Begrüßen Sie bitte mit mir zusammen recht herzlich unsere Gäste. Es sind Senioren der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. - Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!
Zu Beginn der Sitzung habe ich einige Bemerkungen zur Tagesordnung zu machen: Der Antrag „UN-Konvention für Menschen mit Behinderung“ in der Drucksache 4/4236 ist von den Antragstellern zurückgezogen worden. Stattdessen soll ein neuer Punkt 5 zusätzlich in die Tagesordnung aufgenommen werden: 2. Lesung des Gesetzes zur Aufbewahrung von Schriftgut der Justiz des Landes Brandenburg. Es wurde vereinbart, diesen Punkt ohne Debatte zu behandeln.
Außerdem soll ein neuer Punkt 6 in die Tagesordnung aufgenommen werden: 2. Lesung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Juristenausbildungsgesetzes. Hierzu wurde die Redezeitvariante I vereinbart.
Wenn Sie gewillt sind, nach der so geänderten Tagesordnung zu verfahren, bitte ich Sie um Ihr Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen oder Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.
Minister Schönbohm wird heute ganztägig von Ministerin Blechinger vertreten. Außerdem haben einige Abgeordnete aus unterschiedlichen Gründen ihre Abwesenheit signalisiert.
Thema: Die aktuellen Entwicklungen auf den Finanzmärkten und ihre möglichen Konsequenzen für Brandenburg
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob an der Werkbank, im Familienkreis, in allen Medien - das bestimmende Thema, die bestimmende Schlagzeile ist seit Wochen und Monaten die Krise im internationalen Bankensystem. Seit mehreren Tagen und Wochen ist auch klar: Es ist keine Krise in ferner Übersee; es ist real auch eine Krise in Europa, in Deutschland und im Bankensystem in Brandenburg angekommen. Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert. Ich sage das ganz offen: Nie war es für die Politik, für den Staat wichtiger, mit Eingriffen und harten Konsequenzen dafür zu sorgen, dass die Spareinlagen sicher sind, egal, ob vom Stahlarbeiter, der Verkäuferin, dem Rentner, also von allen Bürgerinnen und Bürgern in Brandenburg, Deutschland und Europa.
Eine sehr klare Aussage möchte ich an den Beginn der Aktuellen Stunde hier im Parlament Brandenburg stellen: Alle Girokonten, Konten und Spareinlagen von Handwerkern, Arbeitern, Angestellten oder Rentnern sind abgesichert, und zwar sowohl vom deutschen Sicherungsfonds als auch vom Staat Bundesrepublik Deutschland. Diese klare Aussage ist, glaube ich, eine ganz wesentliche Grundlage für die heutige Debatte, die weder zum Parteienstreit noch zur politischen Profilierung geeignet ist.
Es geht jetzt darum, die Lage in Brandenburg mit Blick erstens auf die brandenburgische Wirtschaft, zweitens auf den brandenburgischen Landeshaushalt und drittens auf alle Bürgerinnen und Bürger zu beschreiben und die notwendigen weiteren Schlussfolgerungen im Rahmen unserer Möglichkeiten zu ziehen.
Es stellt sich vorab aber schon die schlichte Frage: Wie konnte es zu einer weltweiten Krise dieses gigantischen Ausmaßes kommen? Ursprung und Schwerpunkt der Probleme liegen eindeutig in den USA. Die Ursachen dieser Weltfinanzkrise sind vielfältig. Nach dem 11. September 2001 wurde sehr viel billiges Geld auf den Markt geworfen. Dieses Geld bekamen offenkundig auch Leute, die eine relativ schlechte Bonität, sprich: keine wirklichen Sicherheiten in der Tasche hatten. Gegenwerte gab es also kaum. So schwoll die Immobilienblase an. Bei den Banken begann ein Rattenrennen um Gewinnmargen. Die Spekulation ist auf diese Weise komplett aus dem Ruder gelaufen.
Offenkundig haben aber auch die Heizer auf den Finanzmärkten ihre eigenen, persönlichen Provisionen und auch Bonuszahlungen weit über die Interessen ihrer jeweiligen Bank und - so sage ich ganz bewusst - über die Interessen der kleinen Anleger und Sparer gestellt. Gier, meine Damen und Herren, ist der eigentliche Auslöser dieser Finanzkrise.
