Ich wiederhole gern die wesentlichen Eckpunkte des Sozialtickets, weil wir in den Ausschüssen leider zur Kenntnis nehmen mussten, dass bei Ihnen teilweise sehr viel Unkenntnis herrscht. Das Ticket soll für eine Gebietskörperschaft - also für einen Landkreis oder eine kreisfreie Stadt - gelten. Ticketberechtigt sollen Menschen bzw. deren Bedarfsgemeinschaften sein, die Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem SGB II, Grundsicherung im Alter oder Sozialhilfe beziehen, sowie Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz erhalten. Das Sozialticket gälte damit auch für Erwerbstätige, die ergänzend Arbeitslosengeld II beziehen. Der Preis des Sozialtickets soll maximal 50 % der jeweiligen VBB-Umweltkarte betragen und als gleitende Monatskarte erhältlich sein. Bestehende Angebote sollen durch Einführung des Sozialtickets nicht berührt werden und weiterhin gelten. Durch die Bereitstellung eines Sozialtickets könnten den Verkehrsunternehmen Mindereinnahmen von ca. 5 Millionen Euro im Jahr entstehen - diese Zahl wurde vom Verkehrsverbund errechnet -, die vom Land auszugleichen sind. So sind die Vorstellungen der Volksinitiative für ein Sozialticket in Brandenburg.
Das alles wurde vom Verkehrsverbund errechnet und vorgeschlagen und entspricht den Berliner Bedingungen für ein Sozialticket, das es dort schon seit dem Jahr 2005 gibt.
Zur Finanzierung der Mindereinnahmen für das Jahr 2008 schlagen wir vor, Mittel aus dem Haushaltsvollzug einzusetzen, und zwar - Sie haben unseren Entschließungsantrag sicherlich zur Kenntnis genommen - zum einen Mittel aus dem Verkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn AG, die aufgrund der
Bahnstreiks nicht gezahlt werden - das sind mehr als 6 Millionen Euro -, und zum anderen Mittel, die das Land wegen unsachgemäßer Verwendung von der DB AG zurückfordert, so, wie es auch der Landesrechnungshof verlangt.
Im Haushaltsvollzug ist meiner Ansicht nach eine Lösung machbar, um das Sozialticket für das Jahr 2008 zu finanzieren. Sie können das gern in der Begründung des Entschließungsantrags unserer Fraktion nachlesen.
Meine Damen und Herren, am fehlenden Geld kann es also nicht liegen, dass Sie das Sozialticket bisher ablehnten, und wir fragen uns natürlich: Woran dann? Ich möchte auf einige Argumente eingehen, die Sie zur Begründung der Ablehnung des Sozialtickets - in Presseerklärungen nachlesbar - im Hauptausschuss, im Verkehrsausschuss und im Sozialausschuss immer wieder angeführt haben.
Sie sagen: Die Kreise sollen die Tickets anbieten. Seit Sommer vergangenen Jahres bietet lediglich der Landkreis DahmeSpreewald Sozialtickets an. Das ist gut. Der Kreis kann es sich leisten, denn er gehört zu den Kreisen mit den niedrigsten Arbeitslosenzahlen. Die Einnahmesituation entwickelt sich positiv, weil der Landkreis an Investitionen, unter anderem an Investitionen in den Flughafen Schönefeld, partizipiert.
Auch der Landkreis Teltow-Fläming hat im Dezember vergangenen Jahres die Einführung eines Sozialtickets beschlossen, das im Jahr 2008 gelten soll. Es gibt allerdings Einschränkungen. Das Sozialticket soll für Busse der kreislichen Verkehrsgesellschaft, nicht aber für Busse anderer Verkehrsunternehmen und auch nicht für die Bahn gelten. Das ist eine maßgebliche Einschränkung.
Die Kollegen aus Teltow-Fläming werden besser wissen als ich, dass der Kreishaushalt noch nicht beschlossen und auch noch nicht ausgeglichen ist. Die Kommunalaufsicht könnte hier sehr wohl sagen: Dieses Sozialticket ist nicht zu finanzieren, weil der ÖPNV aufgrund Ihrer Beschlussfassung eine freiwillige Aufgabe im Land geworden ist. Es wird spannend, die Entwicklung in Teltow-Fläming zu verfolgen. Es stellt ein Angebot für eine Betroffenengruppe im Landkreis Teltow-Fläming dar. Andere Kreise und auch die kreisfreien Städte können kein Sozialticket einführen, und das wird in absehbarer Zeit so bleiben.
- Na ja, das wird in Teltow-Fläming vielleicht zum Tragen kommen. Ich habe über die Einschränkung gesprochen. Es gäbe dann zwei Landkreise von 14 Landkreisen und vier kreisfreien Städten, in denen es möglich ist, Herr Abgeordneter Schulze, ein Sozialticket anzubieten.
