Protokoll der Sitzung vom 24.11.2004

Gesetz zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch im Land Brandenburg (Bbg AG- SGB II)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/14

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie

Drucksache 4/108

2. Lesung

Die Aussprache wird mit dem Beitrag des Abgeordneten Otto von der PDS- Fraktion eröffnet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die PDS- Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen. Die Bezieher von Arbeitslosengeld II leben in den Gemeinden, Städten und Kreisen. Da ist es schon wesentlich, ob die Bezieher der Grundsicherung dank niedriger Gebühren am öffentlichen Leben teilnehmen können oder ob die Gebühren sowie die Zuschüsse, die die Bezieher von Grundsicherung erhalten, ihr Lebensniveau wesentlich negativ beeinflussen. Zusätzliche finanzielle Belastungen und Risiken für die Landkreise und kreisfreien Städte darf es nicht geben. Es wäre fatal, wenn durch das Gesetz zur Ausführung des Sozialgesetzbuches II in den Landkreisen und kreisfreien Städten zusätzliche Haushaltslöcher entstünden. Die Folge könnten Einschränkungen der ohnehin schon freiwilligen Leistungen sowie Gebührenerhöhungen sein. Dadurch würde die Lebensqualität der Bürger eingeschränkt; die Leistungsbezieher würden sozusagen im doppelten Sinne zur Kasse gebeten.

Das Ausführungsgesetz sollte deshalb so angelegt sein, dass die Möglichkeiten des Landes, die finanziellen Risiken der beauftragten Kommunen zu minimieren, ausgeschöpft werden. Das bestätigte auch die von uns im Rahmen der 1.

Lesung des Gesetzes geforderte Anhörung entsprechender Verbände und ausgewählter Landkreise, die nach dem ARGE- bzw. Optionsmodell das SGB II umsetzen.

Meine Fraktion hat in der Beratung im Ausschuss eine Reihe von Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf eingebracht. In die vorliegende Beschlussempfehlung ist lediglich eine Änderung eingeflossen, die auf einen Antrag der Koalition zurückzuführen ist. Die Änderung entspricht zwar weitgehend unseren Intentionen; aber unsere Forderung, dass das Geld den Kommunen, Landkreisen und kreisfreien Städten am Monatsende zur Verfügung stehen muss - und zwar verbindlich! - , wurde nicht aufgenommen. Damit liegt das Risiko einer verspäteten Abforderung der Mittel vom Bund und einer verspäteten Auszahlung der Mittel durch den Bund bei den Landkreisen und kreisfreien Städten.

Wir beharren nach wie vor auf der Meinung, dass die in § 4 genannten Prämissen im Landesausführungsgesetz - unmittelbare und unverzügliche Auszahlung der Mittel - dieses Risiko nicht mindern und letzten Endes keine verbindliche Terminierung darstellen. Wir vertreten den Standpunkt, dass § 4 Abs. 3, der die Übertragung der Auszahlungs- und Erstattungsverfahren auf nachgeordnete Behörden oder Dritte ermöglicht, zu streichen ist. Anderenfalls besteht die Gefahr der Bürokratisierung des Verfahrens, der Unterbrechung des zeitnahen Informations- und Zahlungsflusses und somit nochmals erhöhter Risiken für die Kommunen. Um dies zu verhindern, wird es erforderlich sein - das wird der Prozess zeigen - , bei der Durchführung des Gesetzes selbst den Prozess zu optimieren. Die Übertragung von Aufgaben kann dabei hinderlich sein.

Ferner sollte sich die Landesregierung gegenüber dem Bund dafür stark machen, dass die in § 4 aufgeführten Meldedaten kurzfristig bekannt gegeben werden. Sollten neben den ursprünglichen Zahlbeträgen weitere Daten erforderlich sein, wäre es gut, diese zu kennen und im Interesse der Zeitersparnis in die laufende Fallbearbeitung einzubeziehen.

Wir alle wissen: Das Gesetz ist mit heißer Nadel gestrickt. Wir sollten uns darauf einstellen, Fallgruben rechtzeitig zu erkennen und zu beseitigen. Ich hoffe, dass auf die Landkreise und kreisfreien Städte nicht allzu viele Überraschungen zukommen.

Tatsache ist - das hat Frau Schlüter vom Landkreistag bestätigt - , dass sich aus der Einführung des Sozialgesetzbuches II wesentliche Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte ergeben werden.

Hinsichtlich der Kosten für Unterkunft werden die Landkreise Mehrbelastungen tragen müssen; der Landkreistag

spricht

mehrstelligen

Millionenbetrag, der als echte Belastung unter dem Strich übrig bleibt. Das sehen wir mit großer Sorge. Da es insbesondere bei den berlinfernen Landkreisen und kreisfreien Städten kaum freie Spitzen gibt, besteht die Gefahr, dass Leistungen an anderer Stelle gestrichen werden oder dass die Kreisumlage als Einziges erhöht und in Anspruch genommen werden muss, wenn es keinen finanziellen Spielraum gibt. Insoweit besteht dringender Handlungsbedarf. Die PDS- Fraktion besteht damit auch auf dem Standpunkt, dass die im Gesetz genannten Mittel aus der Ersparnis des Landes an Wohngeld nicht als Nettoentlastung, sondern als Gesamtbetrag an die Kommunen weitergegeben werden müssen.

(Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist erschöpft.