Heute, im Oktober 2008, geht es nicht nur um die Rettung einzelner Banken, sondern um die Rettung des gesamten Finanzsystems; denn weil Banken ihre ganz eigenen Risiken mehrfach um den Globus herum versichert haben, ist der Dominosteineffekt auch um den Globus herum wirksam. Ich nenne das ein „System organisierter Verantwortungslosigkeit“.
Es ist bitter, dass die Verantwortlichen für Verluste und den Abbau von Arbeitsplätzen nicht persönlich haftbar gemacht werden, es ist bitter, dass der Bankensektor bislang keine klaren Regeln für den internationalen Geldverkehr hatte, und es ist bitter, dass Banken in aller Welt von Steueroasen aus Geschäfte machen können, die keiner Aufsicht und keiner Kontrolle bei der Kreditvergabe unterliegen. Das ist bitter!
Die deutsche Hypo Real Estate hat sich nicht auf dem USMarkt verspekuliert, nein, sie ist schlicht nicht mehr an Geld gekommen. Sie hat keine Darlehen mehr bekommen, um ihre langfristigen Verbindlichkeiten zu erfüllen. In der Folge ist sie nahezu zahlungsunfähig geworden. Damit drohte der Zusammenbruch der Finanz- und Interbankengeschäfte, das heißt schlicht und ergreifend der Zusammenbruch des Geldverkehrs zwischen den einzelnen Bankhäusern.
Die Bundesregierung musste einschreiten, um eine Krise des Vertrauens in den Bank-zu-Bank-Geschäften zu verhindern. Dabei wurden in erster Linie Bürgschaften ausgesprochen, die
für den Fall, dass die Hypo Real Estate zahlungsunfähig werden sollte, gezogen werden. Bisher musste zum Glück aber noch keine Bürgschaft zum Tragen kommen. Allein die ausgesprochene Bürgschaft reichte bisher aus; öffentliches Geld ist noch nicht geflossen.
Weitere Lösungsansätze für die internationalen Finanzmärkte sind die Aufkäufe von Anteilen der Banken. Diese werden zum großen Teil als „Verstaatlichung“ bezeichnet. Das ist eigentlich irreführend; denn es soll keine Mehrheit an einer Bank übernommen werden. Bisher ist der Plan so nicht. Große Verstaatlichungen wie in Großbritannien und Island sind für Deutschland bislang nicht beabsichtigt. Steinbrücks Vorschlag beinhaltet momentan lediglich, Anteile von Banken zu erwerben. Dadurch wird die Eigenkapitalbasis der Banken gestärkt und auch die Vertrauenskrise abgemildert.
Bei dieser Investition ist aber auch klar - das sage ich als Sozialdemokrat für unsere Fraktion unmissverständlich -: Wer für die Verluste haftet, der hat auch einen Anspruch auf Gewinne, so groß oder so klein sie auch immer sein mögen.
Allzu lange wurden die Deutschen von den USA und Großbritannien für ihre Bausparermentalität belächelt.
Heute erweist sich gerade diese deutsche Bausparermentalität als eine sehr wichtige Stütze in unserem Markt. Heute erweist sich unser breites Bankenspektrum im Dreiklang von Privatbanken, Genossenschaftsbanken und vor allen Dingen den Sparkassen als eine wirklich wichtige Stütze auch und gerade in Brandenburg - wichtige Stütze für Spareinlagen, wichtige Stütze für den Mittelstand und auch wichtige Stütze für das Handwerk.
Brandenburg hat ein dreisäuliges Bankensystem, das in unserem Bundesland nicht von einer Landesbank dominiert wird. Die Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken erfüllen auf allen Geschäftsfeldern auch alle Geschäftsmodelle in ihrer Bankenfunktion; im Übrigen anders als in den USA, wo genau Spartenbanken zum Zusammenbruch des Finanzsystems geführt haben, weil sie eben nicht in verschiedenen Feldern agiert, sondern sich nur von Hypotheken oder eben nur von anderen Finanzmarktgeschäften ernährt haben.
Bei den Sparkassen in Brandenburg und in Ostdeutschland konzentrieren sich die Hälfte der Spareinlagen und ein Drittel der Kredite aller Brandenburgerinnen und Brandenburger. Dies verdeutlicht den starken regionalen Bezug unserer Sparkassen in Ostdeutschland und die Verankerung unserer Sparkassen in allen Regionen des Landes: in allen Landkreisen, in allen Gemeinden, bei allen Handwerkern, bei allen Kunden. Mein Fazit: Die brandenburgischen Sparkassen sind gerade jetzt in der weltweiten Krise ein wichtiger Pfeiler.
