Protokoll der Sitzung vom 28.10.2004

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur 3. Sitzung des Landtages Brandenburg in dieser Wahlperiode.

Es liegen einige Abwesenheitserklärungen vor, die ich aber nicht im Einzelnen vorlese. Dafür sind heute einige Kollegen anwesend, die gestern nicht hier waren.

(Klein [SPD]: Die Namen nicht erwähnen, Herr Präsident!)

- Herr Klein bittet darum, ihn namentlich zu erwähnen.

(Heiterkeit)

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Änderungswünsche sind nicht angemeldet worden. Gibt es Einverständnis mit dieser Tagesordnung? - Wenn ja, bitte ich um Ihr Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann verfahren wir nach dieser Tagesordnung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 4/55 Drucksache 4/21

Es liegt die Dringliche Anfrage 1 (Vorwürfe gegen die Euro- pa-Universität Viadrina) der Kollegin Osten vor. Kollegin Osten hat jetzt Gelegenheit, ihre Frage zu formulieren.

In der Öffentlichkeit werden alte - mittlerweile auch neue Vorwürfe umfangreich und überregional diskutiert, nach denen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) schwere Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung stattgefunden haben sollen.

Ich frage deshalb die Landesregierung, was sie unternimmt, um Schaden von der Universität abzuwenden.

Ich vermute, Frau Wanka wird antworten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Osten, meine Haushaltsabteilung hat im Sommer 2003 eine Prüfung an der Viadrina durchgeführt. Im Rahmen dieser Prüfung wurde festgestellt, dass die Universität Konten eingerichtet hatte, die sie weder uns noch dem Finanzministerium gemeldet oder deren Genehmigung beantragt hat.

Auf Festgeldkonten waren zum Zeitpunkt der Prüfung rund 320 000 Euro deponiert. Der Kanzler der Hochschule gab an, dass man daraus Zinsgewinne erwirtschaftet habe, die an der Hochschule verwendet worden seien, zum Beispiel für den Druck einer Broschüre, für den Kauf von Bildbänden und eine Weihnachtsfeier.

Für dieses Konto waren drei Personen jeweils allein zeichnungsberechtigt - es herrschte kein Vier-Augen-Prinzip!-, die Kontobewegungen veranlassen konnten. Von der Hochschule war keine Kontrollrechnung für die Aktivitäten auf diesem Konto vorlegbar. Bei einem ersten groben Anschauen der Kontobewegungen zeigte sich, dass eine Summe von etwas mehr als 9 000 Euro auf das Privatkonto einer der Personen geflossen war. Die Mitarbeiterin gab an, sie habe die Mittel für einen privaten Autokauf eingesetzt. Das geschah ein halbes Jahr vor unserer Feststellung.

Es ist klar, dass ein solches nicht angemeldetes Konto, auf das über einen gewissen Zeitraum eine solche Zugriffsmöglichkeit besteht, Manipulationsmöglichkeiten bietet. Es ist notwendig, den Sachverhalt, der dort vorliegt, aufzuklären. Die Vorgänge können strafrechtlich relevant sein; das belegt der von mir genannte Fall. Entsprechende Ermittlungen liegen nicht in der Kompetenz des Ministeriums; die dafür zuständige Instanz ist die Staatsanwaltschaft. Diese haben wir gebeten, sich der Sache anzunehmen. Die Staatsanwaltschaft hat bald darauf ein Ermittlungsverfahren eröffnet.

Ein anderer Aspekt, nämlich der Rechtsverstoß gegen die Landeshaushaltsordnung, ist schwerer zu vermitteln und nicht sofort einsichtig. Ich will darauf kurz eingehen. Allen ist klar, in welcher Finanzsituation wir uns befinden. Dass das Land teure Kredite aufnehmen muss, ist auch allen klar. Es ist untersagt, mit Landesmitteln Zinsgewinne zu erzielen. Für den Landeshaushalt ergäbe sich ein Minus; denn selbst wenn die auf einem Festgeldkonto erzielten Zinsen an den Landeshaushalt abgeführt würden, wären die für die aufgenommenen Kredite zu zahlenden Zinsen höher.

Die Konten, um die es dort geht, sind nicht beantragt und damit auch nicht genehmigt worden; sie wären auf keinen Fall genehmigungsfähig gewesen. Das müssen die Haushaltsbediensteten der Universität wissen. Daher sind dienstrechtliche Schritte notwendig. Diese sind von meinem Haus - in Absprache mit der Präsidentin - bezüglich des Kanzlers übernommen worden. Für die anderen Bediensteten ist die Präsidentin zuständig.

Ich war furchtbar erschrocken, ja fassungslos, als ich von den Vorgängen hörte; denn meine Strategie - ich denke, sie ist unbedingt richtig - seit meinem Amtsantritt besteht darin, dass die Hochschulen bezüglich der Verwendung der Gelder viele Freiheiten haben müssen, einen viel höheren Freiheitsgrad als bisher. Eine Hochschule kann nur bestehen, wenn sie flexibel ist. Sie muss die Gelder bewegen können.

