Christian Görke

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Arbeitsmarktpolitik ist zentraler Bestandteil staatlichen Handelns, so auch dieser Landesregierung. Die Große Anfrage war natürlich in diesem Sinne auch dazu gedacht, uns inhaltlich damit auseinanderzusetzen.
Wie ich sehe, ist die Ministerin nicht im Saal. Deshalb beantrage ich nach § 30 der Geschäftsordnung, dass die Ministerin an dieser Beratung teilnimmt.
Ich bitte, dass die dafür notwendige Zeit nicht von meiner Redezeit abgezogen wird.
Danke schön, Herr Präsident.
(Minister Junghanns begibt sich vor die Tür des Plenar- saals, um Ministerin Ziegler hereinzubitten. Kurze Zeit später betritt er wieder den Plenarsaal und teilt mit, dass er die Ministerin nicht angetroffen habe.)
Herr Präsident, können wir vielleicht den Tagesordnungspunkt wechseln, bis die Ministerin da ist? Das wäre, glaube ich, ein guter Vorschlag.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Arbeitsmarktpolitik ist ein zentraler Bereich staatlichen Handelns. Das gilt auch in einem Land wie Brandenburg, wo die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Schaffung der Rahmenbedingungen für existenzsichernde Beschäftigung seit 19 Jahren zu den wichtigsten Herausforderungen von Politik gehören. Zwar werden in Deutschland die wichtigsten arbeitsmarktpolitischen Weichen auf Bundesebene gestellt, aber die
Weichenstellung kann in dieser föderalen Bundesrepublik maßgeblich von den Ländern beeinflusst werden. Auch das war Anliegen, weshalb die Linksfraktion die Große Anfrage zum Thema „Auswirkungen der Arbeitsmarktreformen auf Arbeit und Entlohnung im Land Brandenburg“ gestellt hat, um nach einer gründlichen Analyse der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt notwendige Konsequenzen zu ziehen.
Meine Damen und Herren, bevor ich mich der Antwort der Landesregierung zuwende, gestatten Sie mir noch eine grundsätzliche Bemerkung: Es ist die letzte Debatte zu arbeitsmarktpolitischen Fragen in dieser Legislaturperiode. Die Debatten waren nicht selten emotional, aber doch oft recht sachlich.
Frau Ministerin, weil Sie Ihr Mittagessen unterbrechen mussten und damit wir uns nicht weiter auf den Keks gehen, habe ich Ihnen etwas mitgebracht.
Im Gegensatz zu der letzten Großen Anfrage, die meine Fraktion zu diesem Thema eingereicht hat, sind die Antworten der Landesregierung diesmal qualitativ besser und die Datenlage ausführlicher. Das heißt natürlich nicht, dass man nicht noch etwas besser machen könnte.
In diesem Sinne möchte ich mich bei Ihnen, Frau Ministerin, und vor allen Dingen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses bedanken, die die Antwort einschließlich der Anlage erarbeitet haben.
Meine Damen und Herren der Regierungskoalition, auch unter einem anderen Aspekt ist die vorliegende Antwort auf unsere Große Anfrage interessant, vervollständigt sie doch in gewisser Weise Ihre in der vorigen Woche veröffentlichte Bilanz zum Ende der Legislaturperiode. Da kam die Arbeitsmarktpolitik aus meiner Sicht etwas knapp weg. Das kann natürlich auch daran liegen, dass die Erfolge der Regierung auf diesem Politikfeld eher übersichtlich sind.
Als Erfolg werten Sie unter anderem den Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. In der Phase des konjunkturellen Aufschwungs zwischen 2005 und 2008 ist diese Zahl von 715 500 auf 737 111 angewachsen, aber ohne den Verlust aus der vorhergehenden Zeit zu kompensieren. In diesem Zusammenhang haben Sie uns gestern eine Grafik gezeigt und besonders die Phase zwischen 2005 und 2009 charakterisiert.
Ich habe es grün gekennzeichnet. Sie sehen, wie in der Zeit Ihrer Großen Koalition das Land Brandenburg sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verloren hat. Mit dieser Erkenntnis wird Ihre Bilanz vollständiger. Ich möchte
ausdrücklich darauf hinweisen: In Brandenburg sind nach den sogenannten „Arbeitsmarktreformen“ weniger Menschen in regulärer Beschäftigung als zuvor. Damit zahlen auch weniger Beschäftigte in die sozialen Sicherungssysteme ein.
Meine Damen und Herren, aus der Sicht der Linken muss Erwerbsarbeit existenzsichernd sein. „Sozialversicherungspflichtig“ heißt auch in Brandenburg eben nicht automatisch „existenzsichernd“, wie auch die Antwort auf unsere Große Anfrage belegt.
Als eine der gravierendsten Folgen der Hartz-Gesetzgebung hat sich die Struktur der Arbeitsverhältnisse geändert. Auch in Brandenburg haben wir eine Verdrängung der Normalarbeitsverhältnisse durch atypische Arbeitsverhältnisse zu verzeichnen. Allein bis zum Jahr 2007 verringerte sich die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse um 31 600, im gleichen Zeitraum wuchs die Zahl der atypischen Beschäftigungen um 39 600 Arbeitsplätze. In den letzten Jahren ist die Zahl der atypischen Beschäftigungen von 152 000 auf 191 800 angestiegen, das sind 26 % mehr, während die sogenannten Normalarbeitsverhältnisse um 4 % zurückgegangen sind. Allein bei den Minijobs verzeichnete Brandenburg eine Zunahme von 69 941 im Jahr 2003 auf 128 748 im Bewertungszeitraum, also bis Juni 2008. Das entspricht einer Steigerung von 84 %. Das sind konkrete Folgen dieser Hartz-Gesetzgebung.
Wenn die Landesregierung die Niedriglohnbeschäftigung nun mit Sorge verfolgt - wie man auf Seite 15 nachlesen kann -, dann ist das ein erfreuliches, wenn auch spätes Umdenken. Immerhin hat das Brandenburger Wirtschaftsministerium bis in das Jahr 2008 - da gab es von den Linken genauso wie von der SPD den Einwurf - den Wirtschaftsstandort Brandenburg offensiv mit Niedriglöhnen beworben. Einem Vergabegesetz mit Mindestlohnbedingungen hat sich die Landesregierung seit Jahren verweigert. Meine Damen und Herren, die Arbeitsmarktreformen haben in erster Linie die Ausweitung des Niedriglohnsektors bewirkt, auch das ist ein Ergebnis in der Antwort auf unsere Große Anfrage.
Während die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsbezieher von Juni 2007 bis Juni 2008 von 269 947 auf rund 252 000 gesunken ist, stieg die Zahl der erwerbstätigen Leistungsbezieher, also der sogenannten Aufstocker, im gleichen Zeitraum von 65 161 auf 74 222. Davon gehen allein 32 700 einer Vollzeitbeschäftigung nach, Tendenz steigend. Die Zahlen der Aufstocker, die die BA bzw. Sie erhoben haben, sind vom Juni 2008. Es gibt Indizien dafür, dass wir uns mittlerweile in einem Rahmen von 90 000 Aufstockern bewegen. Durch das infolge der Kurzarbeit erzielte geringe Entgelt rauschen viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Grundsicherung durch. Diese Tendenzen sind hier zu verzeichnen.
Der Fraktionsvorsitzende der SPD, der sich vor einiger Zeit noch einmal zu dieser Aufstockerproblematik geäußert hat, hat zu Recht gesagt, dass diese Zahl unerträglich sei. Aber er hat eins vergessen: Die Ausweitung dieses Niedriglohnsektors auch in Brandenburg ist eine unmittelbare Folge der konzipierten Hartz-IV-Gesetzgebung. So sehen wir das.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, eine Große Anfrage und ihre Beantwortung macht nur dann wirklich Sinn, wenn nach der kritischen Bestandsaufnahme die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden. Im Land Brandenburg gelten
43 Branchentarifverträge mit Stundenentgelten von 7,50 Euro oder weniger. - Ich bedanke mich an dieser Stelle für die ausführliche Darstellung. - Die Landesregierung hat, wie wir der Antwort entnehmen können, aber keine Kenntnis darüber, wie viele Beschäftigte davon betroffen sind. Nach Angaben der Gewerkschaften, die wir hier als Grundlage nehmen, arbeitet inzwischen fast jeder vierte Brandenburger für weniger als 7,50 Euro pro Stunde. Angesichts dieser Situation ist die Einführung des existenzsichernden oder gesetzlichen Mindestlohns gerade auch für unser Bundesland wichtig.
Ich möchte jetzt nicht groß auf Ihr Agieren als SPD in diesem Zusammenhang eingehen, sondern einfach an Ihren Koalitionspartner, die CDU, appellieren, endlich den Weg frei zu machen, so, wie auch in anderen europäischen Ländern mit einer konservativen Regierung ein gesetzlicher Mindestlohn verabredet wurde. Ein Mindestlohn von 8,71 Euro in Frankreich ist durchaus akzeptabel.
Apropos Koalition: Wie zu hören war, streben Sie und Ihre Partei, Frau Ministerin, bald zu neuen Ufern im Bundestag und wahrscheinlich nach neuen Koalitionen. Wie ich gehört habe, schließen Sie manches grundsätzlich aus, aber Sie wollen natürlich durchaus für die FDP offen sein. Ihr Spitzenkandidat in Brandenburg hat kürzlich erst dargestellt, er könne sich vorstellen, mit Grün und Gelb und Rot diesen gesetzlichen Mindestlohn durchzusetzen. Wir sollten aber so ehrlich sein zu sagen, dass es mit dieser FDP in der neuen Wahlperiode wieder eine Absage bezüglich des Themas gesetzlicher Mindestlohn geben würde.
