Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Die Globalisierung der Wirtschaft hat auch eine Globalisierung der Kriminalität bewirkt. Die wirtschaftspolitischen und technologischen
Rahmenbedingungen, die der Wirtschaft heute ihre besonderen Freiräume schaffen, begünstigen natürlich auch die Internationalisierung des Verbrechens.
Mit unserer Großen Anfrage wollen wir, bezogen auf das Land Brandenburg, die Landesregierung zumindest dazu bringen, ein Gesamtbild zu liefern, das sich aus der Verknüpfung des Prozesses der zunehmenden internationalen Verflechtung in allen Bereichen und der Kriminalität in ihren einschlägigen Erscheinungsbildern ergibt. Deswegen sind die in der Antwort auf unsere Große Anfrage zusammengestellten Statistiken, die Sie in den Anlagen 1 bis 11 finden, durchaus aufschlussreich. Sie mögen natürlich auch den Strafverfolgungs- sowie den Polizei- und Ordnungsbehörden bei ihrer zukünftigen Arbeit hilfreich sein.
Bei genauer Betrachtung zeigt sich schon an dieser Stelle, dass in den Jahren 1994 bis 2006 nicht nur die Zahl der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Land Brandenburg nahezu stetig angestiegen ist - siehe die Tabelle zu unserer Frage 5 a -, sondern dass sich ein hoher Anteil an Gewaltdelikten, insbesondere Raub, räuberische Erpressung, räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, sowie der Rauschgiftkriminalität deutlich abzeichnet; siehe dazu Anlage 1. Auffällig ist auch, dass nach wie vor ein recht hoher Anteil von Angeklagten nach Jugendstrafrecht verurteilt wird.
Nun werden Sie fragen: Was hat das alles eigentlich mit der Globalisierung zu tun? Meine Damen und Herren, ich werde es Ihnen sagen.
In diesem Zusammenhang kommen wir - auch wenn Sie es wieder bestreiten - nicht umhin, uns mit dem Ausländeranteil an den Kriminellen auseinanderzusetzen. Auffällig ist insbesondere der nach wie vor hohe Anteil von Tatverdächtigen aus der Russischen Föderation, aus der Ukraine, aus Polen sowie von Vietnamesen, was Sie unschwer der Anlage 3 entnehmen können. Diebstahls- und Betrugsdelikte polnischer Staatsbürger spielen dabei eine bedeutende Rolle; siehe Anlage 10.
Genau dort liegt der Anknüpfungspunkt zur grenzüberschreitenden Kriminalität. Wenn die Landesregierung in der Antwort auf unsere Fragen 13 bis 15 dieses Kriterium aber überhaupt nicht kennen will, an anderer Stelle, so in der Antwort zu Frage 19 auf Seite 36, aber ausdrücklich bekundet, dass, beruhend auf einer gemeinsamen Maßnahme des Rates der EU vom 29. Juni 1998 zur Erleichterung der justiziellen Zusammenarbeit, gerade zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität ein Europäisches Justizielles Netz mit dem Namen EJN geschaffen wurde, finde ich das zumindest bemerkenswert. Da verwundert es einen auch nicht, wenn trotz des nach wie vor hohen Anteils polnischer Staatsangehöriger an den Delikten, die ihrem Erscheinungsbild nach typisch für grenzüberschreitende Kriminalität sind, namentlich bei den Betrugs- und Diebstahlsdelikten, die Landesregierung hierzu zwar Zahlen zur Verfügung stellt, in der Sache aber lediglich die angeblich gute Zusammenarbeit mit der polnischen Strafverfolgungsbehörde nach dem Abkommen vom 18. Februar 2002 hervorhebt. Irgendwie beißt sich das, Herr Innenminister Schönbohm.
