Ich glaube, es ist auch Zeit, den Rücken gerade zu machen, nicht Scheinargumente und Ausflüchte zu suchen, sondern jetzt zur Tat zu schreiten und diesen Antrag anzunehmen und nicht auf Berlin zu verweisen.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zur momentanen Situation: Es ist richtig, dass in Bayern ein entsprechender Vorschlag gemacht wurde. Im Grunde genommen soll die alte ungerechte Regelung fortgeschrieben werden. Finanzminister Steinbrück hat erklärt, dass er einen Gesetzentwurf zur Neuregelung vorlegen werde. Insofern wäre eine Unterstützung durch Sie für eine sozial gerechte und ökologisch vernünftige Regelung sicher sinnvoll. Wir sollten uns heute auf den Weg machen. Deshalb bitte ich noch einmal eindringlich um Zustimmung zu diesem Antrag.
Herzlichen Dank. - Der Antrag in Drucksache 4/7249, Neuregelung der Pendlerpauschale, steht jetzt zur Abstimmung. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Enthält sich jemand der Stimme? - Mehrheitlich ist gegen diesen Antrag gestimmt worden. Er ist somit abgelehnt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Experten schätzen, dass etwa 15 % aller Paare ungewollt kinderlos sind. Seit mehr als drei Jahrzehnten bietet die Reproduktionsmedizin Möglichkeiten, auf künstlichem Weg eine Schwangerschaft zu ermöglichen. In Deutschland kamen auf diese Weise bislang mehr als 100 000 Kinder zur Welt. Wenn der Nachwuchs ausbleibt, setzen viele dieser Paare ihre Hoffnung auf die Reproduktionsmedizin, also auf die Kinderwunschbehandlung. Doch zu den psychischen Belastungen, wenn ein Versuch misslingt, kommt seit 2004 auch noch die finanzielle Belastung.
Wie vielen bekannt sein dürfte, wurde durch die Gesundheitsreform 2004 der Anspruch auf Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung stark eingeschränkt. Neben der Reduzierung der Versuche auf drei werden seitdem die Kosten von den Krankenkassen nur noch zu 50 % übernommen. Das heißt, die anderen 50 % tragen die Paare selbst. Ab dem vierten Versuch müssen die Paare die Kosten komplett übernehmen.
Vielen Paaren wurde und wird durch diese Regelung die Möglichkeit zur Verwirklichung ihres Kinderwunsches beschränkt. Durchschnittlich kostet ein Versuch ca. 4 000 Euro, 2 000 Euro müssen die Paare selbst tragen. Im Durchschnitt sind drei Versuche nötig. Das bedeutet Kosten in Höhe von mindestens 6 000 Euro. Für viele der hier Anwesenden scheinen 6 000 Euro nicht allzu viel Geld zu sein, aber für den Otto-Normalbürger sind 6 000 Euro sehr, sehr viel.
Seit der Änderung des § 27 a des SGB V im Jahre 2004, der die Kostenübernahme von Kinderwunschbehandlung regelt, ist die Zahl der Paare, die eine Kinderwunschbehandlung durchführen lassen wollen, drastisch zurückgegangen. Die Statistik spricht Bände. So sank die Zahl der Behandlungen in den bundesweit mehr als hundert Kinderwunschzentren zwischen 2003 und 2007 von rund 94 600 auf jetzt lediglich 59 200. Die Zahl der mithilfe der Fortpflanzungsmedizin gezeugten und lebend geborenen Kinder sank im selben Zeitraum von rund 18 800 auf 7 500. 11 300 Kinder konnten erst gar nicht gezeugt und geboren werden.
Am 4. Juli 2008 beschloss der Bundesrat auf Initiative des Saarlandes, Sachsens und Thüringens, die Bundesregierung aufzufordern, die durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ab 1. Januar 2004 wirksame Änderung in der Kostenerstattung bei künstlicher Befruchtung zurückzunehmen und den alten Rechtszustand einer 100%igen Finanzierung wiederherzustellen. Das war im Juli 2008. Was ist bisher geschehen? Nichts!
Dass hier dringend Handlungsbedarf besteht, hat nun auch die Bundesfamilienministerin erkannt und will sich für mehr Hilfe bei künstlicher Befruchtung starkmachen. So war es jedenfalls der Presse zu entnehmen. Doch erfahrungsgemäß ist den Aussagen von Politikern vor Wahlen wenig zu trauen. Hinzu kommt, dass, wenn eine Ministerin etwas möchte, nicht zwangsläufig ihre Regierungskollegen dann auch mitziehen.