Sie sagen immer wieder, in keinem anderen Flächenland in der Bundesrepublik gebe es ein Sozialticket. Ich frage Sie: Wofür ist diese Feststellung wichtig? Wenn wir hier im Land Brandenburg gemeinsam mit Berlin ein Sozialticket wollen, ist das unsere sozialpolitische Entscheidung in Brandenburg.
Im Übrigen haben wir zur Kenntnis genommen - Herr Minister, Sie könnten Ihre Statistik vielleicht noch ergänzen -, dass ein Sozialticket im Rhein-Main-Verkehrsverbund angeboten wird. Das hat der Geschäftsführer damals in der Anhörung zum ÖPNV-Gesetz auf Nachfrage deutlich gesagt.
Ein weiteres Argument von Ihnen ist, dass das ALG II für die Mobilität ausreiche. Dahin gehend hat sich zum Beispiel Frau Abgeordnete Lehmann geäußert. Ich sage Ihnen, Frau Lehmann, das ist eine Fehleinschätzung.
(Frau Lehmann [SPD]: Ich habe nicht gesagt, dass es aus- reicht. Ich habe gesagt, dass ein Teil drin ist!)
Wenn Sie der Meinung sind, dass das so ist, reden Sie mit Betroffenen und setzen Sie sich mit ihrer Situation auseinander! Der Regelsatz des Arbeitslosengeldes II enthält rechnerisch pauschal 11,04 Euro für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.
Sie können ausrechnen, wie weit Sie mit monatlich 11,04 Euro kommen, wie mobil Sie sind, was Sie sich leisten können, zum Beispiel eine Fahrt ins Theater oder zu anderen Einrichtungen, um am kulturellen Leben im Land Brandenburg teilzuhaben.
Zur Deckung der Mobilitätskosten reicht dieser Betrag bei weitem nicht aus, schon gar nicht - das kommt noch dazu - angesichts einer Teuerungsrate von 3 % im vergangenen Jahr sowie angesichts von Preissteigerungen und der Tariferhöhung im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg. Überall muss man mehr zahlen, jedoch wird der Regelsatz des ALG II nicht erhöht.
Ein beliebtes Argument von Ihnen lautet: Wir wissen doch gar nicht, ob das Sozialticket angenommen wird. Darauf erwidere ich: Das kann man nur herausfinden, indem man das Sozialticket anbietet. Dann weiß man genau, wie viele es kaufen. Es wäre also der Praxisbeweis zu führen.
In der vom Verkehrsverbund, dem VBB, kalkulierten Variante wird davon ausgegangen, dass höchstens 30 % der Anspruchsberechtigten ein Sozialticket nutzen würden. Das ist über Jahre hinweg der Mittelwert in Berlin. Wir gehen davon aus, dass es in Brandenburg aufgrund der Situation als Flächenland noch einige weniger sein werden. Wichtig für uns ist aber - ich denke, dass es für Sie genauso wichtig sein sollte -, dass die Menschen ein Recht haben, ein Sozialticket zu kaufen. Es geht uns um soziale Gerechtigkeit, um Chancengleichheit für ca. 200 000 bis 300 000 Menschen im Land, denen ein solches Ticket helfen würde.
Die Verfassung des Landes Brandenburg verpflichtet die Landesregierung, gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Regionen des Landes zu schaffen und Chancengleichheit herzustellen.
Dem dient ein zu gleichen Konditionen angebotenes landesweites Sozialticket. Deshalb sagen wir: Eine Landesentscheidung ist nötig, um diesem Anspruch gerecht zu werden.
Die Volksinitiative „Für ein Sozialticket in Brandenburg“ beweist ein weiteres Mal, dass unsere Verfassung eine sehr lebendige ist und diese „Volksgesetzgebung“ ein wirklich gutes demokratisches Instrument ist. Die Betroffenen selbst haben sich auf den Weg gemacht, um sich für ihre sozialen Belange stark zu machen und für soziale Gerechtigkeit zu streiten.
Sie haben es sicherlich schon gehört. Die Volksinitiative hat sich in Kenntnisnahme der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses beraten und für sich die Schlussfolgerung gezogen: Wer A sagt, muss auch B sagen. - Wenn das Sozialticket auf diese Art und Weise auf der Grundlage der Volksinitiative nicht zum Tragen kommen sollte, haben die Initiatoren entschieden, ein Volksbegehren anzustrengen - es sei denn, Sie, meine Damen und Herren, sind heute bereit, die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses abzulehnen. Dann können wir 2008 in Brandenburg das Sozialticket für ein Jahr einführen. Es wäre ein Modellprojekt. Es gäbe eine Testphase. Wir alle zusammen wären nach diesem Jahr klüger und wüssten, wie das auszugestalten wäre.
