Sie glauben doch nicht, dass Sie mit Ihrer Rede und der Diskreditierung des Ausbildungskonsenses auf Landesebene einem Jugendlichen, der derzeit eine Ausbildungstelle sucht, auch nur im Geringsten eine Hilfe angeboten haben.
Meine Damen und Herren, es gehört zu den größten sozialen Ungerechtigkeiten unserer Zeit, wenn einem jungen Menschen nach erfolgreicher Schulausbildung der erste Schritt in das Arbeitsleben, in eine seinen Neigungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprechende Berufsausbildung verwehrt wird. Was wir immer noch als erste Schwelle bezeichnen, ist doch für Jugendliche und ihre Familien längst zur Hürde geworden. Der Brandenburger Ausbildungskonsens verfolgt daher das Ziel, auch in wirtschaftlich schwieriger Situation jedem ausbildungsfähigen und ausbildungswilligen Jugendlichen ein Aus
bildungsangebot zu unterbreiten. Das ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit. Denn ein junger Mensch auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle ist auf der Suche nach den eigenen Potenzialen, nach gesellschaftlicher Anerkennung und einem auskömmlichen Einkommen, nach einem Beruf, der auch in der Perspektive trägt, schlicht: auf der Suche nach einem sinnerfüllten Leben.
Wie stehen aktuell die Chancen für junge Brandenburgerinnen und Brandenburger an dieser ersten Hürde? Unversorgt waren Ende August noch 9 842 Jugendliche, 1 269 weniger als im Vorjahr, wobei die Reduzierung - das will ich hier deutlich sagen vornehmlich auf den Bewerberrückgang zurückzuführen ist und leider nicht auf eine Steigerung gemeldeter betrieblicher Ausbildungsplätze. Darum stehen auch in diesem Jahr wieder tausende staatliche Ausbildungsangebote zur Verfügung.
Statistisch gibt es also scheinbar kein Problem. Doch der rechnerische Lückenschluss wird zum Trugschluss, wenn wir vor den Problemen, die sich dahinter verbergen, die Augen verschließen. Ein Fünftel der Schulabgänger gelte als nicht ausbildungsreif, so die Chefin des IAB. In diesem Jahr müssen nach Aussage der Brandenburger Handwerkskammern weit über 3 000 Ausbildungsverträge verlängert werden, weil die schulischen Kenntnisse nicht für eine erfolgreiche Gesellen- und Abschlussprüfung reichten. Auch könnten Bäcker-, Fleischeroder Gebäudereinigerlehrstellen nicht besetzt werden, weil es keine geeigneten Bewerber gebe.
Notwendig ist daher eine kritische Auseinandersetzung mit schulischer, mit betrieblicher, aber auch mit überbetrieblicher Ausbildung. Um es klar zu sagen: Ausbildung ist und bleibt ureigenste Aufgabe der Wirtschaft,
Der Trend jedoch - das wissen wir alle - geht seit Jahren in die andere Richtung: Je weniger die Wirtschaft ausbildet, umso mehr staatliche Programme legen wir auf. In diesem Jahr wendet das Land Brandenburg 68,5 Millionen Euro für berufliche Ausbildung auf. Das sind inzwischen 58 % der Gesamtmittel des Landesprogramms „Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg“.
Ist es angesichts dieser Größenordnung nicht auch legitim und an der Zeit zu fragen, ob nicht vielleicht auch oder gerade durch gut gemeinte verstärkte staatliche Ausbildung das betriebliche Engagement weiter sinkt? Wie mir die Kammern berichten, halten Brandenburger Betriebe derzeit Ausbildungsplätze zurück, weil sie staatliche Prämien abwarten.
So lese und höre ich in den letzten Tagen vermehrt auch von Grundsicherungsämtern und Jobcentern, dass sie für Unternehmen, die sich bereit erklären, in diesen Tagen noch Ausbildungsverträge zu schließen, steuerfinanzierte Extraprämienmodelle erwägen oder bereits realisieren. Als Volkswirtin muss ich dringend von solchen zusätzlichen Prämien abraten. Natürlich können und wollen wir die unversorgten Jugendlichen nicht im Regen stehen lassen.
Im Gegenteil, zusätzliche Prämienförderung unterläuft Ausbildungsbereitschaft, erzeugt neue Subventionsmentalität und führt zu weiteren Engpässen, die dann wiederum der Staat in sozialer Verantwortung ausgleichen muss. Wir geraten so zunehmend an Grenzen staatlichen Engagements.
Schon heute sortiert die Bundesagentur in ihrer Berufsberatungsstatistik Beratungsfälle nach „Einmündung in Ausbildung“ und „Andere Arten der Erledigung“.
Die andere Art der Erledigung hieß bis Ende August in 40 % der Fälle „Berufsvorbereitung“. Doch das eben ist keine Art der Erledigung des Problems.
Aktuell befindet sich bundesweit rund eine Million Jugendliche in Berufsvorbereitung, das heißt, in Warteschleifen für Erstausbildung. „Generation im Wartestand“ titelte jüngst eine überregionale Tageszeitung.
