Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Die zweite Bemerkung richtet sich an die Koalition, in der sich die SPD befindet. Wir haben willentlich einem Koalitionsvertrag zugestimmt, in dem wir bestimmte Usancen des Umgangs festgelegt haben. Dazu gehört auch die Einheitlichkeit des öffentlichen Auftritts, wie gerade eben geschehen. Gleichwohl wünsche ich mir - dieser Anlass ist sachbedingt vielleicht auch ein Grund dafür -, dass sich der Koalitionspartner CDU von seinem aus meiner Sicht nicht zeitgemäßen parlamentarischen Verhalten verabschiedet, Vorgänge dieser Art nicht überweisen zu wollen, sondern abzulehnen. Ich glaube, der demokratischen Kultur in diesem Hause und in diesem Lande wäre es angemessener, mehr die Diskussion zu führen, als sie zu verhindern. - Danke schön.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank für diese persönliche Erklärung.

Trotzdem stelle ich, bevor wir zur abschließenden Wertung kommen, die Frage, ob alle im Saal befindlichen Abgeordneten ihr Stimmverhalten zum Ausdruck bringen konnten. - Das ist der Fall.

Ich bitte jetzt um einen Moment Geduld für die Auszählung.

Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt: Mit Ja stimmten 31 Abgeordnete, mit Nein stimmten 44 Abgeordnete. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 1739)

Ich schließe damit Tagesordnungspunkt 7 und wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8:

Gesetz über die Verweigerung der Zulassung von Fahrzeugen bei rückständigen Gebühren und Auslagen

Gesetzentwurf der Landesregierung

1. Lesung

Die Landesregierung erhält das Wort. Bitte, Herr Minister Szymanski.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung bringt hiermit den Gesetzentwurf über die Verweigerung der Zulassung von Fahrzeugen bei rückständigen Gebühren und Auslagen ein. Es soll für die Zulassungsstellen der Landkreise und kreisfreien Städte die Möglichkeit geschaffen werden, eine Fahrzeugzulassung zu verweigern, wenn

entsprechende Gebühren nicht gezahlt worden, also rückständig sind. Damit wird nach meiner Einschätzung die Gebührengerechtigkeit im Land durchgesetzt.

Es ist so, dass erhebliche Rückstände bei den Zulassungsstellen im Land aufgelaufen sind. Wir haben eine Abfrage gemacht. Ich kann Ihnen als Beispiele nennen, dass im Landkreis Barnim rund 430 000 Euro und im Landkreis Uckermark rund 466 000 Euro an Rückständen zu verzeichnen sind. Man kann grob sagen, dass es insgesamt über 3 Millionen Euro sind, die den öffentlichen Haushalten fehlen. Insbesondere bei Stilllegung von Fahrzeugen, wenn der Versicherungsschutz nicht mehr vorhanden ist, oder bei nicht erfolgten Umschreibungen tritt eine entsprechende Situation ein. Wir hätten mit dem Gesetz die Möglichkeit, die Einnahmesituation der Landkreise und kreisfreien Städte zu verbessern, und das Geld könnte dann in den verschiedenen Bereichen sinnvoll ausgegeben werden, angefangen bei der Schulwegsicherung bis hin zum Radwegebau.

Wir haben den Inhalt des Gesetzentwurfs mit dem Land Berlin abgestimmt. Er befindet sich dort auf dem Weg in das Abgeordnetenhaus. Auch andere Bundesländer wollen diesen Weg gehen. Die kommunalen Spitzenverbände haben den Gesetzentwurf ausdrücklich begrüßt und unterstützt sowie entsprechende Vorschläge unterbreitet, die wir aufnehmen konnten.

Ich bitte um Überweisung in den Fachausschuss und um Ihre Unterstützung dieses Gesetzentwurfs. - Herzlichen Dank.

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Es spricht jetzt die Abgeordnete Mächtig von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Problem ist bekannt. Kreisfreie Städte und Landkreise haben zum Teil erhebliche Rückstände aus Gebühren und Auslagen im Bereich des Kfz-Wesens, und zwar nicht nur und ausschließlich in den Zulassungsstellen. Es gibt Forderungen aus verschiedenen Verfahren, nicht unerheblich aus Vollzugsmaßnahmen vor Ort, die die Landkreise für die Finanzämter des Landes durchführen.

Da wir uns heute in der 1. Lesung befinden, will ich an dieser Stelle für die verbleibende Zeit bis zur 2. Lesung einige Fragen aufwerfen, die ich den Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung in Zusammenarbeit mit den Autoren des Fachministeriums bei Wiedervorlage in den Landtag zu beantworten bitte.

