Das haben auch die Optionskommunen zu beachten.

Der Bund hat im Gesetzgebungsverfahren zugesagt, die Kommunen jährlich um 2,5 Milliarden Euro zu entlasten, und betei

ligt sich dafür zweckgebunden an den Leistungen für Unterkunft und Heizung. Wir werden in den Revisionsverfahren zur Überprüfung der Entlastungswirkungen sehr genau verfolgen, wie der Bund seine Zusage einhält und sein Versprechen gegenüber den Kommunen einlöst.

§ 4 unseres Gesetzentwurfs schafft die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Abruf der Bundeserstattung. Damit erhalten die Kommunen Rechtssicherheit, dass das Land die Bundesmittel auf der Grundlage der gemeldeten Daten unverzüglich abrufen und diese schnellstmöglich an die Kommunen weiterleiten wird.

Uns ist völlig klar, dass Entlastungseffekte, die auf Landesseite eintreten, ungeschmälert und in voller Höhe an die Kommunen weitergegeben werden. Das ist auch im Finanzausgleichsgesetz, das wir im Sommer beschlossen haben, so geregelt.

Die Rechtsverordnung dazu ist in Arbeit und wird rechtzeitig in Kraft treten.

§ 5 des Gesetzentwurfs sieht zudem vor, dass nach gleichem Verteilungsschlüssel auch die Entlastung des Landes infolge der Wohngeldersparnis an die Kommunen erfolgen wird.

Ich bitte Sie, liebe Abgeordnete, den Gesetzentwurf zügig zu beraten, damit das Gesetz dann auch parallel zum neuen Ausführungsgesetz wirksam werden kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Otto.

Sehr geehrte Damen und Herren! Als neuer Abgeordneter in diesem hohen Haus hat man natürlich an solch einem Tag noch ganz unterschiedliche Empfindungen. Ich hoffe, dass die nächsten Jahre diese Empfindungen ausräumen, verstärken oder verändern werden und wir in diesem hohen Haus zu einer sachlichen, lösungsorientierten Arbeit zusammenfinden.

(Beifall bei der PDS)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Positionen der PDS zu Hartz IV sind Ihnen bekannt. Unsere Fraktionsvorsitzende hat sie in der Entgegnung auf die Regierungserklärung noch einmal dargelegt. Hartz IV muss aufgehoben bzw. umfassend verändert werden. Das ist Gegenstand einer anderen Vorlage der PDS-Fraktion.

Unabhängig davon setzt sich die PDS dafür ein, dass die Betroffenen ihre Ansprüche realisieren können. Das schließt ein, dass die Landkreise und kreisfreien Städte ohne Abstriche an ihren bisherigen Standards in die Lage versetzt werden, die Aufgaben aus dem Sozialgesetzbuch II zu erfüllen.

Das vorliegende Gesetz trifft, wie die Ministerin erläutert hat, verfahrensrechtliche und organisatorische Regelungen zur Umsetzung des Sozialgesetzbuches II für die Landkreise und die kreisfreien Städte. Das Gesetz bestimmt - das ist richtig -, dass diese kommunalen Aufgaben pflichtige Selbstverwaltungsauf

gaben sind. Die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf die beauftragten Kommunen sind in Bezug auf die Finanz- und die Arbeitsabläufe nicht unerheblich. Deshalb ist es schon verwunderlich, dass dem Landkreistag Brandenburg nur drei Tage, nämlich vom 10. bis zum 13. September dieses Jahres, zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt wurden.

In der Regierungserklärung ist deutlich geworden, dass wir uns mehr mit den Bürgern und ihren Anliegen und damit auch mit den Positionen der kommunalen Spitzenverbände und anderer Betroffener beschäftigen müssen. Ich hoffe, dass das demnächst geschieht. Hoffnungsvoll stimmt mich dabei die Tagesordnung für die morgige konstituierende Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie.

