Protokoll der Sitzung vom 14.12.2005

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Nachfragen und Ergänzungen zur Kleinen Anfrage „Die DDR im Geschichtsunterricht, Drs. 4/1456 und 4/1571 - Ergänzungsfragen zur Kleinen Anfrage der Abgeordneten Saskia Funck (CDU) und zu den Antworten der Landesregierung (Drs. 4/1443)“

Große Anfrage 16 der Fraktion der DVU

Drucksache 4/1671

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/2111

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der DVU-Fraktion. Frau Abgeordnete Fechner, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Gäste! Die DVU-Fraktion wollte mit der Großen Anfrage an die Landesregierung in Erfahrung bringen, welchen Stellenwert das DDR-Regime im Schulunterricht im Land Brandenburg hat. Es mag durchaus sein, dass es hier in diesem hohen Hause bezüglich der Wichtigkeit dieses Themas unterschiedliche Meinungen gibt.

Die Mitglieder meiner DVU-Fraktion halten jedoch die eingehende Befassung mit der DDR-Geschichte, dem SED-Unrechtsregime und seinen Verbrechen an den Schulen unseres Lande für sehr wichtig. Bei einigen der linken Genossen mag das eventuell anders sein; schließlich geht es ein Stück weit um ihre eigene Aufarbeitung. Aber ich denke, dass sich die einstigen Diktatoren zu Demokraten gewandelt haben und demzufolge nicht allzu viele Schwierigkeiten damit haben werden. Ich kann also davon ausgehen, dass die meisten hier im Hause daran interessiert sind, dass sichergestellt wird, dass junge Menschen an den Schulen in Brandenburg auch über diesen Teil der deutschen Geschichte umfassend unterrichtet werden.

Leider geben uns neuere Medienberichte und auch meine eigenen Erfahrungen aus Gesprächen mit Schülern Anlass zu der Sorge, dass hier einiges im Argen liegt. Uns stellt sich die Frage: Woran liegt das?

Wir haben zu dieser Problematik bereits eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt; doch wie es hier leider so oft der Fall ist, blieben etliche Fragen unbeantwortet. Daraufhin haben wir uns veranlasst gesehen, diese Große Anfrage zu konzipieren.

Ich komme zu den einzelnen Fragen und Antworten.

In der Antwort zu Frage 1 wird uns unter anderem mitgeteilt, dass der Unterricht in den allgemein bildenden Schulen des Landes Brandenburg nicht so geregelt sei, dass Lerninhalte pro Unterrichtsstunde vorgegeben würden. Es sei vielmehr so, dass ein allgemeiner Rahmenplan existiere. Dieser gibt eben nur einen Rahmen vor. Die Gewichtung eines bestimmten Lernstoffes obliegt der jeweiligen Lehrkraft. Sie bestimmt, ob man sich damit intensiv oder nur oberflächlich beschäftigt.

Nun gibt es durchaus Lehrkräfte, die Schwierigkeiten haben, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Das sind hauptsächlich Lehrkräfte, die schon zu DDR-Zeiten im Schuldienst tätig waren. Letztendlich waren auch diese Lehrkräfte Teil des real existierenden Sozialismus.

(Frau Große [Die Linkspartei.PDS]: So wie Sie, Frau Fechner!)

- So wie ich. Das ist richtig, Frau Große. - Im Grundsatz halten auch wir von der DVU-Fraktion es für sachgerecht, den Schulen einen möglichst großen Freiraum bei der Ausgestaltung des Unterrichts zu geben. Das entbindet die Landesregierung aber nicht von der Verantwortung, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, wenn der Erfolg des Unterrichts ausbleibt oder auszubleiben droht. Nach Kenntnisnahme der PISA-Ergebnisse

hat die Landesregierung die Hände auch nicht in den Schoß gelegt und den Dingen ihren Lauf gelassen. So wurden Rahmenpläne überdacht und mit verbindlichen Vorgaben versehen, die die Vermittlung entsprechenden Grundwissens sicherstellen sollen. In einigen Bereichen wurde der Rahmenplan durch einen konkretisierten Rahmenlehrplan ersetzt.

Auch die Aufarbeitung der DDR-Geschichte gehört unserer Meinung nach zu den Dingen, die verbindlich an den Schulen gelehrt werden müssen. Hier geht es zwar nicht um Mathe oder Deutsch, also unmittelbar für das Berufsleben elementares Wissen, aber es geht um unser Land.

