Protokoll der Sitzung vom 22.05.2006

Ich möchte noch auf die aktuellen Aspekte eingehen. Als Ländervertreter bin ich in der Arbeitsgruppe zum SGB II. Die Ergebnisse und die Empfehlungen, die dort erarbeitet werden, werden Ende des Jahres vorliegen.

Herr Görke, ich möchte etwas zu Ihren Vorschlägen anmerken, weil Sie sagen, Sie hätten den Stein des Weisen gefunden. Ich würde sofort alles, was irgend ginge, übernehmen, was wirklich Beschäftigung in unserem Land bringt. Sie schlagen vor, die nichtverbrauchten Mittel sollten in die Ausbildung gehen. Wir diskutieren länderseitig gerade darüber, ob es richtig ist, dass diese Einsparungen bei der BA im Bundeshaushalt versickern, oder ob sie nicht sinnvoll eingesetzt werden sollen. Die

Länder beraten darüber, ob diese Forderung gestellt werden soll.

Sie fordern, das ALG II auf 412 Euro hochzusetzen. Das schafft aber keine Beschäftigung.

(Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Das mindert aber die Armut!)

- Wir reden erst einmal über Beschäftigung. Wir stellen fest: Es schafft keine neue Arbeit.

Die 412 Euro, die Sie nennen und die auch die LIGA verlangt, sind durch nichts zu belegen. Da gibt es verschiedene Rechnungen. Für mich ist wichtiger - das haben Sie auch angesprochen -, die Mindestlohndebatte ernsthaft zu führen. Nur dann kann man sinnvollerweise über eine Anhebung von ALG-IIGeldern reden. Sonst wird so etwas nicht funktionieren. Wir können Menschen nicht zumuten, acht Stunden, zehn Stunden, zwölf Stunden für niedrigste Löhne arbeiten zu gehen, daneben Aufstockungsgelder von ALG II erhalten zu müssen, um ihren Unterhalt finanzieren zu können, während andere, die nicht arbeiten, die nahezu gleiche Leistung erhalten. Das wäre eine Ungerechtigkeit, die wir produzieren würden. Das wollen Sie mit Sicherheit auch nicht. Lassen Sie uns deshalb ganz ernsthaft auch hier im Land über Mindestlöhne reden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich sage auch noch einmal:

Erstens: Angemessenen Wohnraum zu bestimmen ist nicht Sache der Landesregierung, sondern das muss vor Ort entschieden werden. Wenn Sie sagen, dass es Kreisen nicht möglich sei, einen angemessenen Mietspiegel aufzustellen, dann ist das zunächst einmal ein Problem, das vor Ort gelöst werden muss. Das Land kann nicht pauschal vorgeben, wie viel Quadratmeter für welchen Preis angemessen sind. Das geht nicht. Da muss man die regionalen Gegebenheiten kennen und akzeptieren.

Zweitens: Die Datenbasis für die Kosten der Unterkunft ist zwischen Bund, Ländern und Kommunen nach wie vor strittig. Die Landesposition war immer parallel zu der der Kommunen und so wird das auch in Zukunft sein. Wir wissen, dass uns der Streit um die tatsächlichen Zahlen davon abhält, eine endgültige Lösung zu finden. Wir fordern eine endgültige Lösung und nicht Jahr für Jahr diese Stop-and-go-Politik, bei der die Kommunen nicht wissen, auf welche Basis sie sich einstellen können.

Zu den 1-Euro-Jobs: Wir haben auch von den arbeitslosen Menschen eine große Nachfrage nach diesen Beschäftigungsmöglichkeiten. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Viele wollen in diese Maßnahmen hinein. Der Bedarf ist manchmal nicht zu decken. Wichtig ist, dass das nur als ein Instrument in dem Instrumentenkasten betrachtet wird. Daneben müssen aber zum Beispiel mehr ABM mit Entgeltlösungen durchgeführt werden. Denn sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist das Wesentliche, ist das, was wir brauchen.

Wir werden die Diskussion in vier oder fünf Jahren nicht über die Armut insgesamt führen, sondern wir werden ein ganz neues Thema bekommen, nämlich Altersarmut auch in den neuen

Ländern. Unsere jetzigen Seniorinnen und Senioren sind finanziell einigermaßen gut ausgestattet. Aber die, die in einigen Jahren langzeitarbeitslos in Rente gehen, trifft es besonders hart. Wir müssen uns darum kümmern, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gerade für ältere Arbeitslose einzurichten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Eine abschließende Bemerkung: Alle kritisieren die Landesregierung für bundespolitische Dinge. Jetzt richte ich auch einmal eine Kritik an die Bundesregierung. Es kann doch nicht sein, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur, die in den ARGEn arbeiten, mit Prämienzahlungen animiert werden, Menschen irgendwie in Beschäftigung zu bekommen, und daran ihre Leistung gemessen wird. Es muss doch der Anspruch gelten, dass man die Arbeitslosen zielgenau behandelt, zielgenau in eine Beschäftigung bekommt. Es darf durch solch falsche Erfolgsindikatoren nicht zu Fehlsteuerungen kommen. Stellen Sie sich zwei Beschäftigungssektoren in den ARGEn vor. Die einen erhalten Prämien, damit Leute schnell irgendwie in Arbeit gesteckt werden, und die anderen sitzen da und strengen sich genauso an, für Menschen eine optimale und bessere Beschäftigungsmöglichkeit zu finden. Wir werden mit dem Bund darüber sprechen, ob das das Mittel der Wahl ist, Arbeitsmarktpolitik vor Ort zu betreiben.