Der Landkreistag nennt ein Einsparvolumen von gegenwärtig 5 Millionen Euro. Mehrstellige Belastungen stehen zur Diskussion. Deshalb erwarten wir, dass die Bruttoentlastung weitergegeben wird; denn eine zusätzliche Belastung der Kommunen wäre hinsichtlich der Auflegung kommunaler Beschäftigungsprogramme kontraproduktiv. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Danke. - Wir setzen mit der Rednerin der SPD- Fraktion fort. Frau Dr. Schröder, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sechs Wochen vor In- Kraft- Treten des SGB II stehen wir heute vor der Verabschiedung des entsprechenden Ausführungsgesetzes für Brandenburg. Die PDS bremst - wie gewohnt. Wir räumen mit

erforderlichen

organisatorischen

verfahrensrechtlichen Regelungen den Weg zur Umsetzung der Hartz- IV- Reform im Land Brandenburg frei.

Im federführenden Fachausschuss haben wir den von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf einer zügigen, gleichwohl gründlichen parlamentarischen Beratung unterzogen. In der Anhörung der kommunalen Spitzenverbände kristallisierten sich drei Knackpunkte hinsichtlich der §§ 3, 4 und 5 heraus. Die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker der Koalitionsfraktionen haben alle Argumente und Anregungen kritisch geprüft.

Im Ergebnis hat der Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie mit den Stimmen von SPD und CDU eine Veränderung von § 4 des Gesetzentwurfs befürwortet. Danach soll die Weiterleitung der Bundesbeteiligung in Höhe von 29,1 % an den Unterkunfts- und Heizkosten so ausgestaltet werden, dass Landkreise und kreisfreie Städte die Mittel schnellstmöglich erhalten - darauf kommt es uns an - , um die Finanzierungs- bzw. Vorfinanzierungsfristen so kurz wie möglich zu halten.

Laut der Regelung, wie sie der vorliegenden Beschlussempfehlung zu entnehmen ist, können für Kreise, die die erforderlichen Daten rasch melden, die Bundesmittel zur Monatsmitte abgerufen werden. Das bedeutet ein Entgegenkommen. Sollte sich die Datenmeldung in Einzelfällen verzögern, kann die Abrufung der Mittel für einen Kreis bzw. eine kreisfreie Stadt alternativ auch zum Monatsende erfolgen.

Keinen Änderungsbedarf sehen wir hinsichtlich § 3, der die Heranziehung von Ämtern und amtsfreien Gemeinden zum Gegenstand hat. Hier reichten die Forderungen der Anzuhörenden von der Nichtregelung bis hin zur Sollregelung. Der Ausschuss empfiehlt die mögliche einvernehmliche Heranziehung der Gemeinden zur Aufgabendurchführung innerhalb der Landkreise durch Vertrag, das heißt die bereits formulierte Kannregelung als sachgerechten Kompromiss.

Das wird im Übrigen auch den Vorgaben des SGB II gerecht.

Ebenfalls unverändert schlägt der Arbeitsausschuss dem Plenum § 5 des Gesetzentwurfs zur Beschlussfassung vor. Die Formulierung wird dem Grundanliegen gerecht, dass das Land durch Hartz IV finanziell weder entlastet noch über die sich aus dem SGB II ergebenden Vorgaben hinaus belastet werden soll.

Mit der Verrechnung verlorener Umsatzsteueranteile bei der Weiterleitung der Wohngeldersparnisse des Landes an die kommunale Ebene verfährt das Land Brandenburg unter dem Strich genauso, wie es auch in anderen Bundesländern üblich ist.

Hartz IV gilt ab 01.01.2005. Mit dem vorliegenden Landesgesetz tragen wir dazu bei, dass der Übergang von den bisherigen gesetzlichen Regelungen zu den neuen Leistungen möglichst reibungslos verläuft. Jetzt gilt es, alle Kräfte vor Ort zu mobilisieren und zu bündeln, damit die Reform im Interesse der Betroffenen auch gelingt.

Die SPD- Fraktion erteilt somit der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie ihre Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Schröder. - Wir setzen mit der Abgeordneten Fechner von der DVU- Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es vorweg zu sagen: Wir werden diesen Gesetzentwurf bzw. die Beschluss- empfehlung des Ausschusses nicht ablehnen. Unsere Zustimmung werden wir allerdings auch nicht erteilen und ich sage Ihnen auch, warum.

Es wird leider so kommen, ob uns das nun passt oder nicht, dass ab 01.01. nächsten Jahres die unsoziale Hartz- IVGesetzgebung zum Tragen kommt. Der vorliegende Gesetzentwurf

regelt die organisatorische und

verfahrensrechtliche Umset- zung des SGB II in landesrechtliche Regelungen. Die Landkreise und Kommunen sind auf diese Regelungen angewiesen, um Rechtsklarheit zu haben.

Deshalb begrüßten auch alle Anzuhörenden während der öffentlichen Anhörung in der vergangenen Woche das Vorliegen des Gesetzentwurfs. Darin herrschte absolute Einigkeit bei den Anzuhörenden.

Eine solche Einigkeit herrschte auch bei der Kritik zu § 4 Abs. 3 des Gesetzentwurfs. Dieser Absatz ermöglicht es dem zuständigen Mitglied der Landesregierung, durch Rechtsverordnung die Durchführung des Abruf- und Erstattungsverfahrens auf eine andere Behörde oder einen Dritten zu übertragen. Die Anzuhörenden befürchteten, dass unter anderem dem Land durch die Übertragung dieser Aufgabe an Dritte zusätzliche Kosten entstehen würden, Kosten, für die dann indirekt der Landkreis bzw. die Kommunen aufkommen müssten.

Auch wurden Bedenken geäußert, dass die Durchführung des Abruf- und Erstattungsverfahrens durch Dritte einer

notwendigen zeitnahen Mittelerstattung an die Landkreise entgegenstehe. Nach Auffassung der Vertreterin des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg kommt es durch die Verlagerung von Aufgaben des Landes auf nachgeordnete Behörden zu Reibungsverlusten, Kommunikationshindernissen, Steuerungs- und Kontrollproblemen sowie zu Ineffizienz.