Wenn wir Möglichkeiten und Grenzen der Ausbildungspolitik ausloten, dann müssten wir auch darüber offen reden - und auch in Brandenburg -, den Gehalt dieser Aussage prüfen und politisch darauf reagieren. Auch müssen wir uns fragen, ob die neue Ausrichtung von Landesförderung, der avisierte Fachkräftebedarf, von dem wir uns eine Entspannung am Brandenburger Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erhoffen, auch Chancen für die überbetrieblich Ausgebildeten und die so genannten Altnachfrager eröffnen wird.
Ein Beispiel zeigt, dass es hier wohl keinen Automatismus geben wird. So hat das Jobcenter in Lauchhammer mit großem Interesse die aktuelle Studie zur Kenntnis genommen, dass es künftig am Kompetenzzentrum Kunststoff in Schwarzheide einen erhöhten Bedarf an Fachkräften geben soll. Daraufhin werden jetzt Bildungsmaßnahmen vorbereitet, die zum Berufsabschluss „Kunststoffmechaniker“ führen sollen. In einem Gespräch mit einem neuen Investor in Schwarzheide sollte der Bedarf abgesteckt werden. Das neu angesiedelte Unternehmen stellte zwar den Bedarf dar, machte aber zugleich prinzipiell darauf aufmerksam, dass man keine Absolventen einer überbetrieblichen Ausbildung oder Umschüler einstellen und stattdessen betrieblich ausgebildete Fachkräfte - auch aus anderen Bundesländern - rekrutieren werde.
Solche Informationen wiegen umso schwerer an Tagen, an denen wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass Brandenburg deutsches Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum ist. Und natürlich hat diese allgemeine Konjunkturlage - davon haben Sie überhaupt nicht gesprochen - Auswirkungen auf den Ausbildungsmarkt. 203 weniger abgeschlossene Ausbildungs
verträge bis Ende August in den Brandenburger Unternehmen das ist keine gute Tendenz. Die Zahl der Ausbildungsverträge das sagen mir die Handwerkskammern - geht um sage und schreibe 25 % zurück. Auch beim regionalen Vergleich sei festzustellen, dass es überall im Land Brandenburg Rückgänge gibt, besonders hoch in der Prignitz, im Havelland und in Ostprignitz-Ruppin.
Ich möchte an dieser Stelle - besonders Ihnen, Herr Görke - sagen, das Thema einer Ausbildungsumlage ist bundespolitisch für die SPD keineswegs vom Tisch. Der Ausbildungspakt auf Bundesebene ist auf drei Jahre angelegt. Vereinbart ist, dass die Abrechnung nach Ablauf des dritten Jahres, im Jahre 2006, erfolgt. Für das Gelingen des Bundespaktes sind die Bündnisaktivitäten und auch der Ausbildungskonsens in Brandenburg unerlässlich. Von diesem Konsens gehen zweifelsohne positive Signale aus. Der Konsens orientiert sich eben nicht nur am rechnerischen Lückenschluss, sondern vor allem darauf, dass Brandenburger Betriebe, die ausbilden können, auch tatsächlich ausbilden. Klar, eine Herkulesaufgabe, vor der wir da stehen, da wir wissen, dass erst 16 500 der 66 000 Brandenburger Betriebe ausbilden, obwohl 34 300 hierzu berechtigt sind.
Aber hier können wir nur weiterkommen, indem wir hier nicht lamentieren, sondern hinausgehen, mit den ausbildungsberechtigten Betrieben sprechen und lokale Aktivitäten und Akteure vor Ort unterstützen.
Drittens zielt der Ausbildungskonsens im Land auf eine Verbesserung der praxisorientierten Ausbildung und der schulischen Leistungen an den allgemein bildenden Schulen - Schule verstanden als Sprungbrett in den Beruf. - Darauf wird meine Fraktionskollegin Ingrid Siebke in ihrem Beitrag näher eingehen.
Abschließend bleibt mir als Arbeitsmarktpolitikerin festzustellen, dass eben nicht der rechnerische Lückenschluss unser Ziel sein kann, sondern immer nur Eingliederung in Arbeit. Daran arbeiten wir auch mit dem Ausbildungskonsens in Brandenburg. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Ich bin gespannt, ob es die Abgeordnete Siebke schafft, in einer Minute das darzustellen, was sie sich vorgenommen hat.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Ausbildungsplatzsituation beschäftigen wir uns ja regelmäßig, insbesondere in den zuständigen Ausschüssen. Das sage ich vor dem Hintergrund des Fleißes, der von der Linkspartei jetzt so in den Fokus gerückt wurde, insbesondere auch in den gestrigen Nachrichten.
Ich glaube, wir sind uns einig, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, um möglichst jedem Jugendlichen den erfolg
reichen Start ins Berufsleben zu ermöglichen; denn das ist eine der wichtigsten Grundlagen für ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben in der Gesellschaft.
Die Situation am Arbeitsmarkt ist nach wie vor angespannt. Nach Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fehlen bundesweit immer noch 32 000 Ausbildungsplätze. Insgesamt sind das 10,9 % weniger Plätze als im Vorjahr. In den neuen Ländern sind es sogar 14,6 % weniger als im Vorjahr gemeldete Ausbildungsplätze.