Klärungsbedarf besteht nach unserer Meinung auch in der Frage, ob die in § 3 geregelte Heranziehung von Ämtern und amtsfreien Gemeinden außerhalb des Modells der Arbeitsgemeinschaften im engeren Sinn dem Leistungsbezieher die Leistungen aus einer Hand sichert. Formell ist das in der Erläuterung zu § 3 Abs. 2 dargestellt. Bindeglied ist die volle Verantwortung der Landkreise und das damit verbundene Weisungsrecht. Das schließt aber nicht aus, dass die Empfänger von Grundsicherung für Arbeitslose Leistungen geteilt - möglicherweise beim Landkreis, dem Amt oder der amtsfreien Gemeinde einfordern müssen. Das zu verhindern sollte geregelt werden.

Zur Durchführung der Aufgaben gehört aber auch eine jederzeit gesicherte Finanzausstattung der Kommunen. Für die Haushaltsplanung 2005 benötigen die kommunalen Träger Planungssicherheit. Deshalb halten wir es für erforderlich, dass die in § 4 genannten Angaben zum Abruf des Bundesanteils an den Leistungen für Heizung und Unterkunft genau definiert werden. Welche Angaben haben die Kommunen wie zu leisten? Das wollen die Kommunen wissen, um sich darauf vorzubereiten. Eine diesbezügliche zeitnahe Regelung über eine Rechtsverordnung halten wir für geboten.

Die Auszahlung der Mittel unmittelbar und unverzüglich nach Eingang der Bundesmittel an die kreisfreien Städte und Landkreise vorzunehmen halten wir für ehrenhaft. Aber heißt das nicht auch, dass dann den Betroffenen die Leistungen rechtzeitig zur Verfügung stehen, aber die Kommunen möglicherweise in Vorleistung aus eigener Tasche gehen müssen? Die Bundesmittel können zur Monatsmitte oder zum Monatsende abgerufen werden. Die Anmeldung der Mittel, so bestimmt das Gesetz, soll bis zum 15. des Monats erfolgen. Das birgt aber die Gefahr, dass Landkreise in die Situation der Vorfinanzierung kommen. Deshalb regen wir an, den Termin 15. auf den 10. des Monats zu verändern.

Bezüglich der Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen für die Jahre 2005 bis 2009 in Höhe von 190 Millionen Euro, wozu in § 15 des Finanzausgleichsgesetzes klar geregelt ist, dass die Kommunen diese in voller Höhe erhalten, halten wir es aber auch für erforderlich, entsprechende Regelungen zu den Fragen zu schaffen: Wie hoch ist der Anteil der betreffenden Kommune und nach welchen Kriterien werden diese Mittel verteilt? - Auch das gehört zur Planungssicherheit für die betroffenen Kommunen.

Die Umsetzung des Sozialgesetzbuches II zulasten der Kommunen soll ausgeschlossen werden. Es kann nicht sein, dass die stark defizitären Haushalte durch höhere Umlagen und

möglicherweise Kürzungen in dem ohnehin schon eingeschränkten Teil der freiwilligen Aufgaben zusätzlich belastet werden. Das betrifft auch die Beschränkung in § 5, dass die Einsparungen an Wohngeldleistungen nur als Nettoleistung an die kommunalen Träger weitergeleitet werden können. Hier bedarf es einer Regelung zu den Fragen: Wie hoch sind die Einsparungen? Welche Stichtage werden zur Berechnung der Einsparung herangezogen und wie werden diese Leistungen dann auf die Kommunen verteilt?

Herr Abgeordneter, ich erinnere an die Zeit.

Wir halten eine Regelung für erforderlich, wonach den Landkreisen die tatsächlichen Entlastungsbeträge auf Dauer weitergereicht werden.

Das Gesetz ist somit ein Mindeststandard; es bedarf an vielen Stellen veränderter Regelungen. Dazu werden wir uns in den Ausschüssen einbringen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Dr. Schröder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorweg eine Bemerkung: Das Thema „Hartz IV“ steht heute und morgen dreimal auf der Tagesordnung. Ich bin sehr froh darüber, dass wir mit dem Ausführungsgesetz zum SGB II beginnen, weil es nach vorn schaut und weil es das Ziel verfolgt, mitzuhelfen, Strukturen vor Ort endlich aufzubauen.

Zu den beiden Anträgen, die wir sonst noch zur Fortsetzung des Wahlkampfes vorliegen hätten: Ich bin froh, dass der Wahlkampf vorbei ist,