Meine Damen und Herren, ich möchte nur kurz Folgendes in Erinnerung rufen - dies muss heute von diesem Pult aus auch einmal möglich sein -: Bis vor kurzem hat uns die Privatwirtschaft der Banken in Brüssel sowohl auf politischem als auch auf juristischem Weg dazu genötigt oder zumindest den Versuch unternommen, das Sparkassenwesen in Deutschland komplett zu Fall zu bringen. Wie wichtig die Entscheidung und das Gegenhalten von Gerhard Schröder und im Übrigen auch von
anderen politischen Größen war, zeigt sich heute in der Krise als ein sehr wichtiger Eckpfeiler und als eine Stütze. Die Privatbanken selbst, die damals gesagt haben: Der Staat soll raus!, kommen jetzt unter die Decke des Staates gekrochen. Das verwundert schon sehr, meine Damen und Herren.
Im Übrigen obliegt die Bankenaufsicht der Sparkassen dem Finanzminister im Land Brandenburg. Oberster Sparkassenwächter ist Finanzminister Rainer Speer.
Ein zweiter wichtiger Pfeiler, den ich benennen möchte, ist die Investitionsbank des Landes Brandenburg, abgekürzt: die ILB. Sie ist - das war politisch so gewollt - eine reine Fördermittelbank, keine Geschäftsbank. Gerade jetzt erweist sich diese Entscheidung aus den 90er Jahren als eine wesentliche und richtige Entscheidung hier im Land Brandenburg. Deshalb sind die Auswirkungen der globalen Bankenkrise für die ILB bislang nicht beunruhigend.
Im Gegenteil: Die ILB stellt erhebliche finanzielle Mittel aus Förderprogrammen der Europäischen Union, des Bundes und auch des Landes Brandenburgs zur Verfügung. Nicht selten, meine Damen und Herren, kofinanzieren die Sparkassen sehr zuverlässig diese Kredite, nicht selten sind es die Sparkassen, die die Kredite bewilligen und landauf und landab auch Investitionen damit sichern. Dies wird auch in Zukunft so bleiben.
Wir machen uns vielmehr Sorgen, dass sich mit der Bankenkrise im Schlepptau im Land des amtierenden Exportweltmeisters - nämlich hier in Deutschland - die Konjunktur abkühlt. Die Zahlen, die gestern über die Medien gegangen sind und die seit Monaten nach unten revidiert werden, sind sehr besorgniserregend. Wir haben in Brandenburg inzwischen auch eine sehr exportorientierte Wirtschaft; im Vergleich zum bundesdeutschen Durchschnitt zwar immer noch auf niedrigem Niveau, aber im letzten Jahr ist das Exportvolumen um insgesamt 16 % angewachsen und umfasst derzeit Waren im Wert von etwa 6 Milliarden Euro.
Motoren für die brandenburgische Wirtschaft sind unter anderem Turbinenhersteller, Automobilzulieferer, Stahlproduzenten und letztlich auch Exporteure von Papier. Wir gehen davon aus, dass zumindest die exportorientierten Unternehmen natürlich an die Weltmärkte gekoppelt sind und mit dieser Entwicklung, die für das Land Brandenburg extern und nicht beeinflussbar ist, umgehen und in diesem Sinne haushalten müssen. Deshalb unsere Schlussfolgerung: Für die nächsten Monate brauchen wir weiterhin eine sehr gezielte Investitionspolitik, wie wir sie seit Jahren in Brandenburg betreiben, und wir werden sie auch fortführen.
Wirtschaftliche Impulse, meine Damen und Herren, sind für uns Sozialdemokraten aber auch immer mit gesellschaftlichem Fortschritt verbunden. Ich sage an dieser Stelle ganz bewusst: Zusätzliches und extremes Sparen wäre in dieser Situation der falsche Weg. Unsere Investitionen in Bildung, Forschung, Wissenschaft und Klimaschutz stützen auch weiterhin die Wirtschaft und sind wichtige Grundlagen für das Überleben und Überstehen der Krise. Nur dadurch kann die Abschwungphase verkürzt und die Verschuldungsgefahr für den Landeshaushalt abgemildert werden. Steuerausfälle und soziale Transfers müssen möglichst gemildert werden. Dies schafft Vertrauen und Planungssicherheit und unterstützt mit großer Sicherheit auch den Wirtschaftsstandort Brandenburg.
