(Christoffers [PDS]: Darf ich gemäß § 71 der Geschäfts- ordnung eine persönliche Erklärung abgeben?)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schönen Dank für die Wartezeit. - Ich bin ein Freund gepflegter Polemik; gepflegt muss sie allerdings sein. Ein paar Argumente dürfen es auch sein. Deswegen habe ich mir die gegen unseren Vorschlag unterbreiteten Einwände zu Gemüte geführt.
Der erste Einwand lautet, wir hätten unseren Antrag zu schnell vorgelegt. Das ist eine zeitliche Bestimmung, die nicht unbedingt etwas über die Qualität aussagt. Rasches Handeln kann auch gründliches Handeln sein. Da hätte ich mir gewünscht, dass gründlich diskutiert wird.
Wo steht denn, dass die Opposition warten muss, bis die Regierung etwas vorgelegt beziehungsweise schriftlich präsentiert hat?
Drittens sind wir von der Ministerin gerügt worden - das nehme ich schon ernster, weil es wirklich ein ernsthaftes Argument ist -, wir wollten in das Recht der Regierung, Rechtsverordnungen zu erlassen, eingreifen und damit die Relation zwischen Parlament und Regierung verschieben.
Frau Minister, genau das ist unsere Absicht! Wir wollen mehr Parlament, mehr parlamentarische Rechte und weniger Regierungsrechte.
Es ist Aufgabe der Opposition, das zu fordern. Im Übrigen ist eine solche Forderung Ausdruck des Selbstbewusstseins eines Parlaments. Der flammende Appell des Ministerpräsidenten von heute Morgen, dies zu praktizieren, bestärkt mich in meiner Auffassung.
Viertens sind fachliche Einwände erhoben worden. Meine Fraktion schlägt die Überweisung in den Ausschuss vor. Wir würden dort gern alle fachlichen Einwände von Argument zu Argument gegeneinander abwägen. Wo wir uns irren, werden wir uns selbstverständlich korrigieren. Wo wir die besseren Argumente haben, möchten wir auf unserer Position bestehen.
Sie wollen aber noch nicht einmal, dass unser Antrag den Ausschuss erreicht. Sie wollen also keine inhaltliche Auseinandersetzung. Ihnen geht es nicht um bessere Argumente oder um die Korrektur von Problemen, wenn solche denn in unserem Antrag enthalten sein sollten. Ich habe die Diskussion so verstanden, dass Sie innerhalb der Koalition ein Problem haben und dass dieses nicht weiter ausgetragen werden soll. Das ist in Ihren Reden sehr deutlich geworden.
Lösen Sie Ihre Probleme in der Koalition selbst! Wir sind nicht darauf angewiesen, die Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihnen zu schüren; das machen Sie viel besser, als wir es überhaupt können. Das ist doch nicht unser Ding.
Es geht hier um Menschen. Ich bitte Sie, immer vor Augen zu haben, dass viele betroffene Menschen ein schlimmes Schicksal nicht nur hinter sich, sondern zum Teil immer noch haben.
Ich benutze an dieser Stelle bewusst den Begriff „Barmherzigkeit“, einen Begriff, der nicht aus meiner politischen Richtung stammt. Aber Barmherzigkeit diesen Menschen gegenüber ist angebracht. Das sollten wir dokumentieren.
Recht beruht auf Gerechtigkeit. Das Gefühl, dass es gerecht zugeht, darf nicht verloren gehen. Der Einzelne hat Anspruch darauf, dass seine besonderen Probleme in einer Kommission gewürdigt werden. Ich meine, dass wir hinsichtlich der Zusammensetzung der Kommission einen vernünftigen Vorschlag unterbreitet haben. Es hat mich geärgert, dass explizit kein Sozialist als Mitglied vorgeschlagen wurde; aber das ist ein Problem meiner Fraktion. Ich glaube, angesichts der Zusammensetzung der Härtefallkommission kann man es ihr zutrauen, dass sie barmherzig und rechtlich korrekt arbeitet.
Ich nenne ein drittes Argument. Wir waren uns gestern darin einig - nicht vom Stil und von den Argumenten, aber von der Absicht her -, den Rechtsextremisten keinen Fußbreit Raum einzuräumen. Sie haben die Rede des Vertreters der DVU gehört. Sie wissen, dass sich der besondere Hass der DVU immer gegen die Ausländer richtet.
Wer ernsthaft gegen Rechtsextremismus kämpfen will, muss gerade in dieser Frage Liberalität an den Tag legen. Dann bekämpft man ernsthaft Rechtsextremismus. Auch deshalb bitte ich Sie, unseren Vorschlag nicht abzuschmettern, sondern die Beratung darüber im Ausschuss zu ermöglichen. - Herzlichen Dank.
Bevor ich die Aussprache schließe, erteile ich dem Abgeordneten Christoffers zu einer persönlichen Erklärung das Wort.
Entsprechend § 73 der Geschäftsordnung möchte ich eine persönliche Erklärung zu einer Auslassung des Abgeordneten Petke abgeben. Ich möchte meinen Abgeordnetenkollegen dringend auffordern, sich für die Bemerkung, zwei direkt gewählte Abgeordnete einer demokratischen Partei im Deutschen Bundestag seien „Gestalten“, zu entschuldigen. Mit dieser Art und Weise der Diskussion leistet man einen Beitrag dazu, dass demokratische Institutionen herabgewürdigt werden.
Die Fraktion der PDS beantragt, die Drucksache 4/33 an den Ausschuss für Inneres - federführend -, an den Rechtsausschuss und an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie zu überweisen. Wer folgt diesem Antrag der PDSFraktion? - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.
Wir kommen zur direkten Abstimmung über den Antrag. Wer dem Antrag der PDS zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Bevor ich zum nächsten Tagesordnungspunkt übergehe, begrüße ich ganz herzlich 26 Schüler der Sekundarstufe II des Oberstufenzentrums Strausberg. Seien Sie willkommen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heutige Debatte - auch bezüglich der Anfragen der PDSFraktion - zum Sozialgesetzbuch II stimmt mich hoffnungsvoll, dass wir punktuell auch die Zustimmung einiger anderer Abgeordneter dieses Hauses finden werden. Die Nagelprobe werden wir bei der Abstimmung machen.
Mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt sollen zum 01.01.2005 die gravierendsten sozialen Veränderungen seit Gründung der Bundesrepublik wirksam werden. Hartz IV bewegt die Menschen im Land. Die Proteste gegen den damit verbundenen Sozialabbau haben noch nicht aufgehört. Der Rücklauf der Anträge macht allerdings deutlich: Es macht sich Resignation - eine andere Form des Protestes breit. Das ist weder für die demokratische Entwicklung in unserem Land noch für die Mitnahme der Bürgerinnen und Bürger bei Reformen gut. Ohne diese Proteste - davon bin ich überzeugt - wäre es nicht zu Korrekturen und zu Forderungen der Ministerpräsidenten nach Änderungen gekommen.