Ähnlich verhält es sich bei Ihrer Forderung: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit für Leiharbeiter! Auch hier sind Sie wahrscheinlich in den Koalitionsmustern gefangen. In der Antwort der Landesregierung heißt es dazu:
„Innerhalb der Landesregierung ist der Meinungsbildungsprozess darüber, inwieweit diesbezügliche Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in Betracht kommen, noch nicht abgeschlossen.“
Frau Ministerin Ziegler, diese Formulierung ist eine freundliche Umschreibung der Tatsache, dass sich die beiden Partner in der Regierung auf Kosten der über 15 000 Leiharbeiter - das war der Stand vom Juni 2008 - weiterhin blockieren.
Meine Damen und Herren, auch die Bilanz der Arbeitsmarktpolitik, der Arbeitsmarktförderung ist nicht überzeugend. Die finanziellen Mittel für aktive Arbeitsförderung sind seit dem Jahr 2000 deutlich reduziert worden. Damals wurden pro Euro passiver Leistung 71 Cent für aktive Arbeitsförderung ausgegeben. Im Jahr 2006 lag das Verhältnis nur noch bei 1 Euro zu 45 Cent. Ähnliche Entwicklungen gibt es bei dem ESF und den Landesmitteln für die Arbeitsmarktförderung. Diese Zahlen belegen, dass von dem postulierten Ansatz Fordern und Fördern bei Hartz IV das Fördern deutlich auf der Strecke geblieben ist.
Meine Damen und Herren, mit der Antwort auf Ihre Große Anfrage hat die Landesregierung im Wesentlichen unsere hier im Parlament immer wieder geäußerte Kritik bestätigt: Normalarbeitsverhältnisse nehmen ab, prekäre Beschäftigung breitet
sich aus. Immer mehr Brandenburger können von ihrer Arbeit nicht leben, geschweige denn den Lebensunterhalt für ihre Familien sichern. Ein selbstbestimmtes Leben in Würde und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bleiben auch weiterhin für viele unerreichbar. Die Ausweitung von Altersarmut mit ihren perspektivischen Auswirkungen ist vorprogrammiert.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Der relative Abbau der Arbeitslosigkeit hat nicht etwa zu mehr Wohlstand geführt, sondern zu einer Vergrößerung der Kluft zwischen Arm und Reich auch in Brandenburg beigetragen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Die anderthalb Minuten müssen genutzt werden, um einiges klarzustellen.
Frau Kollegin Dr. Schröder, wir fordern eine bedarfsdeckende sanktionsfreie Mindestsicherung im Wahlprogramm, die sich in einem ersten Sofortschritt an der Initiative „Soziale Demokratie“ orientiert, die gefordert hat, 435 Euro als Sofort-Grund
sicherung einzuführen. Und wir haben gesagt, dass am Ende der Legislatur ein Satz von 500 Euro als Grundsicherungsbetrag - natürlich unter Beachtung des Lohnabstandsgebots zu sozialversicherungspflichtiger Arbeit - festgeschrieben werden muss. Dazu ist dann natürlich auch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns erforderlich.
Frau Dr. Schröder, als Sie noch die Arbeitsmarktpolitik der PDS gemacht haben - mein Kollege Erlebach hat es gerade noch einmal herausgesucht -,
hieß es: Mehr Druck auf Arbeitslose lehnen wir ab. - Der Unterschied zwischen uns ist wohl: Wir sind uns bei der Bewertung auch einer bedarfsdeckenden sanktionsfreien Mindestsicherung treu geblieben.
In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf Initiative der Fraktion DIE LINKE ist die Problematik eines Landesver
gabegesetzes mehrfach auf die Tagesordnung dieses Hauses gesetzt worden. Unser Ziel war es, den Zuschlag bei öffentlichen Aufträgen an tarifliche und soziale Mindeststandards zu binden. Wer öffentliche Aufträge ausführt, muss seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch Tariflöhne zahlen, mindestens jedoch auf dem Niveau des gesetzlichen Mindestlohns. Das war unsere Auffassung und, ich glaube, auch die der Sozialdemokraten. Am 28. April hat der Fraktionsvorsitzende der SPD die Initiative für einen Mindestlohn bei einem Vergabegesetz bei öffentlichen Aufträgen ähnlich gesehen. Ich zitiere:
„Ein gesetzlicher Mindestlohn ist Kernbestand sozialdemokratischer Politik für gute Arbeit. Solange es den von uns geforderten allgemeinen Mindestlohn nicht gibt, gehen wir den Weg für öffentliche Aufträge und öffentliche Bedienstete. Damit wollen wir Vorbild für unsere Unternehmer in Brandenburg sein und Druck erzeugen.“
Allzu gern hätte ich heute den Entwurf eines Vergabegesetzes für Brandenburg debattiert. Wir hätten ihn sicherlich auch unterstützt. Leider kündigen Sie nur an und bringen stattdessen mit Ihrem Koalitionspartner einen Antrag ein, in dem Sie das Land und die Kommunen auffordern, einen seit dem 28. Februar 2008 für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag mit seinen branchenüblichen Qualitätsanforderungen einzuhalten. Daraus lässt sich natürlich auch die Frage ableiten: Gibt es aus Ihrer Sicht, Kollege Karney - vielleicht können Sie in Ihrem zweiten Redebeitrag darauf eingehen -, Erkenntnisse, dass dieser Tarifvertrag, nachdem er in die Entsenderichtlinie aufgenommen worden ist, umgangen wird? Das wäre schon sehr interessant.
Sie haben Recht, dass das Wachpersonal einer externen Firma, das zusätzlich für unsere Sicherheit sorgt, bisher einen Tarif von 4,86 Euro hatte - tariflich; eine inakzeptable Größe. Mit dem Entsendegesetz - Allgemeinverbindlichkeit - wird der Tarif über verschiedene Stufen auf 5,58 Euro angehoben. Das ist aus meiner Sicht immer noch nicht auskömmlich. Deshalb brauchen wir - der Kollege Schulze hat es zu Recht gesagt den gesetzlichen Mindestlohn, und wir brauchen ihn nicht nur für eine Branche. Deshalb ist es richtig, nicht nur eine Branche im Blick zu haben, das Wach- und Dienstleistungsgewerbe, sondern auch für die anderen Branchen solche tariflichen und sozialen Standards mithilfe eines Landesvergabegesetzes einschließlich der Kontrollmechanismen festzulegen. Das ist der gebotene Weg.
Herr Kollege Schulze, es hat mich schon erstaunt, dass ihr als Koalition heute diesen Antrag hier einbringt. Eure Fraktion stellt immer noch den größten Teil dieser Koalition. In wenigen Wochen ist Bundestagswahl. Ihr habt 7,50 Euro für euch formuliert. Und dann bringt ihr so einen Antrag ein. Schaut einmal in die Begründung. Da steht: „Weichen für eine faire Entlohnung gestellt werden“. 5,58 Euro sind nun wirklich weit, weit entfernt von euren Mindestlohnforderungen,
liegen um 25 % unter den Mindestvorstellungen. Das ist aus meiner Sicht das eigentliche Geschmäckle an diesem Antrag. Da habt ihr euch heute wirklich mit einem Nasenring vorführen lassen.
Ich hätte schon erwartet, dass wir in dem Antrag ein klares sozialdemokratisches Profil erkennen. Für uns bleibt unstrittig: Die Vergabe öffentlicher Aufträge muss an klare tarifliche und soziale Standards und die Zahlung eines existenzsichernden Mindestlohns geknüpft werden. In Brandenburg habt ihr vielleicht ab dem 27. September eine Mehrheit. Ansonsten sage ich euch: Im Bund werdet ihr das mit der FDP nicht hinbekommen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Verehrte Kollegin, in Ihrem Antrag formulieren Sie: Der Land
tag fordert das Land und die Kommunen auf, Ausschreibungen für das Wach- und Sicherheitsgewerbe
auf der Grundlage der gültigen allgemeinen Tarifverträge vorzunehmen.
Wir haben die Allgemeinverbindlichkeit,
und wir haben die Entsenderichtlinie, die in Kürze Gültigkeit erhält. Sagen Sie mir: Haben Sie Zweifel, dass sich Kommunen oder das Land an diese gesetzlichen Vorgaben halten werden? Ansonsten verstehe ich Ihren Antrag nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja kein Geheimnis, dass die Rechtsextremisten von der DVU gern in die Rolle des sozialen Wohltäters schlüpfen. Ich sage Ihnen auch am Ende der Wahlperiode noch einmal im Namen wohl aller demokratischen Fraktionen in Klarheit und in Ruhe: Eine Partei, deren Programm aus Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus besteht, ist keine Partei der sozialen Gerechtigkeit.
Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass diese Partei immer wieder gern auf Vorschläge anderer Parteien zurückgreift. In diesem Fall pickt sich die DVU einen Vorschlag der Linksfraktion vom Februar 2009 heraus. Anlässlich der Beratungen zu dem Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland hatte die Linke einen Antrag mit gleicher Ausrichtung eingebracht.
Das zeigt, wie überflüssig Sie auch in dieser Hinsicht geworden sind.
Wie gesagt, von den Plagiaten der DVU ist manchmal meine Partei, manchmal aber auch eine andere demokratische Partei oder Fraktion betroffen. Das wird an der Ablehnung Ihres Antrags nichts ändern. - Vielen Dank.
Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise sind auch auf dem brandenburgischen Arbeitsmarkt deutlich sichtbar. Besonders dramatisch verlief der Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse von Oktober 2008 bis Februar 2009. In diesem Zeitraum nahm ihre Zahl von 751 800 um 31 300 auf 720 500 ab.
Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie den starken Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse innerhalb weniger Monate?
Danke, Frau Ministerin, für Ihre Erklärung der typischen saisonalen Entwicklung, die wir zu verzeichnen haben. Wir haben im Zeitraum von Oktober 2008 bis Februar 2009 einen Rückgang der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um 31 300 verzeichnen müssen. Ich glaube, darin geben Sie mir Recht.
Ich frage Sie: Wo sind diese 31 300 - bei diesen so positiven statistischen Entwicklungen - in der Statistik geblieben?
Wo sind die 31 000 in der Statistik geblieben?
Sie sollen meine Frage beantworten und nicht mir eine Frage stellen!
Herr Präsident! Mir ist nicht entgangen, dass wir einen Regierungswechsel haben. Es sind nur noch CDU-Minister im Saal. Ich würde darum bitten, dass wir wieder für die Anwesenheit der Regierung sorgen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, für die Gestaltung des heutigen Abends bleibt viel Zeit. Dies können wir angesichts der Länge Ihres Redebeitrags hier so verzeichnen. Ganz so einfach wird es bei mir jetzt nicht.
Ihr Haus, Frau Ministerin, hat uns einen Bericht vorgelegt, der wie eine kleine Regierungserklärung daherkommt, getreu dem Motto: Wir sind gut.
Vor fünf oder sechs Jahren haben Sie als Koalition einen heldenhaften Kraftakt unternommen mit dem Ziel, eine Menge von Berichtspflichten aus dem Aufgabenkatalog der Landesregierung zu streichen. Ich habe jetzt nicht nachgezählt, aber nach meinem Gefühl hat die gleiche Koalition allein in den letzten Jahren die doppelte Anzahl von Berichten hier neu eingeführt. Fatal dabei ist, dass man vielen Berichten - als Beispiel nenne ich den Sportförderungsbericht - noch etwas entnehmen konnte. Zu dem vorliegenden Bericht haben Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder einmal eine Menge an Daten zusammengetragen - das ist löblich - und den Versuch unternommen, eine Situationsbeschreibung vorzunehmen. Viel mehr ist dem Bericht aber auch nicht zu entnehmen.
Ich erinnere an die großen Erwartungen der Kollegin Schulz bei der Einreichung des Antrags. Da hatten Sie, Frau Kollegin, Folgendes formuliert:
„Es ist darzulegen, wie weit einzelne Maßnahmen der Weiterbildungsoffensive des Bundes mit Maßnahmen des Landes abgestimmt und Synergieffekte erzeugt werden sollen. Dabei soll besonderes Augenmerk auf die Verbesserung der Effizienz der Weiterbildung vor dem Hintergrund eines zunehmenden Fachkräftebedarfs gelegt werden.“
Frau Kollegin Schulz, ich weiß nicht, ob Sie das in dem Bericht gefunden haben; wir fanden es jedenfalls nicht.
- Dann freue ich mich auf Ihren Redebeitrag gleich. - Dabei will ich gar nicht davon reden, ob die Landesregierung die richtigen Antworten gibt und Schlussfolgerungen zieht, Antworten parat hat zum Beispiel für den Umstand, dass der aktuelle Stand des lebenslangen Lernens besorgniserregend ist, oder für die Feststellung, dass die Weiterbildungsaktivitäten der Brandenburger Betriebe noch immer unter dem Durchschnitt Ostdeutschlands liegen. Diese Schlussfolgerungen und Antworten werden erst gar nicht angeboten. Eine Betrachtung möglicherweise kritischer Entwicklungen wird eigentlich umgangen.
Um ein Beispiel zu nennen: Es gab ja einmal die sogenannten Informations- und Beratungsstellen der beruflichen Weiterbildung im Land. Die Landesregierung hat diese damals gegen erhebliche Kritik auch der Kammern und der Linksfraktion im Jahre 2006 aufgelöst. Stattdessen wurden dann die sechs geförderten Regionalbüros der Fachkräftesicherung installiert. Vor diesem Hintergrund darf natürlich jetzt gefragt werden, was sich bewährt hat. In dem vorliegenden Bericht ist dazu nichts zu lesen. Deshalb habe ich mir die Mühe gemacht, in Ihre Ausführungen aus dem Jahre 2005 zu schauen, in denen Sie in der Debatte um die Abschaffung der IB-Stellen, bezogen auf das Jahr 2004, Folgendes kritisch angemerkt haben:
„Von den insgesamt 7 544 Beratungen wurden lediglich 2 100 in kleinen oder mittelständischen Unternehmen durchgeführt.“
In dem jetzt vorliegenden Bericht heißt es, dass in den Regionalbüros für Fachkräftesicherung pro Jahr ca. 2 000 Beratungen realisiert werden. - Das ist natürlich kein Fortschritt. Insofern hätte ich erwartet, dass Sie sich damit auseinandersetzen.
Ein anderer Vergleich: In dem Bericht wird die Stiftung Warentest bemüht mit einem Testergebnis, nach dem die Weiterbildungsdatenbank Brandenburgs in einem bundesweiten Vergleich auf Platz 3 kommt. Das legt eigentlich die Annahme nahe, dass hierbei 16 Länder verglichen worden sind. In Wahrheit waren es aber nur neun Länder mit völlig unterschiedlichen regionalen Reichweiten. Ich will damit nicht etwa den 3. Platz schlechtreden. Aber diese Darstellung ist symptomatisch dafür, wie Informationen aufbereitet und dargeboten werden.
Im Jahre 2009 - das will ich ergänzen - lag die brandenburgische Weiterbildungsdatenbank immer noch auf Platz 3 - trotz dieser Landesregierung. Immerhin! - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Ministerin, es gibt noch eine Möglichkeit, den Missbrauch des Instrumentes Leiharbeit zurückzudrängen. Die Bundesregierung bzw. der Bund kann die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates, nach der gleicher Lohn für gleiche Arbeit in der Leih- und Zeitarbeitsbranche auch in Deutschland umgesetzt werden kann, ratifizieren bzw. dazu ein Gesetz erlassen. Wird die Brandenburger Landesregierung, obwohl die Legislaturperiode sich dem Ende neigt, in dieser Hinsicht noch aktiv werden, um diesen Verwerfungen endlich ein Ende zu bereiten?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linksfraktion hat die Ankündigung des Kollegen Baaske wohlwollend aufgenommen, dass die Sozialdemokraten nun bereit sind, für ein Vergabegesetz mit Mindestlohnelementen in Brandenburg den Weg frei zu machen, denn seit über einem Jahrzehnt brauchen wir ein solches Gesetz hier in Brandenburg, um der Ausweitung von Lohndumping wirksam zu begegnen. Zumindest wäre das ein Baustein dazu. Ich freue mich also über diesen Erkenntnisgewinn beim Kollegen Baaske.
Natürlich gehört Klappern zum politischen Geschäft, auch in Vorwahlzeiten. Ihre Ankündigung, gleich nach Beginn der neuen Legislaturperiode entsprechend loszulegen, ist ein bisschen zu hinterfragen; denn bei einer nüchternen Betrachtung werden Sie, Herr Kollege Baaske, eingestehen müssen, dass es mit Ihrem jetzigen Koalitionspartner fast unmöglich sein wird, Mindestlohnstandards in Brandenburg durchzusetzen. Die märkische CDU hat in den letzten Jahren ja gezeigt, wozu sie in dieser Frage bereit war. Auch wenn ich mir die Pressemitteilung der CDU vom 12. Mai vor Augen führe, glaube ich, dass dieses Ziel, zumindest in dieser Farbenkonstellation, in weite Ferne rückt. Ich möchte aus dieser Pressemitteilung, die wohl Herr Karney verfasst hat, zitieren:
„Ein Mindestlohngebot, wie es die SPD bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen fordert, wäre daher kontraproduktiv und realitätsfern.“
Ich dagegen glaube, der Einzige, der hier realitätsfern ist, ist derjenige, der den Weg hier nicht frei macht.
Lassen Sie mich jetzt auf unseren Antrag direkt eingehen. Auf dem Weg zu dem genannten Ziel müssen also nicht nur politische, sondern, wie wir glauben, auch rechtliche Hürden aus dem Weg geräumt werden. Genau hier setzt der Antrag an.
Wie Sie wissen, ist mit dem sogenannten Rüffert-Urteil durch den Europäischen Gerichtshof festgelegt worden, unter welchen konkreten Bedingungen es nicht rechtskonform ist, die Vergabe öffentlicher Aufträge von tariflich vorgeschriebenen Mindestentgelten abhängig zu machen. Genau deshalb verstehen Sie unseren Antrag bitte als eine Art Vorarbeit für ein gemeinsames Vorhaben eines Vergabegesetzes für Brandenburg, das heißt, zu prüfen, unter welchen Konditionen ein solches Gesetz den europarechtlichen Anforderungen entspricht. Wir sollten die rechtlich komplizierte Materie also mit einer entsprechenden Vorarbeit angehen.
Welche möglichen Ansatzpunkte gibt es für eine solche Regelung im Vergabegesetz? - Ausgehend von den Vergabegrundsätzen der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferverträge und Dienstleistungsaufträge können öffentliche Auftraggeber zusätzliche Bedingungen für die Ausführung eines öffentlichen Auftrags vorschlagen. Die Richtlinie lässt bei der Ausführung von Beschaffungsaufträgen die Forderung der Beachtung sozialer Aspekte und der Einhaltung bestimmter Sozialstandards zu.