Vor dem Hintergrund der in den Jahren 1999 bis 2003 ständig gesunkenen Zahl der Ausbildungsplätze hatte die rot-grüne Bundesregierung im Juni 2004 den so genannten Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs initiiert. Unterzeichner waren unter anderem die Bundesministerien für Wirtschaft und Arbeit sowie Bildung und Forschung, die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, der Industrie- und Handelskammertag und der Zentralverband des Handwerks.
2004 stieg die Zahl der Ausbildungsverträge erstmals um 2,8 % gegenüber dem Vorjahr. Dabei haben insbesondere die betrieblichen Ausbildungsverträge um 4,5 % zugenommen. Insgesamt sind 2004 59 500 neue Arbeitsplätze entstanden, 20 750 im Bereich des Handwerks, 38 800 im Bereich der Industrie- und Handelskammern, und 43 000 Betriebe haben sich erstmals an der Ausbildung beteiligt - das vor dem Hintergrund täglich verschwindender Arbeitsplätze.
Außerdem hatte sich die Wirtschaft verpflichtet, jährlich 25 000 Praktikumsplätze für eine betriebliche Einstiegsqualifizierung zu schaffen; am Ende waren es dann sogar 30 000 Plätze, die bereitgestellt wurden - ein durchaus positiv zu würdigendes Engagement der Wirtschaft vor dem Hintergrund der Gesamtsituation.
Der vorsichtig positive Trend des Jahres 2004 hält aber leider nicht an. Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt ist dies allerdings auch außerordentlich schwierig. Signale für eine nationale Anstrengung müssten dringend von einer handlungsfähigen Bundesregierung ausgehen.
Zur Situation in Brandenburg: Zu Beginn des Ausbildungsjahres waren 29 529 Jugendliche bei den Agenturen gemeldet. Das sind 7,6 % weniger als im entsprechenden Vorjahresmonat. Gleichzeitig lag die Meldung über 7 291 betriebliche Ausbildungsplätze vor. Erfreulicherweise wurden bei den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern 5 538 neue betriebliche Ausbildungsverträge geschlossen.
Für die ca. 10 000 so genannten unversorgten Jugendlichen stehen insgesamt ca. 15 000 Plätze aus dem Ausbildungsprogramm Ost, Berufsausbildungsvorbereitungen und Angebote der Berufsfachschulen usw. zur Verfügung. Folglich kann und wird die Ausbildungsplatzlücke auch in diesem Jahr geschlossen werden. Zusätzlich beginnt am 18. Oktober die Nachvermittlungsaktion der IHKs und der Handwerkskammern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht wegzudiskutieren ist, dass nach wie vor viele junge Menschen unser Land verlassen. Die IHK Cottbus stellt dazu fest, dass jährlich im
mer noch ca. 1 300 Jugendliche mit guten Schulabschlüssen unsere Region verlassen. Die Gefahr für die Zukunftsfähigkeit der Region muss dabei gesehen werden. Mit guten Schulabschlüssen erhöhen sich die Ausbildungschancen auch in Brandenburg. Daher finden die Ausbildungsbörsen weiterhin unsere volle Unterstützung. Fakt ist: Bei Menschen ohne Ausbildung liegt die Arbeitslosenrate in den neuen Ländern bei 51 %. Dies verdeutlicht die Situation nachdrücklich.
Im Zuständigkeitsbereich der IHK Cottbus haben von den insgesamt ca. 9 000 Bewerbern 27 % keinen oder einen sehr schlechten Schulabschluss. In anderen Regionen ist sogar von noch höheren Zahlen die Rede. In der „Wirtschaftswoche“ zum Beispiel heißt es: Jeder fünfte Jugendliche ist nicht ausbildungsfähig. - Wie auch immer, jeder Einzelne ist einer zu viel. Es geht dabei vor allem um die Kenntnisse in Mathematik und Deutsch sowie um fehlendes Grundlagenwissen. Das ist uns allen mittlerweile bekannt; alle Redner haben darauf hingewiesen.
Darüber hinaus beklagen viele Firmen die geringe Motivation der Jugendlichen. - Ich „freue“ mich natürlich immer, wenn die Abgeordneten in dem hohen Hause bei diesem Thema, wo wir über unsere Jugendlichen sprechen, so „intensiv zuhören“. - Ich will also wiederholen: Darüber hinaus beklagen viele Firmen die geringe Motivation der Jugendlichen. Bei Nachvermittlungsaktionen wurde die Erfahrung gemacht, dass nur ein Drittel der Angeschriebenen überhaupt zu einem Beratungsgespräch erschien.
Gleichzeitig muss man feststellen, dass anlässlich des sechsten „Aktionstages für Ausbildung“ deutlich wurde, dass Brandenburger Unternehmen in einigen Bereichen bereits geeignete Bewerber suchen. In den Regionen Prignitz und Dahme-Spreewald herrscht inzwischen Mangel an Auszubildenden. So traurig es ist - damit steigen die Chancen, eine entsprechende Ausbildung in der Region zu finden.