Ich kündige an, dass wir eine namentliche Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses beantragen. Sie können sich dann entscheiden. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Sozialticket ist wenig geeignet, sich gegenseitig vorzuwerfen, wer arm, ärmer, am ärmsten ist. Es ist auch wenig geeignet, sich gegenseitig den Schuldenstand aufzuzeigen. In meiner Verantwortung als Landespolitikerin müsste ich dann nämlich darauf hinweisen, dass wir den Kommunen mit dem diesjährigen Haushalt 740 Millionen Euro erstatten. Das sind immerhin 60 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr. Als Landespolitikerin müsste ich auch auf den Stand von 18 Milliarden Euro Schulden des Landes hinweisen. Das würde uns in der Diskussion über diese Frage und in dieser Sache letztlich jedoch nicht weiterhelfen.
Ich möchte vielmehr auf die Erfahrungen abstellen, die ich gemacht habe, als wir im Landkreis Dahme-Spreewald das Sozialticket eingeführt haben. Ich erinnere mich an sehr lebhafte und sehr vielfältige Diskussionen. Mir ist dabei vor allem aufgefallen, wie akribisch und detailliert wir darüber diskutiert und wen wir alles in die Abstimmungen einbezogen und mit wem wir die Dinge abgestimmt haben. Es waren der Nahverkehrsbeirat und die RVS. Auch mit der BVG mussten wir das
eine oder andere abstimmen. Das Sozialamt war ebenso einzubinden wie die Gleichstellungsbeauftragte und die Arbeitsgemeinschaft, sprich ARGE.
Ich erinnere mich sehr gut, mit welcher Begeisterung alle an dieser Diskussion beteiligt waren. Aus dieser Erfahrung heraus ist mir klar geworden: Die Einführung und Umsetzung eines Sozialtickets liegt eindeutig in kommunaler Hand. Ausgehend von der lebhaften und engagierten Diskussion glaube ich auch, dass sich die Kommunen diese Verantwortung gar nicht so einfach nehmen lassen werden und dass es mit „per Dekret“ auf Landesebene nicht getan ist.
Insofern unterstütze ich die Auffassung, dass das Sozialticket eine kommunale Aufgabe ist. Die Volksinitiative hat doch wirklich viel erreicht. Das Thema wird landauf landab diskutiert. Es gibt in der Tat Landkreise, die sich in dieser Frage auf den Weg gemacht haben. Ich bin davon überzeugt, dass andere Gebietskörperschaften dies auch noch tun und eine entsprechende Entscheidung für sich treffen werden.
Weil es um etwas Neues geht, ist es uns in dieser Frage auch wichtig, Erfahrungen auf diesem Gebiet zu sammeln. Mir als Sozialpolitikerin ist es, wenn wir Geld aus dem Landessäckl nehmen, wichtig, genau zu erfahren, wie das Konzept vor Ort umgesetzt wird. Aus diesem Grund ist es richtig und vernünftig, zu sagen: Lassen Sie uns Erfahrungen sammeln! Lassen Sie uns eine Evaluation durchführen! - Der Zeitraum bis zum Sommer ist eh sehr kurz. Lassen Sie uns das tun, um dann zu schauen, wie es greift und wirkt. Wird wirklich die Zielgruppe angesprochen, die wir ansprechen möchten? Welche Karte ist am geeignetsten? Ist die Monatskarte das heilige Evangelium? Ist es die Tageskarte oder der Einzelfahrausweis? All diese Dinge werden jetzt in den einzelnen Landkreisen umgesetzt. Dabei kann man Erfahrungen sammeln.
Die Volksinitiative hat gefordert, ein Brandenburgticket einzuführen, das für die Gebietskörperschaften gelten soll. Nun könnte ich sagen, dass das ein Widerspruch in sich ist. Ich könnte es aber auch andersherum formulieren: Vielleicht hat die Volksinitiative mit dieser Formulierung auch schon die kommunale Verantwortung gesehen. - Insofern bitte ich Sie, meine Damen und Herren, sehr herzlich, dem Beschluss des Hauptausschusses zuzustimmen. Es ist keine Ablehnung des Sozialtickets. Es heißt einfach: Lassen Sie uns in diesem Bereich Erfahrungen sammeln! - In die Evaluation müsste unbedingt die Frage einfließen, ob wir mit dem Sozialticket, bezogen auf eine Gebietskörperschaft, für die betroffenen Personen wirklich die Mobilität erreichen, die wir erreichen wollen. Auf
Liebe Frau Lehmann, es wurde während Ihrer letzten Sätze noch einmal eine Zwischenfrage angekündigt. Lassen Sie diese jetzt noch zu?
(Zuruf der Fraktion DIE LINKE: So viele Ecken wie die, um die Sie denken, Frau Lehmann, gibt es gar nicht!)