Der Gesetzgeber - also wir - kann also landesrechtlich Vergabebedingungen schaffen, durch die die Erfüllung bestimmter sozialer und ökologischer Ziele unterstützt wird. Aus unserer Sicht gehören dazu die Verpflichtung zur Einhaltung und Förderung der sogenannten ILO-Kernarbeitsnormen und zur Zahlung menschenwürdiger Löhne bei öffentlich zu beschaffenden Gütern oder die Positivbewertung von Unternehmen, die Ausbildungsplätze bereitstellen und die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern.
Deshalb bitte ich Sie, trotz aller unterschiedlicher Sichtweisen an der Vorarbeit mitzuwirken, den Weg frei zu machen, die Landesregierung zu beauftragen, bis zum Juli eine entsprechende Prüfung vorzunehmen, damit wir gleich nach der nächsten Wahl ein Vergabegesetz mit Mindestlohnelementen auf den Weg bringen können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit wir die Gesetzesentscheidung kurz noch einmal Revue passieren lassen können, Herr Minister: Im Fall Rüffert war dem EuGH vom niedersächsischen Gericht die Frage vorgelegt worden, ob die Tariftreueregelungen, die das niedersächsische Landesvergabegesetz beinhaltet hat, gegen Europarecht, insbesondere gegen die Dienstleistungsfreiheit, verstießen. Dies wurde vom EuGH bejaht und damit dieses Tariftreuegebot zumindest als Akt beendet. Der Gesetzgeber in Niedersachsen hat seine Konsequenzen gezogen.
Deshalb müssen wir - müssen die SPD und die Linke - natürlich die Frage stellen, wie wir unter diesen schwierigen gesetzlichen Bedingungen handeln wollen, sofern wir nicht die Allgemeinverbindlichkeit für eine gesamte Branche - beim Bau ist es nicht passiert, weil die Tarife durchaus deutlich über Mindestlohnhöhen liegen - festlegen wollen. Wenn wir es politisch wollen - es sind zwei große Fraktionen in diesem Haus, die dies wollen -, sollten wir jetzt alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, damit wir ein Vergabegesetz auf den Weg bringen. Frau Funck, wenn ich das, was Sie laut einer der Pressemitteilungen gesagt haben, richtig interpretiert habe, sind Sie gar nicht gegen ein Vergabegesetz mit tariflichen Standards, während Ihr Kollege Karney das heute auch noch abgelehnt hat. Wir sollten also überlegen, wie wir gemeinsam in diesen Prüfprozess kommen. Denn das Land Berlin
- das wissen Sie - hat mit dieser Prüfung begonnen. In der
Ressortabstimmung ist ein solches Vergabegesetz, und mit einer Hilfskrücke über die Vergabemöglichkeiten kann man kann man - landesspezifische Standards setzen und mehr oder weniger damit dieser politischen Zielstellung - erstens ein Vergabegesetz, was wir im Land Brandenburg immer noch nicht haben, und zweitens Mindestlohnelemente - auf den Weg helfen. Das war unser Ansatz. Ich bin optimistisch, dass auch die Sozialdemokraten diesen Ansatz unterstützen können. Bei der CDU habe ich die Hoffnung schon verloren. Insofern bitte ich einfach noch einmal die hier stärkste Fraktion, diesen Ansatz zu unterstützen, weil ich glaube, Brandenburg braucht ein Vergabegesetz mit Mindestlohnelementen. Deshalb bitte ich um Zustimmung. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn das Beispiel der SPDFraktion Schule macht, ein ungelöstes Problem der Großen Koalition in Berlin zum Thema der Aktuellen Stunde hier im Landtag zu machen, werden wir sicherlich bis zum Wahltermin, liebe Kollegin Lehmann, noch jede Menge bundespolitischer Baustellen diskutieren können.
Ein Beispiel wäre die Abwrackprämie, aber auch viele andere Themen.
Wissen Sie, was an dieser Ihrer Themensetzung so pikant ist? Dass der gesetzliche Mindestlohn, welcher in diesem Land von existenzieller Bedeutung ist, von Ihnen in diesem Parlament bisher weder mit einem Antrag noch in einer Aktuellen Stunde thematisiert wurde. Das will ich noch einmal sagen, um das entsprechend einzunorden.
Liebe Kollegin Lehmann, Ihr Redebeitrag zeigt, dass der Vertrauensvorrat zwischen SPD und Union nicht nur auf Bundesebene, sondern - sage ich Ihnen ganz ehrlich, auch in Brandenburg - aufgebraucht ist.
Für uns ist es ein deutliches Signal dafür, dass Sie in vielen Politikfeldern nicht mehr handlungsfähig sind. Sie sind, wie im Fall der Neuregelung der Betreuung der Arbeitsuchenden in der Grundsicherung, nicht einmal in der Lage, Ihre eigenen, mit der Hartz-Gesetzgebung begangenen handwerklichen Fehler zu korrigieren. Ihr Handeln beschränkt sich jetzt auf gegenseitige Schuldzuweisungen. Das will ich hier noch einmal feststellen.
Für die Linke in diesem Haus ist klar: Hartz IV ist unsozial und bleibt handwerklich schlecht gemacht.
Mit dieser Einschätzung lagen und liegen wir nach wie vor richtig. Das möchte ich kurz erläutern:
Sehr geehrte Kollegin Lehmann, in Ihrem Debattenbeitrag haben Sie wieder einmal Ursache und Wirkung ein wenig miteinander verwechselt. Die vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig charakterisierte Mischverwaltung der ARGE ist Ihr Werk, entstanden - laut den Memoiren Ihres ehemaligen Mitglieds Clement - als eine Art nächtlicher Bierdeckelkompromiss.
Sie haben seit dem Urteilsspruch im Dezember 2007 viel Zeit gehabt, eine veränderte Organisationsstruktur der ARGE zu konzipieren, wie das Verfassungsgericht geurteilt hat, nämlich nach dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation.
Nachdem Sie zwischenzeitlich für den von Bundesminister Olaf Scholz präsentierten Vorschlag der freiwilligen Zusammenarbeit zwischen Kommune und BA geworben hatten, servierten Sie uns dann eine neue Mischverwaltung. Ich sage das ist meine persönliche Meinung -: Das ist die alte ARGE mit neuem Türschild.
Aber auch diese Organisationsform ist nicht verfassungskonform. Anstatt dem Verfassungsgerichtsurteil zu entsprechen, haben Sie sich jetzt entschlossen, den Weg zu gehen, das Grundgesetz zu ändern.
- Ganz ehrlich, sehr geehrter Herr Kollege Holzschuher, so viel politische Entscheidungskraft hätte ich mir bei vielen Neuregelungen im Zusammenhang mit der Hartz-Gesetzgebung bei Ihnen gewünscht. Ich erinnere an die Neufestlegung der Regelsätze. Diese basieren bekanntlich immer noch auf der Stichprobe der Einkommen aus dem Jahre 2003. Ich hätte mir bei der Novellierung der Hartz-Gesetze so viel Entscheidungskraft gewünscht. Hier gibt es jede Menge - das wissen Sie als rechtspolitischer Sprecher - Nachbesserungsbedarf, um die Ursachen der Klageflut in den Sozialgerichten zu beseitigen.
Die Aufzählung ließe sich fortführen.
Meine Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2007 hat durch die großzügige zeitliche Befristung bis Ende 2010 die Möglichkeit eröffnet, die wegen ihrer sozialen Folgen von der Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor, Kollegin Lehmann, abgelehnten Hartz-Gesetze insgesamt einer generellen Revision zu unterziehen und damit die gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen. Das betrifft natürlich auch die Frage der Organisation, also wie Arbeitsuchende und Grundsicherungsempfänger aus einer Hand betreut werden können. Im Rahmen einer Veranstaltung der Friedrich-EbertStiftung im März letzten Jahres zum Thema „Grundsicherung für Arbeitsuchende - Licht und Schatten“ haben Sie genau diesen Ansatz diskutiert.
Den gleichen Veränderungsbedarf hat die unter der Überschrift „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ eingesetzte Regierungskommission in ihrem Evaluierungsbericht zu den Hartz-Gesetzen bereits 2006 formuliert. Darin heißt es:
„Die Trennung der Trägerschaft arbeitsmarktpolitischer Leistungen nach den Rechtskreisen des SGB II und III stellt aus unserer Sicht eine der größten Achillesfersen der deutschen Arbeitsmarktpolitik dar. Bei den anvisierten politischen Korrekturen der Arbeitsmarktpolitik sollte daher die Notwendigkeit einer einheitlichen, rechtskreisübergreifenden Arbeitsmarktpolitik... in den Mittelpunkt gerückt werden.“
Ich zitiere weiter:
„Gleichzeitig muss ein breiter Diskurs darüber geführt werden, wie aus gesamtgesellschaftlicher Sicht die Zielsetzung der Bundesagentur in diesem Bereich aussehen sollte. Politisch entschieden und auch gesetzgeberisch stärker verankert werden muss, ob die Bundesagentur für Arbeit... eine sozialpolitische und umverteilende Aufgabe wahrzunehmen hat...“
oder ob sie - das sind jetzt meine Worte - eine rein betriebswirtschaftlich handelnde Versicherungskasse ist, die mittlerweile auch als Handkasse des Bundesfinanzministers - ich sage nur: Aussteuerungsbetrag - genutzt wird.