In der Vorlage lesen wir, den zuständigen Behörden stehe mit dem Gesetz eine kostengünstige Möglichkeit zur Verfügung, Schuldner zur Begleichung ihrer offenen Rechnungen im Zulassungsbereich zu veranlassen. - Kostengünstig? Für wen eigentlich? Für das Land ganz ohne Zweifel.

Weiter dürfen wir in der Rechtsfolgenabschätzung unter a) lesen, dass dies ein Beitrag zur besseren Finanzausstattung der Kommunen sei. Zugleich wird darauf abgestellt, dass nach

überwiegender Rechtsauffassung gemäß § 6 a Abs. 8 des Straßenverkehrsgesetzes ein Landesgesetz ein Muss sei.

In dem genannten Gesetz heißt es dagegen: Die Länder können bestimmen, dass die Zulassung von Fahrzeugen von der Entrichtung der dafür bestimmten Gebühren und Auslagen sowie der rückständigen Gebühren und Auslagen aus vorangegangenen Zulassungsvorgängen abhängig gemacht werden „kann“.

Eines ist sicher: Wenn der Bundesgesetzgeber „muss“ gemeint hätte, hätte er „muss“ geschrieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen des Sonderausschusses für Bürokratieabbau, ein gemeinsam erklärtes Ziel unseres Ausschusses ist es, so wenig Gesetze wie möglich zu schaffen und so viel Regelung wie nötig zu betreiben. Diesem Anspruch hierin wird mir Herr Schulze zustimmen - genügt das vorliegende Papier noch lange nicht.

Die in der Rechtsfolgenabschätzung unter b) aufgeworfene Frage, ob für den Vollzug der Regelung neue Organisationseinheiten geschaffen oder Behörden mit neuen Aufgaben betraut werden, wird dort mit einem Nein beantwortet.

Das ist aber falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sicherlich wird man im Rahmen der Kfz-Zulassungsstellen keine eigenen Abteilungen zur Recherche und zur Prüfung des Schuldenstandes von künftigen Haltern schaffen. Jedoch bedarf es wohl unstrittigerweise der Übernahme der Aufgabe der Recherche und Prüfung, also systemgesteuerter Abfragen, ob der oder die Betreffende zulassungsrelevante Schulden hat. Sie werden mir sicherlich zustimmen, dass dies im Vergleich zum gegenwärtigen Verfahren eine zusätzliche Aufgabe ist. Also beantworten Sie die Fragen bitte richtig - ganz zu schweigen vom Zeit- und Personalaufwand, der zurzeit nicht messbar dargestellt werden kann, und auch ganz zu schweigen von der Tatsache, wie und in welchem Umfang, mit welchem technischen Know-how und datenschutzrechtlichen Regelungen diese zusätzlichen Aufgaben bewältigt werden müssen.

Hier erwarte ich Antworten auf folgende Fragen:

Erstens: Wie hoch wird der zeitliche Arbeitsaufwand pro Prüfung eingeschätzt?

Zweitens: Wie hoch wird der Kostenaufwand für künftige Softund Hardwarekomponenten erforderlicher Schnittstellen prognostiziert?

Drittens: Welche Vergleichswerte liegen aus den sieben Ländern vor, die bereits mit einer solchen Regelung arbeiten?

Unter c) ist in der Rechtsfolgenabschätzung zu lesen: Werden mit der Regelung Standards neu eingeführt, erweitert oder reduziert? Das ist eines meiner Lieblingsthemen, seit ich Mitglied des Sonderausschusses bin. Wieder kann ich hier lesen: Nein. Mein Verständnis ist aber gewachsen und ich stelle fest: Falsche Antwort, Herr Minister; es ist ein neuer Standard, nämlich Schuldenfreiheit bei Neuzulassung.

Unter Punkt d) der Rechtsfolgenabschätzung heißt es bei Doppelbuchstabe aa), dass nur geringe Kosten, die sich jedoch nicht genau beziffern lassen, entstehen. Wenn es tatsächlich nur geringe Kosten sind, warum haben dann andere Länder in

Umsetzung des Konnexitätsprinzips sehr wohl eine Kostenerstattung an die Kommunen beschlossen?

