Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer heutigen Landtagssitzung.

Anlässlich des Weltbehindertentages, der am 03.12.2007 begangen wurde, begrüße ich vor allem unsere gehörlosen Besucher. Zugleich äußere ich die Bitte an die Abgeordneten und an die Landesregierung, deutlich und nicht zu schnell zu sprechen, sodass der Gebärdendolmetscher das Gesprochene übersetzen kann. - Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße den Marschall der Woiwodschaft Westpommern, Herrn Norbert Obrycki, der als Gast der CDU-Fraktion an unserer Landtagssitzung teilnimmt.

(Allgemeiner Beifall)

Ich informiere Sie darüber, dass die Änderungsanträge, die Ihnen in den Drucksachen 4/5631 und 4/5632 vorliegen - beide wurden von der DVU-Fraktion eingebracht -, vom Antragsteller zurückgezogen wurden.

Zum Entwurf der Tagesordnung gab es Vorabstimmungen. Ich frage Sie: Gibt es darüber hinaus Abänderungswünsche? - Der überarbeitete Entwurf liegt Ihnen vor. Wenn Sie ihm zustimmen wollen, bitte ich um das Handzeichen. - Herzlichen Dank. Somit können wir danach verfahren.

Am heutigen Vormittag und Nachmittag sind einige Minister nicht anwesend. Herr Minister Schönbohm lässt sich bis 11 Uhr entschuldigen. Er wird durch Frau Ministerin Blechinger vertreten. Herr Minister Dellmann ist ab 13 Uhr nicht mehr anwesend und wird von Herrn Minister Dr. Woidke vertreten.

Zudem haben sich einige Abgeordnete aus verschiedenen Gründen ganztägig entschuldigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 4/5540

Es liegen mündliche Anfragen vor. Frau Lehmann erhält die Gelegenheit, die Frage 1525 (Förderprogramme zur beruflichen Integration behinderter Menschen) zu formulieren.

In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Programme auf Bundes- und Landesebene, die auf eine bessere Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen außerhalb von Werkstätten für behinderte Menschen abzielten. Es war zu beobachten, dass ihr Erfolg mitunter auf die Laufzeit begrenzt blieb. Nach Auslaufen der Förderung stieg die Zahl der Menschen mit schweren Behinderungen in Arbeitslosigkeit eher wieder an. In ihrer Koalitionsvereinbarung vom 11.11.2005 hat die Bundesregierung die Zielstellung verbesserter Beschäfti

gungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen bekräftigt. Seit Anfang dieses Jahres läuft das Programm „Job4000“ als neuer Bestandteil der im Jahr 2004 gestarteten Initiative „job - Jobs ohne Barrieren“.

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung: Mit welchen Erwartungen verknüpft sie die laufende Berufsförderung „Job4000“ und die Gesamtinitiative „job - Jobs ohne Barrieren“ mit Blick auf die Beschäftigungsperspektiven von Menschen mit Behinderungen in Brandenburg?

Herzlichen Dank. - Frau Ministerin Ziegler antwortet auf diese Frage.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Abgeordneten! Zur Unterstützung einer tatsächlichen Verbesserung der Teilhabechancen behinderter und schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt koordiniert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales seit Mitte 2004 die Initiative „job - Jobs ohne Barrieren“ - Initiative für Ausbildung und Beschäftigung behinderter Menschen sowie betriebliche Prävention.

Die Initiative war zunächst bis zum 31. Dezember 2006 befristet. Aufgrund des nach wie vor sehr hohen Informationsbedarfs über die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine chancengleiche Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und der Notwendigkeit, praktische Beispiele gelungener Umsetzungen auf betrieblicher Ebene bekannt zu machen, wird die Initiative bis Ende des Jahres 2010 fortgesetzt.