Alles in allem sage ich: Diese Themen werden uns in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren begleiten. Deshalb sollten wir gemeinsam diskutieren, welche Instrumente man verwerfen sollte und welche Instrumente auszubauen sind. Ich bin sehr gern bereit, über den öffentlichen Beschäftigungssektor zu reden, zu diskutieren, aber nicht als Alternative zum Beschäftigungssektor auf dem ersten Arbeitsmarkt, sondern nur als Notlösung und als Ergänzungsmaßnahme. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Nun ist während dieses Wortbeitrages doch noch eine Kurzintervention zustande gekommen. Dafür hat die Abgeordnete Schulz drei Minuten Zeit und die Frau Ministerin darf, wenn sie will, drei Minuten erwidern.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich habe Sie doch richtig verstanden: Auch Sie haben gerade nicht für eine Verschärfung der Hartz-IV-Gesetzgebung plädiert? Die 412 Euro, die hier als Erhöhung in Rede stehen, halten Sie ebenfalls nicht für belegbar. Von daher sage ich in Richtung PDS: Es war einfach eine Unterstellung, hier zu sagen, wir plädierten für eine Verschärfung der Hartz-IV-Gesetzgebung dahin gehend, dass vielleicht noch weniger Leistungen gezahlt werden.

Ich bin für eine strikte Anwendung des Gesetzes. Das reicht vollkommen aus. Es gehört eine ganze Portion Ehrlichkeit dazu. Wenn Sie diese Ehrlichkeit erfahren wollen, gehen Sie bitte vor Ort zu denen, die das ausführen. Reden Sie mit ihnen. Dann kehren Sie vielleicht mit ganz anderen Erkenntnissen zurück. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Vielen Dank. - Da ich annehme, dass die Ministerin nicht erwidern möchte,

(Zuruf)

weil es perfekt war, beende ich die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt. Sie haben damit die Große Anfrage und die Antwort der Landesregierung darauf in der Drucksache 4/3208 zur Kenntnis genommen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 9.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 10 aufrufe, begrüße ich Gäste, ein hervorragendes Beispiel generationsübergreifender Arbeit. Zu Gast bei uns sind die Seniorinnen und Senioren des Jugendund Kulturvereins Bruchmühle. Wo hat man das schon? Herzlichen Glückwunsch und herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 10 auf:

Bericht des Ministers der Finanzen über die Ergebnisse der Aufgabenkritik nach § 2 Abs. 6 des Gesetzes über Ziele und Vorgaben zur Modernisierung der Landesverwaltung (VerwModG)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 4/3410

Den Bericht der Landesregierung erläutert als Erster der Finanzminister Speer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Turnusgemäß berichten wir entsprechend der Anforderung aus dem genannten Gesetz. Seit 2000 fahren wir die Personalwirtschaft nach einer sehr rigiden Personalbedarfsplanung. Grundlage für die notwendige Abwehr einer übermäßigen Arbeitsverdichtung ist in diesem Zusammenhang auch das ganze Thema Verwaltungsmodernisierung, Effektivierung, Aufgabenabschichtung, sodass es gelingt, die staatlichen Kernaufgaben mit weniger Mitarbeitern sicherzustellen, auch sicherzustellen, dass dies in der entsprechenden Qualität erfolgt.

In diesem Bericht wird zu den Maßnahmen, die im Einzelnen im Verwaltungsmodernisierungsgesetz 2003 aufgeführt sind, berichtet. Insgesamt sind wir nach meiner Einschätzung, was die Ergebnisse betrifft, vorangekommen, auch gut vorangekommen. Wir haben 70 Behörden zusammengelegt. Wir haben zum Teil Betriebe gegründet, aus der direkten Landesverwaltung ausgegliedert, neue Organisationsformen gefunden, zum Beispiel die Stiftung für den Kulturbetrieb in Cottbus - all dies auf der Grundlage der Beschlusslagen, die hier im Parlament im Jahr 2003 diskutiert wurden. Wir haben das neue Finanzmanagement pilothaft in einigen Bereichen der Landesverwaltung eingeführt, zuerst dort, wo die so genannte Produktbildung am einfachsten ist, also bei den Landesbetrieben, Straßenbau, Datenverarbeitung und jetzt beim Betrieb für Bauen und Liegenschaften, der am 1. Januar dieses Jahres die Arbeit aufgenommen hat.