(Beifall bei der DVU)

Für dessen künftige demokratische Entwicklung und Gestaltung sind fundierte Kenntnisse über die DDR-Geschichte unerlässlich, insbesondere deshalb, weil wir es heute mit einer Schülergeneration zu tun haben, die die DDR aus eigenem Erleben nicht mehr kennt. So wie der Sozialismus unter der Führung der Nazis kritisch aufgearbeitet wird, so muss auch der Sozialismus unter der Führung der SED-Sozialisten kritisch aufgearbeitet werden

(Beifall bei der DVU - Dr. Klocksin [SPD]: Ihre Be- schränktheit ist grenzenlos!)

- ist ja gut! -, ohne dass es uns hierbei um ein Aufrechnen der einzelnen Arten des praktizierten Sozialismus geht.

Ich komme auf einige weitere Fragen unserer Großen Anfrage zu sprechen. In den Fragen 3 und 4 wollten wir wissen, in welcher Weise und mit welchen Unterrichtsinhalten die DDR-Diktatur einschließlich ihrer ideologischen Hintergründe abgehandelt wird.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Gehen Sie zur Schule, dann lernen Sie etwas!)

Uns wird mitgeteilt, die Landesregierung fördere bereits seit Jahren die Aufklärung über die Geschichte der DDR im Rahmen des Geschichtsunterrichts und der historischen Bildungsarbeit. Das Ministerium habe den Schulen bereits 1992 eine kommentierte Quellensammlung und eine vierbändige Publikation zum Thema DDR-Volksbildung zur Verfügung gestellt. Des Weiteren bestünden zahlreiche Kooperationsvereinbarungen wie beispielsweise mit der Gedenkstätte in Hohenschönhausen. Das alles ist gut und richtig, wenn es denn auch wirklich genutzt wird. Die Landesregierung jedenfalls kann aber keine Aussage darüber treffen, inwieweit all diese Angebote tatsächlich genutzt werden.

Wir wollten in unserer Großen Anfrage auch wissen, ob im Rahmen der Befassung mit der Ideologie des Sozialismus an Brandenburger Schulen ein Vergleich des Menschenbildes des Grundgesetzes mit dem des Marxismus-Leninismus sowie des Stalinismus stattfindet. Darauf hat die Landesregierung geantwortet, so etwas sähen die Rahmenlehrpläne nicht vor. Übrigens ist jetzt die Rede von Rahmenlehrplänen und nicht mehr von Rahmenplänen. Es stellt sich damit die Frage, ob die Befassung mit dem Thema auf der Grundlage eines Rahmenplanes oder auf der eines konkreteren Rahmenlehrplanes erfolgt. Vielleicht kann der Vertreter der Landesregierung anschließend dazu Stellung beziehen.

(Zuruf von der SPD: Wir sind doch nicht in der Frage- stunde!)

Ich merke schon, er hat wieder Redeverzicht angemeldet. Das ist nicht weiter verwunderlich; schließlich lässt diese Landesregierung alles sprachlos über sich ergehen und kann noch nicht einmal auf eine so einfache Frage Antwort geben.

(Beifall bei der DVU)

Wir von der DVU-Fraktion halten einen Vergleich des Menschenbildes des Grundgesetzes mit dem des Marxismus-Leninismus sowie des Stalinismus für unerlässlich, weil sich hieraus Ursachen für menschenrechtswidriges staatliches Handeln und die diktatorischen Herrschaftsansprüche ergeben.

Dasselbe ergibt sich im Hinblick auf die Antworten auf unsere Fragen 5, 6 und 7 vor allem für das Scheitern dieses Systems.

Mit den Fragen 8, 9 und 10 wollten wir herausfinden, über welche Erkenntnisse die Landesregierung bezüglich des Wissensstandes Brandenburger Schüler zur DDR-Geschichte verfügt. Es ist nur als erstaunlich zu bezeichnen, dass die Landesregierung offensichtlich keine Ahnung vom Wissensstand der Schüler zur DDR-Geschichte hat, jedoch gleichzeitig jeglichen Änderungsbedarf für die Rahmenlehrpläne verneint. Aus Sicht der DVU-Fraktion ist der Erfolg von Unterricht an seinen Ergebnissen zu messen. Zum Kenntnisstand unserer Schüler zur DDR-Geschichte kann diese Landesregierung offenbar keine vernünftigen Aussagen machen.

Die Bedeutung einer fundierten Befassung mit den Tatsachen zur DDR-Diktatur an den Schulen Brandenburgs für die Entwicklung der Demokratie in unserem Land lässt sich mit dem vermeintlichen Desinteresse der Landesregierung nicht in Einklang bringen. Wahrscheinlich erklärt dieses vermeintliche Desinteresse, warum sich die Landesregierung bei ihren Antworten auf unsere Frage 4 gegen den dort eingeführten Begriff der Vermittlungstiefe wehrt, statt näher darauf einzugehen. Mit dem Begriff der Vermittlungstiefe meinen wir nichts anderes als bei der Mathematik. Hier wie dort ist ein gewisses Kernwissen unerlässlich.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit von zehn Minuten ist um.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Gott sei Dank! - Zuruf von der SPD: Irgendwann muss Schluss sein!)