Im Rahmen dieser Initiative wurde unter anderem das Projekt „Koordinierungsstelle für betriebliche Ausbildung behinderter Jugendlicher in Berlin und Brandenburg“ des DGB Bildungswerks Berlin-Brandenburg gefördert. Diese hatte das grundlegende Ziel, zu einer spürbaren Verbesserung der Ausbildungssituation behinderter Jugendlicher in Berlin und Brandenburg beizutragen, indem außerbetriebliche Ausbildungen in die Betriebe verlagert wurden. Dafür wurden durch den Projektträger Anstrengungen unternommen, betriebliche Interessenvertretungen und Arbeitgeber zu motivieren, sich betriebliche Ausbildungsziele für behinderte Jugendliche vorzunehmen und auch tatsächlich umzusetzen. Insbesondere waren kleine und mittlere Unternehmen in die Bemühungen einbezogen. Zudem wurden die regionalen Akteure - unter anderem die Kammern, die Arbeitsverwaltungen, die Integrationsämter, die Integrationsfachdienste, die Arbeitgeberverbände und die Schulen besser als bisher vernetzt.

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen aus den Projekten und Aktivitäten der Initiative wurde seitens des Bundes das Programm „Job4000“ ins Leben gerufen, das Bestandteil dieser Initiative ist. Gestartet wurde dieses Programm am 1. Januar 2007. Es setzt sich aus drei Säulen - Arbeit, Ausbildung und Unterstützung - zusammen und verfolgt das Ziel, bundesweit für 1 000 besonders betroffene schwerbehinderte Menschen zusätzliche Arbeitsplätze und für 500 schwerbehinderte Jugendliche neue betriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Zudem sollen die Integrationsfachdienste bundesweit 2 500 schwerbehinder

te Menschen auf ihrem Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen.

Mit dem Programm können im Land Brandenburg im Zeitraum von 2007 bis 2011 insgesamt 28 neue Arbeitsplätze und 14 neue betriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden sowie 71 behinderte Menschen eine Unterstützung durch einen Integrationsfachdienst erhalten.

Speziell bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze wird durch das Land Brandenburg das Ziel verfolgt, den Übergang aus einer Werkstatt für behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen. Aus Mitteln des Integrationsamtes wird das Programm vonseiten des Landes mit 570 000 Euro kofinanziert. Bei der Umsetzung der Jobinitiative „job - Jobs ohne Barrieren“ verfolgt die Landesregierung natürlich das Ziel, das Thema der Integration von schwerbehinderten Menschen in Arbeit und Ausbildung stärker als bisher in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die Ziele für 2007, fünf Ausbildungsplätze und zehn Arbeitsplätze zu schaffen, sind erfüllt worden.

In letzter Sekunde wurde eine Nachfrage angemeldet. Frau Kolodzeike, bitte schön!

Frau Ministerin, Sie kennen sicherlich die Statistik der Arbeitsagentur. Für den Zeitraum März bis November dieses Jahres gab es einen Anstieg der Zahl der schwerbehinderten Arbeitsuchenden von rund 7 %. Meine Frage hierzu lautet: Wird es im Land Brandenburg eigene und stetige Landesprogramme geben, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Die Vermittlung von schwerbehinderten Arbeitslosen ist natürlich auch eine Aufgabe in den ARGEn, in den zkT und der BA. Wie Sie wissen, haben wir keine speziellen Programme für schwerbehinderte Menschen aufgelegt, sondern Programme für Nichtleistungsbeziehende, egal, ob sie schwerbehindert sind oder nicht. Was im Arbeitsmarktprogramm künftig enthalten sein wird, betrifft auch die schwerbehinderten Menschen. Aber es gibt keine gesonderten Programme für diese, wie Sie in den Haushaltsverhandlungen zur Kenntnis nehmen konnten.