Insgesamt verhält sich die Landesregierung sehr zurückhaltend. Das korrespondiert wahrscheinlich mit der von ihr der Beantwortung vorangestellten positiven Bewertung der Globalisierung als solcher. Ich teile hier durchaus die Einschätzung,
dass die starke Allianz im Dienste der Sicherheit und zur zeitgemäßen Kriminalitätsbekämpfung auch durch starke Partnerschaften zwischen Staat und Wirtschaft unterstützt werden muss. Wie letztere allerdings aussehen sollen, darüber schweigt sich die Landesregierung geflissentlich aus. Herr Innenminister, vielleicht nehmen Sie wenigstens heute einmal die Chance wahr und tragen dazu etwas vor. Aber ich befürchte, Sie werden dazu nicht sprechen, ebenso wenig wie die übrigen Genossinnen und Genossen, so wie ich es mitbekommen habe. - Danke schön.
Herzlichen Dank, Herr Claus. Mit Ihrer Vermutung könnten Sie Recht haben, denn auch mir liegt die Information vor, dass SPD und CDU ebenso wie DIE LINKE auf Redebeiträge verzichten. Auch die Landesregierung sieht keinen Redebedarf. Deshalb erhalten Sie noch einmal das Wort. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Globalisierung haben sich insbesondere für die organisierte Kriminalität die Möglichkeiten vervielfältigt; ich sagte es vorhin schon. Zu ihren größeren Geschäftszweigen zählen Drogenhandel und Menschenschleusung wie auch Produktpiraterie. Darin sind sich führende Experten für das internationale Verbrechen, so zum Beispiel Herr Wolfgang Hetzer, Berater der Europäischen Antibetrugsbehörde, einig. Nach Einschätzung des UNODC basieren inzwischen 2 bis 3 % der Wirtschaftsleistung auf kriminellen Geschäften. Das sind rund 1 300 Milliarden Dollar und damit fast halb so viel, wie Deutschland in einem Jahr erwirtschaftet, meine Damen und Herren.
Mit der Globalisierung der Wirtschaft geht eine Globalisierung des Verbrechens einher. Die Welt des Verbrechens ist ein Mosaik aus produzierenden Ländern und Absatzmärkten, ein grenzübergreifendes Geflecht von Kleindealern, Drogenkurieren und gut verdienenden Chefs transnationaler Kartelle.
Strafverfolger beobachten, wie türkische Drogenbosse mit russischen Finanziers und albanischen Menschenhändlern zusammenarbeiten. Ukrainische Kriminelle tauschen in Südamerika Waffen gegen Kokain. Die Liberalisierung des Handels öffnet ihnen allen die Grenzen, wobei die Deregulierung der Finanzmärkte die Legalisierung ihrer Profite fast zu einem Kinderspiel macht.
Ich kann Ihnen hierzu nur einen Artikel aus „Der Zeit“ vom 28.06.2007 empfehlen, der diese Problematik unter der Kolumne „Das globalisierte Verbrechen“ eindrucksvoll beleuchtet. Meine Damen und Herren, das können Sie sich einmal zu Gemüte führen. Deswegen rate ich Ihnen: Lassen Sie doch einmal Ihre Polemik und bemühen Sie sich endlich um Sachlichkeit!
Wo wir gerade beim Thema Sachlichkeit sind, meine Damen und Herren - auch Herr Kollege Schulze -, stellt sich mir schon die Frage, wie die Landesregierung einerseits in ihrer Antwort zu unserer Frage 18 von einer 90%igen Aufklärungsquote im Bereich der organisierten Kriminalität ausgehen kann, anderer
seits aber nicht einmal zu einer detaillierten Darstellung der Aufklärungsquoten in der Lage ist. Dass sie das tatsächlich nicht ist, macht die Antwort auf unsere Frage 10 d deutlich, nämlich dass für den Zeitraum vor dem 01.01.2000 eine detaillierte Aufschlüsselung der Verurteilten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität wegen fehlender Datenerhebung nicht vorgenommen werden kann.
Des Weiteren behauptet die Landesregierung, dass das Phänomen der organisierten Kriminalität nicht an bestimmten Tatbeständen festgemacht werden kann. Das ist lächerlich. Selbst bei Wikipedia findet sich eine gängige Definition der organisierten Kriminalität nach den typischen Beschäftigungsfeldern vom Menschenhandel bis hin zum Autodiebstahl.