Meine Damen und Herren! Die Linke - jetzt komme ich zu Ihrer Frage, Herr Kollege Holzschuher - steht für eine Organisationsform, bei der es keine Zweiklassenbetreuung von Erwerbslosen gibt. Wir stehen für eine Zusammenführung der Regelkreise des SGB II und III, bei der man nicht zwischen „Premiumkunden“ des Arbeitslosengeldes I und sogenannten „Restkunden“ unterscheidet.
Ich möchte die SPD-Arbeitsmarktexpertin Schröder vom 13.03. zitieren - dies ist also 14 Tage her -: Frau Schröder regte in diesem Zusammenhang an, einen der Grundpfeiler der Hartz-IV-Reform zu überdenken: die Trennung der Bereiche Arbeitslosengeld I und II, stigmatisiere die Langzeitarbeitslosen bei der Jobsuche. Ihr Vorschlag lautete: Eine einheitliche Anlaufstelle für alle Arbeitslosen mit Vermittlung aus einer Hand. Das Ursprungskonzept der Hartz-Kommission habe die derzeit praktizierte Trennung gar nicht vorgesehen.
Es versteht zum Beispiel niemand, liebe Kollegin - wohl auch Sie nicht -, dass es in vielen Kreisstädten Brandenburgs zwei Arbeitsämter gibt, die ARGE oder das Grundsicherungsamt der Optionskommunen und 500 Meter weiter - ich übertreibe einmal - ein weiteres Arbeitsamt.
Die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit des Know-how der BA und der sozialen bzw. regionalen Kompetenz der Kommune - das ist die große Aufgabe, an der wir uns nicht verheben sollten, sondern die wir lösen müssen. Die Mischverwaltung ist keine effektive und ist vor allem mit Blick auf den Einsatz der Steuermittel nicht die beste Lösung.
Deshalb müssen wir natürlich auch darüber nachdenken, wie die Arbeit der Bundesagentur und ihre Stellung in diesem Land neu justiert bzw. verändert werden müssen.
Erstens: Die BA muss durch die Politik wieder ihren sozialpolitischen Auftrag zugewiesen bekommen. Die Linksfraktion
hatte - zumindest im Deutschen Bundestag - entsprechende Anträge vorgelegt.
Zweitens: Es gilt, die Selbstverwaltung der BA wieder zu stärken. Die durch den Umbau der BA und die teilweise einseitige Orientierung auf betriebswirtschaftliche Kriterien und Managementmethoden verursachte Schwächung der Selbstverwaltung muss beseitigt werden.
Drittens: Die Einbindung privater Arbeitsvermittlungsagenturen ist zurückzuführen und die Vermittlung in prekäre Beschäftigung ist zu unterbinden.
Viertens - das ist eine wesentliche Baustelle -: Zur Sicherung eines besseren Niveaus der Betreuung der Erwerbslosen sind die vorhandenen Probleme und Defizite der BA im personellen Bereich unverzüglich abzubauen. Das betrifft vor allen Dingen die kontinuierliche Weiterbildung der Kolleginnen und Kollegen, die Entfristung der Arbeitsverträge und die Sicherung des Betreuungsschlüssels.
Meine Damen und Herren, nur auf der Grundlage einer reformierten und damit erneuerten Bundesagentur kann eine Kooperation und Vernetzung, vielleicht auch Verschmelzung mit den regionalen und sozialen Kompetenzen der Kommunen erreicht werden.
Meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, das Scheitern des Entwurfs des sogenannten ZAG-Organisationsgesetzes inklusive der geplanten Grundgesetzänderung liegt allein in Ihrer Verantwortung. Vierzehn Monate nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stehen Sie als Koalitionspartner mit leeren Händen da und sind zerstritten - von einer Verunsicherung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den zwölf Jobcentern in unserem Land und in den Nebenstellen und den landesweit 305 000 Hartz-IV-Betroffenen ganz abgesehen.
Die Beschäftigten zahlen wieder den Preis für ein kaum fundiertes Modell und sollen einen weitgehend ungesicherten Arbeitgeberwechsel hinnehmen. Darüber hinaus erwartet nicht nur ver.di eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Diese sind jetzt schon teilweise katastrophal, was auch die hohe Quote der Widersprüche deutlich machen kann. Zudem werden die Hilfebedürftigen, um die es eigentlich geht, in eine Art Mithaftung genommen.
Liebe Kollegin Lehmann, Sie haben wertvolle Zeit verstreichen lassen und ein Organisationschaos angerichtet, und das ausgerechnet in einer Zeit, in der die Wirtschaftskrise fühlbar wird und die Zahl der Arbeitslosen wahrscheinlich noch steigen wird.
Bis zur Neuregelung der Hartz-IV-Umsetzung, die spätestens bis Ende 2010 zu erfolgen hat, muss jetzt Sorge dafür getragen werden, dass die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in den ARGEn durch entsprechende Vertragsverlängerungen mit der BA sichergestellt wird.
- Ich habe gesagt, Sie sollen Sorge dafür tragen. Noch sind sie nicht unterzeichnet.
- Sagen Sie doch nicht so etwas. Sie sind doch noch gar nicht unterzeichnet.
- Ach so, es ist schon passiert? Es ist komisch, dass der Kreistag Havelland noch gar nicht darüber diskutiert und entschieden hat. Sie wissen wahrscheinlich mehr als ich.
Neben einer grundsätzlichen organisatorischen Neuorientierung muss die Hartz-Gesetzgebung - das ist eine Tagesaufgabe auch für Sie - durch eine bedarfsgerechte soziale Grundsicherung ergänzt werden.
Die Linke steht für folgende Punkte:
Erstens für eine Neubemessung der Regelsätze, angepasst an die tatsächliche Preisentwicklung.
Zweitens: Gleichzeitig für eine eigene Mindestsicherung für Kinder nach altersgerechtem Bedarf.
Drittens für einheitliche Zumutbarkeitskriterien in SGB II und III, die Rücknahme der mit den Hartz-Gesetzen eingeführten Verschärfungen und die Verbesserung des Anspruchs auf Qualifizierung und Weiterbildung für alle Erwerbslosen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zusammenführung der Rechtskreise, Frau Ministerin, Frau Kollegin Lehmann, ist keine kurzfristige Idee von uns. Es ist im Grunde genommen das Nachvollziehen von Feststellungen der Expertenkommission, die Ihre Regierung eingesetzt hat, die davon gesprochen hat, hier endlich eine Vereinheitlichung vorzunehmen. Gestatten Sie mir einmal die Frage: Wer ist bei Ihnen derjenige, der die Arbeitsmarktpolitik macht? Ihre Kollegin Schröder hat genau die Forderung, die auch wir vertreten, vor kurzem noch einmal öffentlichkeitswirksam dargestellt.
Frau Ministerin, gestatten Sie mir, etwas dazu zu sagen, dass die Umgestaltung der BA eine Herausforderung sei. Sie haben
es innerhalb weniger Jahre geschafft, der BA die sozialpolitische Aufgabe zu rauben. Insofern glaube ich, dass es möglich ist, hier noch einmal umzusteuern.
Sehr geehrte Frau Kollegin Schulz, es ist für mich verständlich, dass Sie versuchen, eine Art Absetzbewegung zu betreiben. Aber Ihre Partei hat genauso wie Rot-Grün dieses Gesetz zu verantworten, und darüber können auch diese Allgemeinplätze nicht hinwegtäuschen.
Es ist weder unser Gesetz - das sage ich Ihnen ganz deutlich -, noch ist es unsere Sprache.
Ich komme damit darauf zu sprechen, dass Sie mir das Wort „sogenannter Restkunde“ in die Tasche stecken wollen. Vielleicht gehen auch Sie wieder einmal zu einer Arbeitslosen-Demo, wie ich Sie in Pritzwalk erlebt habe, wo sich Betroffene genau so eingruppiert haben. Ich sage Ihnen auch, wie man zu einer solchen Einschätzung kommen kann. Ich möchte das an Zahlen verdeutlichen. Im Rahmen der Arbeitsmarktförderung in Brandenburg sind im letzten Jahr für die 67 000 Arbeitslosengeld-I-Empfänger 474 Millionen Euro bereitgestellt worden, während es für die doppelte Anzahl von SGB-II-Empfängern, 131 000, 307 Millionen Euro waren. Hier besteht doch ein grobes Missverhältnis. Vielleicht kommt es deshalb bei einer subjektiven Wahrnehmung auch der Betroffenen zu einer solchen Formulierung.
Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung: Nicht die Einteilung in SGB II und SGB III darf darüber entscheiden, welche Auswahl an arbeitsmarktpolitischen Instrumenten für welche Personen getroffen wird, sondern die konkrete Lebenssituation der Betroffenen. Hier sollte angesetzt werden, wenn man darüber nachdenkt, den großen Wurf zu probieren. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung, ich freue mich, dass Sie heute so zahlreich zu diesem Tagesordnungspunkt hier vertreten sind.
- Fast wie immer.
Vor etwas mehr als einem Jahr versetzte ein Urteil des Bundesgerichtshofs Landesregierung und Parlament in helle Aufruhr und stellte das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger unseres Landes in den Rechtsstaat durchaus infrage. Der BGH verurteilte mit außerordentlicher Schärfe den Umgang des Landes Brandenburg mit Bodenreformgrundstücken von unbekannten Eigentümern als „sittenwidrig und nichtig und eines Rechtsstaates unwürdig“.
