Stefan Sarrach
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn in alten Zeiten, die ich mir nicht zurückwünsche, ein Fürst als Souverän seines Landes seine Ministerialen übers Land schickte, so gab er ihnen in wichtigen Angelegenheiten ein Sendschreiben mit, das ihnen Unterstützung bei der übertragenen Aufgabe sicherte.
Die Stimme des brandenburgischen Souveräns ist heute der Landtag. Der ministeriale Sendbote in wichtiger Angelegenheit ist Frau Ministerin Blechinger. Die wichtige Angelegenheit ist die angemessene Entschädigung von Justizopfern, und das Sendschreiben ist der Ihnen vorgelegte Antrag in der Drucksache 4/6906, für den ich um Zustimmung bitte.
Wir haben diesen Antrag dem Landtag vorgelegt, um der Ministerin auf der Justizministerkonferenz am morgigen 20. November in Berlin den Rücken zu stärken, den Rücken zu stärken gegenüber der Bundesregierung und im Bundesrat und vielleicht auch gegenüber dem eigenen Finanzminister. Es geht also mitnichten darum, heute zu beschließen, worüber wir uns mit Frau Blechinger schon jetzt grundsätzlich einig sind. Nein, es geht darum, Frau Blechinger bei der Vertretung der Meinung unseres Bundeslandes die bestmögliche Verhandlungsposition zu verschaffen.
Dass diese Unterstützung erforderlich ist, zeigen die Vorschläge, die aus den Bundesländern bis heute zu vernehmen waren. Einige Bundesländer wollen keine Erhöhung. Andere wollen die lächerlichen 11 Euro pro Tag auf kaum weniger lächerliche 15 oder 17 Euro anheben. Nur Berlin hat bislang eine Entschädigungssumme vorgeschlagen, die diesen Namen auch verdient: 100 Euro für jeden Tag, den ein Mensch zu Unrecht in Haft saß - so, wie es etwa in Österreich üblich ist.
Ich sagte gerade, 11, 15 oder 17 Euro seien dagegen lächerliche Summen, doch ist das eigentlich falsch, denn es geht keineswegs um Lustiges oder Lachhaftes, sondern um etwas sehr Ernstes, das aber nicht ernst genug genommen wird. Es geht heute darum, deutlich zu machen, dass es der feste Wille des Landes Brandenburg ist, die Zahlungen für zu Unrecht erlittene Haft endlich von einer nachträglichen Verhöhnung zu einer Entschädigung aufzuwerten.
Ich freue mich, heute - während meiner letzten Rede im Landtag - ein einziges Mal auch dem Kollegen Petke aus vollem
Herzen Recht geben zu können, was er leider nur dem Plenarprotokoll entnehmen kann:
- Er ist da? Hervorragend! - In der Wochenendausgabe der „Märkischen Allgemeinen“ vom 13. und 14. September wurde Herr Petke mit der Frage zitiert: Welchen Wert hat ein Tag im Leben eines Menschen, der unschuldig hinter Gittern saß? Herr Petke befand die Frage, die er sich selbst stellte, für unbeantwortbar und sagte deshalb, selbst eine Haftentschädigung von 100 Euro könne allenfalls symbolischen Charakter haben.
Herr Petke hat völlig Recht, und im Rechtsausschuss erzielten wir über die Fraktionsgrenzen hinweg deshalb auch Übereinstimmung, dass der Bedarf einer Erhöhung dem Grunde nach besteht und die Höhe erst einmal nachrangig sei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ist der Wert der Freiheit? Der Wert der Freiheit ist, sie nutzen zu können. Wer frei ist, kann sich um eine interessante Arbeit und guten Lohn bemühen. Wer frei ist, kann sich vermählen oder „verpartnern“, eine Familie gründen und Kinder großziehen. Wer frei ist, kann sich um finanzielle Sicherheit für sich und seine Lieben bemühen, für den Fall der Krankheit oder für das Alter. Wer frei ist, kann vor seinen Mitmenschen zu Achtung und Ansehen gelangen.
Der Wert der Freiheit besteht aus jedem einzelnen Tag, den man zur Verfügung hat, sie zu nutzen. Niemand kann wissen, wie ihre Nutzung gelingt. Niemand, auch nicht der Gesetzgeber, kann sicher beurteilen, ob die Freiheit fruchtet und was sie wert ist. Niemand kann wissen, ob ein Tag in Freiheit 11 Euro oder 100 Euro oder weit mehr wert war. Wenn all das niemand wissen kann, dann lautet die Folgefrage, zu wessen Lasten diese Unsicherheit dann gehen soll. Wenn wir es nicht ändern, dann geht diese staatliche Unsicherheit weiterhin zulasten der unschuldig Gefangenen. Weil man den Wert ihrer Freiheit nicht sicher ermitteln kann, beurteilt man sie so, als sei sie nur sehr wenig wert gewesen, und das ist makaber.
Es ist auch ein doppeltes Unrecht, weil die Betroffenen schon einmal die Folgen einer staatlichen Unsicherheit tragen mussten. Das ist die Unsicherheit des Justizsystems gewesen. Denn niemand kann vom Gesetzgeber erwarten, dass sein Recht es garantieren könne, dass niemand zu Unrecht in Haft gelangt, und niemand kann von den Strafgerichten erwarten, dass sie Fehlurteile immer sicher vermeiden können. Es ist dem staatlichen Recht immanent, staatliches Unrecht nicht sicher und absolut ausschließen zu können. Wenn nun aber der Staat Justizopfer nicht sicher und absolut ausschließen kann, so kann er nicht gleichzeitig absolut sicher sein, dass er den Wert der Freiheit mit 11 Euro - am untersten Ende des Denkbaren - richtig bemisst. Nein, dann muss - genau umgekehrt - der Wert der Freiheit im Zweifel lieber höher ausfallen als zu gering.
Wer dazu - wie wohl auch Frau Blechinger - erst einmal die Finanzminister befragt, konsultiert die falschen Ratgeber, denn es geht nicht um eine bezahlbare Zuwendung für dankbare Justizopfer, sondern es geht um eine echte Schuld, die der Staat gegenüber diesen Menschen hat. Wer Schulden hat, muss sie begleichen. Für die nötige Liquidität hat er zu sorgen. Diese Maßstäbe legt der Staat an jeden Menschen an. Er muss sie auch für sich selbst gelten lassen.
Was ist der Wert der Freiheit? Er lässt sich auch bemessen an dem, was die Unfreiheit konkret gekostet hat. Wer nach einem Fehlurteil und nach einer mehrjährigen Haftstraße das Gefängnis verlässt, kehrt in eine fremde Welt zurück. Die Arbeit, die er einmal ausübte, braucht ihn nicht mehr oder hat sich so stark verändert, dass er sich darin nicht mehr zurechtfindet. Ein nennenswertes Vermögen gibt es nicht mehr und kann nur unter erschwerten Umständen wieder aufgebaut werden. Seine Familie ist an den Folgen der Haft oft zerbrochen. Die strafrechtlichen Vorwürfe sind nie ganz aus der Welt; sie bestimmen das Meinen und das Denken über diesen Menschen. Zweifel bleiben, Gewissheiten werden gepflegt. Der Freiheitsgebrauch dieses Menschen wurde also nicht nur unterbrochen, sondern bleibt oft bis an das Lebensende behindert. Die wiedergewonnene Freiheit ist oft viel weniger wert als die ursprüngliche, verlorene. Vom Staat, der ihm die Freiheit nahm - und sie nicht völlig zurückgeben kann -, erwartet dieser Mensch, dass er ihn nicht auch noch verhöhnt. Er darf Respekt erwarten und ein wenig Anstand.
Eine deutliche Erhöhung der Haftentschädigung - diese Formulierung verwenden wir für den Antrag -, beispielsweise auf 100 Euro pro Hafttag, heilt kein verpfuschtes Leben. Aber diese mögliche Summe wäre - und das unterscheidet sie deutlich von 11, 15 oder 17 Euro - wenigstens keine Beleidigung, keine Verhöhnung mehr. Das ist das Mindeste, was getan werden muss und was getan werden kann.
In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag, und, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, beende ich meine letzte Rede in diesem Hohen Hause. Nach neun Jahren Arbeit als Abgeordneter stellen sich mir nun neue und nicht weniger verantwortungsvolle Aufgaben in der rechtsprechenden Gewalt. Ich will heute nicht verklären, dass wir uns im politischen Streit oft gegenseitig nichts schenkten, aber es blieb doch überwiegend kollegial.
Als rechtspolitischer Sprecher habe ich in diesen neun Jahren drei Vorsitzende des Rechtsausschusses und einen Justizminister und zwei Justizministerinnen erlebt und denke, auch selbst einige Spuren in der Rechtspolitik hinterlassen zu haben.
Ich wünsche dem Landtag und seinen Mitgliedern für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg. Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit. Ich danke vor allen Dingen auch meinen Wählerinnen und Wählern im Wahlkreis Oder-Spree III für das bisherige Vertrauen und für das Verständnis, dass ich nun an anderer Stelle sozialen Dienst an Menschen weiter verrichten kann. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion unterstützt die mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen des Brandenburgischen Juristenausbildungsgesetztes. Es ist richtig, den Weg anderer Bundesländer einzuschlagen; denn es geht um nicht mehr, aber auch nicht weniger als unseren juristischen Nachwuchs, also um junge Menschen, die als Referendarin oder Referendar schon ein sie stark forderndes erstes Staatexamen erfolgreich absolviert haben, die in der knappen Zeit zweier Jahre des Referendariats umfangreiche Erfahrungen der richterlichen, staatsanwaltlichen und auch anwaltlichen Praxis sammelten und sich daneben auch auf die zweite juristische Staatsprüfung vorbereitet hatten.
Nachdem nun in der letzten Gesetzesnovelle unseres Hauses die Voraussetzungen für das Bestehen des schriftlichen Teils des zweiten Staatsexamens angehoben worden sind, hat das Land Brandenburg nunmehr einen Spitzenplatz in der Durchfaller-Statistik erobert. Diesen Platz müssen wir wieder loswerden. Wer diesen Erfolgs- und Arbeitsdruck nachvollziehen kann, der auf den Referendarinnen und Referendaren lastet, wird nicht bestreiten, dass der Notenverbesserungsversuch eingeführt und der Zugang zur mündlichen Prüfung erleichtert werden sollte. Verbesserungsversuche sind dabei aber nur einer von vielen möglichen Ansätzen. Wenn Studierende oder Referendare nicht in der Lage sind, ihr Wissen angemessen darzustellen, können entscheidende Fehler auch früher gemacht worden sein, indem es zum Beispiel an einer entsprechenden Ausbildung der Studentinnen und Studenten sowie Referendarinnen und Referendare fehlt. Vor allem aber im Referendariat ist das Jammern immer noch sehr groß: Unzulänglichkeiten in der theoretischen und praktischen Ausbildung, wenig interessierte Ausbilder und nur wenige gute AG-Leiter und Einzelausbilder sorgen für eine wenig verhältnismäßige Vorbereitung auf das Examen.
Es ist dennoch nachvollziehbar, dass mit der Einführung des Notenverbesserungsversuchs ein weiterer Kostenaufwand verbunden ist. Die Prüfungsgebühr, die deshalb eingeführt werden soll, ist nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs, denn es wird in dem Entwurf nur die Verordnungsermächtigung um diesen Punkt erweitert. Meine Fraktion hält jedoch die in Rede stehende Gebühr von 600 Euro für zu hoch. Meine Kollegin Weber hat im Rechtsausschuss um eine konkrete Untersetzung dieses Betrages gebeten.