Des Weiteren lesen wir, dass bei anderen Behörden Kosten entstehen. Ich frage: Welches sind diese Kosten? Entstehen sollen sie durch Erstellen und Aktualisieren von Schuldnerlisten. Die Schulden, die der künftige Halter gegenüber der Stadt- bzw. Kreisverwaltung hat, lassen sich mit den Inhouse-Verbindungen erfassen und aufzeigen. Das ist nicht das Problem. Datenschutzrechtlich ist allerdings zu hinterfragen, Herr Kollege, inwieweit bei dieser Abfrage mehr als nur zulassungsrelevante Daten einlesbar sind.

Und nun wird es verrückt. Bei wem entstehen denn eigentlich noch Gebühren und Auslagen? Diese Frage, liege Kolleginnen und Kollegen, lässt sich aus dem Gesetzentwurf nicht ableiten, sondern nur aus der Verordnung, die dann - diesmal vielleicht ganz zufällig - ohne Wissen des Landtages verabschiedet wird. Gebühren und Auslagen sind nicht mit einer Kfz-Steuer in Verbindung zu bringen, von der im Gesetz nicht ein einziges Wort zu lesen ist. Wir werden aber in der Nachfolgeverordnung damit konfrontiert.

Ich frage: Wie hoch wäre wohl der Aufwand der Stadt- und Kreisverwaltungen, wenn sie nicht für die Finanzämter die Vollzugsmaßnahmen durchsetzen und vorfinanzieren müssten?

Sie sehen, meine Damen und Herren, es ist ein Gesetzentwurf, der mehr Fragen als Klarstellungen bringt, ein Gesetzentwurf, zu dem die Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten zwingend erforderlich ist. Es ist ein Gesetzentwurf, der in dieser Form abzulehnen und in qualifizierter Form erneut einzubringen ist, wobei Gesetzestext und Verordnung in einem tatsächlichen und sachlichen Zusammenhang stehen müssen. - Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Klocksin. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist die 1. Lesung des Gesetzentwurfs. Frau Kollegin Mächtig, Sie sind so sehr ins Detail gegangen, dass Ihnen der Überblick vielleicht etwas abhanden gekommen ist.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [Die Linkspartei.PDS])

- Können Sie das bitte wiederholen, aber in der Form einer Frage, damit meine Redezeit entsprechend verlängert werden kann?

Das Gesetz über die Verweigerung der Zulassung von Fahrzeugen bei rückständigen Gebühren und Auslagen ist in seiner begrifflichen Komplexität vielleicht nicht auf den ersten Blick zu erfassen. Aber materiell verändert es schon einiges in den Haushalten der Kreise und der Arbeit der zuständigen Kreisbehörden.

Man sollte in Erinnerung rufen, dass die Absicht, eine bessere Organisation der Zulassung herzustellen, seit vielen Jahren sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat Thema war.

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass es einer der noch aufblitzenden Momente des positiven Erbes der rot-grünen Koalition ist, die das Gesetz auf den Weg gebracht hat. Wenn ich mich recht erinnere, war es im März/April letzten Jahres, als es im Vermittlungsausschuss gegen die Blockademehrheit des Bundesrates durchgesetzt werden konnte, und zwar mit dem Ziel, dass ein halbes Jahr später entsprechende landesgesetzliche Regelungen geschaffen wurden.

Ich finde, die Landesregierung hat mit dem Gesetzentwurf ordentliche Arbeit vorgelegt. Die Gründe für den Gesetzentwurf hat der Minister aus meiner Sicht hinreichend deutlich gemacht.

Die immensen Rückstände, die im Übrigen in allen Kreisen aufgelaufen sind - der Minister nannte Beispiele -, rechtfertigen es zu sagen, dass vor der Zulassung eines weiteren Kraftfahrzeuges die Altschulden beglichen sein müssen, was an sich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Frau Kollegin Mächtig, ich hätte mich gefreut, wenn Sie an das Pult getreten wären und gesagt hätten: „Es ist schöner Tag für den Bürokratieabbau“; denn mit dem Gesetz gibt es erstmalig ein stringentes Verfahren. Man hätte das eigentlich bereits vor vielen Jahren durchführen müssen. Im Sinne der Klarheit ist es ein Erfolg für alle Beteiligten.

Bitte stellen Sie nicht die Frage, was nicht geht, sondern suchen Sie mit uns die Antwort darauf, was geht und wie es vernünftig geht. Diesen positiven gestalterischen Ansatz würde ich mir auch von Ihnen wünschen. Nun können Sie sagen, dass Opposition so sein muss. Ich sage Ihnen aber, dass es nicht zwanghaft so sein muss.