Wohl kein Bundesland musste sich bisher einen solchen Vorwurf gefallen lassen. Über Wochen war dieses Urteil das Thema in der regionalen, aber auch überregionalen Medienland
schaft. Täglich gelangten neue Details der sogenanten Bodenreformaffäre an die Öffentlichkeit. Journalisten wurden zu Ermittlern, und ein ganzes Land stand plötzlich da „wie ein Strauchdieb“, so Ihre damaligen Worte, Herr Kollege Homeyer.
Dem lauten Entsetzen folgte die leise Erkenntnis des Finanzministeriums: „Wir haben vor dem BGH Schiffbruch erlitten.“ „Jetzt haben wir ein Problem“, räumte damals der zuständige Sprecher des Finanzministeriums ein. „Es beschämt mich“, das waren Ihre Worte, Herr Schönbohm. Ja, es ist tatsächlich beschämend, was dem Land Brandenburg durch den Bundesgerichtshof ins Regierungsheft geschrieben wurde.
Aber beschämender ist die Aussage der ehemaligen Finanzministerin Dr. Simon vor dem Untersuchungsausschuss, der Spruch des Bundesgerichtshofes sei mindestens so sittenwidrig wie das Verhalten des Landes. Auch wenn Frau Dr. Simon heute nicht anwesend ist, gestatten Sie mir dennoch eine Bemerkung. Bis heute hat scheinbar ein Teil der damals Verantwortlichen, ich sage Hauptverantwortlichen, die Dimension des BGHUrteils nicht erkannt und ist auch bis heute nicht bereit, die Verantwortung für fehlerhaftes Handeln zu übernehmen.
In Ihrer Regierungserklärung vor einem Jahr sagten Sie, Herr Platzeck:
„Die Landesverwaltung ist dem Vorwurf ausgesetzt, sich rechtswidrig Bodenreformland angeeignet zu haben.“
Ich bzw. wir als Fraktion sagen: Nein, nicht die Landesverwaltung, sondern die Landesregierung, und es war auch kein Vorwurf, sondern es war ein Urteil, dem sich die Landesregierung zu stellen hat.
In Artikel 41 der Landesverfassung heißt es: „Eigentum und Erbrecht werden gewährleistet.“ Es geht also um nichts Geringeres als den Umgang der Landesregierung mit dem verfassungsrechtlich geschützten Eigentum an Grund und Boden. Es geht um den hoheitlichen Eingriff des Staates, der vom BGH als „eines Rechtsstaates unwürdig“ eingestuft wurde.
Doch die Feststellungen des BGH hinterließen viele Fragen, die insbesondere diejenigen Bürgerinnen und Bürger bewegten, die selbst von den gesetzlichen Vorschriften des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes betroffen waren und ihr Land entschädigungslos abgeben mussten. Wieso wurden Erben angeblich nicht gefunden, obwohl sie seit Jahren auf ein und derselben Stelle bzw. sogar auf dem betreffenden Grundstück gewohnt haben? Wie konnte es sein, dass Eigentümer erst aufgrund ausbleibender Pachtzahlungen erfuhren, dass das Land Brandenburg mittlerweile Grundeigentümer geworden war?
Öffentlichkeit, Betroffene und Politik forderten daher eine lupenreine Aufklärung. Es sei notwendig, das beanstandete Verwaltungshandeln aufzuarbeiten, Fehler beim Namen zu nennen und ganz klar die sich daraus ableitenden Konsequenzen zu ziehen. So Ihre Worte, Herr Ministerpräsident. Auch Sie, meine Damen und Herren der Koalition, forderten, die Konsequenz aus diesem Urteil müsse sein, gründlich, sachorientiert und ohne Polemik nach den Fehlern zu suchen und dann die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Genau aus diesen Gründen und um aufzuklären, wer letztendlich dafür die politische Verantwortung trägt, hat meine Fraktion im Februar des letzten Jahres die Einsetzung dieses Unter
suchungsausschusses beantragt. Doch vom Aufklärungswillen der Verantwortlichen war in dem vergangenen Jahr wenig zu spüren. Heute wie früher Zuständige konnten sich an die Vorgänge nicht mehr erinnern oder waren bemüht, diese kleinzureden. Für die ehemalige Finanzministerin Dr. Simon war die Abwicklung der Bodenreform „nur ein Pünktchen“ in einer Reihe von vielen anderen Aufgabenstellungen, und das, obwohl sie in ihrer Amtszeit als federführende Ministerin genau für diese Sachfrage den Hut aufgehabt haben soll.
Sie, Frau Ministerin Ziegler, folgten damals Ihrer Kollegin Simon im Amt der Finanzministerin - zu einem Zeitpunkt, als die rechtswidrige Vertreterpraxis massenhaft angewandt wurde. Doch auch Sie wussten nicht mehr, wer Sie wann in die Problematik der Bodenreform eingeführt hatte. Sie erinnerten sich an keinerlei Details, ob Kabinettsvorlagen oder parlamentarische Anfragen, und Sie wurden nach Ihrer Aussage so nie über die Vorgänge der Bodenreform informiert. Trotz dieser vielen Erinnerungslücken hielten Sie im Untersuchungsausschuss das Vorgehen der Landesregierung für fehlerfrei und gehen auch bis heute - es sei denn, es wird heute relativiert - noch davon aus, dass die Arbeitsebene nach Recht und Gesetz handelte. Das müssen Sie uns erklären, oder vielleicht übernimmt es ja Ihr Amtsnachfolger, Herr Speer, der sich nachher mit der Stellungnahme der Landesregierung in die Debatte einbringen wird.
- Ja, kann. Ich hoffe, Sie machen es.
Mein Kollege Heinz Vietze mit der Erfahrung von insgesamt fünf Untersuchungsausschüssen bestätigte mir, dass die kollektive Amnesie leider kein seltenes Phänomen in solchen Ausschüssen sei.
Es ist beängstigend, wenn sich weder Minister noch Staatssekretäre an irgendetwas erinnern können. Zum Glück ist es uns im sehr arbeitsintensiven letzten Jahr dennoch gelungen, dank einiger weniger Zeugen - manchmal erst durch nochmaliges Nachfragen und durch umfangreiches Aktenstudium - etwas Licht in das Dunkel zu bringen.
Bevor ich zu unseren Ergebnissen und Bewertungen komme, möchte ich die Gelegenheit nutzen, meinen besonderen Dank den Kolleginnen und Kollegen vom Ausschussdienst, vom Stenografischen Dienst und der Landtagsverwaltung auszusprechen. Ich möchte mich im Namen meiner gesamten Fraktion bedanken, dass diese zügige Arbeit des Ausschusses heute ihr Ende finden kann.
Wie Sie dem nunmehr vorliegenden Abschlussbericht entnehmen können, haben die Mitglieder meiner Fraktion eine eigene, abweichende Stellungnahme vorgelegt. Ich habe mehrfach meine Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht, dass es nicht gelungen ist, zu einer gemeinsamen, von allen demokratischen Fraktionen getragenen Bewertung zu kommen; denn angesichts der Tragweite des BGH-Urteils wäre dies durchaus angebracht gewesen.
Nun gab es im Vorfeld Stimmen in diesem Haus, die meiner Fraktion im Rahmen der Debatte über das Einsetzen des Aus
schusses vorwarfen, sie hätte den Untersuchungsausschuss nur beantragt, um in der laufenden Legislaturperiode wenigstens einmal „so richtig auf den Putz zu hauen“. Ich unterstreiche ausdrücklich, dass wir den Ausschuss nicht eingesetzt haben, um in Vorwahlkampfzeiten Sensationspolitik zu betreiben und bestimmten Interessen nachzukommen, sondern es ging uns immer um die Aufklärung von Sachverhalten.
Sehr geehrte Kollegin Melior, wir haben jetzt ein Jahr sehr intensiv gemeinsam gearbeitet. Ich meine - das hat auch die Vorsitzende zum Ausdruck gebracht -, Sie können mir bestätigen, dass wir sehr bemüht waren und darauf geachtet haben, keine politischen Debatten in diesem Untersuchungsausschuss zu führen.
Vielleicht muss ich in dieser Form noch einmal auf den Einwurf von Herrn Kollegen Lunacek im März eingehen. Er meinte, es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, dass gerade wir uns zum Anwalt des Eigentums aufschwingen würden. Gestatten Sie mir dazu eine kurze Bemerkung. Ja, die Linke hat die Vorschriften des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes immer abgelehnt. Abgelehnt auch deshalb, weil wir die Vorschriften des sogenannten Modrow-Gesetzes für ausreichend erachtet haben. Im Übrigen basierte dieses Gesetz auf einer Forderung des damaligen Runden Tisches und fand damals die Zustimmung aller politischen Parteien auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Ich glaube, auch Sie, Herr Ministerpräsident, haben ein solches Votum abgegeben.
Letztlich steht die Frage, ob wir die Vorschriften des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes gutheißen oder nicht, in einem völlig anderen Zusammenhang. Für den Untersuchungsausschuss ging es schlichtweg um die Frage, wie es passieren konnte, dass sich eine Landesregierung an geltendes Recht oder Gesetz nicht gehalten hat, und wer dafür die Verantwortung trägt.
Der BGH hat in einem konkreten Einzelfall geurteilt; wir wissen aber, dass das vom BGH als sittenwidrig verurteilte Verfahren nicht nur in diesem Einzelfall aufgetreten ist, sondern dass sich das Land Brandenburg in ca. 8 900 Fällen auf diese Weise die Bodenreformflächen gesichert hat. In ca. 7 400 dieser Fälle wurde das Land als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen.