Bezüglich der Ausgestaltung der Verordnung sehen wir also noch Redebedarf, zumal der Examenskandidat keinen Anspruch mehr auf Unterhaltsbeihilfe hat und es sich gerade nicht um Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger handeln dürfte, sondern vermutlich um arbeitslose Akademiker, die noch auf ihre bessere Endnote warten, um sich dann erfolgreich bewerben zu können.
Den Notenverbesserungsversuch soll sich aber jede Referendarin und jeder Referendar leisten können. Insofern mahnen wir an, nicht durch die Höhe der Gebühr ein wahres „Einzelfallgesetz“ zu produzieren und so den Willen für mehr Chancengleichheit ad absurdum zu führen. Es ist daher eine Anregung meiner Fraktion, in der Verordnung entweder wie im Land Berlin eine Stundungsregelung oder aber besser eine Erlassmöglichkeit aus Gründen der Billigkeit aufzunehmen. Die angesprochenen 600 Euro sind im Rahmen des Ländervergleichs die höchste Gebühr. Damit ist Brandenburg Spitzenreiter, während Bayern mit 249 Euro leuchtendes Vorbild einer anderen Richtung sein kann.
Meine Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf in 2. Lesung zu. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vom Bundesrat in der letzten Woche beschlossene Gesetzesänderung stellt mit allen anderen vorangegangenen Gesetzesänderungen einen Paradigmenwechsel im Strafrecht dar. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung der nach Jugendstrafrecht Verurteilten ist ein politisch und wohl auch gesellschaftlich mehrheitsfähiger weiterer Baustein im Ringen um den Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern, einem wichtigen und zu unterstützenden Ziel.
Der Schutz der Menschen vor Straftaten und vor allem schnelle unbürokratische und auch effektive Hilfe für Opfer sind für meine Fraktion wichtige politische Aufgaben. Dieses Instrument rundet, so schreiben Sie es in Ihrem Antrag, das Spektrum der Eingriffsmöglichkeiten für die Situation einer erst später beurteilbaren Gefährlichkeit bei einem Straftäter ab. Das wird, fürchte ich, nicht der letzte Baustein dieser Art in Ihrem rechtspolitischen Konzept sein. Das schon ist Grund genug, heute nachdenklich zu sein. Schließlich mahnen Sie in Ihrem Antrag an, über Möglichkeiten und Grenzen der nachträglichen Sicherungsverwahrung, also über das Spannungsverhältnis des Opferschutzes und den auch zu beachtenden Rechten der Täter, zu sprechen.
Im modernen demokratischen Verfassungsstaat ist es im Ergebnis das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit, das immer wieder neu bestimmt werden muss. Benjamin Franklin wird der Satz zugesprochen: Jene, die grundlegende Freiheit aufgeben würden, um eine geringe vorübergehende Sicherheit zu erwerben, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit.
Die jüngste Gesetzesänderung ist ein einseitiger Pendelschlag in Richtung Sicherheit. Nunmehr steht Verbrechensverhütung auf einer Prognosebasis im Vordergrund oder anders gesagt: Der Opferschutz soll vor den Täterschutz gestellt werden. Das ist zunächst nur eine Losung und noch keine Lösung.
Schauen wir in Richtung der Freiheit, dann sehen wir die Fundamente unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Seit dem Habeas Corpus Act 1679 haben sich Demokraten in England das Recht erstritten, dass niemand mehr vom König willkürlich in Haft gehalten werden durfte.
Das Habeas-Corpus-Prinzip ist in Artikel 104 Grundgesetz übernommen worden. Es bedeutet fortgedacht auch, Herr Dr. Niekisch, dass nach einer Freiheitsstrafe die Straftat, so
brutal und abscheulich sie auch begangen worden sei, zunächst als endgültig abgeurteilt und verbüßt gelten muss, anderenfalls wäre dies auch ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung nach Artikel 103 Abs. 3 Grundgesetz.
Es ist in der Tat ein Spannungsverhältnis, jemandem, der seine Straftat durch Haft verbüßt hat, mittels Sicherungsverwahrung für in der Zukunft liegende und lediglich prognostizierte, zu erwartende neue Straftaten, die niemand mit Sicherheit vorhersagen kann, die Freiheit weiterhin zu entziehen. Denn staatliche Verwahrung - der Begriff ändert daran gar nichts - bleibt Freiheitsentzug.
Die Opfer von brutalen Straftaten müssen dafür kein Verständnis aufbringen. Das vermag ich auch nicht zu verlangen. Es ist aber auch kein akademischer Streit, denn es betrifft Menschen, für die die Gesellschaft ebenfalls eine Verantwortung hat, nämlich die der Resozialisierung.
Natürlich kann man vertreten, dass es stets Vorrang habe, Opfer durch eine Sicherungsverwahrung als Ultima Ratio zu schützen, also Opfer zukünftiger Straftaten, von Straftaten also, die noch nicht begangen wurden. Dann müssten wir bereit und fähig sein, in die Zukunft jedes Täters mit erheblicher Straftat zu blicken und abzuschätzen, ob er wieder straffällig wird. Dieser konkret umgesetzte verständliche Wunsch nach möglichst absoluter Sicherheit wird viele mögliche zukünftige Opfer schützen. Von besorgten Kritikern der Sicherheitsverwahrung wie mir dürfen Sie erwarten, dass ich das auch freimütig feststelle. Jedem Einzelnen, der dadurch vor abscheulichen Taten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung geschützt wird, wünsche ich dies von Herzen.
Dieser Wunsch nach absoluter Sicherheit führt aber auch dazu, eben weil niemand in die Zukunft sehen kann - weder Psychologen noch Wahrsager -, dass es Menschen geben wird, die für Straftaten weiterhin in Verwahrung gehalten werden, die sie noch nicht begangen haben und nie begehen werden.
Jeder Mensch ist und bleibt Träger von Chance und Risiko. Deshalb sind seine Wege letztlich unergründlich. Hier liegt das Grundproblem des Konzepts der Sicherungsverwahrung. Die Gerichte werden vor eine fast nicht zu lösende Aufgabe gestellt. Es ist aus wissenschaftlicher Sicht kaum möglich, eine verlässliche Prognose über die künftige Begehung schwerwiegender Straftaten abzugeben. Wer, wie wir alle, mehr Opferschutz will, ist ebenso verantwortlich, nicht die Anzahl der Menschen zu vergrößern, über die eine falsche Prognoseentscheidung getroffen wurde und die dann ein Leben lang ohne weitere neue Schuld in Verwahrung sitzen.
Die Befürworter der Sicherungsverwahrung sollten auch so ehrlich sein, dies einzuräumen, selbst wenn die Sicherungsverwahrung ein Instrument ist, das sich politisch gut verkaufen lässt, weil es scheinbar die Richtigen trifft. Ein ungeeignetes und in der Folge ungerechtes Instrument wird nicht dadurch geeignet und gerecht, dass es weniger Menschen ungerecht ihrer Freiheit beraubt. Unrecht bleibt im Einzelfall immer Unrecht, auch wenn es weniger Menschen betrifft.
Wenn ich eingangs vom Paradigmenwechsel im Strafrecht gesprochen habe, dann deshalb, weil mit dem Ausbau von Instrumenten, die immer isoliert als Ultima Ratio gelten, der Charak
ter der Gesellschaft verändert werden kann. In diesem Zusammenhang stellt sich für mich die Frage, welche Erfahrungen der Vergangenheit gelehrt haben, dass es einen Beitrag zum Opferschutz darstellt, jugendliche Straftäter in der Sicherungsverwahrung zu belassen. Die in den letzten Jahren geschehenen schrecklichen Taten waren nach meiner Erinnerung überwiegend Taten erwachsener Straftäter. Zu dem beschlossenen Gesetzentwurf gab es daher im Bundestag auch starke Vorbehalte. Er wurde für eine Fehlentscheidung gehalten. Eine echte Entlastung der Gesellschaft von erheblichen Straftaten wurde nicht erwartet.
Das neue Gesetz ist auch nicht die erste Reform der Sicherungsverwahrung in den letzten Jahren. Im Gegenteil, eine Reformwut - meist nach schlimmen Einzeltaten - hat dazu geführt, dass die Sicherungsverwahrung nicht mehr absolute Ausnahme im Strafrecht ist. 1996 befanden sich bundesweit 176 Menschen in Sicherungsverwahrung. Vergangenes Jahr waren es schon 427, und das bei stagnierender bzw. zurückgehender schwerer Kriminalität.
Es wird zu beobachten sein, ob es tatsächlich Fälle nach Jugendstrafrecht Verurteilter für die beschlossene Regelung geben wird. Fakt ist auch, dass eine größere Anzahl an Sachverständigen zur Prognose erforderlich sein wird. Da sind Sie, Frau Justizministerin, in der Pflicht, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, und nicht nur dort.
Bei der Einführung des Jugendstrafvollzugsgesetzes für Brandenburg wurde es unserer Meinung nach versäumt, besonderen Wert auf eine auf Erziehung der Verurteilten bedachte Gestaltung des Strafvollzuges zu legen. Aber nur, wenn den Jugendlichen oder den Heranwachsenden ausreichende Möglichkeiten für eine Entwicklung hin zu einer künftigen Lebensführung ohne Straftaten geboten worden sind, kann ihnen, wenn sie diese Möglichkeiten ungenutzt lassen, ein die Anordnung der Sicherungsverwahrung rechtfertigender Vorwurf gemacht werden. Ansonsten sehen wir genau wie der Deutsche Richterbund die Gefahr, dass die Möglichkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung als Sicherheitsnetz für einen misslungenen Jugendstrafvollzug dienen soll.
Gerade die Problematik künftiger Prognosebegutachtungen von zur Tatzeit jugendlichen oder heranwachsenden Personen, die zum Begutachtungszeitpunkt bereits eine langjährige Jugendstrafe verbüßt und somit aufgrund ihres Alters einen wesentlichen Teil ihres Erwachsenwerdens unter Haftbedingungen verbracht haben, birgt wesentliche Risiken bei der Begutachtung in sich.
So rücken die Gutachter in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Kritik. Dass Prognosen sehr unsicher sind, zeigen immer wieder neue Gewalttaten von vorbestraften Tätern. So votieren die Gutachter mittlerweile eher für den Verbleib in der Haft als für eine Entlassung. Keinen Fehler können eben nur jene Gutachter begehen, die keinen potenziellen Straftäter mehr in die Freiheit entlassen. Das ist rechtsstaatlich problematisch.
Junge Menschen sind in ihrer Entwicklung schwer vorhersehbar. Sie haben erst wenig Prägung erfahren, und ihre Ansichten und Verhaltensweisen können noch große Wandlungen erfahren. Niemand kann wirklich wissen, ob ein straffällig gewordener Jugendlicher in der Zukunft wieder Straftaten begehen wird. Auch kein Gutachter kann dies für die Zukunft sicher beurteilen.
Die Fraktion DIE LINKE fordert nach der ständigen Ausweitung dieses Instruments eine Neukonzeption des gesamten Sicherungsverwahrungsrechts. Die Bundesregierung sollte eine Kommission einsetzen, die überprüft, ob die bisherigen gesetzgeberischen Maßnahmen, die Gesellschaft vor gefährlichen Gewaltätern zu schützen, ihren Zweck überhaupt erfüllen. Das geltende Recht gehört jedenfalls vor jeder Erweiterung auf den Prüfstand oder, um mit Herrn Prof. Kinzig von der Universität Tübingen zu sprechen: Die Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung für Jugendliche war abzulehnen, denn ein Zugewinn an Sicherheit für die Bevölkerung sei durch die beabsichtigte Regelung nicht erkennbar. Statt der erneuten Ausweitung der Sicherungsverwahrung sollte die Regierung über einen kriminalpolitischen Kurswechsel nachdenken.