Fakt ist: Es muss gehandelt werden. Das Bundesland Sachsen hat es uns vorgemacht. Ab März dieses Jahres erhalten Ehepaare im Freistaat für die zweite und dritte Behandlung Landeszuschüsse von jeweils bis zu 900 Euro. Für die vierte Behandlung wird eine Pauschale von 1 600 bis 1 800 Euro gezahlt. Dafür stellt das Land jährlich 1,1 Millionen Euro zur Verfügung. Sicherlich lässt sich das nicht mit den finnischen Verhältnissen vergleichen, denn dort werden beliebig viele Versuche von den gesetzlichen Krankenkassen komplett übernommen. Aber diese Regelung in Sachsen wird zur finanziellen Entlastung vieler Paare beitragen.
Mit unserem vorliegenden Antrag fordern wir auf Bundesebene eine Änderung des Sozialgesetzbuches V, damit wieder mehr Maßnahmen der sogenannten assistierten Humanreproduktion, also der künstlichen Befruchtung, von den Krankenkassen übernommen werden. Ebenfalls fordern wir, dass betroffene Brandenburger Paare durch Zuschüsse, Kostenübernahme und ähnliches vom Land unterstützt werden, so wie es uns das Bundesland Sachsen vorgemacht hat. Ich bitte Sie also um Zustimmung zu unserem Antrag.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einige allgemeine Bemerkungen zum Problem der Kinderlosigkeit machen. Zweifellos geht es bei der Kinderlosigkeit um individuelles Leid und große Schwierigkeiten und Probleme der betroffenen Paare. Insgesamt werden die Zahlen allerdings deutlich überschätzt. Der Wert 15 % ist aus der Luft gegriffen. Es gibt Untersuchungen, die besagen, dass dauerhaft nicht mehr als 3 % aller Paare ungewollt kinderlos bleiben. Die Methode der künstlichen Befruchtung wird in ihrer Effektivität ebenfalls häufig überschätzt. Noch nicht einmal jeder fünfte Versuch endet tatsächlich in einer geglückten Schwangerschaft. Nur 18 %, über den Schnitt gerechnet, sind tatsächlich von Erfolg gekrönt.
Was regelt das Sozialgesetzbuch V, und was wird finanziert? Erwähnt werden muss ausdrücklich, dass es sich bei Kinderlosigkeit nicht um eine Krankheit handelt. Das heißt, die Finanzierung über die Krankenversicherung ist eine versicherungsfremde Leistung, die eigentlich in den familienpolitischen Leistungsrahmen hineingehören würde. Bereits heute finanziert werden die komplette Diagnostik ungewollter Kinderlosigkeit und medizinische Maßnahmen zur Herstellung von Zeugungs- und Empfängnisfähigkeit, ebenso psychotherapeutische Maßnahmen, die ebenso erfolgversprechend sind. Halb finanziert - das wurde bereits dargestellt - werden In-vitro-Fer
tilisation und andere Methoden der direkten Reproduktionsmedizin. Die zusätzlichen Kosten müssten entweder durch Beitragserhöhungen der Krankenkasse oder aber durch Steuererhöhungen aufgebracht werden. Das ist im Moment, denke ich, auch nicht das Ziel.
Es spricht aber auch inhaltlich sehr viel für eine Beschränkung auf drei Versuche. Die medizinische Notwendigkeit und die Erfolgsaussicht sind nicht in jedem Falle garantiert. Jeder Versuch einer künstlichen Befruchtung ist eine große seelische und körperliche Belastung der Frau und mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden. Deshalb hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach spätestens vier erfolglosen Versuchen keine hinreichende Erfolgsaussicht mehr festgestellt. Die Altersbeschränkung macht ebenfalls Sinn, weil man weiß, dass jenseits des 30. Jahres das Optimum der Empfängnisfähigkeit überschritten ist und jeder weitere Versuch jenseits von 40 Jahren von größerer Erfolglosigkeit begleitet sein wird.
Das zeigt die Komplexität dieses Themas, und man muss der Situation der betroffenen Paare sicherlich gerecht werden. Das wird man allerdings nicht mit dem seitens der DVU vorgelegten Antrag. Sie fordern, dass die Option der künstlichen Befruchtung im „Kampf“ gegen unerwünschte Kinderlosigkeit öffentlichkeitswirksam bekannt gemacht wird. Ich denke nicht, dass das Problem darin besteht, dass die Möglichkeit der künstlichen Reproduktion nicht bekannt gemacht wird. Außerdem handelt es sich in keiner Weise um eine „Kampffront“. Hier geht es um individuelles Leid und um den Versuch der Heilung seitens der Ärzte, die das betroffene Paar unterstützen. Der Begriff „Kampf“ ist hier völlig fehl am Platze.