Ich sage deutlich: Wir kennen dieses Problem und wirken auch bei Ansiedlungsvorhaben darauf hin. Der Wirtschaftsminister und ich haben uns gerade mit der Bilanz, was die gemeinsame Ansiedlungsbetreuung von ZAB und LASA angeht, beschäftigt. Es ging dabei unter anderem um das Ansiedlungsvorhaben der First Solar in Frankfurt (Oder). Dort wurde noch einmal deutlich, dass nicht nur Facharbeiter gesucht wurden, sondern auch Langzeitarbeitslose und schwerbehinderte Menschen eingestellt wurden. Das Wirtschaftsministerium und das Arbeitsministerium legen sehr großen Wert auf diese Politik.

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Das Wort erhält die Abgeordnete Kaiser. Sie stellt die Frage 1526 (Zuschuss zum Mitta- gessen für Kinder).

Der Kinderschutzbund machte dieser Tage erneut darauf aufmerksam, dass in ganz Deutschland die Kinderarmut wächst. Jedes sechste Kind in Deutschland lebe in einer Familie, die Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz erhält. Erfreulich ist, dass die Kommunen offenbar ein hohes Problembewusstsein haben. So gewähren eine Reihe von Kreisen und Gemeinden Zuschüsse, damit Kinder aus diesen Familien an der Mittagsversorgung in Kindertagesstätten und Schulen teilnehmen können. Aus dem Regelsatz sind die Kosten dafür nicht finanzierbar.

Die Landeshauptstadt Potsdam kommt nach einer rechtlichen Prüfung des Sachverhalts zu dem Ergebnis: Eine vollständige Kostenerstattung führe „... zu einer Anrechnung des Zuschusses auf das Einkommen der Eltern, sodass sich die Ansprüche auf Sozialleistungen dementsprechend reduzieren.“ Ein Vorteil für die bedürftigen Familien sei demzufolge nicht zu erwarten.

Meine Frage lautet: Teilt die Landesregierung die Rechtsposition, wonach die Gewährung von Zuschüssen für das Mittagessen in Kindertagesstätten und Schulen oder für ähnliche Zwecke zu einer Verrechnung mit den Sozialleistungen führen muss?

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält nochmals Frau Ministerin Ziegler.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Zunächst begrüßt die Landesregierung sehr wohl die Bestrebungen der Landeshauptstadt Potsdam und anderer Kommunen, die Ausgabe von kostenlosem Schulessen an Kinder aus bedürftigen Familien einzuführen. Grundsätzlich fallen solche Zuschüsse nach der derzeitigen Rechtslage - die kann man nicht interpretieren, sondern sie ist, wie sie ist - regelmäßig unter den sozialrechtlichen Einkommensbegriff. Bei Leistungsempfängern nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wäre mithin immer eine Anrechnung zu prüfen.

Die konkreten Überlegungen der Landeshauptstadt Potsdam und die dort in Erwägung gezogenen Handlungsalternativen unterliegen also nicht der Überprüfung durch die Landesregierung. Seitens der Landeshauptstadt wird auf die derzeit nur im Entwurf vorliegende Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, verwiesen. Danach soll ab dem 1. Januar 2008 für den Personenkreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB II unter anderem die Frage der Nichtanrechnung bereitgestellter Verpflegung geregelt werden. Für den berechtigten Personenkreis stellt dann dieser hoffentlich in Kraft getretene Verordnungsentwurf eine Erleichterung und Verbesserung dar.

Ich möchte aber ergänzen, dass auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz am 15. und 16. November dieses Jahres ein Beschluss aller Ministerinnen und Minister sowie Senatorinnen und Senatoren gefasst wurde, nach dem die Länder einheitlich

die Auffassung vertreten, dass die Regelleistung für Kinder nach dem SGB XII sowie nach dem SGB II neu zu bemessen und als Grundlage dafür eine spezielle Erfassung des Kinderbedarfs vorzusehen ist. Außerdem soll geprüft werden, in welchen Bereichen Sachleistungen besser als Geldleistungen eine chancengerechte Teilhabe der Kinder am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

Herzlichen Dank. Es gibt Nachfragen. - Frau Abgeordnete Kaiser, bitte schön.

Ich habe drei Nachfragen.