Hierfür ist es nie zu spät. Es ist auch nie zu spät für entsprechende Impulse aus Brandenburg, Frau Ministerin. Solange es diese Rechtsvorschriften aber gibt und sie Anwendung finden können, sollte diese Aktuelle Stunde für einen Appell genutzt werden: an die Gutachter, an die Praktiker der Rechtsanwendung, an die mit der Resozialisierung im Vollzug betrauten Menschen.
Ich werbe auch um Verständnis bei Opfern, diese Auffassung zu respektieren. Die Sicherungsverwahrung muss Ultima Ratio bleiben. Wir hier tragen dafür die Verantwortung, vor allen Dingen die politische Verantwortung für einen resozialisierenden Strafvollzug. Die Praktiker tragen die Verantwortung für die konkrete Entscheidung; es lastet eine schwere Bürde auf ihnen.
Wir haben auch die Verantwortung für ein engmaschiges Netz der Betreuung und Hilfe nach der Haftentlassung.
Schließlich und nicht zuletzt ist beim Opferschutz selbst noch viel mehr zu tun. Ein Zufriedensein mag sich auch nach dieser Aktuellen Stunde bei mir noch nicht einstellen, solange nicht zum Beispiel der Katalog der Straftaten deutlich erweitert ist, der die Hinzuziehung eines Opferanwalts ermöglicht. Es ist notwendig, dass wir über ein Resozialisierungsgesetz für das Land Brandenburg nicht nur reden, sondern es auch verabschieden und dass eine umfassende, übergreifende Informationspflicht über Opferrechte durch alle staatlichen Stellen sichergestellt ist und bestimmte Opfergruppen nicht mehr diskriminiert werden. - In diesem Sinne danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine Kurzintervention zu dem Beitrag des Kollegen Holzschuher,
der meinte, meine Zeitungsanzeige kritisieren zu müssen. Die Wahrheit scheint Ihnen also einfach wehzutun. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, stehen Sie doch zu Ihrer Verantwortung bei der Verabschiedung des Zweiten Kommunalen Entlastungsgesetzes! Wir hatten Sie davor gewarnt, das KAG in diesem Punkt zu ändern. Sie wollten Beitragsausfälle der Verbände für die Zukunft ausschließen. Aber erreicht haben Sie, dass sogar bereits verjährte Beitragsforderungen für Altanschlüsse wieder verlangt werden können, weil durch diese Gesetzesänderung die sachliche Beitragspflicht neu entstehen konnte. Mit anderen Worten: Ohne Gesetzesänderung 2003 hätte das OVG die Urteile vom Dezember 2007 nicht sprechen können. Das erregt die Menschen im Land zu Recht, die endlich einmal wissen müssen, ob man von ihnen noch Geld verlangen darf oder nicht mehr. Wenigstens diese Personengruppe dürfen Sie einfach nicht vergessen.
Weil der Landtag 2003 keine konkrete Rückwirkungsanordnung getroffen hat, also nicht eindeutig klarstellte, dass die Gesetzesänderung für die Zukunft gelten soll, brauchen wir diese Stichtagsregelung, die bereits Verwaltungspraxis war. Unser Antrag ist bewusst offen formuliert und lässt Raum für eine sachgerechte wie verfassungskonforme Lösung. Das räumt auch der Parlamentarische Beratungsdienst ein.
Gar keine Lösung ist Ihr Entschließungsantrag. Sie halten keine Antwort für die Fragen der Bürger bereit. Wenn Sie feststellen wollen, dass Herstellungsbeiträge nur Nachwendeinvestitionen beträfen, ist das von Anfang an klar gewesen und mehr als einmal gesagt worden. Doch das hilft nicht weiter. Die Satzung des Zweckverbandes, der vor dem OVG klagte, stellt selbst die Verbindung her. Wer nach früherem, also auch nach DDR-Recht, nachweisbar Herstellungsbeiträge zahlte, muss keine Nachwendeinvestitionen bezahlen, heißt es dort. Das Problem ist nur, dass Eigenleistungen nicht berücksichtigt werden müssen, also der Regelfall der Kanalisierung nicht berücksichtigt werden muss. Außerdem sollen dann beispielsweise 200 damalige Ost-Mark ohne Probleme 2 000 Euro Herstellungsbeitrag von heute aufwiegen. Das ist seltsam. So genau kann es Ihnen dann mit der Abgabengerechtigkeit nicht sein.
Sie meinen weiter, es sei ungerecht, Altanschließer vollständig von den Kosten der Nachwendeinvestitionen auszunehmen. Es ist aber genauso ungerecht, Alt- wie Neuanschließer in gleicher Höhe daran zu beteiligen, obwohl Teile der Kanalisation von den Verbänden nicht bezahlt wurden und das Anlagevermögen nach 1990 unentgeltlich den Verbänden zufloss.
Die geforderte Datenerhebung findet schon statt - Drucksache 4/6311. Wollen Sie uns also veralbern?
Gegen die Prüfung der Rechtslage in anderen Bundesländern ist nichts zu sagen, solange uns bewusst ist, dass wir der Gesetzgeber sind und Gerichte diese Gesetze dann anwenden. Das OVG schreibt selbst im Urteil, dass Entscheidungen der Rechtsprechung nie eine dem Gesetzesrecht vergleichbare Rechtsbindung erzeugen. Um das KAG zu ändern, muss man in erster Linie Gesetzgeber sein und nicht Jurist. Die Präzisierung für Beiträge für die Erneuerung von Teilanlagen hat es im KAG bereits im Jahr 2003 gegeben.
Das Signal der verlängerten Verjährung schließlich ist grundsätzlich falsch, einseitig zugunsten der Verbände, solange nicht gleichzeitig im KAG eine Erlassregelung aus Billigkeit und ein
Rundschreiben zur regelmäßigen Anwendung des § 227 Abgabenordnung bei Altanschließern vorhanden ist.
Unter dem Strich ist Ihre Entschließung eine Zumutung. - Ich danke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Urteil zu diesem Antrag ist kurz und schmerzlos: Die DVU zielt, wie üblich, ins Abseits, indem sie durch das für sie anscheinend dunkle Dickicht des bestehenden Regelwerks aus Bundes- und Landesrecht tapst und dabei unweigerlich straucheln muss.
Herr Schuldt, Sie glauben offensichtlich, im Richterwahlausschuss ein Problem bemerkt zu haben; es ist aber schon geregelt. Sie rauben damit dem Hohen Haus kostbare Zeit. Hätten Sie zuletzt meiner Berichterstattung im gemeinsamen Richterwahlausschuss zugehört, als es um den Zugang zu Lebenszeitrichter- und -beförderungsstellen ging, dann hätten Sie bemerkt, dass hier wenig konkretisiert, sondern nur sachgerecht angewandt werden muss.
Meine Urteilsbegründung deshalb in Leitsätzen:
Erstens: Es ist keinem Bewerber ohne Öffentliche-Dienst-Erfahrung verwehrt, sich um ein Richteramt zu bewerben. Es existiert kein Quereinsteigerverhinderungsproblem. Die angesprochenen Erfahrungen können schon heute bei der Bewerberauswahl Berücksichtigung finden - § 9 Nr. 4, aber auch § 10 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 Deutsches Richtergesetz.
Zweitens: Der festgestellte Missstand rührt möglicherweise aus dem Umstand her, dass die Erfahrung in anderen juristischen
Berufsfeldern auch die Einsicht eingetragen hat, dass - im Vergleich etwa zu den Verdienstaussichten auf einer Amtsrichterstelle - im Querschnitt am freien Markt mehr zu verdienen ist, freilich abhängig von der individuellen Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Berufsträgers.
Drittens: Wieso überdies nur den von der DVU besonders ins Augenmerk genommenen privatwirtschaftlichen Berufsträgern das Risiko der Erfolglosigkeit ihrer Bewerbungsbemühungen im Hinblick auf das weitere berufliche Fortkommen in ihrem alten Betätigungsfeld abgenommen werden soll, bleibt unklar, kann aber auch dahingestellt bleiben; denn auch hierzu gibt es Regelungen im Brandenburgischen Richtergesetz; vergleichen Sie bitte die §§ 6a und 6b. Im Hinblick auf das erstrebte Antragsziel ist das schon jetzt ausreichend interessenwahrend.
Viertens: Ein Besetzungsproblem besteht nicht in dem im Antrag formulierten Sinne. Der Fokus der Problematisierung eines Besetzungsdefizits muss auf die insgesamt unzureichende Anzahl an Planstellen im Justizhaushalt gerichtet werden, und zwar nicht nur bei Richtern, sondern insgesamt in der Justiz.
Wir weisen Ihren Antrag zurück.
Herr Minister, ich habe zwei Nachfragen. In der OVG-Entscheidung ist eindeutig eine Bezugnahme auf bereits zu DDRZeiten an die zentrale Abwasserentsorgung angeschlossene Grundstücke enthalten, das heißt, eine sachliche Beitragspflicht für das noch zu DDR-Zeiten angeschlossene Grundstück usw. besteht. Was kann das Ministerium unternehmen, um das Missverständnis, das bei den Zweckverbänden anscheinend herrscht - Sie haben gesagt, dass es um Nachwende-Investitionen gehen soll -, gegenüber den Kommunalaufsichten und auch den Zweckverbänden eindeutig auszuräumen? Ich glaube nämlich, dass vor allem das die Gemüter der Bürger erregt, die zu DDR-Zeiten auf eigene Kosten und mit eigenem Material diese Anschlüsse hergestellt haben.
Zweitens: Sie haben gesagt, dass Sie eine Außervollzugsetzung der rechtlichen Vorschrift des KAG hier nicht als möglich erachten. Diese Auffassung teile ich. Aber es gibt offensichtlich eine offene rechtspolitische Diskussion: Der Innenausschuss wird eine Anhörung haben. Sie, Herr Minister, sprachen die Abstimmung zwischen den beiden Ministerien an. Ist Ihnen bekannt, dass Vertreter von Zweckverbänden öffentlich erklären, diese Beitragsbescheide für Altanschlüsse, also auch für DDR-Altanschlüsse, schnell und ohne Rücksicht auf landespolitische Diskussionen erlassen zu müssen? Was unternehmen Sie, um insoweit zumindest mäßigend auf diese Zweckverbän
de einzuwirken, sodass hier keine Fakten geschaffen werden, die dann in einem halben Jahr wieder zu korrigieren sind?
Frau Ministerin, wir sind ja scheinbar noch in der Entscheidungsfindungsphase. Unterstellt, es stimmt, was in der Zeitung steht, dass Sie den „Warnschuss-Arrest“ befürworten, frage ich Sie erstens: Meinen Sie nicht auch, dass das Geld für „Warnschuss-Arrest“-Plätze besser für kriminalpräventive Maßnahmen, für Jugendarbeit bzw. für ambulante Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz zu verwenden wäre, weil diese nur einen Bruchteil von stationären Kosten ausmachen und auch eine bessere Erfolgsbilanz besitzen?
Zweitens: Mit welchem Argument glauben Sie sich über rechtspolitische Bedenken hinwegsetzen zu können, dass der „Warnschuss-Arrest“ überwiegend sozial benachteiligte arbeitslose Jugendliche treffen dürfte und dass Arrest für Jugendliche in Ausbildung und Schule kontraproduktiv wäre, weil es eine Herauslösung aus ihrem sozialen Umfeld darstellte?