Demografie und Haushaltslage - und der sich daraus verschärfende Prozess der auch abschmelzende Bundes- und Europahilfen in den nächsten Jahren erwarten lässt - zwingen uns zur intensiven Weiterarbeit. Deshalb lautete meine Einschätzung bei Einbringung des Landeshaushaltes für 2007 auch, dass wir den Takt erhöhen müssen, dass wir die Intensität erhöhen müssen, alle Stellen ausfindig zu machen, an denen wir bestimmte Aufgaben nicht mehr bzw. anders, einfacher, besser, kostensparender wahrnehmen können. Aus der Liste von 2003 sind noch bestehende Projekte abzuarbeiten. Als sehr umfangreiches und schwieriges Projekt nenne ich das, das sich hinter dem Namen Forstreform verbirgt. Aber wir müssen auch neue Stellen entdecken, neue Projekte anfassen, um hier weiterzukommen.

Dazu ist eine ständige Analyse nötig, dazu wird es auch weiter jährlich Berichterstattungen geben. Wir müssen uns aber auch hier im Einvernehmen befinden - Regierung und Parlament -, wenn es darum geht, neue Aufgaben nur dort anzugehen, wo es wirklich unabweisbar ist. Ich werde immer wieder meinen Finger heben, wenn ich der Meinung bin, auch aus der Mitte dieses Hauses heraus gibt es Aufgaben, die dieser kritischen Betrachtung nicht standhalten.

(Klein [SPD]: Das ist gar nicht möglich!)

Wir müssen auch die Zusammenarbeit mit anderen Ländern im Auge haben. Gerade nach dem Urteil zur Finanzausstattung Berlins glaube ich, dass bestimmte Vorbehalte, die es noch in Aufgabenfeldern gibt, die wir schon lange diskutieren, zu überwinden sind. Ich nenne hier als Beispiel die gemeinsame Polizeiausbildung. Hier muss es weitere intensive Schritte geben, das, was wir angefangen haben, zu ergänzen, zu erweitern. Wir haben hier ja heute zwei Staatsverträge gebilligt bekommen, was die Zusammenarbeit im nachgeordneten Bereich des Bildungsministeriums, was die Lehrerfortbildung betrifft, organisieren lässt. In diesem Bereich muss also intensiv weitergearbeitet werden.

Auch das Thema öffentlich-private Partnerschaften ist ein Thema, das uns betrifft und weiter vorangetrieben wird. Über den Landtagsneubau haben wir heute gesprochen. Wir werden weitere Baumaßnahmen in diesem Bereich angehen, was die Unterbringung der Regierung in Potsdam betrifft. Aber es gibt darüber hinaus Möglichkeiten, wenn ich in dem Zusammenhang das Stichwort IT nenne.

Der ganze Bereich neue Steuerung - jetzt stichwortartig hintereinander gesagt - wie Kosten- und Leistungsrechnung, Budgetierung, Zielvereinbarung, Qualitätsmanagement, Personalwirtschaft ist etwas, was sehr viel Geld und intensive Arbeit verlangt, um es sinnvoll und auch mit entsprechender Geschwindigkeit in die Landesverwaltung einzuführen. Wir sind dabei, die Kosten- und Leistungsrechnung jetzt in der dritten Welle auf alle Landesbehörden auszudehnen.

Abschließend will ich sagen, das Thema E-Government ist dann von bestimmten Bereichen, die ich eben genannt habe, berührt. Aber darüber hinaus wird die generelle Zusammenarbeit zwischen Behörden, zwischen Behörden und Bürgern, zwischen Behörden und Wirtschaft im Blickpunkt bleiben. Hier hat die Landesverwaltung eine ganze Menge Effizienzreserven.

In dem Sinne werden wir weiter arbeiten und ich hoffe da auf Ihre Unterstützung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Speer. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion der Linkspartei.PDS fort. Die Abgeordnete Mächtig wird jetzt zu uns sprechen.

(Die Abgeordnete Mächtig [Die Linkspartei.PDS] bringt eine Stofffigur mit ans Rednerpult.)

- Ich habe Sie vorgewarnt.

Damit das heute ein zweites Mal passiert, Herr Präsident. - Natürlich ist es kein Arbeitsmittel eines Abgeordneten. Sie können sicher sein, ich brauche kein Schnatterinchen, um mir Gehör zu verschaffen, aber ich erfülle hiermit einen Wunsch bzw. eine Aufgabe, die ich heute morgen von der Delegation aus Ahrensfelde bekommen habe. - Sie hätten Ihnen diese Figur gern selbst überreicht, Herr Platzeck. Aber sie haben mir das gegeben und der Bürgermeister bat mich, Ihnen das hier heute zu überreichen und Sie zu bitten, das doch zu Herzen zu nehmen.

(Die Abgeordnete Mächtig [Die Linkspartei.PDS] über- reicht Ministerpräsident Platzeck ein Schnatterinchen. - Ministerpräsident Platzeck: Vielen Dank!)

Vielen Dank für Ihren Redebeitrag.

(Heiterkeit)

So leicht mache ich es Ihnen dann doch nicht.