Obwohl die Landesregierung in Beantwortung unserer Frage 21 a bis d selbst keine wissenschaftliche Unterstützung zur Entwicklung der Kriminalität oder einzelnen Erscheinungsformen zur Verfügung hat, kann sie sich bei der Antwort auf Frage 22 dennoch - zumindest zu den Prognosen - dazu durchringen, dass sich die seit Jahren anhaltende Dominanz der Eigentums- und Rauschgiftkriminalität als bevorzugter Hauptdeliktsbereich der organisierten Gruppierungen sehr wahrscheinlich fortsetzen wird. Klare Maßnahmenkonzepte sind aus den Antworten der Großen Anfrage jedoch nicht erkennbar. Insgesamt hat die Landesregierung hier erhebliche Erkenntnis- und Handlungsdefizite, und genau hier gilt es anzusetzen.
Meine Damen und Herren, ich ermutige Sie noch einmal, den Bericht aus „Der Zeit“ mit dem Titel „Die globalisierten Verbrechen“ zu lesen. Damit werden Sie sich noch einige Fragen beantworten können. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich beende damit die Aussprache. Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 34 ist somit zur Kenntnis genommen.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der DVU-Fraktion. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen vor dem Abgrund und trinken darauf. So mutet die
Reaktion der Landesregierung auch auf unsere Große Anfrage zu den Auswirkungen der Globalisierung unter dem Aspekt des demografischen Wandels an. Diese Haltung zeigt sich schon in der Vorbemerkung der Landesregierung, indem sie sich vorbehaltlos zur Globalisierung als politisch gewolltem Prozess bekennt. Mit großen Worten setzt die Landesregierung als Prämisse eine angeblich hervorragende Wirtschaftswachstumsund Beschäftigungsentwicklung voraus und setzt diese - wenn auch nicht in erster Linie - in Beziehung zur Globalisierung.
Tatsächlich hat die Landesregierung zu dem Verhältnis zwischen der Globalisierung, für welche sie im Erörterungsstil eines Unterquartaners immerhin eine Definition voranstellt, und der demografischen Entwicklung recht wenig zu sagen. Deswegen verliert sie sich ständig in Ausflüchte wie: Wirkungsrichtung und Wirkungsgrad könnten höchst unterschiedlich sein. Weiter ließe die Globalisierung sich nur in seltenen Ausnahmefällen als Einflussfaktor isolieren.
Des Weiteren setzt sie schon in ihrer Vorbemerkung quasi eine Entschuldigung für mangelnden Kenntnis- und Erfahrungsstand voraus, indem sie behauptet, dass sämtliche statistischen Erfassungen und Auswertungen - unter anderem wegen der Ausweitung von Erhebungszeiträumen und der Änderung von Erhebungsmerkmalen und Basisdaten für Zeitreihen - es ihr unmöglich machten, dafür eine vernünftige Stellungnahme abzugeben. Als Politiker, der politische Gestaltung mit dem Prinzip der Verantwortung verbindet, frage ich mich schon, was die Landesregierung überhaupt will, kann und welche Ansprüche sie an sich stellt. Dabei sind die Basisdaten durchaus bekannt, was sich in den Anlagen zu unserer Großen Anfrage - insbesondere zum Prozess der Bevölkerungsschrumpfung, zu den Wanderungsbewegungen sowie zur Geburtenentwicklung widerspiegelt. Die Zahlen im Land Brandenburg sind hier systematisch für den deutschen und europäischen Trend, der im Allgemeinen mit dem Schlagwort demografischer Wandel bezeichnet wird; erstens die kontinuierliche Alterung der Bevölkerung und zweitens der langfristige Rückgang der Einwohnerzahl. Auch in Brandenburg wird wohl langfristig eine fortschreitende Internationalisierung der Bevölkerung nicht ausbleiben.
Jedoch haben wir nicht nur nach Prognosen gefragt, sondern in unseren Fragen 23 bis 27 nach konkreten Maßnahmen der Landesregierung - insbesondere im Hinblick auf das Absinken der Bevölkerungszahl und der Geburtenrate sowie den Wegzug der Bevölkerung und die Kontrolle eines langfristig zu befürchtenden verstärkten Zuzugs von Ausländern.