Herr Minister, die Frage nach der Fortführung des Streckenausbaus verkennt leider, dass die bislang als im Bau gekenn
zeichnete frühere Strecke RB 35 zwischen Bad Saarow und Beeskow komplett aus dem Streckenplan des VBB gestrichen wurde. Man glaubt wohl, dass der Schnellbus den Streckenausbau ersetzen könne. Das Aufdecken der Missstände verlangt aus meiner Sicht nach anderen Konsequenzen.
Ich frage deswegen erstens: Werden bei diesen horrenden Bruttoausgaben, die durch den Landesrechnungshof festgestellt wurden, haftungsrechtliche Ansprüche und Ersatzansprüche geprüft?
Zweitens: Bei aller Freude über die mögliche Fortführung der Strecke in Bad Saarow zwischen Bahnhof und Klinikum gibt es doch vor allem bei den Beeskowern Unverständnis darüber, dass der Streckenausbau vom Tisch ist.
Nicht immer ist der Busverkehr die attraktivere Alternative. Wir kennen den Schienen-Bonus und wissen, dass beim Bahnverkehr Fahrgäste in höherer Zahl prognostiziert werden. Ich frage deswegen zweitens: Sind Sie bereit, mit der Ostdeutschen Eisenbahn-Gesellschaft, dem Landkreis, den anliegenden Kommunen und dem VBB erneut in ergebnisoffene Gespräche über diese Bahnstrecke zu treten?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So glücklich die Europapolitikerinnen und -politiker dieser Tage sein können, so unglücklich müssten die Rechtspolitiker sein, weil wir mit unseren Themen immer an das Ende der Tagesordnung rücken; das ist keine Besonderheit. Dabei ist es doch ein recht spannendes Thema, weil es jeden Tag in der Zeitung steht. Die aktuellen Landtagswahlkämpfe haben es möglich gemacht, dass kaum ein Tag vergeht, an dem nicht Politikforderungen nach härteren Strafen, Erziehungscamps oder dem „Warnschuss-Arrest“ erhoben werden.
- Dazu komme ich noch, Herr Senftleben. - Auch im Land Brandenburg glauben vor allem CDU-Politiker, dass ein solches politisches Handeln notwendig sei.
Die Fraktion DIE LINKE lehnt jede Verschärfung des Jugendstrafrechts ab. Ich habe vernommen, dass, was unseren Antrag betrifft, die Meinung bestehe, er könne einem Denkverbot gleichkommen. Ich bin der Auffassung, dass es heute durchaus möglich ist, sich im Landtag zu den aktuellen Vorschlägen zu verhalten, Position zu beziehen und dass insofern nicht von einem Denkverbot gesprochen werden kann. Ich kann es kaum glauben, dass beispielsweise Sozialdemokraten hier noch Beratungsbedarf haben. Diese Blöße können Sie sich, so glaube ich, nicht geben, nachdem Ihre eigene Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen Mitunterstützer des Aufrufs „Hände weg vom Jugendstrafrecht!“ ist.
Die angeblich aktuellen Vorschläge sind - ich glaube, das wissen wir alle - in Wirklichkeit nicht neu; es sind alles alte Hüte. Man kann also auch die Entscheidungsfindung hierzu abkürzen.
Wenn Sie mir hier nicht glauben wollen, so folgen Sie doch wenigstens der Bundesregierung, die sich schon im März 2006 anlässlich der Einbringung eines Gesetzentwurfs durch den Bundesrat in den Deutschen Bundestag - es war die Drucksache 16/1027 - genau zu den Forderungen nach Fahrverbot, „Warnschuss-Arrest“, Ahndung von Straftaten Heranwachsender nach dem allgemeinen Strafrecht und Heraufsetzung der Höchststrafe nach dem Jugendstrafrecht von 10 auf 15 Jahre verhalten hat. Die Bundesregierung stellte fest, dass der Entwurf Regelungsvorschläge enthalte, die schon seit langem Gegenstand der politischen Diskussion seien, dass aber entsprechende Gesetzgebungsinitiativen nie Erfolg gehabt hätten. Die Vorschläge seien aus der Vergangenheit, stießen bis heute ganz überwiegend auf breite fachliche Kritik und seien deswegen als kontraproduktiv abzulehnen. Ferner führte die Bundesregierung aus, dass sich das geltende Jugendstrafrecht grundsätzlich bewährt habe und dass eine dauerhafte, tragfähige Änderung des Jugendstrafrechts in wesentlichen Punkten nur durch eine neue, solide empirische und kriminologische Untersuchung und Arbeit vorbereitet werden könne und ein breiter politischer Konsens gesucht werden müsse. Das alles sind Voraussetzungen, die 2006 nicht erfüllt waren, die 2007 nicht erfüllt wurden und die auch in der aktuellen Diskussion nicht erfüllt werden.
Ich meine also, wer bis jetzt keinen Standpunkt hatte, wird auch künftig keinen haben können. Die Sache ist also zu entscheiden.
Diese Debatte hat sich verselbstständigt, sie ist nicht immer sachlich gewesen. Wir als Fraktion wollen nun - dem dient unser Antrag -, dass diese Diskussion ein wenig versachlicht wird; denn die vorgeschlagenen Lösungen taugen aus unserer Sicht wenig. Ich hatte es angesprochen, die Mehrheit der Fachverbände und die Experten des Jugendstrafrechts halten diese Strafverschärfungen für ungeeignet, das Problem jugendlicher Kriminalität zu lösen. Wer nach dem „Warnschuss-Arrest“ und Ähnlichem ruft, gefährdet vielmehr erzielte Erfolge und schadet dem postulierten Anliegen.
Erst gestern habe ich in einer anderen Debatte zum Jugendgerichtsgesetz ausgeführt, was alles empirisch nicht belegt ist
bzw. was durch die empirische Forschung belegt werden kann, dass es nämlich keinen deutlichen Anstieg der Jugendgewaltkriminalität gibt, dass Jugendgewalt stagniert bzw. sogar rückläufig ist, dass schlimme Ausnahmetaten nicht Grund sein dürfen, generell das Jugendstrafrecht zu verschärfen, dass schwere Kriminalität immer noch Erwachsenen- und nicht Jugendkriminalität ist und dass es auch in der Praxis nicht umstritten ist, dass harte Strafen nicht von schweren Taten abschrecken können und auch die Rückfallquote nicht senken. Die Liste dieser weiteren Fakten ist lang, und sie ist sicherlich vielen unliebsam. Dennoch muss uns in den drei demokratischen Fraktionen, die wir in Brandenburg in politischer Verantwortung stehen, klar sein, dass Kriminalität und Gewalt in unserem Land, egal, wo sie auftritt, konsequent geahndet werden muss, egal, ob sie von Erwachsenen oder Jugendlichen, von Rechtsextremisten, von deutschen oder nichtdeutschen Straftätern ausgeübt wird. Dabei sind Parolen nicht tauglich; sie sind schädlich.
Hat Brandenburg ein Problem mit der Jugendkriminalität? Sicherlich nicht in dem Umfang und mit der Zielrichtung, wie es derzeit Äußerungen mancher Landespolitiker vermuten lassen. Ich verweise auf den Beitrag von Prof. Mitsch in der Zeitung „PNN“, der mehr Betreuung und nicht mehr Strafe fordert.
Wie hat sich die Jugendkriminalität in Brandenburg entwickelt? Die schriftliche Antwort der Landesregierung auf die gestrige mündliche Frage der Kollegin Lieske gestern lautete:
„Die polizeilichen und justiziellen statistischen Angaben für Brandenburg zeigen im Übrigen, dass die absolute Anzahl der jugendlichen und heranwachsenden Tatverdächtigen in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen und der prozentuale Anteil im Wesentlichen gleich geblieben ist. Für die Mehrheit der jugendlichen Straftäter stellt das Jugendgerichtsgesetz einen Maßnahmenkatalog zur Verfügung, der geeignet ist, sie durch erzieherischen Einfluss von weiteren delinquenten Auffälligkeiten abzuhalten.“
Wie passen dann die Vorschläge ins Bild, wenn es mehr als nur Wahlkampfgetöse sein soll? Experten lehnen diese alle Jahre wieder vorgetragenen Verschärfungsvorschläge ab. Jüngst haben sich mehr als 600 Richter, Staatsanwälte und Kriminologen in einer gemeinsamen Resolution gegen die Verschärfung des Jugendstrafrechts ausgesprochen.
Diese Vorschläge führen demnach zu einer höheren Rückfallquote. Diese ist bei einer Unterbringung in Bootcamps wie in den USA nicht geringer als bei einer Unterbringung im normalen Strafvollzug. Der Aufenthalt ist bei dem Gebrüll der Sergeants aber billiger für die US-Bundesstaaten. Auch die Bundesregierung kam 2006 zu dieser Erkenntnis, als sie den erwähnten Gesetzentwurf des Bundesrats abgelehnt hat.
Wenn ein Gericht zu der Überzeugung kommt, dass ein Straftäter wegen einer günstigen Sozialprognose zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen ist, dann frage ich mich wirklich, worin der Sinn besteht, ihn dann bis zu mehrere Wochen lang doch in den Arrest zu stecken. Erfolg hat man damit nicht, das belegen Statistiken. Konservatives Image hin oder her, es wird Zeit, dass dieser „Oldtimer der Hardliner“ da geparkt wird, wo er hingehört: im Museum.
Zu den Forderungen und Vorschlägen von Brandenburger Politikern empfehle ich einen Blick in die Analyse „Zur Entwick
lung der Gewaltkriminalität junger Menschen“ der Bundesinnenministerkoferenz. Dort heißt es für den Bund:
„Es sind derzeit keine gesicherten Aussagen möglich, ob die Jugendkriminalität in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg zeigt.“
Steigende Fallzahlen sind wohl durch eine erhöhte Anzeigebereitschaft zu erklären.
Meine Fraktion ist der Auffassung, dass Vorsicht vor diesen Schnellschüssen angebracht ist, die am Ende nur teuer werden. Selbst Großbritannien und die USA überdenken ihr Vorgehen im Jugendstrafvollzug, da Erfolge ausblieben. Lassen Sie uns also nicht in diese falsche Richtung gehen!
Notwendig ist, die Dauer der Jugendstrafverfahren - oder besser: deren Beginn - zu verändern. Noch wichtiger ist, dass die Strafe der Tat auf dem Fuße folgt. Wir hatten dazu in der Dezembersitzung des Landtags und in der Debatte im Rechtsausschuss einen entsprechenden Antrag eingebracht, um die Stellen bei den Staatsanwaltschaften aufzustocken. Sie haben diesen Antrag abgelehnt.
Das geltende Recht bietet nach Auffassung meiner Fraktion hinreichende Möglichkeiten, um ausreichend und angemessen auf die Straftaten junger Menschen zu reagieren. Dazu muss der Rechtsstaat mit den entsprechenden Mitteln - nicht den gesetzlichen, sondern den finanziellen Mitteln - ausgestaltet werden. Schärfere Gesetze laufen ins Leere, wenn bei Justiz und Jugendhilfe Personal gespart wird. Die Koalition in Brandenburg versucht, in diesem Bereich zu sparen. Die Debatte zu den neuen Stellen im Bereich des Jugendstrafvollzugs ist dabei nur eine Seite.