Fest steht auch, dass Brandenburger Landesregierungen seit 1992 dieses Verfahren politisch zu verantworten haben; denn sie haben - das ist nicht zuletzt historisch bedingt - die politische Brisanz dieses Themas der Abwicklung der Bodenreform völlig verkannt bzw. unterschätzt. Deshalb halte ich es nicht für ganz unwichtig, an dieser Stelle auch noch ein paar Worte zur Historie der betreffenden Vorschrift zu verlieren.
Das Eigentum an Bodenreformflächen war zu DDR-Zeiten zwar vererblich, ansonsten jedoch vielen Verfügungsbeschränkungen unterworfen, die erst im Mai 1990 durch das sogenannte Modrow-Gesetz aufgehoben wurden, indem Bodenreformeigentum als vollwertiges Eigentum anerkannt wurde. Durch das im Juli 1992 in Kraft getretene Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz wurde diese Regelung des Modrow-Gesetzes in gewisser Weise ausgehebelt; denn nunmehr sollten nur diejenigen eingetragenen Eigentümer das Land behalten, die es vor dem 15. März 1990 als Mitglied einer LPG bewirtschafteten oder die Hofstelle bewohnten. Anderenfalls hatte das Land als sogenannter Besserberechtigter einen Anspruch auf Auflassung des Grundstücks bzw. auf Herausgabe des Kaufpreises.
Für die ostdeutschen Länder und damit auch für Brandenburg ergab sich daraus die Notwendigkeit, sowohl die Bodenreformflächen als auch deren Eigentümer bzw. Erben zu ermitteln, um mögliche Übertragungsansprüche prüfen und gegebenenfalls bis zum 3. Oktober 2000 auch durchsetzen zu können.
Im Nachhinein erwies sich dieses Gesetz als eine der umstrittensten Errungenschaften deutscher Rechtseinheit. Apropos Rechtseinheit: Herr Kollege Klocksin, wir haben uns in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses über diesen Begriff ein wenig auseinandergesetzt. Gestatten sie mir hier noch einen kurzen Verweis auf eine Passage in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vom 27. Februar 2008 zu diesem Terminus. Er hat damals in diesem Hause hier erklärt:
„Diese Regelung,“
- gemeint ist das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz -
„die so kompliziert ist, wie es auch klingt, gehört im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Bodenreform zu den umstrittensten Regelungen im Zuge der Herstellung der deutschen Rechtseinheit.“
Die Umsetzung dieses Gesetzes führte in ganz Ostdeutschland zu anhaltenden Protesten und politischen Diskussionen durch alle Parteien; die höchsten deutschen Gerichte, zuletzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, haben sich damals mit diesem Thema befasst. Diese Diskussionen können auch in Brandenburg nicht zu überhören gewesen sein, sodass vor diesem Hintergrund ein besonders sorgfältiger Umgang mit dem Gesetz und seiner Umsetzung zwingend geboten war. Keine - ich wiederhole: keine - seit 1992 amtierende Landesregierung hat diese Brisanz aus unserer Sicht erkannt.
Die Tatsache, dass Brandenburg als größtes ostdeutsches Flächenland besonders viele Bodenreformgrundstücke hatte, wäre ein weiterer Grund gewesen zu sagen: Hier müssen wir als Land besondere Anstrengungen, Bemühungen unternehmen, um die Eigentümer zu finden.
Im Gegensatz zu dem Land Mecklenburg-Vorpommern, das bereits im Jahre 1994 mit der flächendeckenden Recherche angefangen hatte, wurde in Brandenburg erst Anfang 1997 mit der Erbenrecherche tatsächlich begonnen. Das war einfach zu spät. Von den acht Jahren, die im Land für die Suche nach Bodenreformflächen und die Erbenermittlung zur Verfügung standen, waren damit bereits fünf Jahre vertan.
Aber nicht nur der Zeitdruck war dafür ausschlaggebend, dass mehr als 10 000 Bodenreformeigentümer nicht gefunden wurden. Entscheidend war auch, dass die Erbenermittlung auf private Dienstleister übertragen wurde, ohne dass vorher abgewogen wurde, welche Vor- und Nachteile, welche Risiken sich damit verbinden. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen haben hierfür landeseigene Gesellschaften eingesetzt, wobei Sachsen auch erst im Jahre 1997 mit der flächendeckenden Recherche begonnen hatte. Im Ergebnis blieben dort in 85 000 Fällen von Bodenreformflächen nur in ca. 200 Fällen die Erben unbekannt.
Hauptursache für das schlechte Rechercheergebnis war jedoch die Vertragsgestaltung mit den Dienstleistern. Wir behaupten bis heute: Bei einer Recherche vor Ort wäre die Zahl unbe
kannter Erben um ein Vielfaches kleiner gewesen. Spätestens als im Sommer 1999 sichtbar wurde, dass es in einer Vielzahl von Fällen nicht gelingen würde, vor Ablauf des 2. Oktober 2000 die Eigentümer ausfindig zu machen, hätte die Landesregierung wach werden und erkennen müssen: Hier haben wir ein Problem. Wie gehen wir damit um?
Stattdessen wurde nach Möglichkeiten gesucht, dem Landesfiskus trotz drohender Verjährung die Grundstücke zu sichern. Die dann gewählte Verfahrenspraxis, Vertreter für unbekannte Eigentümer einzusetzen, war nach den rechtlichen Vorschriften - das sagen auch wir - grundsätzlich möglich. Während jedoch in den anderen ostdeutschen Ländern Dritte, zum Beispiel Notare, Rechtsanwälte oder Kommunen, zum Vertreter bestellt wurden, waren dies in Brandenburg die Grundstücks- und Vermögensämter. Das bedeutete, dass die gleichen Ämter die Ansprüche des Fiskus prüfen und geltend machen mussten, die eigentlich auch die Interessen der unbekannten Erben bzw. Eigentümer zu vertreten hatten. Diese Form des sogenannten Insichgeschäfts war, wie ich gerade schon gesagt habe, rechtlich durchaus möglich. Gesetz- und sittenwidrig wurde es dann, wenn ohne sorgfältige Erbenermittlung die Grundstücke an den Landesfiskus übertragen wurden. Genau diese Ermittlungen wurden eben nicht angestellt, und wir sagen bewusst: dann nicht mehr angestellt. - Ich erinnere nur an die Wortwahl der Haftungsfreistellung für die Kommunen. Darin heißt es:
„Eine umfassende Überprüfung des Vorliegens der Berechtigung des Landes sowie der Richtigkeit der im Auftrag des Landes ermittelten und dem Landkreis vorgelegten Erkenntnisse zur Person oder zum Aufenthalt des Eigentümers durch den Landkreis ist ebenso entbehrlich wie weitgehende eigene Recherchen.“
Das war de facto die Aufforderung durch das Finanzministerium, das Gesetz vor Ablauf der Frist nicht mehr anzuwenden. Mehrere Tausend Grundstücke wurden auf diese Art und Weise allein im Sommer des Jahres 2000 im Eilverfahren erfasst und übertragen. Oftmals wurden sogar noch am letzten Tag vor dem 3. Oktober die gesetzlichen Vertreter veranlasst - es gibt Unterlagen, die belegen, dass mehrere Hundert an einem Tag durch einen Notar veranlasst wurden -, die Auflassung zugunsten des Landesfiskus zu erklären.
Diese schwerwiegenden Entscheidungen wurden allein auf der Fachebene des Finanzministeriums getroffen, obwohl man sich der rechtlichen Bedenken bewusst war; denn eine juristisch haltbare Alternative ist intern vom Abteilungsleiter und seinem Referatsleiter im Frühjahr des Jahres 2000 diskutiert, jedoch aufgrund des damit verbundenen Aufwands bewusst verworfen worden. Erst nach mehrmaligen Nachfragen und unter Eid räumte der Zeuge B. dies vor dem Untersuchungsausschuss ein. Dass damit der Straftatbestand der Untreue durchaus auch in subjektiver Hinsicht erfüllt sein könnte, sollte - nach dem Leserbrief, den ich gelesen habe - den Generalstaatsanwalt heute eigentlich noch einmal zum Nachdenken anhalten.
Die zahlreichen Warnsignale, die es in den letzten Jahren auch von den Gerichten und Notaren gab, will niemand gehört haben, obwohl diese Vorgehensweise selbst im Justizministerium für juristisch und politisch bedenklich gehalten wurde.
Auch die Haftungsfreistellungen der Kommunen belegen, dass diese den Kopf für das bedenkliche Verfahren eben nicht hin
halten wollten. Der Landkreis Teltow-Fläming machte dieses Verfahren erst gar nicht mit. Wenn ich mich an die Vernehmung des Justiziars aus diesem Landkreis als Zeugen richtig erinnere, waren seine bereits im Frühjahr des Jahres 2000 gegenüber seinem Landrat schriftlich geäußerten Bedenken dann 1 : 1 im späteren Urteil des BGH nachzulesen.
Doch spätestens mit dem Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts im August 2004 hätten Sie, Herr Minister Speer, sich Ihre bis dahin so frei schwebend agierende Arbeitsebene einmal ernsthaft zur Brust nehmen und fragen müssen: Ist das alles richtig, was wir hier tun? - Eine verantwortungsvoll handelnde Verwaltung hätte sich ihrerseits spätestens da an die Hausspitze wenden müssen. Dies alles ist nicht geschehen und zeigt, dass sich über Jahre hinweg ein System innerhalb der Landesregierung entwickeln konnte, dem jegliches Politikverständnis und -gespür abhanden gekommen ist.