In ihrer Antwort zu den Fragen 22 bis 27 musste die Landesregierung letztlich ihren politischen Offenbarungseid abgeben. Sie gibt hier die gleiche Leier wieder wie bei all ihren Beiträgen zum Thema demografischer Wandel - wie sie letztlich auch in ihrem Demografiebericht darlegt, nämlich, dass sie staatliches Handeln hier überhaupt nicht für sinnvoll hält und Politik insgesamt als handlungsunfähig gegenüber den negativen Auswirkungen der Globalisierung erachtet. Ihre einzige Antwort beschränkt sich auf von ihr selbst definierte Chancen, die sie in größeren Migrationsbewegungen zu erkennen glaubt. Da nutzt auch der Satz nichts, dass die Standortqualität Brandenburgs verbessert werden muss, damit Abwanderung reduziert und die Attraktivität für qualifizierte Fachkräfte erhöht wird. Genau hier wollten wir die politische Gestaltung von der Landesregierung abrufen, und genau dazu ist sie jede Antwort schuldig geblieben.
Nun bin ich auf die Beiträge meiner Nachredner gespannt. Jedoch halten die Damen und Herren von den Fraktionen der CDU, der SPD und der Fraktion DIE LINKE - wie ich eben mitbekommen habe - es nicht für nötig, darauf zu antworten.
Ich habe gedacht, als selbst ernannte Demokraten würden Sie zumindest darauf antworten, aber das schaffen Sie wohl nicht.
Die DVU-Fraktion hat mit diesem Punkt ein ernstes Thema auf dieser Tagesordnung angeschnitten. Diesbezüglich erwarteten wir hier eine Debatte. Aber das halten Sie nicht für nötig, wie ich bereits angemerkt habe.
Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU, der SPD und der Fraktion DIE LINKE, hat sich zumindest der Bundespräsident, Herr Köhler, zu dem Thema, das wir heute behandeln, ernsthaft Gedanken gemacht. Sie als Angehörige einer Legislative täten gut daran, Selbiges zu tun. So regte der Bundespräsident bereits im Dezember 2005 in Berlin folgende Fragen an:
„Wie stellen wir uns die Zukunft des Landes in 20 oder auch in 50 Jahren vor? Wie werden wir leben, wie wollen wir leben? Wollen wir vor allem auf die Selbststeuerungskräfte der Gesellschaft vertrauen, oder wollen wir versuchen, Weichen neu zu stellen? Welche Optionen stehen uns dafür offen?“
Dies können Sie in der 49. Ausgabe der Zeitschrift „Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen“ der Hanns-Seidel-Stiftung unter der Kolumne „Globalisierung und demografischer Wandel“ nachlesen. Ich kann es Ihnen nur empfehlen, meine Damen und Herren.
Genau diese wichtige Fragestellung des Herrn Bundespräsidenten haben wir auch zum Anlass für unsere Große Anfrage genommen; denn er stellt damit genau die entscheidenden Fragen, die wir der Landesregierung letztlich in unserer Großen Anfrage, die Ihnen in der Drucksache 4/4968 vorliegt, bezogen auf das Land Brandenburg in differenzierter Form stellten. Es geht um Maßnahmen und Handlungskonzepte sowie um die damit befassten Ressorts und Institutionen.
Die Antwort, dass die Reaktion auf Ursachen und Folgen des demografischen Wandels Aufgabe aller gesellschaftlichen Akteure ist - von den Kommunen bis zur EU-Ebene sowie irgendwelcher von Ihnen nicht näher benannten Kammern und Verbände -, hätten Sie sich sparen können. Das zeigt lediglich Ihre Ignoranz, Herr Chef der Staatskanzlei!
Aber ich will nicht nur schimpfen. Wenigstens haben Sie uns die vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg erhobenen Zahlen zu den Vorzügen und Wanderungsbewegungen sowie zur Bevölkerungsentwicklung entsprechend unserer Fragestellung zur Verfügung gestellt, und damit - Sie alle sollten uns dankbar sein - existiert erstmals eine übersichtliche Zusammenstellung des einschlägigen Zahlenmaterials zu den wesentlichen demografischen Entwicklungen, meine Damen und Herren. Das ist