Also noch einmal: Strafverfahren müssen schnell durchgeführt und Strafen schnell vollzogen werden. Das Land Brandenburg ist bezüglich der Dauer von Jugendgerichtsverfahren nicht Spitze, und es gibt Bereiche, in denen das Land noch schlechter dasteht. Wenn auf die Kritik des OLG-Präsidenten Prof. Dr. Farke, dass in den Jugendgerichtsverfahren keine Zeit bleibe, um der Persönlichkeit des Jugendlichen gerecht zu werden, so abschätzig reagiert wird, wie es die Justizministerin und der Finanzminister taten, wird die Realität nicht wahrgenommen. Wer zulässt, dass die Arbeitsbelastung der brandenburgischen Staatanwälte 168 % beträgt, darf nicht verwundert sein, wenn staatsanwaltschaftliche Ermittlungen lange dauern und die Strafe der Tat eben nicht auf dem Fuße folgt. Bei weit zurückliegenden Taten hat eine Verurteilung nur noch wenig erzieherische Wirkung.
Der Bund der Strafvollzugsbediensteten hat Recht, wenn er feststellt, dass es durch Stellenabbau nicht mehr innere Sicherheit geben kann.
Nein, ich möchte zusammenhängend vortragen.
Es gibt auch die Möglichkeit, sich den Ursachen der Jugendkriminalität sinnvoll zuzuwenden: Prävention durch gleiche
Bildungschancen, integrative Jugendarbeit, eine konsequente Integrationspolitik, die eingliedert und nicht aussondern will.
Jugendkriminalität muss mit sozialer Integration begegnet werden. Deshalb hat meine Fraktion beantragt, die Kriminalpolitik des Landes der letzten Jahre auszuwerten. Erst wenn man weiß, wie sich Stellendefizite, Mittelkürzungen in der Jugend- und Sozialarbeit und im Vollzug sowie Einsparungen bei der Betreuung von Jugendlichen auf die Jugendkriminalität ausgewirkt haben, kann man politisch bestimmen, mit welchen Programmen junge Menschen tatsächlich positiv beeinflusst werden, um straffrei zu leben. Es kann nicht sein, dass man plant, „Warnschuss-Arrest“-Plätze zu finanzieren, während Geld für den Täter-Opfer-Ausgleich und soziale Trainingskurse fehlt. Abstriche bei ambulanten Maßnahmen, die kostengünstiger und wirkungsvoller sind als stationäre Arrestplätze, sind nicht zu akzeptieren. Das ist unserer Meinung nach die wirkliche Herausforderung, der wir uns stellen müssen. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Richstein, hätten Sie noch Gelegenheit, kurz zuzuhören? Wenn bei Ihnen Restzweifel geblieben sein sollten, dass meine Fraktion mit ihrem politischen Agieren und ihren Anträgen eine Politik verfolgt, nach der soziale Integration der beste Opferschutz ist, dann halte ich es für unlauter, wenn Sie meiner Fraktion heute hier vorwerfen, in diesem Bereich nicht die nötige Sensibilität zu entwickeln – das meiner Fraktion vorwerfen, die als einzige in diesem Haus zum Thema des Opferschutzes schon mit Anträgen aufgetreten ist,
meiner Fraktion, die sich im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen über Jahre konsequent für Opferhilfe und Opferberatung eingesetzt hat.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Kollegin Richstein, er
warten Sie eine persönliche Entschuldigung von mir für eine Straftat, mit der ich in keinem Zusammenhang stehe. Mir Betroffenheit abzusprechen ist jedenfalls Zynismus und ebenfalls unlauter.
Aber ich muss davor warnen - weil das auch zur Verantwortlichkeit in diesem Hause gehört -, Politik auf der Grundlage von wirklich schlimmen, verabscheuungswürdigen Einzelfällen zu betreiben, mit denen das Jugendstrafrecht in seinem System insgesamt infrage gestellt werden soll.
Ich bin der Auffassung, dass auch Sie in der CDU noch erkennen werden - wenn Sie die empirischen Belege, die etwas anderes besagen, nicht bringen können -, dass im Jugendstrafrecht die Wirksamkeit und nicht die Härte im Vordergrund zu stehen hat, weil es im Jugendstrafrecht um die Erziehung geht. Dazu sind entsprechende Vorschläge von uns unterbreitet worden.
Wenn Sie nach der Einordnung der Jugendgerichtshilfe fragen, dann fragen Sie bitte mich. Eine Publikation aus NordrheinWestfalen, die Sie zitiert haben, kenne ich nicht und werde ich auf dieser Grundlage auch nicht bewerten. Ich sage Ihnen aber Folgendes: Die Arbeit der Jugendgerichtshilfe in Brandenburg wird, wenn der „Warnschuss-Arrest“ eingeführt wird, konterkariert werden; denn eines ist klar: Bei einer Strafaussetzung auf Bewährung wird die Jugendgerichtshilfe mit Maßnahmen begleitend tätig. Wird der „Warnschuss-Arrest“ durchgesetzt und für einen Jugendlichen verhängt, dann werden diese Maßnahmen der Jugendgerichtshilfe, die angelaufen sind und auch schon Geld gekostet haben, abgebrochen werden – ohne Wirkung.
- Ja, ich bin gleich fertig.
Ein letzter Punkt in diesem Zusammenhang: Der Rechtsausschuss bemüht sich schon seit Monaten, Frostenwalde und Wriezen zu besuchen. Wenn ich in der Rechtspolitik des Lan
des und in der Verantwortung des Ministeriums eines festgestellt habe, dann ist es Folgendes: Solche Projekte werden in diesem Land grundsätzlich nie evaluiert.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist der Mühe nicht wert nachzusehen, wie oft schon die DVU diesen Vorstoß zur Abschaffung einer angeblichen strafrechtlichen Privilegierung von Heranwachsenden unternommen hat; Privilegierung - wie Kollege Holzschuher es schon sagte - nicht im juristischen Sinne, sondern umgangssprachlich gemeint.
Über den Status - das ist festzustellen - eines rechtsextremen Trittbrettfahrers ist die DVU nie hinausgekommen, und eine taugliche Lösung bietet sie auch nicht an. Das kann anhand ihrer eigenen Begründung belegt werden:
Sie sagen, die Rechtsanwendungspraxis habe sich seit 1953 tiefgreifend gewandelt. Das Jugendgerichtsgesetz habe kein zureichendes Instrumentarium, der Kriminalitätsentwicklung zu begegnen. Die Jugendgewalt nehme zu. Der Münchner Vorfall sei eine Zäsur in der rechtspolitischen Diskussion, und das Jugendstrafrecht werde in den Ländern zu unterschiedlich angewandt, wobei die Anwendung des JGG auf Heranwachsende ohnehin sachlich wie rechtspolitisch fragwürdig sei. Schließlich laufe diese Anwendungspraxis den Grundsätzen der Generalprävention zuwider.
Was ist von diesen scheinbaren Argumenten zu halten? - Gar nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen; ganz und gar nichts.
Erstens: Nicht das JGG ist antiquiert, sondern Ihr Vorschlag, Heranwachsende nach dem Erwachsenenstrafrecht zu bestrafen. Prof. Ostendorf qualifiziert solche Vorschläge nicht von ungefähr als Ohrfeige für die jugendstrafrechtliche Praxis. Vorschläge dieser Art gehen hinter den kriminologischen Forschungsstand von 1953 zurück. Weil das so ist, blenden Sie aus, dass die Fachwelt
- sicherlich, Herr Schulze - tagesaktuell seit Jahren umgekehrt eine generelle Bestrafung bis zum Alter von 25 Jahren nach dem Jugendstrafrecht fordert. Denn das Jugendstrafrecht ist nicht milder - auch darauf hat Kollege Holzschuher hingewiesen -, sondern hat das bessere und flexiblere Sanktionsspektrum. Es kennt mehr als Geld- oder Freiheitsstrafe und kann daher sinnvoller reagieren.
Zweitens: Die empirische Sozialforschung belegt - vergleichen Sie hierzu unter anderem die periodischen Sicherheitsberichte der Bundesregierung -: Das überproportional häufige Auffallen junger Menschen als Straftäter ist keine Besonderheit der Gegenwart, sondern wurde in jeder Generation beobachtet. Schwere Kriminalität ist Erwachsenen-, nicht Jugendkriminalität. Jugendgewalt stagniert und geht grundsätzlich zurück. Schwere Strafen schrecken nicht ab. Freiheitsentzug senkt die Rückfälligkeitsrate nicht. Kriminelle Karrieren werden durch frühe Bestrafung stabilisiert. Der Ausstieg aus kriminellen Karrieren gelingt eher durch soziale Teilhabe. Das ist also der wirksame Opferschutz.
Das Jugendstrafrecht hat sich insgesamt bewährt. Andere empirische Belege haben Sie hier heute nicht vorlegen können.
Drittens: Eine länderweise unterschiedliche Praxis der Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende gibt es in der Tat. In Brandenburg - diese Zahlen haben Sie bewusst wegge
lassen - ist der Leidensdruck offensichtlich nicht so groß; denn die Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht betrifft seit Jahren konstant 7 von 10 Heranwachsenden.
Für alle Zahlen gibt es Gründe, Gründe für Gutachter, Reifeverzögerungen zu diagnostizieren, Gründe für Richter, das Jugendstrafrecht anzuwenden, Gründe für den Bundesgerichtshof, wiederholt zu entscheiden, dass im Zweifel dem Jugendstrafrecht der Vorzug zu geben ist.
Viertens: Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Ihr regelmäßiges Generalpräventionsgeschwafel hier gerade nicht passt und systemwidrig ist. Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden: Eine Abschreckung anderer ist im Jugendstrafrecht nicht erlaubt. Auch bei Heranwachsenden ist auf die Generalprävention zu verzichten, weil es um eine jugendadäquate Individualprävention, also um Erziehung, geht.
Aus diesen Gründen ist Ihr Antrag abzulehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Einzelplan 04 für das Ministerium der Justiz aufgerufen wird, kann die Debatte meines Erachtens nicht ohne eine grundsätzliche Kritik eröffnet werden. Was das Justizministerium mit diesem Einzelplan dem Parlament weiszumachen versucht, stimmt mit der Realität der Justiz in diesem Land nur noch bedingt überein.
Doch zuerst: Ehre, wem Ehre gebührt! Nachdem es die Fraktion DIE LINKE in allen vergangenen Haushaltsberatungen gefordert und beantragt hat, haben Sie nun doch noch die freiwillige Förderung des Vereins der Schiedsmänner und -frauen wieder in den Haushalt eingestellt. Das zeigt uns, dass wir als Opposition zumindest in Teilen erfolgreich sind. Das war auch schon der Lichtblick in diesem Einzelplan.
Ansonsten ist zu diesem Haushalt festzustellen, dass die dritte Gewalt nicht die erforderlichen und notwendigen Mittel für ihre Funktionstüchtigkeit und -fähigkeit erhält. Der Haushalt in diesem Bereich ist von Personalabbau gekennzeichnet, der mit dem Finanzministerium vereinbart worden ist. Dieser findet zwar in den Haushaltsjahren 2008 und 2009 noch nicht dramatisch statt; dennoch besteht angesichts der eindeutigen Weichenstellung ab dem Jahr 2010 endgültig Grund zur Sorge.
Gerichte und Staatsanwaltschaften sind - das wissen Sie spätestens seit der Beantwortung der Großen Anfrage meiner Fraktion zur Situation der Justiz - in weiten Teilen an der Grenze der zumutbaren Belastbarkeit angekommen. Das ist nicht nur eine Problematik für die Beschäftigten der Justiz, sondern auch schädlich für den verfassungsrechtlich verbürgten Justizgewähranspruch des Bürgers.
Die Antwort der Landesregierung hat belegt, dass der Personalmangel seit Jahren eklatant ist. Die Arbeitsbelastung bei den Staatsanwaltschaften ist mit 126 % bei den Staatsanwälten und 168 % im gehobenen Dienst nicht mehr erträglich. Die Verfahrenslaufzeiten an den Brandenburger Gerichten sind im Bundesvergleich sehr lang. Viele Brandenburger Gerichte halten die rote Laterne des Schlusslichtes seit Jahren in der Hand.