Was die brandenburgische Wirtschaft jetzt aber dringender denn je braucht, meine Damen und Herren, sind Aufträge und Investitionen.
Der Doppelhaushalt des Landes Brandenburg, der für 2008 und 2009 verabschiedet ist, sichert ein Investitionsvolumen von mehr als 3 Milliarden Euro zu. Diese 3 Milliarden Euro stehen im Haushalt. An denen wird nicht gerüttelt. Die mehr als 3 Milliarden Euro stehen uneingeschränkt zur Verfügung. Sie fließen über die ILB, über die Landkreise und über die Gemeinden in die Auftragsbücher heimischer Investoren im Handwerk und auch im Mittelstand.
Meine Damen und Herren, unser Fazit. Erstens: Die Konten und Spareinlagen der Brandenburgerinnen und Brandenburger sind abgesichert. Zweitens: Stabilisierend für die heimische Wirtschaft wirken drei Faktoren: die brandenburgischen Banken - insbesondere die Sparkassen -, unsere Förderbank, die ILB, sowie mehr als 3 Milliarden Euro Investitionen im eigenen Landeshaushalt. Jetzt muss mit dem Paket der Bundesregierung der Geldmarktverkehr wieder angekurbelt werden. Es besteht kaum ein Zweifel, dass dies gelingen wird.
Viele Länder in Europa und in Übersee vollziehen die gleichen Schritte. Die ersten Reaktionen der Börse sind zumindest positiv. Die langfristigen Folgen für unsere Konjunktur und die damit verbundenen langfristigen Folgen für unsere Steuereinnahmen sind zum heutigen Zeitpunkt noch nicht seriös zu prognostizieren.
Ich will an dieser Stelle allerdings auch daran erinnern, dass der Landeshaushalt in Brandenburg zu etwa 50 % fremdfinanziert ist, das heißt, aus Mitteln der Geberländer und aus dem Länderfinanzausgleich.
Ich möchte an dieser Stelle Folgendes noch einmal sehr klar unterstreichen. Erstens: Wir unterstützen ausdrücklich die konzertierte Aktion des Bundes und der Länder zur Überwindung der Bankenkrise. Zweitens: Wir erwarten eine Verständigung bis zum Freitag dieser Woche in der Länderkammer. Ich gehe davon aus, dass die Verhandlungen, die zur Stunde laufen, zum Erfolg führen werden.
Für die brandenburgische Förderbank und für die brandenburgischen Sparkassen stehen wir ein, so, wie wir es auch in der vergangenen Zeit immer wieder unterstrichen haben - jetzt und auch künftig. Wie auch immer die Verhandlungen in der Länderkammer am Freitag ausgehen werden: Brandenburg wird seinen Beitrag leisten, aber nur im Rahmen unserer Möglichkeiten und im Rahmen des Schutzes unserer eigenen Banken, unserer Förderbank und der Sparkassen in Brandenburg.
Eines, meine Damen und Herren, ist aber klar - ich möchte das an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich unterstreichen -: Ein „Weiter so!“ auf den internationalen Finanzmärkten kann es nicht geben. Ich sage ganz bewusst: Der Blick in den Abgrund war an dieser Stelle viel zu tief. Sollte sich Brandenburg an dem Paket beteiligen, wäre das allein im Interesse des Landes Brandenburg zu vertreten. Es muss also zu einer Verständigung kommen; denn ein Scheitern können wir uns alle nicht leisten.
Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Es geht bei der Überwindung dieser Krise ausschließlich um die Interessen
der Bürgerinnen und Bürger, der Handwerker, der Unternehmer. Es geht nicht um den Schutz der Banken oder deren Interesse. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Stunde hat eine doppelte Aufgabe. Erstens sollen wir politisch und fachlich das bewerten, was die Bundesregierung vorgelegt hat, und zwar mit den Auswirkungen auf die Situation im Land Brandenburg. Zweitens leisten wir heute auch einen Beitrag zur Erklärung von Vorfällen, die von großen Teilen der Bevölkerung selbstverständlich nicht mehr nachvollzogen werden können.