Sie geben eine Reihe von Zahlen an und führen sehr detailliert auf, was geändert werden soll. Ich frage mich, wie Sie zu dieser Zahlenbeschränkung kommen. Sie macht auch wenig Sinn, wenn man Ihrer Begründung folgte. In der Begründung zu Ihrem Antrag allerdings, meine Damen und Herren von der DVU, zeigen Sie, welche Gedanken tatsächlich hinter Ihrem Antrag stecken. Es geht Ihnen vor allem um die „deutschen“ Kinder. Uns geht es um jedes Kind, das in „Deutschland“ geboren wird, und die Betonung von geborene „Deutsche“ und „deutsche“ Kinder kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.
Außerdem sprechen Sie von einer ethisch-moralischen Verpflichtung des Gemeinwesens für seinen Fortbestand. - Was soll das? Der Staat ist für die Menschen da und nicht umgekehrt die Menschen für den Staat.
Ich weiß nicht, woher Sie so etwas nehmen. Der Gipfel Ihrer Denkweise zeigt sich, wenn Sie davon sprechen, dass im Grunde die öffentliche Investition in die Humanreproduktion „amortisationserhoffend“ und „profitabel“ sei. Hier wird der Mensch zum Zweck reduziert, hier wird der Mensch instrumentalisiert. Das erinnert sehr fatal an Ihre geistigen Vorväter, die auch die deutschen Frauen aufgefordert haben, Kinder für den Führer zu gebären, die letzten Endes als billiges Kanonenfutter verbraucht wurden.
(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE - Schuldt [DVU]: Jetzt ist aber Schluss mit solchen Verleumdungen!)
Eine solche Anbiederung und eine solche Unterstützung haben die betroffenen Paare wahrlich nicht verdient, und sie werden sich das auch verbitten. - Vielen Dank.
Herzlichen Dank. - Frau Abgeordnete Wöllert verzichtet. Die Landesregierung verzichtet ebenfalls. Demzufolge erhält die DVU-Fraktion erneut das Wort. Frau Abgeordnete Fechner, bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine sehr verehrten Gäste! Das ist sehr viel, was uns Frau Münch hier vorgeworfen hat. Sicherlich, Frau Dr. Münch, ist es so, dass ich als deutsche Politikerin in allererster Linie den Blick auf das deutsche Volk richte.
So steht es ja auch im Artikel 56 des Grundgesetzes, an dem sich die DVU-Vertreter selbstverständlich orientieren und an den sie sich auch halten.
- Entschuldigung, ein Versprecher, das kann wohl mal passieren. 3 % der Paare sind ungewollt kinderlos. Letzten Endes, meine Damen und Herren, ist es ja egal, ob 3 % oder 15 %. Fakt ist doch eines - die Zahlen werden Sie, Frau Dr. Münch, bestätigen -: Im Jahr 2003, als es diese Gesetzesänderung noch nicht gab, konnten 18 800 Kinder künstlich gezeugt werden und sind auch lebend auf die Welt gekommen. Im Jahre 2007 nach Änderung des Gesetzes - kamen lediglich 7 500 Kinder lebend zur Welt bzw. lediglich 7 500 Kinder konnten künstlich gezeugt werden. Also ist doch eindeutig absehbar, dass die Gesetzesänderung dazu geführt hat, dass es immer weniger Kinder gab. Aber ich merke schon, meine Damen und Herren, Sie haben gar kein Interesse, unserem Antrag zuzustimmen.
Sie hätten heute beweisen können, dass Ihnen wirklich etwas daran liegt, die Familienförderpolitik hier im Land voranzutreiben.
Warum Sie unserem Antrag nicht zustimmen, Frau Dr. Münch? Wir haben ja auch gefordert, dass das Land ähnlich wie das Land Sachsen eine Initiative ergreift und kinderlose Paare finanziell unterstützt. Mehr haben wir gar nicht gefordert. Sicherlich möchten wir auch, dass es eine Kampagne gibt. Es gibt auch noch etliche Paare, die nicht wissen, dass es so etwas gibt und dass das auch finanziell förderfähig ist. Das gibt es auch, Frau Dr. Münch. Ich denke, das Geld, das wir dafür einsetzen würden, wäre nicht rausgeschmissen, sondern im Interesse des Generationenvertrages. Sicherlich ist es wichtig, dass wir auch zukünftige Steuerzahler haben. Wer soll denn die Rente eines Tages finanzieren? Auch deswegen gibt es diesen Generationenvertrag. Daran ist nichts Verwerfliches.
Aber ich denke, das ist bei Ihnen vergebliche Liebesmüh. Sie möchten nichts für die Familienförderpolitik tun. Tut uns leid!
Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/7255 an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Wer dieser Überweisung seine Zustimmung gibt, bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Überweisungsantrag? - Mit übergroßer Mehrheit ist gegen diese Überweisung gestimmt worden.