Frau Ministerin, wenn der Präsident des Oberlandesgerichtes öffentlich äußert, dass die Personalausstattung im Bereich des Jugendstrafrechts nicht ausreichend sei, dann ist es keine Lösung, wenn Sie ihm entgegnen, dass es bei den Jugendstaatsanwälten noch schlimmer aussehe. Sie sind gefordert, die Ausstattung zu verbessern.
Stattdessen werden immer weitere Pensenberechnungssysteme erfunden. Für ein normales Jugendgerichtsverfahren hat ein Richter nach dem heutigen Pensenschlüssel so viel Zeit wie für ein beschleunigtes Verfahren. Jede Zeugenvernehmung bringt unweigerlich das vorgesehene Zeitpensum durcheinander. Wenn solche Berechnungssysteme aufgestellt werden, stellt sich die Frage, weshalb die ermittelten Personalstellen nicht auch besetzt werden.
In der sozialen Gerichtsbarkeit ist ein Bedarf von 118 Stellen festgestellt worden; besetzt sind 87 Stellen. Die Reaktionen im Bereich der Justiz laufen darauf hinaus, den Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger immer mehr infrage zu stellen, um in diesem Bereich Kosten zu sparen. Da scheut doch die Ministerin nicht davor zurück, die hohen Eingangszahlen von Verfahren am Sozialgericht Potsdam mit einer Mentalität von gut informierten und großstädtisch geprägten Menschen, die um ihr in Klammern: auch vermeintliches - Recht kämpfen, zu erklären. Dass das mit einer handwerklich schlechten und ungerechten Sozialgesetzgebung zu tun haben könnte, kommt Ihnen dabei nicht in den Sinn.
Stattdessen wird auf Bundesebene versucht, den Zugang zu den Gerichten weiter zu erschweren und vom Portemonnaie der Bürger abhängig zu machen. Das Ministerium versucht, mit der Schließung von Amtsgerichten angeblich der demografischen Entwicklung entgegenzuwirken. Tatsächlich ist das aber nur der scheinbar gefundene Schlüssel zur Abfederung der Folgen von Personalreduzierungen nach außen.
Nach Auffassung der LINKEN ist das der falsche Weg. Immer weniger Personal an immer weniger Justizstandorten bedeutet
keine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit der Justiz. Die erhofften Einsparungen werden Sie nicht erzielen.
Ich hoffe auch, dass das von Ihnen bemühte Argument vieler in Elternzeit befindlicher Richter und Staatsanwälte für die Begründung eines besonderen, nicht ausgleichbaren Personalmangels nicht taugt; denn die Zahlen sind seit Jahren fast konstant.
Die steigende Zahl der Verfahren an den Sozialgerichten, immer mehr Insolvenzverfahren und das seit August geltende Opferrentengesetz stellen immer neue Herausforderungen dar, denen die Landesregierung nicht ausreichend und frühzeitig begegnet. Stattdessen setzte man sich kleinkariert mit der Frage auseinander, wer für die Auszahlung der Opferrente zuständig sei. Darüber vergaß die Landesregierung beinahe die Bearbeitung der Anträge. Bei Aufstellung des Haushaltes hatten Sie die Bereitstellung von Haushaltsmitteln angeblich nicht vorhersehen können.
Entschuldigen Sie, Frau Ministerin! Seit dem 28. August 2007 ist dieses Gesetz in Kraft, beschlossen am 6. Juli 2007 durch den Bundestag und begrüßt durch Sie per Presseerklärung. Vorher hatte der Bundesgesetzgeber über viele Wochen beraten. Die Überraschung kann doch nur gespielt sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um diese geschilderte akute Notlage vor allem im Personalbereich etwas zu mildern, hat die Fraktion DIE LINKE zwei Haushaltsanträge zur Verbesserung der Personalsituation bei den Staatsanwaltschaften und bei den Bediensteten im Strafvollzug eingebracht. Darüber hinaus fordert DIE LINKE zur Verbesserung der personellen Ausstattung der Justiz wiederholt ein Personalentwicklungskonzept des Ministeriums, das im Zweifel gegen den Finanzminister durchzusetzen ist, weil endlich die richtigen Fachargumente gebracht und die politische Unterstützung des Parlaments organisiert werden. Sonst läuft die Justiz im Land Gefahr, ihre Aufgaben nicht meistern zu können.
Der sich abzeichnende Personalmangel und die Altersproblematik in allen Bereichen der Justiz erfordern Ausbildung und Neueinstellungen. Ihre Vorstellung, dass man mit den Einstellungsanforderungen in der Justiz heruntergehen müsse, ist nicht unsere. Soll es so sein, dass es keinen Anspruch auf einen guten Richter, sondern lediglich auf den gesetzlichen geben soll? Frau Ministerin, wenn das tatsächlich Ihre Vorstellung vom Stellenwert der Justiz in unserem Land ist, wird es Zeit, dass ein anderer Geist Einzug erhält. Eine solche Politik wäre bewusst kalkulierter Verfassungsbruch.
Frau Ministerin Blechinger, Ihre Art und Weise, das Ministerium nach allen Seiten hin moderierend und unverbindlich zu leiten, kann ich mit Blick auf Ihre persönliche Situation nachvollziehen. Wer aber so abhängig von den Fachkenntnissen des eigenen Hauses ist, sollte vorgetragene fachliche Bedenken und Aspekte berücksichtigen und doppelt so aufmerksam sein, um nicht Spielball hausinterner Auseinandersetzungen zu werden.
Dass Sie als Ministerin vorführbar sind, ist mehr als einmal zu belegen. Ein beredtes Beispiel dafür sind die Schließungspläne für Gerichtsstandorte im Land und der Umgang damit. Diese Standorte und die Mitarbeiter haben Sie in einer beinahe drei
jährigen Prüf- und Berichtsphase verunsichert. Herausgekommen ist, wie es nicht weiter verwundern kann, ein Rumpfkonzept, bei dem Standorte zusammengelegt werden sollen, um weniger Gerichtsvorgänge mit weniger Mitarbeitern bearbeiten zu können.
Der Neubau der Gerichtsstandorte und ihre Ausstattung mit Räumen lässt zudem das Schlimmste erwarten. Mit Handlungsstärke und Sachkenntnis hätte das schäbige Gezerre hierzu unbedingt beendet werden müssen. Überraschenderweise mussten Sie später, mitten in der Prüfung - da waren alle Pferde schon scheu gemacht -, einsehen, dass Bundesrecht die Bildung eines landesweiten zentralen Grundbuchamtes nicht erlaubt. So etwas kann und muss vorher abgeklärt sein. Das war peinlich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Personalabbau im Justizvollzug wird erhebliche Auswirkungen ab 2010 zeigen. Die Zahl der Selbsttötungen in den brandenburgischen Vollzugsanstalten hat in diesem Jahr stark zugenommen. Auch wenn dies nicht allein die Erklärung oder die Ursache ist, ist es allemal ein deutlicher Warnhinweis. Da Sie offenbar nicht die Kraft besitzen, in der Justizpolitik umzusteuern, weil Sie keinen adäquaten Haushalt vorgelegt haben, lehnen wir ihn in dieser Form ab. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Woher die DVU als demokratiefeindliche Partei glaubt,
eine Berechtigung dafür herleiten zu können, sich als Fürsprecher von Opfern aufzuspielen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Nur Ihre fehlende Legitimation korrespondiert mit Ihrer wiederholt feststellbaren Inkompetenz, sinnvolle Anträge im Einklang mit den gesetzlichen Grundlagen zu stellen.
Ihr Antrag ist nicht neu, sondern nach sechs Jahren ein neuer Aufguss der Drucksache 3/2987. Ich kann es daher kurz machen; denn alle Argumente sind bekannt. Sollte es einen Landesbeauftragten geben, so wäre die Verwahrung und Sicherung der Akten dennoch in der Zuständigkeit des Bundesbeauftragten angesiedelt. Das ist Bundesrecht, und das begreifen Sie einfach nicht. Statt einer Beratungsstelle eines Landesbeauftragten gibt es bereits seit Jahren drei Außenstellen des Bundesbeauftragten im Land Brandenburg: in Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam.
Es geht, wenn überhaupt, beim Opferschutz um eine umfassende Verbesserung der Rechte aller Opfer - nicht einzelner Gruppen - durch Informations- und Hinweispflichten staatlicher Stellen. Hierzu hat die Fraktion DIE LINKE mit dem Antrag in der Drucksache 4/4450 ein Angebot unterbreitet.
Schließlich sei auf aktuelle Publikationen der Landeszentrale für politische Bildung des Landes Brandenburg verwiesen. Ich nenne beispielhaft die Titel „Zersetzen“, „Jugend im Visier der Stasi“ und „Mit tschekistischem Gruß“, die kostenlos an Bürgerinnen und Bürger abgegeben werden. Aufklärungsarbeit wird zweifellos geleistet. - Wir lehnen Ihren Antrag ab.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegen Gewalt an und Vernachlässigung von Kindern muss alles getan werden. Uns treibt die Sorge um, für das Wohl der Kinder gemeinsam Maßnahmen zum verbesserten Schutz gefährdeter Kinder zu finden. Auf Bundesebene wird der bereits besprochene Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls beraten. Im Wesentlichen ist dieser Gesetzentwurf aus Sicht der LINKEN begrüßenswert und auch zustimmungsfähig; denn er rückt das Problem nicht ausreichend miteinander kooperierender Institutionen wieder mehr ins Blickfeld der Politik. Wir wissen aber auch, dass Gesetze einzelne tragische Fälle von Versagen von Ämtern und Gerichten leider auch künftig nicht verhindern können.
In dem Entwurf der Bundesregierung sind Vorgaben an die Justiz zur beschleunigten Durchführung bestimmter Verfahren sowie weitere Vorgaben, die zu einem Mehraufwand bei den Familiengerichten und bei den Jugendämtern führen werden, enthalten. So sollen Verfahren, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls beschleunigt durchgeführt werden. Konkret soll in solchen Verfahren spätestens binnen eines Monats ein Erörterungsgespräch stattfinden. Zudem soll das Familiengericht im Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls unverzüglich den Erlass einer einstweiligen Anordnung prüfen. Die Voraussetzungen zum Eingriff des Familiengerichts bei der Gefährdung des Kindeswohls sollen erleichtert werden, und das Familiengericht wird zur Überprüfung ablehnender Entscheidungen binnen drei Monaten, wenn es um eine Gefährdung des Kindeswohls geht, verpflichtet.
Die Vorschläge stellen allerdings weitgehend in der Tat nur eine Präzisierung der geltenden Rechtslage dar, beklagte beispielsweise der Deutsche Richterbund. Das kann nicht scha
den, doch entgegen der Überschrift findet sich im Gesetzentwurf kaum eine Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdung. Das ist auch nicht verwunderlich, da die Intensivierung des Schutzes gefährdeter Kinder eben kein Problem der Rechtsetzung, sondern der Rechtsanwendung ist. Ich kenne keinen Familienrichter, dem die Beschleunigung der Sorge- und Umgangsrechtsverfahren nicht am Herzen läge. Nur schnelle Entscheidungen können das Kind effektiv schützen. Das Vorrang- und Beschleunigungsgebot macht also nur Sinn, wenn auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden. Die Kürzung von Personal- und Sachmitteln bei den Gerichten, aber auch bei anderen für den Jugendschutz verantwortlichen Stellen ist sicher nicht geeignet, die Interessen der Kinder besser zu schützen. Das ist das Problem. Die Umsetzung der gewollten neuen gesetzlichen Vorgaben wird nicht zum Nulltarif zu haben sein.