Die erste bezieht sich auf die Änderung der Rechtslage bzw. auf den neuen Regelsatz, den Sie ansprachen. Wann rechnen Sie mit einer verbindlichen Änderung zugunsten der betroffenen Kinder, die in Armut leben, angesichts der Tatsache, dass wir über dieses Thema bereits mehrere Monate im Gespräch sind? Sie sagen immer, dass es geprüft wird und beabsichtigt ist.

Die zweite Frage: Wäre es angesichts der Tatsache, dass bei der jetzigen Rechtslage offensichtlich in den Kommunen ausgerechnet die Kinder, die es am nötigsten hätten, eben nicht in den Genuss von sozialen Leistungen kommen, nicht wichtig, dass wenigstens an alle ein Zuschuss gezahlt werden kann, der die Differenz zwischen dem Regelsatz und den tatsächlichen Kosten des Mittagessens ausgleicht? Wir wissen, dass im Regelsatz nur 1 Euro für ein Mittagessen vorgesehen ist, was niemals kostendeckend für das Schulessen ist.

Die dritte Frage: Sehen Sie nicht auch eine landeseinheitliche Regelung als die günstigste Lösung an, damit alle betroffenen Kinder diesen Zuschuss zum Mittagessen erhalten?

Vielen Dank, Frau Abgeordnete, dass Sie mir die Gelegenheit geben, einiges richtigzustellen. Die Frage, wann diese Überprüfung durch den Bund erfolgt, kann ich heute von dieser Stelle aus nicht beantworten; denn es liegt nicht in meiner Verantwortlichkeit. Wir drängen darauf. Dieser Beschluss ist in der Ministerkonferenz gefällt worden, und wir drängen permanent auf die Umsetzung unserer Beschlüsse; davon können Sie ganz fest ausgehen. Uns liegt sehr wohl daran, dass unseren Kindern die Chancengleichheit gewährt wird, die sie verdienen. Das wird von allen, über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg, gleichermaßen so gesehen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Ab Januar, wenn die Richtlinie in Kraft tritt, wird es eine Lösung dahin gehend geben, dass es nicht angerechnet wird und die Kommunen in ihrer Hoheit diese Zuschüsse, die Sie ansprachen, gewähren können.

Zu Ihrer dritten Frage: Ich wünsche mir eine Bundeseinheitlichkeit. Es darf nicht sein, dass in Bayern die Chancengleichheit anders gewährleistet wird als in Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg. Deshalb drängen wir auf eine Bundesregelung. Deshalb hatte ich den Beschluss der Ministerinnen und Minister vorgelesen, den wir gefasst haben. Das ist für uns ganz

wesentlich. Wir müssen verhindern, dass es einen Wettlauf darum gibt, wer der beste Sozialpolitiker in Deutschland ist, sondern im Sinne der betroffenen Kinder und Familien muss es darum gehen, zu sortieren, welche Aufgaben der Bund, welche das Land und welche die Kommunen übernehmen.

Solange die Regelsätze der Kinder nur prozentual von denen der Erwachsenen abhängen - in dem Regelsatz werden auch prozentual der Tabak- und Alkoholkonsum mitberechnet -, ist das nicht richtig. Deshalb haben wir uns auch gegen diesen prozentualen Regelsatz gewandt und gesagt: Es muss ein bedarfsgerechter Satz, der den Bedürfnissen der Kinder in jeder Altersgruppe entspricht, gefunden werden. Darauf drängen wir auch.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Aber die Zeit drängt, Frau Ministerin!)

- Da haben Sie Recht.

Herr Holzschuher hat auch eine Frage. Bitte sehr.

Frau Ministerin, in der Anfrage der Kollegin Kaiser ist ein Satz enthalten, der etwa lautet: Aus dem Regelsatz sind die Kosten für die Mittagsversorgung nicht finanzierbar. - Das klingt fast so, als wäre der Regelsatz nicht hinreichend, um den Kindern ein ordentliches Mittagessen zu gewähren.