Meine Damen und Herren! Jetzt, wo wir wissen, welche Fehler und Versäumnisse begangen wurden, müssen auch die notwendigen Schlussfolgerungen und Konsequenzen gezogen werden, auch wenn dies vielen Betroffenen im Land nicht mehr helfen wird. Weder mit dem Fünfpunkteplan des Finanzministeriums noch mit dem von uns vorgelegten Entschließungsantrag kann Gerechtigkeit hergestellt werden, weil durch das rechtswidrige Verhalten dieser Landesregierung nun einige Menschen ihre Grundstücke behalten, obwohl es ihnen bei ordnungsgemäßer Anwendung der gesetzlichen Vorschriften gar nicht zugestanden hätte. Viele andere Bürgerinnen und Bürger hingegen, die im Vertrauen auf die gesetzlichen Regelungen mit den Behörden zusammengewirkt haben, mussten aufgrund fehlender Zuteilungsfähigkeit, oder weil sie selbst den Rechtsweg scheuten, ihre Grundstücke zugunsten des Landes abgeben.
Herr Ministerpräsident! Meine Damen und Herren! Sie alle haben vor etwas mehr als einem Jahr Aufklärung, aber auch Schlussfolgerungen und Konsequenzen gefordert. Im vorliegenden Untersuchungsbericht vermissen wir dazu jegliche Aussagen. Ich frage Sie allen Ernstes: Welche Konsequenzen ziehen Sie als Landesregierung? Welche Konsequenzen ziehen wir als Parlament? Meine Fraktion hat daher einen Entschließungsantrag eingebracht, mit dem wir Sie auffordern, die sich aus dem Urteil ergebenden Schlussfolgerungen zu ziehen und mit aller Transparenz umzusetzen.
Meine Damen und Herren, es waren verschiedene Landesregierungen, die ihren Anteil an dieser Affäre, die nicht zu Unrecht als „Eigentumsaffäre“ bezeichnet wird, hatten und haben. Es war nicht nur die Regierung Stolpe, die zwar den Grundstein- und Basisfehler gemacht hat, es waren auch zwei Regierungen unter Ihrer Leitung, Herr Ministerpräsident. In jedem Fall waren es sozialdemokratische Finanzministerinnen und Finanzminister, die in ihrer Regierungsverantwortung dem Thema nicht die gebotene Aufmerksamkeit gewidmet haben. Deshalb sehen wir uns veranlasst, den zuständigen Landesregierungen in aller Deutlichkeit unsere Missbilligung auszusprechen. Zu gern reden Sie, meine Damen und Herren von den Landesregierungen, und sind stolz auf Ihre Häuser. Nur wenn es dann einmal gründlich daneben geht, dann will es keiner gewesen sein.
Das führt uns zu einer wesentlichen ersten Schlussfolgerung: Gerade weil verschiedene Landesregierungen und verschiedene Minister ihren Teil zur Affäre beigetragen und zu verantwor
ten haben, deutet vieles auf das grundsätzliche strukturelle und organisatorische Problem; es war eben nicht nur ein versehentlicher Betriebsunfall oder individuelles Management. Um Ähnliches in Zukunft auszuschließen, muss nach strukturellen Ursachen gesucht werden und müssen organisatorische und eventuell personalrechtliche bzw. disziplinarische Maßnahmen ergriffen werden. Denn es ist schon auffällig, wenn bestimmte Bedienstete unserer Landesverwaltung quasi als Dauergast in den Untersuchungsausschüssen des Landtags erscheinen müssen.
Deshalb sage ich auch: Es kann nicht sein, dass ein Abteilungsleiter sämtliche Grundsatzentscheidungen völlig alleine treffen kann, ohne dass Ministerinnen und Minister davon Kenntnis erhalten - auch keine Kenntnis davon, dass man trotz einer zuvor erlittenen gerichtlichen Niederlage seine bedenkliche Verfahrenspraxis auch noch bis zum höchsten deutschen Zivilgericht betreibt. Es geht uns an dieser Stelle nicht darum, Selbstständigkeit von Verwaltungshandelnden infrage zu stellen oder zu beschneiden, aber es muss eine politisch vorgegebene Grenze geben, bis wohin eine Fachverwaltung alleine agieren kann und an welcher Stelle es einer politischen Einflussnahme und Entscheidung bedarf. Was die Landesregierung braucht, ist eine wirksame interne Kontrolle, aber auch Regelungen und Vorgaben, wer wann über was zu informieren ist. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung haben Sie, Herr Finanzminister Speer, bereits getan, indem Sie für Ihr Haus geregelt haben, dass über jede Anrufung eines Bundesgerichtes gegen die Entscheidung eines Brandenburger Gerichts die Hausspitze zu unterrichten ist. Dies allein reicht jedoch nicht. Auch wir als Parlament, als Kontrollgremium, erwarten künftig, dass wir über derartige Vorgänge umfassend und zeitnah in Kenntnis gesetzt werden, denn Kontrolle setzt auch Transparenz als eine weitere wesentliche Schlussfolgerung voraus. Ich denke, darin sind wir uns alle einig. Hätte es mehr Transparenz gegeben, hätte auch das Parlament viel früher intervenieren können, und die Bodenreformaffäre hätte es vielleicht in dieser Form auch nicht gegeben. Offen bleibt bislang auch die Frage, wie das Land Brandenburg mit den Grundstücken umgeht, deren Eigentümer sich nicht melden. Die bisher eingeleiteten Maßnahmen, insbesondere das Fünfpunktepaket, blenden die Tatsache aus, dass viele Bodenreformerben bis heute nicht gefunden sind. Wir fordern Sie deshalb noch einmal auf, die rechtmäßigen Eigentümer der von der Rechtsprechung des BGH betroffenen Bodenreformgrundstücke zu ermitteln. Anderenfalls sollten zunächst unabhängige Dritte anstelle des Landes zum gesetzlichen Vertreter bestellt und damit eine treuhänderische Verwaltung der Bodenreformflächen sichergestellt werden. Auch hat das Land darauf hinzuwirken, dass die Grundbücher in allen Fällen, in denen das Land zu Unrecht eingetragen ist, berichtigt werden. Ich bitte Sie daher, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, und freue mich auf eine interessante Diskussion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Problematik oder den historischen Diskurs zum ModrowGesetz nicht weiter vertiefen. Aber, liebe Kollegin Melior, ich glaube, der Ministerpräsident war Mitglied des Übergangskabinetts. Deshalb meine ich, dass man vielleicht doch eine differenzierte Bewertung zu diesem Gesetz in dieser Zeit erfragen kann.
Gestatten Sie mir, als Entgegnung zu Ihren Darstellungen etwas zu unserem Sondervotum zu sagen.
Sie behaupten, die Versäumnisse und Fehler im Handeln der Landesregierung hätten ihre Ursache in der präzedenzlosen historischen Dimension. Nein, Frau Kollegin. Es waren Schwierigkeiten. Die Hauptursache war, dass die politische Brisanz nicht erkannt wurde und die Nichtwahrnahme von politischer Verantwortung dazu geführt hat, dass im Grunde genommen in den Ministerien die Puppen auf dem Tisch tanzten und der rechtswidrige Sonderweg in dieser Zeit benutzt wurde.
Das ist die richtige Bewertung und nicht die Problematik, die Sie in Ihrem Votum der Mehrheit formuliert haben.
Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zu Ihrem Punkt „Der Sonderweg bzw. Alleingang des Landkreises Teltow-Fläming“. Richtig ist, dass versucht wurde, die Verjährung zu umgehen. Jedoch haben Sie in Ihrem Votum nicht vermerkt, dass es nicht nur den Alleingang des Landkreises gab, sondern auch das MdF im Jahr 2000 eine aktive Rolle gespielt hat.
Das hätte ich erwartet. Deshalb haben wir auch ein Sondervotum formuliert. - Vielen Dank.
Danke, Frau Ministerin, für diese umfangreiche Darstellung in der Fragestunde. Sie wissen, dass wir als Linke diesem Instrument sehr positiv gegenüberstehen - wenn alle Hemmnisse abgebaut sind. Da die Auswertung der Förderregionen schon im Dezember letzten Jahres angekündigt wurde, wir aber heute den 1. April haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht auch meinen, dass es jetzt - auch vor dem Hintergrund der krisenhaften Erscheinungen auf dem Arbeitsmarkt - an der Zeit ist, zu einer Durchführungsbestimmung zur Ausweitung des Kommunal-Kombi zu kommen.
Seit Oktober 2008 läuft die bundesweit größte Ausschreibung im Nahverkehr auf der Schiene. In vier Losen sollen ca. 50 % des Schienenpersonennahverkehrs in Berlin und Brandenburg vergeben werden. Inzwischen haben sich die Aufgabenträger, und damit natürlich auch unser Land, entschlossen, die Angebotsfrist nun bis zum 24.04.2009 zu verlängern, unter anderem mit der Begründung, damit einen fairen Wettbewerb zwischen dem jetzigen Betreiber, der DB Regio AG, und den neuen Interessenten gewährleisten zu wollen.
Die Forderung nach einem fairen Wettbewerb stand natürlich auch heute im Mittelpunkt der Demonstration von den DBBeschäftigten hier vor dem Landtag, die die Einbeziehung von Sozialstandards bei der Ausschreibung verlangten. Mit einer kurzfristigen Verlängerung der Ausschreibungsfrist reagierten die Aufgabenträger auf einen hohen Regelungsbedarf während des Ausschreibungsverfahrens, sodass sie auch bereit sind, zeitliche Verzögerungen im Verfahren in Kauf zu nehmen.