Das Bundesjustizministerium weist in dem Entwurf darauf hin, dass die vorgenannten Verfahren vorrangig und notfalls auf Kosten anderer Verfahren durchzuführen sind. Was das bedeutet, ist uns Rechtspolitikern aus Strafverfahren bekannt. Dort führte das Beschleunigungsgebot bei Haftsachen dazu, dass andere Strafsachen bis zum Termin länger liegen blieben. Es reicht eben nicht, den Mangel nur zu verteilen.
Die neuen gesetzlichen Regelungen dürfen nicht dazu führen, dass Verfahren, in denen es nicht unmittelbar um den Schutz des Kindes und um dessen Belange geht, nicht mehr in angemessener Zeit erledigt werden können. Auch hier haben die Parteien ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht, dass auch Scheidungsverfahren nicht verzögert werden und dass auch in Unterhaltsverfahren eine zeitnahe Lösung gefunden wird; denn das dient ebenfalls dem Kindeswohl.
Niemand im politischen Raum soll also später sagen dürfen, er habe nicht gewusst, dass Familiengerichte mit diesem Entwurf auch mit den neuen Aufgaben der Erziehungsberatung, die nicht zur Kernaufgabe justizieller Tätigkeit gehören, betraut werden und so neue Tätigkeitsfelder für die Justiz gesucht wurden, Tätigkeitsfelder, für die die Richter nicht aus- und fortgebildet sind und die uns etwas kosten werden. Wobei klar sein muss, dass Familiengerichte Maßnahmen der Familien- und Jugendhilfe nicht ersetzen können. Die Aufgaben der Jugendhilfe und der Familiengerichte müssen klar abgegrenzt bleiben.
Von der Landesregierung erwartet DIE LINKE, dass sie vorlegt, wie die geplanten Vorschläge im Land organisatorisch, fachlich und personell umgesetzt werden sollen. Ansonsten, Frau Ministerin Blechinger, Herr Minister Speer, sind das Vorstellungen, die Erwartungen wecken, die dann nicht erfüllt werden. Wir müssen verhindern, dass die Reform in dem Gesetzentwurf lediglich zu programmatischen Absichtserklärungen verkommt. Schon jetzt arbeiten die Amtsgerichte, bei denen die Familiengerichte angesiedelt sind, mit einer Mangelquote richterlicher Überbelastung. Ziehen wir also daraus Konsequenzen; denn schon heute kommen wir in Brandenburg der Justizgewährungspflicht nur unzureichend nach. Sonstige Familienverfahren vor brandenburgischen Amtsgerichten dauerten in den letzten Jahren durchschnittlich acht bis elf Monate. Das waren stets noch zwei Monate über dem Bundesdurchschnitt. Legen Sie also vor dem Landtag dar, wie Sie mit welchem Personal die Familien- und Sorgerechtsverfahrenzeiten in Brandenburg verkürzen wollen, sonst bleiben wir von den Ansprüchen des Gesetzentwurfes weit entfernt. Nicht alle Proble
me können allein durch Kooperation von Jugendhilfe, Schule, Gesundheit, Justiz und Polizei gelöst werden.
Ich habe noch eine Bitte an den Kollegen Werner, an die CDUFraktion und an Frau Ministerin Blechinger. Verquicken Sie bitte nicht länger diese wichtige Debatte zum Schutz von Kindern mit der Forderung nach vermehrter geschlossener Unterbringung verhaltensauffälliger krimineller Jugendlicher. Verhaltensauffällige und missbrauchte Kinder gehören so nicht zusammen behandelt. Sie wissen, die Expertenkommission stellte fest, dass es so gut wie keine Befunde über die positive und negative Wirkung einer geschlossenen Unterbringung gibt, und sich deshalb keine Kriterien einer Indikation angeben lassen; dass die zehn Bundesländer, die keine geschlossenen Heime haben, die Unterbringungsmöglichkeiten in anderen Bundesländern sehr viel weniger Anspruch nehmen - erst das Angebot hat also die Nachfrage geschaffen -; dass die geschlossene Unterbringung nicht zu strafrechtlichen Sanktionszwecken missbraucht werden darf, weil sie eine Maßnahme bei Kindeswohlgefährdung ist; und dass sich die Grenze zwischen offener und geschlossener Unterbringung in der Praxis deutlich relativiert hat. Äußerungen, dass es zu wenige geschlossene Heime gebe oder dass man mehr Kinder in Heime einweisen müsse, sind nicht zielführend.
Frau Ministerin Blechinger, wir als Fraktion DIE LINKE sehen, dass Sie sich leidenschaftlich für den Kinderschutz engagieren. Aber man darf nicht sporadisch, sondern muss vorausschauend handeln. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, an dem Sie mitgewirkt haben, gleicht konzeptionell einem lehrreichen, guten Bilderbuch. Bemerken Sie bitte, dass in diesem Bilderbuch jede zweite Seite fehlt, und dass wir das, gerade weil uns allen der Kinderschutz am Herzen liegt, so nicht hinnehmen können. - Ich danke Ihnen.
Im Deutschen Bundestag wird derzeit ein Gesetzentwurf zur nachträglichen Sicherungsverwahrung von zur Tatzeit jugendlichen Straftätern behandelt. Damit wird beabsichtigt, die nachträgliche Sicherungsverwahrung auf diese Tätergruppe auszuweiten.
Ich frage die Landesregierung: Welche Auffassung vertritt sie zum Vorschlag einer nachträglichen Sicherungsverwahrung jugendlicher Straftäter?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, dass die bereits hier im Saal Sitzenden den aufmerksameren Teil des Publikums darstellen,
aber dass dies der Behandlung der Sache keinen Abbruch tut.
Schon beim letzten Mal gab es die Kritik, dass dies möglicherweise kein geeignetes Thema für grundsätzliche Erwägungen ist. Nur, Kollege Holzschuher, heute, vor der 2. Lesung, hatten wir noch einmal Gelegenheit, das Protokoll der ersten Debatte nachzulesen. Ich bin in der Tat davon überzeugt, dass es hier angesichts der aus meiner Sicht immer noch grundlegend berechtigten Kritik Missverständnisse gab.
Ich habe wiederum kein Verständnis für eine Auffassung, wonach man sich den Amtsanwälten nicht inhaltlich zuwenden sollte. Wer weiterhin die zentrale Ausbildung des Amtsanwaltsdienstes anstrebt, der sollte damit natürlich auch etwas bezwecken. Die Möglichkeit der Ausbildung durch das Land Brandenburg wird nicht genutzt. Es stellt sich also die Frage: Wem nützt es? Dem Land Brandenburg, so hört man, würde die Einrichtung eines eigenen Studiengangs wahrscheinlich teurer kommen als diese nun erneut vereinbarte zentrale Ausbildung
durch das Land Nordrhein-Westfalen. Aber es ist Sache der Koalitionsfraktionen, das Agieren der eigenen Landesregierung als alternativlos darzustellen. Ich habe mir abgewöhnt, solche Beschwörungen zu glauben. Nie ist etwas alternativlos in der Politik.
Insofern, Frau Ministerin, wiederholen wir hier unsere Kritik aus der 1. Lesung. In der Gesetzesvorlage kann das Parlament sehr wohl erwarten, dass auf die zu erwartenden Kostensteigerungen und ihren Umfang hingewiesen wird - ein Problem, das nicht nur diesen Gesetzentwurf kennzeichnet.
Die Tätigkeit der derzeit 36 Amtsanwältinnen und Amtsanwälte im Land Brandenburg ist durchaus schwierig. In den Staatsanwaltschaften des Landes leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der sogenannten leichten Kriminalität. Das betrifft Trunkenheitsdelikte, Hausfriedensbruch und leichtere Vermögensdelikte. So tragen sie einen Großteil der Aktenberge der Staatsanwaltschaften ab. Seit einiger Zeit werden solche Verfahren vorrangig im beschleunigten Verfahren verhandelt. Damit besteht die Gefahr, dass man beabsichtigt, den Amtsanwälten vermehrt andere Deliktgruppen zuzuteilen.
Wir warnen die Landesregierung, die Deliktfelder für die Amtsanwälte auf die Fälle schwerer Kriminalität auszuweiten, wie es andere Bundesländer bereits vormachen. Bei diesen schwierigeren Delikten ist eine lange und fundierte Ausbildung erforderlich, und damit steht und fällt auch die Qualität der Rechtsprechung; denn das Gericht kann nur so gut urteilen, wie die Staatsanwaltschaft vorher ermittelt hat und plädiert.
Die Verlängerung der theoretischen Ausbildung von vier auf sechs Monate bei entsprechender Verkürzung des praktischen Teils stellt keine wirkliche Verlängerung und Verbesserung der Ausbildung dar. Der Einsatz von Amtsanwälten bei Fällen der schweren Kriminalität wird sich auf Dauer nicht wirklich rentieren. Insofern wird meine Fraktion dem Gesetz zum Staatsvertrag heute nicht im Wege stehen. Einer Ausweitung der Tätigkeit der Amtsanwältinnen und Amtsanwälte zur Haushaltskonsolidierung werden wir jedoch eine Absage erteilen. Die rechtspolitischen Rahmenbedingungen und den künftigen Einsatz von Amtsanwälten gilt es abzustecken, unabhängig von diesem Staatsvertrag. Das fordern wir bei Gelegenheit dieser Debatte ein. Es lohnt eben doch, und der Gesamtüberblick durch die Große Anfrage zur Situation der Justiz zwingt es uns geradezu auf, sich auch scheinbar weniger bedeutsamen Justizthemen zu widmen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion DIE LINKE stellte - übrigens ein einmaliger Vorgang in vier Wahlperioden - eine Große Anfrage zur Situation der Justiz im Land Brandenburg, um für das Parlament und die inter
essierte Öffentlichkeit einen präzisen, aktuellen und umfassenden Gesamtüberblick zu diesem wichtigen Themenfeld der Landespolitik zu erhalten. Wir erwarten, dass die Beantwortung dieser Großen Anfrage Ausgangspunkt und Grundlage für die notwendigen und fruchtbaren Diskussionen der aktuellen und zukünftigen Justizpolitik wird.
Ich weiß, dass die Verpflichtung der Landesregierung, parlamentarische Anfragen zu beantworten, ernst genommen wird. Die Regierung geht dabei ein Risiko ein: Sie muss sich in die Karten schauen lassen und verliert eventuell die Möglichkeit, zu bluffen. Aber Demokratie ist eben nicht weniger riskant, als mit offenen Karten zu spielen. Dass auf einzelne Fragen abschweifend oder unvollständig geantwortet wird, kann passieren. Jedoch kann nicht hingenommen werden, dass mehr als die Hälfte der Fragen der Großen Anfrage derart verplaudert beantwortet werden, dass wir unsere Nachfragen sofort als eine neue Große Anfrage einreichen könnten, ohne sie umschreiben zu müssen.
Große Teile der Beantwortung lesen sich wie Essays, zu denen man sich von der Fragestellung allenfalls hat inspirieren lassen. Andere Teile ergehen sich weitschweifig in Themen, nach denen gar nicht gefragt wurde. Wieder andere Teile räumen zwar redselig komplettes Nichtwissen zu den erfragten Sachverhalten ein, jedoch bleibt völlig unklar, warum man dann die Große Anfrage nicht zum Anlass nahm, sich das nötige Wissen in wichtigen Bereichen endlich zu verschaffen. An einigen Stellen entwertete die Landesregierung das parlamentarische Fragerecht zu einer Gelegenheit peinlicher Selbstdarstellung. Schließlich kann man in der Beantwortung nicht selten auf ein und derselben Seite in sich Widersprüchliches lesen.