Das kann nicht sein, denn ich habe erst acht Minuten gesprochen. Es wird ja alles aufgezeichnet und es wird sich nachvollziehen lassen, wie viel Redezeit ich in Anspruch genommen habe.

(Zuruf: Richtig!)

Ich möchte zum Abschluss noch einen Satz anbringen, bevor die Redner der anderen Fraktionen ans Pult treten und irgendwelchen Unsinn erzählen. Mit dieser Großen Anfrage ging es uns nicht darum, die einzelnen Arten des Sozialismus aufzurechnen, sondern einzig und allein um die Behandlung der DDR und des SED-Regimes im Unterricht und darum, was letztlich an überprüfbarem Wissen bei den Schülern angekommen ist. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU - Zuruf von der SPD: Wir haben viel von Ihrem Weltbild gelernt!)

Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Dombrowski, der für die Fraktionen von CDU und SPD spricht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Großen Anfrage der DVU-Fraktion unter Bezugnahme auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Funck ging es im Wesentlichen darum, zu beleuchten, ob das Thema DDR und Lebensumstände in der DDR in unseren Schulen ausreichend und tiefgründig genug behandelt wird.

Die Fragen, die die DVU-Fraktion hier gestellt hat, waren zum Teil in einem Ton gehalten, den ich nicht für angemessen halte. Die Antworten der Landesregierung lassen schon erkennen, dass einiges nicht zu beantworten ist, weil die Brandenburger Rahmenlehrpläne den Lehrern einen großen Spielraum dabei lassen, auf welche pädagogische Art und mit welchen Mitteln sie einzelne Themen behandeln und vertiefen. Dennoch haben wir uns immer wieder die Frage zu stellen, ob das, was wir in den Rahmenplänen vorgeben, und das, was in diesem Bereich wie auch in anderen Bereichen an Wissen tatsächlich vermittelt wird, ausreichend ist und ob es in ausreichendem Maße abgefragt werden kann.

Die Herangehensweise in den Schulen ist daher unterschiedlich. Die Kollegin Funck hatte in ihrer Kleinen Anfrage einen „Vorfall“ vorgetragen, wonach Schüler aus Rathenow und Premnitz die Lesung eines DDR-kritischen Buchs unter Missfallensbekundungen verlassen haben sollen. Das konnte nicht ganz aufgeklärt werden.

Ich kann aber ein anderes Erlebnis schildern: Ich selbst habe im vorigen Jahr am Humboldt-Gymnasium in Premnitz zwei Stunden lang mit 100 Schülern, die gut vorbereitet waren, über diesen Themenkreis gesprochen. Ich habe der Lehrerin hinterher 780 Euro aus privaten Mitteln zur Verfügung gestellt, damit die Schülerinnen und Schüler zur Gedenkstätte Hohenschönhausen fahren können.

(Zuruf: Hört, hört!)

Das Thema wurde dort ordentlich verarbeitet. Es wäre schön dies ist vielleicht auch eine Aufforderung an den Landtag -, wenn unseren Schulen geholfen werden könnte, diese Mittel aufzubringen, wenn sie an solchen Projekten interessiert sind. Die Erfüllung des Wunsches, dass Schülerinnen und Schüler an authentische Stätten fahren, um dort die Unterrichtsinhalte zu vertiefen, kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass Private Geld dafür bereitstellen. Nichts ist so anschaulich wie das persönliche Erleben.

(Beifall bei der CDU)

Eines ist doch völlig klar: Jeder, der das Leben in der DDR beleuchtet, wird es ein bisschen aus seiner Position heraus tun. Jeder wird es so tun, wie er es persönlich erlebt hat. Das ist nur zu verständlich und zu menschlich. Dass wir hier offenbar Defizite haben, ist auch durch diesen Landtag belegt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden sich sicherlich an die Aktuelle Stunde im vorigen Jahr zum Thema „Brandenburg

15 Jahre nach dem Fall der Mauer“ erinnern, als die Kollegin Steinmetzer für die PDS-Fraktion 25 Minuten vorgetragen hat. Die Kollegin Steinmetzer hat den Großteil ihrer Schulzeit in Brandenburger Schulen verbracht. Ihr Vortrag konnte von mir letztlich unter die Überschrift gestellt werden: „Bei Mutti und bei der SED war es schön.“ Das zeigt, dass auch hier offenbar noch Defizite sind.