Das war im Sommer 2003. Zu jenem Zeitpunkt waren Frau Ziegler und ich in der Diskussion so weit, dass wir die Hochschulen ab Januar 2004 „freilassen“ wollten. Ab Januar 2004 bekommt eine Hochschule wie die Viadrina zwei Zuweisungen: eine für konsumtive, eine weitere für investive Ausgaben. Mit diesen 19 Millionen Euro Cash muss die Hochschule viel verantwortungsvoller als beim bisherigen System der Kameralistik umgehen; denn dort wurden für jede Kleinigkeit konkrete Vorgaben gemacht. Wenn wir den Hochschulen diese Kompetenzen einräumen wollen - wir haben es zum Januar getan -, ist ein Vertrauensverhältnis notwendig. Man muss sich darauf verlassen können, dass an der Hochschule mit den Geldern korrekt umgegangen wird.

Die Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung sind in keiner Weise kleinzureden. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn in

diesem Punkt kein Unrechtsbewusstsein herrscht. Man kann Fehler machen, aber es muss ein Unrechtsbewusstsein vorhanden sein, damit die Sache in Zukunft klar ist.

Was die Präsidentin anbetrifft, so gibt es keinerlei Hinweise, dass sie von diesen Konten gewusst hat. Ich kann aus meiner Erfahrung als Rektorin sagen: Das muss die Präsidentin auch nicht wissen. Dafür ist die Haushaltsabteilung zuständig. Das ist wirklich nicht der Präsidentin anzulasten.

Die Präsidentin ist seit Bekanntwerden dieser Vorgänge natürlich verantwortlich. Sie trägt die Hauptverantwortung für die Hochschule. Sie ist verantwortlich dafür, dass alles Notwendige getan wird, damit die Verfahren in Zukunft in Ordnung sind. Die Verantwortung liegt ganz klar dort.

Die Staatsanwaltschaft hat strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen. Wir vonseiten der Landesregierung haben die dienstrechtlichen Dinge, die in unserer Hand liegen, übernommen. Die Konten sind damals sofort geschlossen worden; die Sparkasse hat das bestätigt. Die Zinseinnahmen sind laut der Unterlagen, die uns die Hochschule zur Verfügung gestellt hat, an den Landeshaushalt abgeführt worden.

Ich bedauere die Berichterstattung sehr; denn ich bin mir mit Frau Schwan darin einig, dass es wichtig ist, die Vorgänge gründlich und zügig aufzuklären. Einen solchen Vorfall kann man nicht unter den Teppich kehren, insbesondere wenn man bedenkt, welche Freiheiten die Hochschulen haben sollen. Ich möchte auf diesem Weg in dieser Legislaturperiode noch wesentlich weiter gehen.

Zu den jüngst in der Presse geäußerten Spekulationen bezüglich Verschwörungstheorien und Ähnlichem kann ich sagen, dass im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen das Landeskriminalamt bzw. ein Wirtschaftsprüfer eingeschaltet worden ist. Informationen über einen Zwischenbericht dieses Prüfers sind augenscheinlich nach außen gedrungen. Es wird hier von Amts wegen wegen Geheimnisverrates von der Staatsanwaltschaft ermittelt. Das Innenministerium hat Anzeige wegen Verdachts auf Geheimnisverrat erstattet. Ich darf an dieser Stelle auch klarstellen, dass es keine Berichtspflicht gegenüber dem Innenministerium gibt, dieser Bericht also nicht im Innenministerium ankommen musste und auch nicht angekommen ist, sondern dass es nur eine Berichtspflicht gegenüber dem Justizministerium gibt. Das Justizministerium hat nun nicht diesen Bericht erhalten, sondern eine Kurzfassung, eine Bewertung durch die Staatsanwaltschaft, und zwar am Montag dieser Woche. Das zur Klarstellung.

Ich denke, die Landesregierung hat alles in ihren Kräften Stehende getan, und ich finde - das möchte ich auch an alle Beteiligten richten -, dass es ganz wichtig ist, sich hier nicht zulasten der Universität zu profilieren. Ich habe geschildert, welche Vorgänge zu beanstanden sind. Das hat nichts mit der wissenschaftlichen Leistung der Universität, nichts mit den Studenten, nichts mit sonstigen Dingen dort zu tun.

Danke, Frau Minister. Es gibt eine Reihe von Nachfragen, was in der Regel dadurch angezeigt wird, dass man das Mikrofonknöpfchen drückt. - Herr Hammer, Sie stehen so erwartungs

voll am Mikrofon. Ich vermute deshalb, dass Sie auch eine Nachfrage stellen wollen.