Für all das möchte ich Ihnen im Folgenden einige Beispiele liefern. Mit unserer Frage 41 erfragten wir den konkreten Nutzen der justiziellen Zusammenarbeit des Landes Brandenburg mit dem Land Berlin. Wir taten dies, weil die Schaffung gemeinsamer Justizeinrichtungen immer mit dem Versprechen der Effektivierung der Aufgabenerledigung einherging. Wir wussten um Softwareprobleme, um nicht rechtzeitig kündbare Mietverträge, um Personalübernahmefragen und um die Abneigung, ein gemeinsames Gericht in Cottbus zu errichten. Unter „Effektivierung“ versteht man bekanntlich die Schaffung eines günstigeren Verhältnisses zwischen geleistetem Aufwand und erlangtem Nutzen. Das ist dann auch bezifferbar.
Ich gebe Ihnen nun die Antworten der Landesregierung auf unsere Frage nach dem konkreten Nutzen der justiziellen Fusion wider: Der Erfahrungsaustausch sei jetzt viel intensiver. Die räumliche Nähe zwischen den Richtern sei gefördert worden. Man gewinne vermehrt gegenseitige Denkanstöße. Die beruflichen Perspektiven der Mitarbeiter seien infolge der Fusion irgendwie erweitert. - Hätten Sie ein frisch verliebtes jugendliches Pärchen nach dem Zweck und dem Nutzen ihrer neuen Beziehung gefragt, sie hätten vermutlich ähnlich geantwortet: intensiver, näher, Denkanstöße usw. usf.
Am Ende dieser recht lyrischen Beantwortung findet sich dann endlich doch ein Ansatz zu mehr Pragmatik. Es heißt, das neu geschaffene Zentrale Mahngericht Berlin-Brandenburg sei für Brandenburg von Vorteil, weil die Kosten des Mahnverfahrens im Wege der Automatisierung gesunken seien und das Verfahren habe beschleunigt werden können. Zum Zentralen Mahngericht und seinem Nutzen für Brandenburg hatten wir uns
auch mit den Fragen 7 b und 8 erkundigt. Die Antworten der Landesregierung verwundern. Demnach wird die durchschnittliche Verfahrensdauer in Mahnsachen statistisch gar nicht erfasst. Lediglich eine Stichprobenerhebung liege vor. Man habe daraus für Brandenburg eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer von neun Tagen errechnet. Auch ich verfüge über eine Stichprobe. Der Mahnantrag eines Freundes von mir wurde am Zentralen Mahngericht Wedding erst nach zwei Wochen bearbeitet, obwohl er fehlerfrei ausgefüllt war und auch nicht moniert wurde.
Die gegebene Fehleranfälligkeit des automatisierten Mahnverfahrens untersuchten wir mit unserer Frage 8 nach der Entwicklung der Zahl der Monierungen seit dem Jahr 2000. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Computer denken und lesen bekanntlich nicht, sondern sie identifizieren die Zeichenfolgen auf einem Mahnantrag nach einer festen Zeichenmatrix. Die Formulare, die diese Prozedur nicht bestehen, werden entweder sofort in die Monierung gegeben, oder ein Mensch liest sie nachträglich. Letzteres wäre natürlich keine Zeitersparnis, und damit wäre gar nichts gewonnen. Über den zweiten Fall kann die Landesregierung natürlich keine Anhaltspunkte liefern, wenn sie schon die durchschnittliche Verfahrensdauer nicht kennt. Sicherheitshalber fragten wir daher für den ersten Fall nach der Entwicklung der Zahl der Monierungen. Doch auch dazu wusste die Landesregierung nichts zu sagen. Die Zahl der Monierungen werde nicht erfasst, hieß es. Das bedeutet, dieselbe Maschine, die einen Bogen als unleserlich wertet, zählt dieses schlichte Ereignis nicht einmal als mögliche Monierung.
Nun fügen Sie einmal die spärlichen Fakten zusammen. Die Landesregierung sagt, die durchschnittliche Bearbeitungsdauer am Zentralen Mahngericht habe zu Berliner Zeiten vor der Zusammenlegung oft nur einen Tag betragen, und das sei doch prima. Wie viele der taggenauen Formulare als unleserlich herausfliegen, wisse man aber leider nicht. Das finde ich überhaupt nicht prima, und das weist auch mitnichten den behaupteten Nutzen der gemeinsamen Justizeinrichtung Mahngericht nach.
Vorsichtshalber fragten wir auch nach der Datengrundlage für die Grundbuchsachen. Sie wissen, hier ist eine zentrale Einrichtung für Brandenburg in Form eines vom Kabinett beschlossenen Pilotprojekts in Wünsdorf in der Diskussion. Zu unserer Frage 9 hieß es, die durchschnittliche Verfahrensdauer in Grundbuchsachen werde nicht erfasst. Erfasst würden lediglich die Eingänge und Erledigungen in Grundbuchsachen. Ich frage mich besorgt, ob es eigentlich besonders viel Aufwand verursacht hätte, aus den erfassten Eingängen und Erledigungen eine Antwort auf unsere Frage zu errechnen; denn sicherlich werden Ein- und Ausgänge mit einem Datum versehen. Von da an ist der Schritt zur Errechnung einer durchschnittlichen Verfahrensdauer nicht mehr allzu groß.
Mit unserer Frage 17 erkundigten wir uns nach den Maßnahmen der Brandenburger Landesregierung zur Entlastung der Justiz. Die Landesregierung begriff auch diese Frage als eine Bühne für eine überaus peinliche Selbstdarstellung. Heldenhaft streite sie im Bund für die Entlastung der Richter, Staatsanwälte und Beschäftigten in der Justiz. Diese Darstellung macht über die Hälfte des Antworttextes aus.
Zu den landesinternen Bemühungen um Entlastungen aber be
mühte man sich in der Antwort gezielt um Auslassungen. Keine Zeile gibt es bezüglich des Erfolgs bzw. der Bewertung eines echten Pilotprojekts am Landgericht Frankfurt (Oder) zur elektronischen Klageeinreichung zu lesen. Nichts zu lesen gibt es über die Schwierigkeiten und die traurige Vorgeschichte ungeeigneter Software bei dem Pilotprojekt SolumSTAR, das eine elektronische Erfassung der Grundbuchakten aus genau demselben Grunde so schwierig macht, den die Landesregierung schon für das automatisierte Mahnverfahren zu erwähnen vergaß: weil die Schwierigkeiten einer automatisierten Texterkennung eine mühsame Eingabe von Hand erforderlich machen und die Grundbuchblätter nur als Bilddatei gespeichert werden. Mit anderen Worten: Als in Sachsen das 1 000 000. elektronische Grundbuchblatt gefeiert wurde, stritten wir uns in Brandenburg noch über die Software. An anderer Stelle und reichlich versteckt in der Antwort zu Frage 21 c heißt es daher auch, das System SolumSTAR biete eine tragfähige Basis, die aber systematisch auszubauen sei. - Das ist nun wirklich eine schöne Formulierung. Ein Laie in Sachen Politiksprache oder ein kundiger Rechtspfleger hätte es wohl anders ausgedrückt. Vielleicht so: Das ist total unausgereift und funktioniert so noch lange nicht.
Nach den Schöffenwahlen im Jahr 2004 haben die Interessenvertreter der Laienrichterschaft die unzureichenden Bemühungen der Regierung gerügt, das Amt des Laienrichters für Bürgerinnen und Bürger interessant zu machen. Auch in Brandenburg haben wir zunehmend Schwierigkeiten, genügend Laienrichter zu finden; dabei benötigen wir sie dringend zur Aufrechterhaltung der Rechtsprechungsaufgaben. Unsere Frage 23 untersuchte die dazu möglichen zusätzlichen Anstrengungen. Wir erfuhren, dass die Landesregierung dabei alles richtig gemacht hat. Sie hat in Vorbereitung der Schöffenwahl 2004, um das Amt des Schöffen endlich bekannter und interessanter zu machen, wie bei jeder Wahl zuvor in einigen kommunalpolitischen Zeitschriften einen Aufruf verfasst, wie bei jeder Wahl zuvor ein Rundschreiben an die Landräte und Oberbürgermeister herausgegeben, wie bei jeder Wahl zuvor eine Presseerklärung veröffentlicht und eine Broschüre aus der alten Wahl aktualisiert und in sagenhaften 5 000 Exemplaren auslegen lassen. Die Landesregierung hat also 2004 alles wie immer gemacht, um dafür zu sorgen, dass 2004 alles anders wird.
Den Rest der Antwort sollten Sie unbedingt in Ruhe und für sich lesen. Sie gibt meine Kritik treffend wieder. Sie werden bei der Lektüre feststellen, dass sogar ein x-beliebiger Auftritt des Staatssekretärs am Rande einer Konferenz der Landräte nachträglich zu einem unvergesslichen und brennenden Bekenntnis für das Schöffenamt verwurstet wurde. Stellen Sie sich vor, die Landesregierung hätte geantwortet: Ja, wir wissen, es gab Kritik, die auch nicht ganz unbegründet war. Wir denken daran, bei der nächsten Schöffenwahl eine größere Aktion gemeinsam mit dem Rundfunk und den Printmedien zu machen, weil uns dieses Ehrenamt so wichtig ist. - Das wäre doch einmal ein sympathisches Eingeständnis gewesen. Meinen Sie, wir hätten deswegen heute den Rücktritt der Justizministerin gefordert? - Wer sagt, er mache immer alles richtig, setzt sich dem begründeten Verdacht aus, er mache vieles falsch.
Mit unserer Frage 61 erkundigten wir uns nach der Zielstellung, die die Landesregierung mit den Sozialen Diensten der Justiz verbindet. Wir fragten also nach den Gestaltungsabsichten, die man mit den Sozialen Diensten verfolgt, was diese leisten sollen und welchen Stellenwert deren Arbeit für die Bewäh
rungshilfe, die Gerichtshilfe und den Täter-Opfer-Ausgleich hat. Ich zitiere die Antwort:
„Die Sozialen Dienste der Justiz sind eine starke Säule der staatlichen sozialen Strafrechtspflege des Landes Brandenburg und leisten durch ihre Arbeit mit straffälligen Menschen einen wesentlichen Beitrag zur Resozialisierung dieser Menschen und damit zum Schutz der Bürger.“
Ich meine, dass dieser schöne und unbedingt wahre Lobspruch in den vielen Dienststellen der Sozialen Dienste im Land an der Wand hängen sollte.
In der Beantwortung der sehr präzisen Frage 62 musste die Regierung dann allerdings einräumen, dass all diese vielen Dienststellen im Land im Ministerium lediglich von einem Referatsleiter und einem Sachbearbeiter - beide in Teilzeitarbeit - angeleitet und geführt werden. Die zugrunde liegende Wochenstundenzahl verschwieg die Regierung lieber gleich, räumte aber ein, der bestehende Zustand der Aufsicht sei unbefriedigend.
Die Landesregierung räumte in Beantwortung der Frage 66 weiter ein, dass die „starke Säule“ für ihren so wesentlichen Beitrag zur Strafrechtspflege nur völlig veraltete Computertechnik zur Verfügung habe. Bis zum August 2007 hatten die Dienste nicht einmal eine Computeranbindung an das Landesverwaltungsnetz, und heute teilen sich jeweils alle Mitarbeiter einer Dienststelle einen PC in der Schreibstelle für die Verwendung des Internets, den sie für ihre Arbeit aber dringend brauchen. Für eine „starke Säule“ ist das eine schwache Leistung der Regierung.