Frau Osten, Sie sind die Erste. - Bitte.

Frau Minister, ich hätte gern noch gewusst, inwieweit sich das Kabinett mit diesem Vorfall schon im Jahre 2003 beschäftigt hat, ob die Anzeige für Sie die notwendige Schlussfolgerung war und ob dann mit der Anzeige letztlich eine Klärung herbeigeführt worden ist, also die Schließung der Konten und die Rückzahlung der so genannten Gewinne sofort erfolgten, oder ob das alles erst jetzt, im Nachhinein geschehen ist.

Die dritte Nachfrage ist, inwieweit Sie die Möglichkeiten und die Notwendigkeiten sehen, das Parlament zu unterrichten, wenn die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen abgeschlossen sind.

Frau Osten, Sie müssen trennen: Die Schließung der Konten und die Rückführung der Zinseinnahmen haben wir vom Ministerium sofort veranlasst. Dazu brauchen wir keine Staatsanwaltschaft. Aber den gesamten Vorgang zu untersuchen, also diese Hunderte von Kontenbewegungen nachzuvollziehen was ist wann auf welches Konto geflossen? -, dieses ganze Hin und Her, das ist eine Aufgabe der Staatsanwaltschaft und deren Erkenntnisse liegen uns noch nicht vor, weil sich das Verfahren noch im Fluss befindet.

Dazu muss ich sagen, dass die Staatsanwaltschaft die kompletten Buchungsunterlagen erst im August dieses Jahres erhalten hat - dieses Jahres, ein Jahr später.

Das ist also geheilt?

Ja. Alles, was auf unserem Tisch lag, ist erfolgt und wir hoffen, dass wir bald den Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft bekommen werden. Dann kann man das sozusagen in Gänze bewerten; auch haushaltstechnisch kann man es dann besser bewerten.

Haben Sie das Kabinett darüber unterrichtet?

Das Kabinett habe ich darüber informiert.

Zwiegespräche wollen wir in der Fragestunde eigentlich nicht führen, aber heute bin ich einmal großzügig.

Herr Sarrach, Sie sind der Nächste, Sie haben Gelegenheit zu zwei Nachfragen.

Frau Minister, weshalb ist es der Staatsanwaltschaft innerhalb des langen Zeitraumes von eineinhalb Jahren nicht möglich gewesen zu klären, ob im Zusammenhang mit der Kontenaffäre überhaupt ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt?

Zweitens: Werden die von Ihnen genannten dienstrechtlichen Verfahren Ihres Hauses im zügigen Fortgang möglicherweise durch dieses schwebende vorrangige staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren beeinflusst?

Herr Sarrach, Sie wissen natürlich am besten, dass ich Informationen über ein laufendes Verfahren bzw. Details der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht weitergeben kann. Ich habe nur den einen Fakt genannt: zu welchem Zeitpunkt die Staatsanwaltschaft die kompletten Unterlagen, die sie braucht, bekommen hat.

Das dienstrechtliche Verfahren, das bei uns liegt - das haben wir so besprochen -, kann erst zum Abschluss gebracht werden, wenn die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beendet sind. Das ist ja ganz klar. Wir haben als Haus nicht alle Buchungsvorgänge. Wir bekommen von der Hochschule Angaben über die Buchungen - das haben wir ebenfalls besprochen -, aber sämtliche Kontoauszüge oder so etwas liegen uns gar nicht vor. Das muss in Gänze bewertet werden. Danach kann das Dienstrechtliche abgeschlossen werden.

Die nächsten Nachfragen kommen von Frau Geywitz.

Frau Minister, können Sie sagen, woher die Gelder, die auf diese Konten geflossen sind, kommen und können Sie uns Auskunft darüber geben, ob sich nach Bekanntwerden dieser Vorfälle in der Organisation der Universität im Bereich des Controllings des Haushalts etwas geändert hat?

Zu der ersten Frage könnte ich einige Punkte nennen bezüglich der Gelder, die zum Zeitpunkt unserer Prüfung auf den Konten lagen. So waren dort zum Beispiel die Rückmeldegebühren gebucht. Das war ja auch der Grund für die Auffälligkeit des Vorganges, weil die Rückmeldegebühren nicht auf dem dafür eingerichteten Konto der Universität lagen. Ansonsten ist das eine Summe von ganz unterschiedlichen Einnahmen, ob das nun Mahngebühren sind oder anderes ist. Das kann aber insgesamt erst bewertet werden - das geht ja über einen längeren Zeitraum -, wenn das von der Staatsanwaltschaft genau angeschaut worden ist.

Die Konsequenzen im Bereich der Universität muss die Präsidentin veranlassen. Wir haben mit dem Haushaltsreferat alles geheilt, was aus unserer Sicht machbar war.

Danke. - Jetzt hat Herr Hammer das Wort.